Aus verschiedenen Quellen kennen wir das erzählte Erzählen: König Artus pflegte sich erst an seine Tafelrunde zu setzen, wenn zuvor eine Aventiure erzählt worden war; Kalogrenant erzählt nach dem Pfingstmahl über sein missglücktes Brunnenabenteuer; Eneas, der Aufforderung Königin Didos folgend, vom Fall Trojas. Bereits in der Antike ist das erzählte Erzählen ein Mittel der Verbildlichung: Die Darstellung des Schildes von Achilles nimmt bei Homer einen beachtlichen Teil des Textes der Ilias ein. Die Bilddarstellungen werden lebendig, indem sie zu Geschichten werden.
Die Dichter des Mittelalters orientieren sich jedoch nicht so sehr an der Antike, vielmehr an der lateinischen Schreibkunst, vornehmlich an Vergil. Diese legt weniger Wert auf die Beschreibung von Bildern, das erzählte Erzählen wird eher für das Schaffen einer Rückblende genutzt. Die erzählten Bilddarstellungen sind deswegen in der mittelalterlichen Epik nicht sehr häufig anzutreffen. Die Rückblende ist um so häufiger zu beobachten: So erfährt man bei Vergil (und bei der späteren Bearbeitung im Eneas) zuerst die Geschichte der Flucht aus Troja, dann erst die Erzählung über ihren Fall.
Es ist uns bisher fast gänzlich unbekannt, wie sich literarische Erzählsituationen am Hofe vollzogen haben und ob sie über den Einzelfall hinaus verallgemeinert werden dürfen. Joachim Bumke fasst die Forschungsunsicherheit in einem Satz zusammen: „Am besten bezeugt ist der Vortrag epischer Werke auf den großen Hoffesten.“ (Joachim Bumke: Höfische Kultur. Literatur und Gesellschaft im hohen Mittelalter. München 1986) Das ist unbestreitbar, jedoch ist die Behauptung mit Vorsicht zu genießen, da die Belege meist aus narrativen Kontexten stammen und daher auf ihre Fiktionalität zu prüfen sind. Was für die Erzählsituation gilt, gilt auch für ihren Rahmen: Die Form solcher Hoffeste bleibt ebenso im Dunkeln. Was, wie und wem wird erzählt? Die denkbaren
Möglichkeiten reichen vom Vorlesen bis zur Improvisation; von Mären bis zu Epik; von einem großen Publikum bis zum Erzählen/Vorlesen in einer Partnersituation.
Es gilt also, die Funktion des erzählten Erzählens in mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Literatur auszumachen. Dabei sollen epische Texte, Mären aber auch Bildbeschreibungen und Illustrationen als Untersuchungsobjekte dienen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Begriffsbestimmung
3. Der höfische Roman
3.1 Die Rolle des Erzählers bei Hartmanns „Erec“
3.2 Eneasroman und Iwein
3.3 Die Binnenerzählung im Iwein
3.4 Helmbrecht
4. Bilder und Illustrationen
5. Mären
5. Fazit
6. Literaturliste
Erzähltes Erzählen
1. Einleitung
Aus verschiedenen Quellen kennen wir das erzählte Erzählen: König Artus pflegte sich erst an seine Tafelrunde zu setzen, wenn zuvor eine Aventiure erzählt worden war; Kalogrenant erzählt nach dem Pfingstmahl über sein missglücktes Brunnenabenteuer; Eneas, der Aufforderung Königin Didos folgend, vom Fall Trojas. Bereits in der Antike ist das erzählte Erzählen ein Mittel der Verbildlichung: Die Darstellung des Schildes von Achilles nimmt bei Homer einen beachtlichen Teil des Textes der Ilias ein. Die Bilddarstellungen werden lebendig, indem sie zu Geschichten werden.
Die Dichter des Mittelalters orientieren sich jedoch nicht so sehr an der Antike, vielmehr an der lateinischen Schreibkunst, vornehmlich an Vergil[1]. Diese legen weniger Wert auf die Beschreibung von Bildern, das erzählte Erzählen wird eher für das Schaffen einer Rückblende genutzt. Die erzählten Bilddarstellungen sind deswegen in der mittelalterlichen Epik nicht sehr häufig anzutreffen: Ein Beispiel wäre „Meier Helmbrecht“ von Wernher der Gartenaere mit der Beschreibung von Helmbrechts Haube. Die Rückblende ist um so häufiger zu beobachten: So erfährt man bei Vergil (und bei der späteren Bearbeitung im Eneas) zuerst die Geschichte der Flucht aus Troja, dann erst die Erzählung über ihren Fall.
