„Fundamentalismus“ ist ein Begriff der seit den Anschlägen auf das World Trade Center am 11. September 2001 in aller Munde ist. Meist begegnet er uns im Zusammenhang mit radikalen Islamisten, die Selbstmordattentate und Terroranschläge überall auf der Welt planen und durchführen. Doch in jüngster Vergangenheit tritt eine Veränderung in der Verwendung des Begriffs auf. Protestantische Gruppen in den USA bekommen den Zusatz „fundamentalistisch“. Sogar der Präsident der Vereinigten Staaten George W. Bush wird in eine Linie mit christlichen Fundamentalisten gestellt. Besonders im Zusammenhang mit dem gegenwärtigen Irakkonflikt spielt dieses Thema in den Medien und in der Öffentlichkeit eine große Rolle.
Diese Hausarbeit beschäftigt sich mit der Herkunft, Geschichte und Verwendung des Begriffs „Fundamentalismus“. Was war damit ursprünglich gemeint und wie wird dieser Begriff in der Religionsgeschichte und in der Sozialwissenschaft definiert? Nach der Analyse des Begriffs frage ich nach der Funktion und der Faszination des Phänomens Fundamentalismus. In einem nächsten Teil stelle ich die geschichtliche Entwicklung des protestantischen Fundamentalismus in den USA bis in die Gegenwart dar. Anschließend wird die Vernetzung von religiösem Fundamentalismus und Politik am Beispiel der Vereinigten Staaten untersucht. Hierbei wird die aktuelle politische Lage des Irakkrieges eine Rolle spielen. In ei nem abschließenden Punkt soll versucht werden eine Profilskizze fundamentalistischer Mentalität zu erstellen. Gibt es Gemeinsamkeiten zwischen Menschen, die sich fundamentalistischen Gruppen anschließen? Auch in diesem Punkt soll ein aktuelles Beispiel Verwendung finden.
Gliederung:
1. Einleitung
2. Geschichte und Verwendung des Begriffs
2.1. Allgemein
2.2. Religionsgeschichtlich
2.3. Sozialwissenschaftlich
3. Fundamentalismus – Funktion und Faszination
4. Geschichte des protestantischen Fundamentalismus in den USA bis
5. Gegenwärtiger protestantischer Fundamentalismus in den USA
6. Protestantischer Fundamentalismus und Politik
6.1. Fundamentalismus in der Politik der USA am Beispiel der Golfkrise
6.2. Vergleich mit der Politik im gegenwärtigen Irakkrieg
6.3. Die Vernetzung von politischem und religiösen Fundamentalismus
7. Sozialpsychologische Profilskizze fundamentalistischer Mentalität
7.1. George W. Bush
8. Schluss
9. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„Fundamentalismus“ ist ein Begriff der seit den Anschlägen auf das World Trade Center am 11. September 2001 in aller Munde ist. Meist begegnet er uns im Zusammenhang mit radikalen Islamisten, die Selbstmordattentate und Terroranschläge überall auf der Welt planen und durchführen.
Doch in jüngster Vergangenheit tritt eine Veränderung in der Verwendung des Begriffs auf. Protestantische Gruppen in den USA bekommen den Zusatz „fundamentalistisch“. Sogar der Präsident der Vereinigten Staaten George W. Bush wird in eine Linie mit christlichen Fundamentalisten gestellt. Besonders im Zusammenhang mit dem gegenwärtigen Irakkonflikt spielt dieses Thema in den Medien und in der Öffentlichkeit eine große Rolle.
Diese Hausarbeit beschäftigt sich mit der Herkunft, Geschichte und Verwendung des Begriffs „Fundamentalismus“. Was war damit ursprünglich gemeint und wie wird dieser Begriff in der Religionsgeschichte und in der Sozialwissenschaft definiert? Nach der Analyse des Begriffs frage ich nach der Funktion und der Faszination des Phänomens Fundamentalismus. In einem nächsten Teil stelle ich die geschichtliche Entwicklung des protestantischen Fundamentalismus in den USA bis in die Gegenwart dar. Anschließend wird die Vernetzung von religiösem Fundamentalismus und Politik am Beispiel der Vereinigten Staaten untersucht. Hierbei wird die aktuelle politische Lage des Irakkrieges eine Rolle spielen. In einem abschließenden Punkt soll versucht werden eine Profilskizze fundamentalistischer Mentalität zu erstellen. Gibt es Gemeinsamkeiten zwischen Menschen, die sich fundamentalistischen Gruppen anschließen? Auch in diesem Punkt soll ein aktuelles Beispiel Verwendung finden.
