Das Anegenge ist wahrscheinlich im letzten Drittel des 12. Jahrhunderts im österreichischen Raum entstanden. Es wird in die Zeit zwischen 1160 und 1170 datiert. In der heutigen Zeit existiert nur eine einzige Überlieferung des Werkes, welche wohl am Anfang des 14. Jahrhunderts in einer Wiener Handschrift verfasst wurde. Bei dem Werk handelt es sich vermutlich um eines der ersten Lehrgedichte dieser Zeitperiode. Ehrismann urteilt über die besondere Stellung dieses Werkes in der Literatur des 11. – 12. Jahrhunderts, „dass es in umfassender Weise und mit scholastischer Methode den Glaubensinhalt auseinandersetzen will, wodurch es mehr als irgend eine andere Dichtung dieser Zeit einen theologischen Charakter trägt“. (Ehrismann, Gustav: Geschichte der deutschen Literatur bis zum Ausgang des Mittelalters. München 1922)
An markanten Stellen des Gedichtes wird hier der Aspekt der Teufelsvor- und -darstellung im Mittelalter untersucht. Von der Schöpfungsgeschichte und dem Fall der Engel über den Sündenfall bis zur Erlösung spielt der Teufel eine herausragende Rolle.
Um die Grundlage der Teufelsdarstellung im Anegenge zu prüfen, soll der Lehrgehalt des Gedichts einbezogen werden, sowie der Vergleich mit anderen biblischen Texten anstrebt werden. Der theologische Gehalt wird auf die Abgrenzung der teuflischen Mächte zum göttlichen Licht, aber auch auf ihre gegenseitige Abhängigkeit untersucht.
Inhalt
Einführung – Formales zum Werk und Dichter
Der Prolog
Die Schöpfungsgeschichte und der Fall der Engel
Der Sündenfall
Die Erlösung
Die Bibel und das Anegenge
Fazit
Literaturliste
Einführung – Formales zum Werk und Dichter
Das Anegenge ist wahrscheinlich im letzten Drittel des 12. Jahrhunderts im österreichischen Raum entstanden. Es wird in die Zeit zwischen 1160 und 1170 datiert. In der heutigen Zeit existiert nur eine einzige Überlieferung des Werkes, welche wohl am Anfang des 14. Jahrhunderts in einer Wiener Handschrift[1] verfasst wurde. Bei dem Werk handelt es sich vermutlich um eines der ersten Lehrgedichte[2] dieser Zeitperiode, welches so schwierige (im Wesentlichen existenzielle) Fragen der Theologie zum Thema hat, und diese in der deutschen Sprache (also auch für Laien zugänglich – paradoxerweise, da der Dichter im Verlauf des Prologs die Laien vor der Lektüre des Werkes warnt) formuliert. Ehrismann urteilt über die besondere Stellung dieses Werkes in der Literatur des 11. – 12. Jahrhunderts, „dass es in umfassender Weise und mit scholastischer Methode den Glaubensinhalt auseinandersetzen will, wodurch es mehr als irgend eine andere Dichtung dieser Zeit einen theologischen Charakter trägt“[3].
Das Hauptthema des Gedichtes ist die christliche Heilsgeschichte, beginnend mit der Schöpfung bis zu der Erlösung. Der Autor möchte von Gottes gute und diemute und von seiner Schöpfung gänzlich sagen (Prolog 1, 20). Der deutsche Dichter ist in seinen Ausführungen sehr abhängig von Hugo von St. Viktor, besonders von dessen Werk über die Sakramente, aber auch von Werner von St. Blasien und dem heiligen Augustin.
Ich werde in dieser Arbeit versuchen einige für das Thema der Arbeit wichtige Stellen des Gedichtes zu benennen und unter dem Aspekt der Teufelsvor- und -darstellung im Mittelalter zu untersuchen. Des weiteren werde ich einen Vergleich mit den biblischen Texten anstreben, um die Grundlage der Teufelsdarstellung im Anegenge zu prüfen.
Der Prolog
Als erstes werden Gott und seine Schöpfung behandelt. Wie Gott die „vinster braechte ze liehte unt...von nichte wolde wurchen elliu dinc“[4],[5]
Darauf folgt eine Beschreibung des besten Gedanken Gottes, welcher die Menschen betrifft, nämlich den Entschluss Gottes zur Rettung der Menschen:
„do gedacht er der burde
die er um uns wolde tragen“[6]
Der Dichter spricht im Prolog eine Warnung aus, welche sich an die ungebildeten und in theologischen Fragen nicht bewanderten Menschen richtet, sich vor der Sünde zu hüten und von dem Buch lieber zu lassen, da es nicht für Laien bestimmt wäre. Die nämlich, falls sie es dennoch lesen sollten, laufen sehr leicht Gefahr, sich in dem tieferen Sinn der kunstvollen Sprache des Dichters zu verlieren, da sie nicht im Stande wären, seinen Gedankengang nachzuvollziehen. Wenn dieser Fall aber eintreten sollte, so sind sie vom falschen Wege nicht fern, denn Missverstehen führt zur Verwirrung und schließlich zum Verlust der eigenen unsterblichen Seele. Der Dichter selbst fühlt sich dem gemeinen Volke[7] in diesem Punkt sehr weit überlegen, da er als „litteratus“ und Theologe auch die kompliziertesten Gedankengänge ohne jegliche Gefahr für seine Seele verarbeiten und wiedergeben kann. Diese überhebliche und abwertende Art des Dichters zieht sich durch das ganze Gedicht. Das Tragikomische hierbei ist die Blindheit des Verfassers, der im Verlauf des Textes beschreibt, warum der Teufel aus dem Himmelreich verstoßen worden ist, nämlich wegen seines Hochmuts, und der selbst nicht bemerkt, dass er die gleiche Sünde der Superbia begeht.