In dieser Arbeit werde ich auf einige Texte eingehen, sie beschreiben und die Techniken der Erzähler betrachten. Mein Anliegen liegt in der Darstellung der Erzählphänomene im Mittelalter und der Früheren Neuzeit. Wir erhoffen uns von dem Thema neue Erkenntnisse über die Literaturrezeption im Mittelalter.
Es ist uns bisher fast gänzlich unbekannt, wie sich literarische Erzählsituationen am Hofe vollzogen haben und ob sie über den Einzelfall hinaus verallgemeinert werden dürfen. Joachim Bumke fasst die Forschungsunsicherheit in einem Satz zusammen: „Am besten bezeugt ist der Vortrag epischer Werke auf den großen Hoffesten.[2] “ Das ist unbestreitbar, jedoch ist die Behauptung mit Vorsicht zu genießen, da die Belege meist aus narrativen Kontexten stammen und daher auf ihre Fiktionalität zu prüfen sind. Was für die Erzählsituation gilt, gilt auch für ihren Rahmen: Die Form solcher Hoffeste bleibt ebenso im Dunkeln. Was, wie und wem wird erzählt? Die denkbaren
Möglichkeiten reichen vom Vorlesen bis zur Improvisation; von Mären bis zu Epik; von einem großen Publikum bis zum Erzählen/Vorlesen in einer Partnersituation.
Ich werde im Verlaufe der Arbeit auf Verschiedenes eingehen: Auf epische Texte, auf Mären aber auch auf Bildbeschreibungen, Illustrationen. Mein Hauptanliegen wird es sein, die Funktion des erzählten Erzählens in mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Literatur auszumachen. Ich werde deskriptiv vorgehen um einen Rahmen zu spannen, der repräsentativ für dieses Thema ist.
2. Begriffsbestimmung
Das Wort „erzählen“ findet seinen Ursprung in dem altgermanischen Wort „âttelan“. Im Laufe der Zeit entwickelt es sich zum „arzellan“/ „irzellan“ (althochdeutsch) und wird im Mittelhochdeutschen schließlich zum „erzel[l]en“, was so viel bedeutet wie „in Zahl bringen, aufzählen, erzählen“[3]. Bei weiterer Recherche lässt sich im Grimmschen Wörterbuch zu diesem Eintrag die Anmerkung finden, dass der Gebrauch des Wortes sich allerdings nicht nur auf das bloße „aufzählen“ beschränkt, sondern zudem auch im Sinne des „Berichtens“ bzw. des „mündlichen Mitteilens“ gebraucht wird. Dies bedeutet, dass hier bereits eine Semantik des Wortes auftritt, welche auch der zeitgenössische Leser, Zuhörer im Zusammenhang mit dem Begriff „Erzählung“ assoziieren dürfte: die „allgemeine mündliche oder schriftliche Darstellung des Verlaufs von wirklichen oder erdachten Geschehnissen“[4].
Dennoch kann davon ausgegangen werden, das der Gebrauch von Erzählungen im Laufe der Jahrhunderte eine stetige Entwicklung beinhaltet, welche sich sowohl auf die Funktion als auch auf die Vortragsart, aber auch auf die Zugangsmöglichkeiten seitens des Publikums bezieht. Dabei ist zu beachten, dass Erzählungen im Mittelalter zunächst lediglich mündlicher Art waren und sich erst mit der Erfindung des Buchdrucks auch die Vervielfältigung der Geschichten und somit die Möglichkeiten, eine größere Anzahl an Adressaten zu erreichen, ergaben.
Wie oben bereits erwähnt, erweist es sich als schwierig, genaue Angaben über das literarische Leben im Mittelalter vorzunehmen, da eindeutige Belege hierfür fehlen und es nicht als selbstverständlich angesehen werden kann, ob die historisch bezeugten, literarischen Erzählsituationen verallgemeinert werden können und somit ein realistisches Bild wiedergeben. Als relativ sicher kann jedoch davon ausgegangen werden, dass Literatur im Allgemeinen eine bedeutende Rolle bei höfischen Festen gespielt haben muss, auch wenn dies am genauesten bezüglich des Vortrags epischer Werke auf Hoffesten bewiesen ist.
Darüber hinaus bleibt es jedoch unklar, welche Form der Literaturvortrag hatte bzw. welcher Stoff wie erzählt wurde. Der Möglichkeiten gibt es viele, sodass die immense Spannbreite von Improvisation über orale Traditionsdichtung, welche in Form von Singen, Sprechen, Reden oder Lesen ausgedrückt wurde, bis schließlich zur schriftlichen Fixierung der Dichtung reicht.
