In der vorliegenden Arbeit wird sich mit der deutschen Sozialdemokratie unter dem Sozialistengesetz beschäftigen. Dabei werden zunächst die Blicke auf die Situation der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung vor 1878 gelenkt, umzuschauen inwieweit die Entwicklung der Partei einflussnehmend auf das Gesetz war. Des weiteren möchte ich zu Beginn der Arbeit herausstellen, dass Bismarck nicht allein für ein ausnahmegesetzliches Vorgehen verantwortlich zu machen ist.
Im folgenden soll weniger die Geschichte eines Gesetzes dargestellt werden, sondern das Leben in der Unterdrückung und die Folgen. Es soll darum gehen, inwieweit sich die Sozialdemokratie an weitere Teile der Arbeiterbewegung annäherte und wie das Sozialistengesetz den Zusammenhalt der Bewegung förderte und sogar einen stetigen Zulauf verursachte.
Mit der Arbeit wird gezeigt, dass erst in den 12 Jahren des Ausnahmegesetzes eine enorme Beschäftigung mit den Lehren von Karl Marx einsetzte und die Bewegung deutlich radikaler in der Agitation wurde. Da die Arbeit im Untergrund weitergeführt wurde, mussten neue Methoden entwickelt werden. Ich denke, dass das Zusammenspiel von legaler und illegaler Arbeit enorm wichtig zur Überwindung des Sozialistengesetzes war.
Inhalt
1. Einleitung
2. Die Sozialdemokratie vor dem Sozialistengesetz
2.1. Die Partei unmittelbar vor dem Sozialistengesetz
2.2. Ursachen, Anlass und Initiatoren
3. Die Zeit unter dem Sozialistengesetz
3.1. Inhalt und erste Folgen des Gesetzes
3.2. Neuorganisation der sozialdemokratischen Bewegung
3.3. Radikalisierung und verstärkte Hinwendung zum Marxismus
3.4. Leben unter dem Sozialistengesetz
3.4.1. Legale und illegale Arbeit
3.4.2. Alltag unter dem Sozialistengesetz
3.5. Sozialgesetzgebung als Ergänzung zum Sozialistengesetz
3.6. Das Scheitern des Sozialistengesetzes
4. Neuorientierung der Sozialdemokratie nach dem Fall
5. Fazit
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
In der vorliegenden Arbeit möchte ich mich mit der deutschen Sozialdemokratie unter dem Sozialistengesetz beschäftigen. Dabei werden zunächst die Blicke auf die Situation der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung vor 1878 gelenkt, umzuschauen inwieweit die Entwicklung der Partei einflussnehmend auf das Gesetz war. Des weiteren möchte ich zu Beginn der Arbeit herausstellen, dass Bismarck nicht allein für ein ausnahmegesetzliches Vorgehen verantwortlich zu machen ist.
Im folgenden soll weniger die Geschichte eines Gesetzes dargestellt werden, sondern das Leben in der Unterdrückung und die Folgen. Es soll darum gehen, inwieweit sich die Sozialdemokratie an weitere Teile der Arbeiterbewegung annäherte und wie das Sozialistengesetz den Zusammenhalt der Bewegung förderte und sogar einen stetigen Zulauf verursachte.
Ich möchte mit der Arbeit zeigen, dass erst in den 12 Jahren des Ausnahmegesetzes eine enorme Beschäftigung mit den Lehren von Karl Marx einsetzte und die Bewegung deutlich radikaler in der Agitation wurde. Da die Arbeit im Untergrund weitergeführt wurde, mussten neue Methoden entwickelt werden. Ich denke, dass das Zusammenspiel von legaler und illegaler Arbeit enorm wichtig zur Überwindung des Sozialistengesetzes war.
Ich möchte des weiteren untersuchen, wie nach in Kraft treten des Gesetzes eine Neugründung der Organisation und Vereine vor sich ging. Wurden die Neugründungen zentral gesteuert oder war es vielmehr das Wirken an „der Basis“? Inwieweit gab es in dieser schweren Zeit überhaupt eine Führung und wenn, war sie nur mit sich beschäftigt oder stand sie auch allen anderen rege zur Verfügung. In diesem Zusammenhang wird analysiert, dass die Reichstagsfraktion zwar enorm wichtig war, aber nicht als die Leitung der Partei gesehen werden kann.