Die Schöpfungsgeschichte und der Fall der Engel
Nach dem Prolog kommt der Dichter mit folgenden Worten zum Thema:
„Ir sult wizzen, von wannen dem
tievel chom die hohvart,
dur die er verstozzen wart“[8]
Bevor aber auf das Thema der Teufelstaten näher eingegangen wird, fasst der Dichter noch einmal das bisher über Gott Gesagte in einigen Versen zusammen (2, 60 – 2, 65). Dann folgt eine Schilderung der Erschaffung der Engel. Diese werden als freie Wesen erschaffen, was im Verlauf der Heilsgeschichte eine wesentliche Rolle spielt. Gott ist sich darüber im Klaren, dass ein Teil dieser Wesen die ihnen geschenkte Freiheit missbrauchen wird, und dennoch stattet er sie mit diesem Attribut aus. Dieses Vorgehen hat einen guten Grund: Durch ihre Freiheit haben die Engel (die dazu erschaffen worden sind, den Schöpfer zu loben) ein um so größeres „recht“ auf das Reich Gottes. Dieser nimmt alle Mühen auf sich, geht sogar das Risiko des eigenen Todes ein, nur um die Liebe und Verehrung der Engel nicht zu erzwingen. Hätte Gott diese Gefühle erzwungen, so wäre er zwar seines Reiches sicher, er wäre umlobt und vergöttert gewesen, jedoch wären die Engel Sklaven, unfreiwillige Lobsänger, was gegen Gottes Grundsätze im höchstem Maße verstoßen würde.
Der Rezipient erwartet nach dieser ausgiebigen Einleitung einen Bericht vom Sturz des Luzifer. Der Verfasser zögert diese Beschreibung allerdings noch heraus, indem er sich erneut der Erschaffung der Welt widmet. Die gute Gottes rät ihm, alle Dinge, die auf der Welt sind, und die Engel zu erschaffen. Es folgt eine zusammengefasste Wiederholung des Sechstagewerks, der Erschaffung der Engel, eine Vorausblende auf den Fall der Teufel etc.:
„ouch schuof der heilige christ
allez daz hiute ist,
in vunf tage, chundet daz buoch
an dem sehsten er den man geschouf
und ouch sumelîchiu tier.
(der tievel geviel dô vil schier
von dem himelrîche)“[9]
Der Dichter spricht hier schon von Gottes unendlicher gute, vom Heiligen Geist und von seiner wisheit, sowie von Christus, obwohl von diesen trinitarischen Fragen noch gar nicht die Rede war. Dies führt unweigerlich zu einer leichten Verwirrung des Lesers des Gedichts. Auch dem Autor scheint bei dieser Reihenfolge nicht ganz wohl zu sein:
„des ist dehein nôt,
daz wir daz allez gesagen,
wan wir der zît niht enhaben,
daz wir sô verre chomen dar inne;
niewan, daz wir mit disem beginne
iuch ermanen ein teil,
wie sich huop unser heil
und wie zagelîche
sich von gotes rîche
der tievel selbe verstiez
und wie er uns des engelten liez.“[10]
Hiernach folgt dann die Darstellung von Luzifers Fall , der sich nicht nur Gott gleichsetzen wollte, sondern in seinem Hochmut sich in der himmlischen Hierarchie ihm gleich setzen wollte.