2. Geschichte und Verwendung des Begriffs
Dass es Fundamentalismus gibt, lässt sich nicht leugnen. Um allerdings zu erklären und zu verstehen, was er ist und was dieses Phänomen genau meint, ist es wichtig die Entstehung und die Verwendung des Begriffs in verschiedenen wissenschaftlichen Gebieten zu beleuchten.
2.1. Allgemein
Der Begriff „Fundamentalismus“ tauchte erstmals in der Selbstbezeichnung einer Bewegung in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts in den USA auf. Diese Bewegung bestand aus protestantisch-konservativen Gruppen. Von 1909 bis 1915 gaben sie eine Schriftenreihe unter dem Titel: "The Fundamentals - A Testimony to the Truth" heraus. 1919 gründeten sie die "World Christian Fundamentals Association". Ziel und Anliegen der Zeitschrift und der Vereinigung war die Rückbesinnung und Verteidigung der biblischen Grundwahrheiten “The Fundamentals“. So entstand der Begriff „Fundamentalismus“ in der Bewegung selbst im Jahr 1920 durch C.L. Laws.[2] Als die fünf Fundamente des christlichen Glaubens galten: die Unfehlbarkeit der Bibel in ihrem Wortlaut, die Jungfrauengeburt der Maria, das stellvertretende Sühneopfer Christi, die Auferstehung seines Leibes und dessen leibliche Wiederkehr am Tage des Jüngsten Gerichts.[3] Die Bewegung stellte eine offensive Gegenbewegung zu Liberalisierung und Modernisierung, den Kennzeichen der Zeit, dar. Im deutschen kirchlichen und theologischen Sprachgebrauch wurde der Begriff Fundamentalismus erst nach dem zweiten Weltkrieg allgemeiner bekannt.[4] [1]
Seit den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts erleben wir eine bedeutende Ausweitung des Begriffs. In Sozial-, Kultur-, und Religionswissenschaft, sowie in publizistischen und feuilletonistischen Bereichen werden mit „Fundamentalismus“ verschiedenste religiöse und allgemeine Strömungen und Bewegungen bezeichnet. Gleichzeitig gibt es die Tendenz, Fundamentalismus ausschließlich als Erscheinung des Islam zu verstehen.[5] Logische Konsequenz aus dieser Umgangsweise ist eine zunehmende Unschärfe des Begriffs.
Für die wissenschaftlich-diagnostische Begriffsdeutung ist es deshalb wichtig, Fundamentalismus nicht als Antimodernismus, sondern als Erscheinung der Moderne selbst zu begreifen. Diese Sichtweise wird von dem Marburger Sozialethiker Stephan H. Pfürtner vertreten. Er begründet dies durch die Entstehung der Bewegung in der modernen Geschichte der Industriegesellschaft.[6] Bassam Tibi bezeichnet dies als einen Widerspruch, der allen Fundamentalismen unserer Gegenwart gleich ist. Sie sind gegen die kulturelle Moderne gerichtet und entspringen zugleich ihrem globalhistorischem Kontext.[7]
2.2. Religionsgeschichtlich
Auch in der Religionsgeschichte wird der Fundamentalismus als eine Erscheinung der Moderne verstanden. Der Begriff bezeichnet dort eine offensive Gegenbewegung zu einer modernitätsbestimmten Veränderung der jeweiligen Herkunftsreligion, deren Wahrheit er durch Relativismus, Pluralismus, Historismus und Autoritätsvernichtung bedroht sieht.[8]
Allgemeine Merkmale des religiösen Fundamentalismus nach Küenzlen sind: Die Aufhebung der Trennung von Religion und Politik zugunsten eines unmittelbaren Geltungsanspruches der religiösen Wahrheit auf das politische Handeln. Außerdem existiert die „theokratische Vorstellung einer religiös fundierten societas perfecta“[9], das heißt die Vorstellung einer Herrschaftsform, die vom Willen Gottes bestimmt ist; des weiteren die dualistische Weltinterpretation, der religiöse Nativismus und die Überzeugung in einer bestimmten Phase der Heilsgeschichte zu leben, d.h. kurz vor der endgültigen Verwirklichung des „Reiches Gottes“ auf der Erde. Bauer fügt weitere Merkmale hinzu. Dazu gehören die Selbstbezeichnung der Gruppen als die „wahren Gläubigen“, ihr Bezug auf die jeweiligen heiligen Schriften, die grundsätzliche Wendung gegen säkulare Werte und die Ablehnung des Feminismus. Ein weiteres Kennzeichen ist die Gemeinsamkeit bestimmter Strukturen.