Desweiteren soll heraus gearbeitet werden, wo die Stärken, Stützen und Unterstützer der sozialdemokratischen Bewegung liegen. Aber auch, wie sehr die Arbeiter und deren Organisationen und Bewegungen ein Auseinanderbrechen „der Partei“ verhindert haben. Es wird der Frage nachgegangen, ob das Sozialistengesetz eine Bremse oder ein Beschleuniger für die Arbeiterbewegung war?
Mit der Arbeit möchte ich auch die Verhältnisse zwischen Arbeitern, Partei, Parteiführung, Mitglieder, Gewerkschaften und Wähler näher betrachten. Wir wissen hier gibt es nicht immer eine direkte Verbindung.
Wenn ich mich mit einem Gesetz beschäftige, welches die Bismarck Ära als eine Unterdrückende darstellt, möchte ich aber zeigen, dass es auch sehr fortschrittliche, sehr soziale Gesetze gab, welche dem Bild der Unterdrückung jedenfalls teilweise widersprechen. Ich möchte die Bedeutung der Sozialgesetze in Bezug auf die Sozialdemokratie untersuchen.
2. Die Sozialdemokratie vor dem Sozialistengesetz
2.1. Die Partei unmittelbar vor dem Sozialistengesetz
Schon Jahre vor dem Sozialistengesetz fanden staatliche Abwehrmaßnahmen gegen die Sozialdemokratie statt. Örtliche Parteiverbote, die sich auf die allgemeinen Landespolizeigesetze stützten, richteten sich nicht nur gegen die radikalen Eisenacher, sondern auch gegen den ADAV. Die Mehrzahl der deutschen Staaten folgte dem Vorbild Preußens, so dass schon vor dem Gothaer Einigungskongress (1875) in Vier Fünftel der deutschen Länder Sozialdemokratische Organisationen verboten waren. Angesichts dieser Verbote, war eine Vereinigung der Partei das Beste.[1]
Die Sozialdemokratie steht also schon vor dem Inkrafttreten des Sozialistengesetzes unter scharfen, allerdings noch nicht rechtlich formulierten Sanktionen. Vereine, die politische Fragen nur am Rande berührt haben, wurden von Polizei und Justiz beobachtet. Rücksichtslos wurde mit Verleumdung und Einschüchterung gegen die Partei und deren Mitglieder vorgegangen. Mit dem Wachsen der „Arbeiterpartei“ verstärkte sich auch der Ruf, nach einem ausnahmegesetzlichen Vorgehen.
2.2. Ursachen, Anlass und Initiatoren
Die eigentliche Ursache des Gesetzes liegt in dem grundsätzlichen Gegensatz zwischen den Staatsverhältnissen des Kaiserreiches und dem demokratischen Sozialismus der Sozialdemokratie. Mit dem wachsen der sozialdemokratischen Bewegung stieg der Grundkonflikt zwischen dem monarchischen Staat und den parlamentarischen Ansprüchen. Reichskanzler Otto Fürst von Bismarck sah in der Sozialdemokratie einen immer stärker werdenden politischen Gegner, der ein neues revolutionäres, wirtschaftlich – soziales und staatliches Prinzip vertrat, das sein ganzes Werk zu gefährden schien.[2] Erste Zusammenstöße mit der Sozialdemokratie erlebte Bismarck auf dem Gebiet der deutsch - französischen Frage.