Auffällig ist jedoch, dass die mittelhochdeutschen Werke eine Vielzahl von Charakteristika aufweisen, welche sich immer wieder nachweisen lassen, sodass es fast erscheint, als wäre jene Dichtung (eher typisch als individuell) gewissen Mustern verhaftet gewesen, die es nahe legen, das Dichten mit der Ausübung eines Handwerkes zu vergleichen: Prolog (der Erzähler eröffnet das Gespräch mit dem Publikum) und Epilog (der Erzähler entlässt das Publikum wieder aus der fiktiven in seine wirkliche Welt) eröffnen bzw. beschließen das Werk, die Form wird in der Regel durch einen vierhebigen, paarweis gereimten Vers bestimmt, die Dichter „begnügen“ sich mit der Übersetzung bzw. Bearbeitung tradierter Stoffe, deren vornehmliche Themen dem Kampf und der Liebe gewidmet sind. Die Protagonisten bzw. das Personal der Werke sind bis auf wenige Ausnahmen (Nebenfiguren) von aristokratischer Herkunft. Bestimmte Ereignisse bzw. Bestandteile eines epischen Werkes (Zweikampf, Totenklage, Empfang bei Hofe usw.) kehren in jedem in ähnlicher Manier zurück und folgen dabei einem entsprechenden Muster. Inwieweit sich derartige, wiederkehrende Charakteristika auch bezüglich der Formen des erzählerischen Hervortretens (in Gestalt des Erzählers) erkennen lassen, soll an anderer Stelle thematisiert werden.
Zur Beantwortung der Frage nach der Funktion des Erzählens führt Kartschoke[5] mehrere Faktoren an:
Zunächst kann das Erzählen als eine Form der Retrospektive, der Mahnung, aber auch der Ehrung angesehen werden. Hierbei wird der Öffentlichkeit sowohl das Wissen als auch ein konkreter Erfahrungsschatz präsentiert, der somit in tradierter Form weitergereicht werden kann und eine Art Gemeinschaftsgefühls ermöglicht, woraus der Zuhörer eine gewisse Identität ableiten kann. Der Erzähler wird für die Dauer des Vortrags zumindest situativ autorisiert und von seinem Publikum als jemand, der sich durch besondere Kompetenz (bezüglich Wissen, Erfahrungsschatz, sprachlicher Fertigkeiten) auszeichnet anerkannt. Ihm wird die benötigte Zeit für den Erzählvorgang eingeräumt, welcher sich im Gegensatz zu anderen heute gängigen Literaturformen über einen beachtlichen Zeitraum erstreckt. Besonders zu erwähnen sind an dieser Stelle jene Passagen, in welchen sich der Erzähler dem Typus der Erzählereingriffe der Abkürzung bedient, d.h. Passagen, in welchen der Dichter augenscheinlich bestimmte Ereignisse, Vorfälle usw. verschweigt bzw. nur in abgekürzter Form darstellt. Dadurch erweckt er beim Publikum den Eindruck mehr zu wissen, als er seinen Zuhörern/ Lesern preisgibt. Andererseits ruft dies jedoch auch ein Gefühl von Schmeichelei oder auch Wertschätzung hervor, da er dem Publikum anscheinend nur das Wichtigste bieten will, um ihnen drohende Langeweile zu ersparen.
Darüber hinaus erweist sich das Erzählen, welches spontan sicherlich zunächst mit einem Monolog assoziiert wird, als eine Vortragsform, welche dialogisch aufgebaut ist und somit eine Interaktion mit dem Publikum, welches zumindest als anwesend gedacht ist, erfordert. Dies ist immer wieder in den der Forschung vorliegenden Texten ersichtlich, etwa wenn der Erzähler das Publikum direkt anspricht bzw. auf Einwürfe, Einwände oder Fragen des (imaginären) Zuhörers durch Kommentare eingeht. Somit entwickelt sich über das monologische Vortragen hinaus, zumindest in Ansätzen, eine Gesprächsituation, welche dem zeitgenössischen Leser vielleicht des Öfteren ein wenig befremdlich zu sein scheint, den Text insgesamt jedoch lebendiger werden lässt.
