„Was heißt sprechen?“ Diese Frage stellt sich der französische Soziologe Pierre Bourdieu in seinem gleichnamigen Buch, das den Untertitel „Die Ökonomie des sprachlichen Tauschs“ trägt und 1982 in Frankreich erschienen ist. Schon im Untertitel wird deutlich, dass Bourdieu hier keinen rein sprachwissenschaftlichen Ansatz verfolgt, sondern sich gegen die strukturalistische Sprachwissenschaft vor allem von Ferdinand de Saussure wendet. Er kritisiert dabei die Reduktion der Sprachtheorie auf das Sprachsystem, das die Realisierung und die gesellschaftliche Praxis von Sprache ausblendet.
Saussure betrachtet seine Semiologie als Teil der Sozialwissenschaften, doch durch seine Auffassung von Gesellschaft als eine von ihren Mitgliedern unabhängige Größe vernachlässigt er die Aspekte der Produktion und Reproduktion der Sprache durch die Individuen. Auch die sozialen Umstände der Akteure, wie etwa ihre Klassenzugehörigkeit, ihr geographisches Umfeld oder ihr Bildungsgrad, werden außer Acht gelassen.
Doch gerade auf diese Aspekte kommt es Bourdieu in seiner Theorie an, in der er besonders die Sozialbeziehungen und die daraus entstehenden Machtverhältnisse berücksichtigt. Er erweitert damit den Kommunikationsakt von einem bloßen sprachlichen Austausch auf einen dahinter verborgenen Austausch verschiedener Machtverhältnisse zwischen den Sprechern. Das Anerkennen und Erkennen von autorisierten Sprechern beeinflusst nach Bourdieu stark das kommunikative Handeln und sein Gelingen. Er bezieht zudem die Sprachfähigkeit, den sprachlichen Habitus eines Akteurs und den sprachlichen Markt mit ein, der mit einem System von Sanktionen und Zensuren auf die Handlungsmöglichkeiten einwirkt und sie determiniert.
In der vorliegenden Arbeit sollen anhand der Theorie Bourdieus Bedeutung und Einfluss von sozialen Dispositionen, Gewalt und Macht auf die Sprache dargestellt werden. Es soll gezeigt werden, dass in Bourdieus Ansatz Kommunikation nicht ohne Gesellschaft funktioniert und diese als Notwendigkeit für die kontinuierliche Reproduktion von Sprache angesehen werden muss. Doch auch die Sprache selbst übt Einfluss auf die sozialen Beziehungen und die Herrschaftsverhältnisse in einer Gesellschaft aus, in dem sie durch den sprachlichen Habitus der Akteure die Klasseneinteilung anerkennt, legitimiert und reproduziert.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Grundlagen der soziologischen Theorie von Pierre Bourdieu
- Das soziale Feld
- „Habitus und Feld, Leib gewordene und Ding gewordene"
- Inkorporation und Reproduktion
- Das Kapital und seine Erscheinungsformen
- Das ökonomische Kapital
- Das kulturelle Kapital
- Das soziale Kapital
- Das symbolische Kapital
- Die Macht der Sprache
- Kritik am sprachwissenschaftlichen Strukturalismus
- Der sprachliche Markt
- Kennen und Anerkennen
- Profitchancen auf dem sprachlichen Markt
- Profit durch institutionalisierte Autorität
- Schluss
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Hausarbeit untersucht Pierre Bourdieus Theorie der „Ökonomie des symbolischen Tauschs" und analysiert, wie Sprache als Mittel zur Macht fungiert. Die Arbeit zielt darauf ab, Bourdieus zentrale Konzepte wie Habitus, soziales Feld und Kapital zu erläutern und deren Einfluss auf die Sprache aufzuzeigen.
- Die Rolle der Sprache in der Reproduktion sozialer Strukturen und Machtverhältnisse
- Die Bedeutung des sprachlichen Habitus und die Entstehung von Sprachstilen
- Die Funktion des sprachlichen Marktes und die Gewinnung von Profit durch Sprache
- Die Kritik an der strukturalistischen Sprachwissenschaft und die Bedeutung von Praxis und Sozialität
- Die Verbindung von objektiven und subjektiven Strukturen in Bourdieus Theorie
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung präsentiert die zentrale Fragestellung der Arbeit: ob Kommunikation ohne Gesellschaft denkbar ist. Bourdieus Kritik an der strukturalistischen Sprachwissenschaft und sein Fokus auf die gesellschaftliche Praxis von Sprache werden erläutert.
Das zweite Kapitel behandelt die Grundlagen von Bourdieus soziologischer Theorie. Der Begriff des sozialen Feldes wird eingeführt und die Bedeutung von Kapitalformen und Habitus für die soziale Stellung von Akteuren erläutert. Die Inkorporation von sozialen Strukturen in den Habitus wird im Detail dargestellt.
Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit der Macht der Sprache. Bourdieus Kritik am sprachwissenschaftlichen Strukturalismus wird dargelegt und der sprachliche Markt als ein Feld des symbolischen Tauschs vorgestellt. Die Bedeutung von Anerkennung und Autorität für die Wirkung von Sprache wird anhand des Konzepts der performativen Aussagen erläutert.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die Sprache als Mittel zur Macht, Bourdieus Theorie der "Ökonomie des symbolischen Tauschs", Habitus, soziales Feld, Kapital, sprachlicher Markt, Kritik am Strukturalismus, performative Aussagen, und die Reproduktion sozialer Strukturen.
- Arbeit zitieren
- Sabrina Radeck (Autor:in), 2004, Sprache als Mittel zur Macht - Hausarbeit zu Pierre Bourdieus Theorie der 'Ökonomie des symbolischen Tauschs', München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/52400
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