An dem ausnahmegesetzlichen Weg wurde also schon lang gearbeitet und das Attentat auf Kaiser Wilhelm I. am 11. Mai 1878 von Max Höbel bot nur einen Anlass, um das Parlament zur Zustimmung zu gewinnen. Schnell wurde klar, dass Höbel nicht wesentliche Kontakte zur Sozialdemokratie unterhielt. In den folgenden Tagen brachte die Bismarck – Regierung das erste Sozialistengesetz ein. Da aber die Regierung keine zuverlässige parlamentarische Mehrheit hatte und andere Parteien befürchteten sie könnten von ähnliche Gesetze getroffen werden, scheiterte dieses erste Gesetz mit 251 gegen 57 Stimmen. Bismarck sah sich politisch bloßgestellt und, schlimmer noch, politisch überspielt.[3]
Am 2. Juni 1878 geschah ein zweites Attentat auf den Kaiser - ausgeführt von Karl Nöbiling. Auch er war kein Sozialdemokrat. Sein Motiv war vielmehr, dass er an der Vorstellungen litt, er würde berühmt, wenn er vor seinem Tod eine hohe Persönlichkeit erschießt. Als Bismarck von dem Attentat erfuhr, schnaufte er stark, stieß mit dem Stock auf den Boden und sagte „Dann lösen wir den Reichstag auf“.[4] Erst danach erkundigte er sich nach dem Befinden des Kaisers. Die Neuwahl brachte die nötige parlamentarische Mehrheit und Bismarck gelang es, die parlamentarische Linke (auch die der Liberalen) bedeutend zu schwächen, um sich so ein gefügigeres Parlament zu schaffen. Trotz einer beispiellosen Kampagne gegen die „bedrohliche Räuberbande, mit der wir gemeinsam unsere Städte bewohnen“[5], wie Bismarck über die Sozialdemokraten zu sagen pflegte, errang sie in der Hauptwahl (Juli 1878) noch 437000 Stimmen gegenüber 493000 im Jahr 1877. Am 19. Oktober 1878 wurde das „Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie“ mit 221 gegen 149 Stimmen angenommen und trat am 21. Oktober 1878 in Kraft. Ein enormer Schlag für die Entwicklung der Arbeiterbewegung und deren Organisationen, wie im folgendem gezeigt wird.
Dieses in Kraft treten geschah in einer Zeit, als das deutsche Volk vielfach die Sozialdemokratie für Anschläge, Missverhältnisse und gesellschaftliche Probleme verantwortlich machte. Dieses „Wundfieber des deutschen Volkes“[6], wie es zum Beispiel Kampffmeyer nennt, sorgt vielfach für Tumulte im deutschen Kaiserreich und machte die Akzeptanz für ein außergesetzliches Vorgehen immer größer.
3. Die Zeit unter dem Sozialistengesetz
3.1. Inhalt und erste Folgen des Gesetzes
Das Gesetz verbot alle Organisationen – mit Ausnahme der Reichstagsfraktion -, welche durch sozialdemokratische, sozialistische und kommunistische Bestrebungen den Umsturz der bestehenden Staats- und Gesellschaftsordnung herbei führen wollten, sowie Vereine, welche sozialdemokratische, sozialistische und kommunistische Bestrebungen unterstützen. Versammlungen, die den selben Absichten dienen, waren ebenfalls verboten, ebenso wie das Sammeln von Geldern für sozialdemokratische Zwecke. Verstöße gegen diese Verbote, die Mitgliedschaft in illegalen Organisationen und die Herausgabe und Verbreitung verbotener Zeitschriften waren mit hohen Geld- und Gefängnisstrafen bedroht. Auch wurden Fahnen, Zeichen und Symbole der Sozialdemokratie verboten. Da über bestimmte Städte und Bezirke der „Kleine Belagerungszustand“ (§28 Abs. 3) verhängt wurde, war es der Polizei möglich, sozialdemokratische Arbeiter und Funktionäre auszuweisen. In Berlin wurden schon in den ersten Tagen nach der Abstimmung 67 Sozialdemokraten ausgewiesen.[7]
Erheblichen Problemen sahen sich nun auch sozialdemokratische Beamte, Arbeiter und Bauern gegenüber. Der preußische Minister für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten richtete Rundschreiben an die Arbeitgeber, in denen er zur Entlassung bekannter Sozialdemokraten aufrief. In der öffentlichen Verwaltung gab es tiefgreifende Überwachungen der Beamten und Arbeiter, welche oft Entlassungen zur Folge hatten. Die Verantwortlichen für diese Maßnahmen nahmen also existenzielle Probleme der Betroffenen hin.[8]
Die Gewerkschaften lösten sich entweder selbst auf oder wurden verboten, später gab es dann teils neutral getarnte, teils geduldete Neu- und Ersatzgründungen.[9]