Ein bekanntes Beispiel mag hierfür jene Szene im „Erec“[6] sein, in welcher Hartmann die berühmte Sattelbeschreibung vornimmt. Hierbei entspinnt sich ein Dialog zwischen einem Zuhörer und Hartmann, namentlich angesprochen, in welchem ersterer durch den Erzähler letztlich seines Unwissens überführt wird. Wie bereits erwähnt, zeichnete sich im Laufe der Zeit, vor allem im 12. und 13. Jahrhundert beginnend, ein veränderter Umgang mit dem Vorgang des Erzählens ab. Indem die höfische Gesellschaft das Erzählen als Bestandteil höfischer Feste akzeptierte und forderte, wuchs der Bedarf an potentiellen Geschichten, welche nun im Rahmen der Auftragsdichtung nicht mehr nur ausschließlich in mündlicher Form mittels eines Erzählers präsentiert wurden, sondern zunehmend auch in schriftlicher Gestalt von einem Vorleser vorgetragen wurden. Somit brechen die alten Rituale der Erzählkunst auf, denn der Erzähler ist nun kein “Sachverwalter einer kollektiven Erinnerung und eines gemeinsamen Weltwissens“[7] mehr. Zudem entsteht zwischen Publikum und Dichter eine Distanz, da der Zuhörer, welcher in Zeiten des Buchdrucks in seiner Funktion als Leser erscheinen wird, für den Dichter während des Schreibprozesses zumindest körperlich nicht mehr präsent ist, sodass eine direkte Auseinandersetzung mit dem Publikum nicht mehr zwingend ist und tatsächlich gar nicht realistisch ausgeführt werden kann. Andererseits bedeutet dies allerdings auch, dass der geschriebene Text stets erneut rezipiert werden kann, da er dem Leser zu jeder Zeit zur Verfügung steht und somit nicht nur aufgenommen werden, sondern sogar geistig nachvollzogen werden kann. Demnach muss also auch von einer veränderten Erwartung seitens des Dichters hinsichtlich seines Publikums ausgegangen werden.
3. Der höfische Roman
3.1 Die Rolle des Erzählers bei Hartmanns „Erec“
Eine interessante, weil besondere Ausprägung hat der Status des Erzählers in Hartmanns „Erec“. Mit der Übersetzung des Chrestienschen Textes führte Hartmann nicht nur den Artusroman in das deutsche Sprachgebiet ein, sondern auch eine spezielle Form des persönlichen Erzählers, der sein Publikum anscheinend nicht nur informieren will, sondern den Anspruch zu haben scheint, es auf eine gesellige Art und Weise zu unterhalten. Inwieweit Hartmann dabei von seinen französischen Quellen bzw. frühepischen Werken inspiriert worden ist, soll an dieser Stelle nicht weiter untersucht werden. Auffällig ist jedoch, dass sich der Erzähler im „Erec“ durch einen lebendigen Habitus auszeichnet und zudem „geistreich-kokett, ritterlich-höfisch, idealisierend und pädagogisch, anteilnehmend, selbstironisch und humoristisch“[8] auftritt. Immer wieder bringt er sich durch erzählerisches Hervortreten, unter Anwendung der descriptio (Beschreibung) bzw. der digressio (Abschweifung) in den Handlungsverlauf ein. Dabei scheint es für ihn keine oberste Priorität zu sein, die Publikumserwartungen hinsichtlich der Gliederung, der Beglaubigung des Stoffes und seiner Quellen zu erfüllen. Diese Forderungen deckt er im Gegensatz zu den meisten nichthöfischen epischen Werken eher auf der inhaltlichen Seite ab. Vielmehr mag man ihm eine sich eigenmächtig auferlegte Verantwortung eines Lehrers zuordnen, welcher durch das immense Kommentieren seines Stoffes in Erscheinung tritt. Dies bedeutet, dass die didaktischen Elemente, welche auf eine subtile Form in den Text eingestreut sind, eine wichtige Komponente seines Werkes sind. Häufig kommen sie zum Ausdruck, wenn Hartmann in sprachlichen Wendungen, wie z.B. „als ez gezam“, den Vergleich zu einer allgemeinen, den ritterlichen Idealen entsprechenden Norm sucht. Zur Untermalung solcher Vergleiche verwendet Hartmann vor allem im „Erec“ sehr häufig das Lob. Pörksen schreibt dazu:
Er hält seinem aristokratischen Publikum ein verklärtes Selbstbild vor Augen, indem er den Kodex ritterlicher Verhaltensweisen als im Roman erfüllt darstellt. In diesem Stilzug wird greifbar, dass das Epos als Sittenspiegel der ritterlichen Aristokratie gemeint war.“[9]
Auch dies scheint ein weiterer Beleg dafür zu sein, dass der Erzähler an jenen Stellen seine Kompetenz unter Beweis zu stellen vermag, da er den Einzelfall, den der Held verkörpert, auf das Weltbild anzuwenden und zu integrieren versteht. Durch diese Eingliederung verliert der Einzelfall jedoch auch seine Einzigartigkeit und wird zur exemplarischen Vorbildlichkeit funktionalisiert. Gleichzeitig gibt es dem Erzähler auch die Freiheit eine Brücke in die Zeit des Erzählers zu schlagen und das Publikum mit den eigenen Werten und Normen zu konfrontieren.