„er wolde dem obristen sîn gelîch
daz was iedoch vîl tievelîch“[11]
Das musste er aber teuer bezahlen („des engalt er an sinen eren“ und das „billich“[12] ). Seine Strafe war der Fall aus dem Himmelreich. Luzifer wusste wohl, dass Gott mächtiger war als er und von seinem Vorhaben wusste, dennoch hat er es gewagt, sich gegen ihn zu stellen. Dies wird durch den Verfasser mit folgenden Versen begründet:
„wan er wol wesse daz,
daz got sô gewaltic was,
daz er in des wol wider bræhte;
dô tet erz in der andæhte,
swie ez im ergienge
oder swie erz an gevienge:
er wolde doch iemer wider got sîn“[13]
Der Teufel war gegen Gott, er war es seit Anbeginn an (wobei der Autor hier direkt auf St. Augustin und seine Werke verweist). Sein Plan wurde aber vereitelt und sowohl Luzifer als auch alle, die bei dem Vorhaben geholfen haben, wurden des Himmels verwiesen:
„do warf in diu hôchvart
in daz abgrunde,
in und alle, die im der sunde
wolden gehellen und bî gestân,
die muosen vallen von dan
in den êwigen tôt“[14]
Da Gott die rebellierenden Engel verstieß (bzw. die Engel sich selbst aus dem Himmelreich verstoßen haben) und zu Fall gebracht hat, wurden Plätze in den himmlischen Engelschören frei. Das führte dazu, dass der zehnte Chor nun ganz leer stand.
„dô die engele got verliezen
und sich selben verstiezen
der micheln êren,
dâ zuo sie geschaffen wâren,
dô stuont der zehende chôr lære“[15]
Da dieser Gott nicht mehr lobte, riet ihm seine unendliche Weisheit dazu, den Menschen zu erschaffen, um mit ihm und seinesgleichen diesen Chor zu füllen.
Gott nahm ein wenig Erde, formte daraus eine Gestalt nach seinem eigenen Bilde und hauchte in diese Leben ein, gab ihr die fünf Sinne und diverse andere Attribute. Doch der erste Mensch, Adam, sollte sich erst dieser Aufgabe der Lobpreisung seines Schöpfers würdig erweisen. Also erschuf Gott das Paradies und gab diesen Wundergarten in den Besitz des menschlichen Geschlechts. Es sollte nur ein Gebot gewahrt werden: Der Gehorsam gegenüber dem Schöpfer. Ein Baum wurde Adam unter Todesstrafe untersagt:
„nihtes er in bæte,
wan daz er wære gehôrsam!“
„ditz sî dir, Adâm,
allez samt undertân
niewan einen boum mîn,
der sol dir verboten sîn,
dar an izzest dû den tôt!“[16]
Gott musste so verfahren, denn anderenfalls „het er dem obristen chôre / geminneret sîn êre“[17]
Der Sündenfall
Der Verfasser führt hier noch aus, dass wenn die ersten Menschen dem Gebot Folge geleistet hätten, so würden sie auf die Stufe der Himmelshierarchie gehoben werden, auf der schon die Engel stehen. Dann folgt noch einmal die Schöpfungsgeschichte des Menschen, diesmal in einer längeren Fassung. Bei dem Verbot, den Baum zu berühren angekommen, spricht der Autor mehr oder weniger von einer Prüfung: Gott sah nämlich das Missverhalten des Menschen voraus und erlaubte (in seiner unendlichen Liebe, die er zu dem Menschengeschlecht hegt) dem Teufel, Adam auf die Probe zu stellen. Gott wollte Gewissheit in diesem Element, er wollte einen Beweis für die Stärke seines neuesten Schöpfungswerkes. Sollte der Mensch sich von Luzifer zu der Sünde des Ungehorsams bewegen, bzw. überreden lassen, so wäre er nicht besser als die Engel, die gegen Gott rebelliert haben.
[...]
[1] Ehrismann, Gustav: Geschichte der deutschen Literatur bis zum Ausgang des Mittelalters. München 1922
[2] „Lehrdichtung – lehrhafte oder didaktische Dichtung, vermittelt Wissen um subjektive oder objektive Wahrheiten (Lehren, Wissen, Erkenntnisse) in sprachkünstlerischer Form: Religion... erst das ausdrückliche Überwiegen der belehrenden Tendenz über die Kunst ergibt die Form eines Lehrgedichts.“ – von Wilpert, Gero: Sachwörterbuch der Literatur. 7. Auflage. 1989 Stuttgart
[3] Ehrismann, Gustav
[4] Dies und alle folgenden Zitate aus dem Anegenge wurden entnommen aus: Das Anegenge: Textkritische Studien, Diplomatischer Abdruck. Kritische Ausgabe. Anmerkungen zum Text. Hg. von Dietrich Neuschäfer. München 1966 (in Medium Aevum Philologische Studien Band 8)
[5] 1, 23 ff
[6] 1, 32 f
[7] Natürlich dem Teil der Gesellschaft welche die Fertigkeit des Lesens erworben hat, und vor allem auch den Laien die nur Vorgelesenes rezipieren konnten.
[8] 2, 57 ff
[9] 3, 35 ff
[10] 3, 68 ff
[11] 4, 19 ff
[12] 4, 8
[13] 4, 21 ff
[14] 4, 36 ff
[15] 13, 19 ff
[16] 13, 60 ff
[17] 13, 63 ff
- Quote paper
- Bartosz Nowak (Author), 2001, Die Teufelsvor- und Darstellung im "Anegenge", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/52746
-
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X.