3.2. Neuorganisation der sozialdemokratischen Bewegung
Die oben beschriebenen Bedingungen hatten zur Folge, dass die Arbeit der Sozialdemokratie in den Untergrund verlagert wurde. Es war entscheidend, dass man nun die wenigen legalen Möglichkeiten der Parteiarbeit (z.B. über Reichstagsfraktion) mit illegalen Methoden verband. Um ein Auseinanderbrechen der Sozialdemokratie zu verhindern, war eine politisch – ideologische und theoretische Neuorientierung nötig. Erschwerend ist hier sicherlich hinzu gekommen, dass sich der Parteivorstand noch vor dem Inkrafttreten des Sozialistengesetzes (am 19. Oktober 1878 in Hamburg) aufgelöst hatte und somit eine Partei formell nicht mehr existierte. An der Basis glaubte man, dass dieser Schritt nur zur Deckung der weitergehenden Führungsarbeit diente. Ein Irrglaube, wie sich bald heraus stellte. Das Fehlen einer Führung erschwerte den Zusammenhalt unter den Parteimitgliedern gerade in der Anfangszeit der illegalen Arbeit. In der Folge übernahm die Reichstagsfraktion (1878; neun Mandate) nach außen hin die Leitung der Partei.[10] Vor der Selbstauflösung wurden noch Maßnahmen beschlossen, welche nach dem Inkrafttreten des Sozialistengesetzes ein Auseinanderbrechen der Sozialdemokratie verhindern sollten. Neben der Neugründung von Zeitungen, sollte sich auf die Herstellung von allgemeinbildender Literatur konzentriert werden, womit die Verbindung unter den Parteigenossen aufrecht erhalten werden sollte. Jene Zeitungen, welche noch nicht verboten waren, sollten sich auf das Berichten von Tatsachen beschränken und jede auffällige Kritik am Staat unterlassen. Die Genossenschaftsdruckereien sollten formell verkauft werden und Druckereien sich auf das Drucken von Büchern konzentrieren, um die Schließung wegen des Verlegens von Zeitungen zu vermeiden. Auch wurde beschlossen, dass leicht- und allgemeinverständliche Flugblätter zu Tausenden verteilt werden sollten und wie eine Finanzierung der legalen bzw. illegalen Arbeit geschehen sollte. Auch wurde angeregt, Vereine (Sport, Kultur) zur Deckung der sozialdemokratischen Arbeit und zur Bündelung von Sympathisanten zu gründen. Die Auflösung von Vereinen sollte Unzufriedenheit in weiten Teilen des Volkes schüren. Die Unzufriedenheit sollte auch auf das Militär übergreifen, weil dieses eine wichtige Stütze des Reiches ist. Zudem wurden Vorbereitungen getroffen, wenn führende Personen ins Ausland emigrieren mussten.[11]
[...]
[1] Vlg. Huber, Ernst Rudolf, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd IV. Struktur und Krisen des Kaiserreiches, 2. überarb. und erw. Aufl., W. Kohlhammer Verlag, Stuttgart / u.a. 1982, S 104.
[2] Vgl. Kampffmeyer, Paul, Unter dem Sozialistengesetz, J.H.W. Dietz Nachfolger GmbH, Berlin 1928, S. 9.
[3] Gall, Lothar, Bismarck – Der weiße Revolutionär, 5. Aufl. , Propyläen Ullstein Verlag, Frankfurt/M., Berlin, Wien 1981, S 566.
[4] Gall, Lothar, Bismarck – Der weiße Revolutionär, 5. Aufl. , Propyläen Ullstein Verlag, Frankfurt/M., Berlin, Wien 1981, S 566.
[5] Kampffmeyer, Paul, Unter dem Sozialistengesetz, J.H.W. Dietz Nachfolger GmbH, Berlin 1928, S. 67.
[6] Ebd.
[7] Vgl. Arbeiterbewegung bis zum Ausgang des 19. Jahrhunderts, Institut für Marxismus und Leninismus beim ZK der SED (Hrsg.), Dietz Verlag, Berlin 1966, S. 355.
[8] Vgl. Kampffmeyer, Paul, Unter dem Sozialistengesetz, J.H.W. Dietz Nachfolger GmbH, Berlin 1928, S 48.
[9] Vgl. Nipperdey, Thomas, Deutsche Geschichte, Bd 2. Machstaat vor der Demokratie, 3. durchges. Aufl., München 1995, S .356.
[10] Vgl. Bartel, Horst u.a., Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Bd 1. Von den Anfängen der deutschen Arbeiterbewegung bis zum Ausgang des 19. Jahrhunderts, Institut für Marxismus und Leninismus beim ZK der SED (Hrsg.), Dietz Verlag, Berlin 1966, S. 356.
[11] Vgl. Kampffmeyer, Paul, Unter dem Sozialistengesetz, J.H.W. Dietz Nachfolger GmbH, Berlin 1928, S. 137f.
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