Im „Erec“ verdeutlicht Hartmann das laudative Element häufig, indem er Personen oder Sachverhalte in einer detaillierten descriptio beispielsweise in den Text einführt. Zu einer besseren Veranschaulichung möge man sich hierzu bewusst machen, dass Hartmann, „soweit die Texte den Vergleich erlauben, Chrestien[s Vorlage] um rund zwei Drittel“[10] übertrifft. Hierzu tragen u.a. die „Beschreibung von Enîtes Pferd, ausgedehnt auf mehr als das Dreizehnfache, [der] Bericht über das auf Erecs Hochzeit folgende Turnier, viermal länger, Enîtes Totenklage, sechsmal länger, [die] „descriptio“ des Zweikampfes zwischen Erec und Mabonagrîn , dreimal länger als die entsprechenden Stellen bei Chrestien“[11] bei.
Mitunter verwendet er als Laudatio sogar den Terminus „lop“ in seiner reinen Form und betont des Öfteren dabei, dass dieses Lob bis in die Gegenwart des zeitgenössischen Publikums hineinreiche, sodass „das zeitgenössische Rittertum [...] an solchen Stellen als historische Fortsetzung der idealen Gesellschaft der Artusepen, deren Heroen (und Ereignisse) in ihrem Gedächtnis und Lob weiterleben [, erscheint]“[12].
Weitere Formen laudativer Natur sind verwendete Ausrufe, rhetorische Fragen oder auch Parallelvergleiche.
Mit seinem häufigen Gebrauch von laudativen Elementen im „Erec“ bildet Hartmann eine Ausnahme. In nichthöfischen Epen erscheint das ausdrückliche Lob eher selten und auch in späteren Werken Hartmanns treten sie nicht mehr in solch gebündelter Form auf, wie in seinem ersten Artusroman.
Rückblickend auf die eingangs erwähnte didaktische Funktion kann an dieser Stelle noch einmal darauf hin gewiesen werden, dass die didaktischen Einschübe mit denen die Norm betreffenden Vergleichen nicht nur formal gesehen Parallelen aufweisen, sondern durchaus auch inhaltlich eine entsprechende Aufgabe erfüllen sollen. Der berichtete Einzelfall wird in einen Bezug zur Tradition gestellt bzw. mit dem Erfahrungsschatz des Erzählers in Beziehung gesetzt, d.h. „vor dem Hintergrund überlieferter bzw. neuer Einsichten in die moralische oder die tatsächliche Weltordnung“[13] betrachtet.
[...]
[1] Vergleiche: H.Haferland, M. Mecklenburg (Hrsg.): Erzählungen in Erzählungen. Phänomene der Narration in Mittelalter und Früher Neuzeit. München 1996. Einleitung. S. 13
[2] Joachim Bumke: Höfische Kultur. Literatur und Gesellschaft im hohen Mittelalter. München 1986 S.722
[3] Lexer, Matthias: Mittelhochdeutsches Taschenwörterbuch, 38. Auflage, Stuttgart 1992
[4] Gero von Wilpert: Sachwörterbuch der Literatur, 7.Auflage, Stuttgart 1989, S.266
[5] Dieter Kartschoke: Erzählen im Alltag – Erzählen als Ritual – Erzählen als Literatur. S.23ff
[6] Hartmann von Aue: Erec. Text der Originalausgabe vom Fischer Taschenbuch Verlag GmbH. Übersetzungen und Anmerkungen von Thomas Cramer. Frankfurt am Main, 1972. V.: 7462ff.
[7] Kartschoke, S.38
[8] Uwe Pörksen: Der Erzähler im mittelhochdeutschen Epos, Berlin 1971, S.207
[9] Pörksen, S. 209
[10] Ingrid Strasser: Fiktion und ihre Vermittlung in Hartmanns „Erec“-Roman, aus: V. Mertens/ F. Wolfzettel (Hrsg.): Fiktionalität im Artusroman. Tübingen 1993S.72 aus:, S. 63-83
[11] ebd. S. 72
[12] Pörksen, S. 210
[13] ebd. S. 135f
- Quote paper
- Bartosz Nowak (Author), 2003, Das erzählte Erzählen in der Literatur des Mittelalters, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/52739
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