Hierzu gehören unter anderem die Auswahl einiger Leitsätze aus den heiligen Schriften zu Leitideen des Denkens und des Handelns und die Orientierung an einem charismatischen Führer und der uneingeschränkte Gehorsam ihm gegenüber. Die starke soziale Komponente fundamentalistischer Gruppen führt dazu, dass ein Grossteil ihrer Anhänger jüngere Menschen sind, die mit ihrer sozialen Stellung und mit ihrem Leben unzufrieden sind.[10] Die Diskriminierung der Gegner und der Aufbau von Feindbildern sind im Ursprung der fundamentalistischen Bewegungen angelegt.
Fundamentalisten gibt es in allen Religionen; sie stellen aber in jeder religiösen Gemeinschaft eine Minderheit dar. Außerdem beschränkt sich religiöser Fundamentalismus nicht auf eine Gesellschaftsform, sondern ist in demokratisch und nicht demokratisch regierten Ländern vertreten.[11]
2.3. Sozialwissenschaftlich
Die Sozialwissenschaft sieht im Fundamentalismus die „Haltung und das Verhalten eines Menschen oder einer Gruppe die anderem, insbes. Neuem ablehnend gegenüber steht“[13]. Im Mittelpunkt dieses Verhaltens steht sowohl die Negation individueller Freiheit und Verantwortlichkeit, als auch das Festschreiben und Umsetzen eindeutiger und unveränderlicher Regeln des menschlichen Zusammenlebens und des rechten Glaubens. Diese Merkmale rekurrieren oft auf eine verklärte Sicht der Vergangenheit, deren Zustand wieder hergestellt werden soll. Die Fortschrittsverachtung wirkt sich auf alle Bereiche des Lebens aus; so resultieren daraus eine Bevorzugung der politisch-konservativen Richtung und starre Vorstellungen über Familien- und Geschlechterrollen und Sexualität. Fundamentalistisch denkende Menschen sind bestimmt durch die Angst vor Ungewissheit und der Relativität moralischer Entscheidungen. Weitere Ängste bestehen vor der Unbestimmtheit der Zukunft, vor Komplexität oder Mangelhaftigkeit demokratischer Politik und vor der Gefährdung der eigenen Identität.[12]
3. Fundamentalismus – Funktion und Faszination
Nachdem der Begriff definiert wurde, möchte ich in diesem Abschnitt der Frage nachgehen, welche Funktion Fundamentalismus hat und was ihn so faszinierend für viele Menschen macht. Fundamentalismus scheint die Sehnsucht und das Lebensgefühl vieler Zeitgenossen in sich zu vereinen. Sieht man ihn als die Sicherheit einer festen Grundlage an, auf der man sicher im Sturm der Moderne, zwischen wissenschaftlichen Theorien und sich ständig ändernden Trends und Meinungen stehen kann, so ist dies das, was viele Menschen in der heutigen Zeit vermissen.[14]
[...]
[1] Vgl. Küenzlen, Fundamentalismus, 414.
[2] Vgl. Kienzler, Fundamentalismus, 17.
[3] Vgl. Bauer, Stichwort Fundamentalismus, 9; Pfürtner, Fundamentalismus, 48.
[4] Vgl. Joest, Fundamentalismus, 732.
[5] Vgl. Bauer, Stichwort Fundamentalismus, 7.
[6] Vgl. Pfürtner, Fundamentalismus, 48.
[7] Vgl. Tibi, Fundamentalismus, 15.
[8] Vgl. Küenzlen, Fundamentalismus, 414-415.
[9] A.a.O., 415.
[10] Vgl. Bauer, Stichwort Fundamentalismus, 9ff.
[11] Vgl. A.a.O., 13f.
[12] Vgl. Lutze, Fundamentalismus, 423-424.
[13] A.a.O., 424.
[14] Vgl. Hoheisel, religiöser Fundamentalismus, 12.
- Arbeit zitieren
- Damaris Werner (Autor:in), 2003, Protestantischer Fundamentalismus in der USA und sein Einfluss auf die Politik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/52763
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