Im Rahmen eines Workshops, den „Die Zeit“ gemeinsam mit der niederländischen Wiardi-Beckman-Stiftung und der Universität von Amsterdam am 6.September 2002 veranstaltete, diskutierten deutsche und holländische Politiker, Wissenschaftler und Journalisten über die Problematik des neuen Rechtspopulismus in Europa. Die Debatte zeigte, dass das Thema Populismus von Deutschen und Holländern höchst unterschiedlich angegangen wird. Während der deutsche Diskussionsansatz ständig in die Thematik des Rechtsextremismus abdriftet und somit den Kern des Problems bestenfalls tangiert, interessiert die holländische Seite vielmehr die Frage danach, welche Versäumnisse der etablierten Parteien den Populisten den Weg geebnet haben bzw. welche Schwachstellen das politische System als solches besitzen könnte.
Doch wen wundert es, dass die deutsche Argumentationsweise auf einem niedrigeren Level verharrt, wenn man bedenkt, wie gering hierzulande die bundespolitischen Erfolge rechtspopulistischer Parteien bisher waren. Zwar konnten die Republikaner unter der Ägide Franz Schönhuber von 1989 bis 1992 bei Landtags- und Europawahlen einzelne spektakuläre Wahlerfolge erzielen, aber von einer dauerhaften Etablierung blieb die Partei ebenso weit entfernt wie ihre rechtsextremen Mitkonkurrenten DVU und NPD oder andere rechtspopulistischen Neuerscheinungen wie Statt-Partei und Bund Freier Bürger. Doch auch wenn die Bundesrepublik in der Vergangenheit gegen dieses Phänomen offenbar immun gewesen ist, gibt spätestens der Sensationserfolg der Schill-Partei genug Anlass die Debatte neu aufflammen zu lassen. Denn mit Ronald B. Schill hat ein Polit-Typus die öffentliche Bühne betreten, der für eine Vielzahl von Sozialwissenschaftlern nicht mehr so einfach zu kategorisieren ist, wie seine Vorgänger.
Schill ist durch seine untadelige Herkunft und seines Berufes als Amtsrichter durchaus salonfähig im bürgerlichen Lager, spricht also nicht nur die „kleinen Leute“ an. Aber auch die anderen Rechtspopulisten in Europa wie ein Le Penn in Frankreich, ein Berlusconi in Italien, ein Jörg Haider in Österreich oder eben ein Pim Fortuyn in Holland entsprechen teils mehr teils weniger dem alten Bild des Bauernfängers.
Inhalt:
1. Einleitung
2. Vom historischen zum posthistorischen Populismus
2.1. Vorraussetzungen und Merkmale des „alten“ Populismus
2.1.1. Klassische Definition und Bedeutung von Populismus
2.1.2. Gesellschaftlicher Wandel und populistisches Moment
2.2. Vorraussetzungen und Merkmale des „neuen“ Populismus
2.2.1. Populismus als Struktur
2.2.2. Rechtspopulismus als multifaktorielles Phänomen
3. Der neue Rechtspopulismus in der BRD
3.1. Gründe für das bisherige Scheitern des neuen Rechtspopulismus in der BRD
3.3.2. Perspektiven des Rechtspopulismus in der BRD
3.2.1. Die Gefahr der autoritären Liberalisierer
3.2.2. Auswirkungen der europäischen Integration
4. Fazit
1. Einleitung
Im Rahmen eines Workshops, den „Die Zeit“ gemeinsam mit der niederländischen Wiardi-Beckman-Stiftung und der Universität von Amsterdam am 6.September 2002 veranstaltete, diskutierten deutsche und holländische Politiker, Wissenschaftler und Journalisten über die Problematik des neuen Rechtspopulismus in Europa. Die Debatte zeigte, dass das Thema Populismus von Deutschen und Holländern höchst unterschiedlich angegangen wird. Während der deutsche Diskussionsansatz ständig in die Thematik des Rechtsextremismus abdriftet und somit den Kern des Problems bestenfalls tangiert, interessiert die holländische Seite vielmehr die Frage danach, welche Versäumnisse der etablierten Parteien den Populisten den Weg geebnet haben bzw. welche Schwachstellen das politische System als solches besitzen könnte.[1]
Doch wen wundert es, dass die deutsche Argumentationsweise auf einem niedrigeren Level verharrt, wenn man bedenkt, wie gering hierzulande die bundespolitischen Erfolge rechtspopulistischer Parteien bisher waren. Zwar konnten die Republikaner unter der Ägide Franz Schönhuber von 1989 bis 1992 bei Landtags- und Europawahlen einzelne spektakuläre Wahlerfolge erzielen, aber von einer dauerhaften Etablierung blieb die Partei ebenso weit entfernt wie ihre rechtsextremen Mitkonkurrenten DVU und NPD oder andere rechtspopulistischen Neuerscheinungen wie Statt-Partei und Bund Freier Bürger.
Doch auch wenn die Bundesrepublik in der Vergangenheit gegen dieses Phänomen offenbar immun gewesen ist, gibt spätestens der Sensationserfolg der Schill-Partei genug Anlass die Debatte neu aufflammen zu lassen. Denn mit Ronald B. Schill hat ein Polit-Typus die öffentliche Bühne betreten, der für eine Vielzahl von Sozialwissenschaftlern nicht mehr so einfach zu kategorisieren ist, wie seine Vorgänger.
Schill ist durch seine untadelige Herkunft und seines Berufes als Amtsrichter durchaus salonfähig im bürgerlichen Lager, spricht also nicht nur die „kleinen Leute“ an.
Aber auch die anderen Rechtspopulisten in Europa wie ein Le Penn in Frankreich, ein Berlusconi in Italien, ein Jörg Haider in Österreich oder eben ein Pim Fortuyn in Holland entsprechen teils mehr teils weniger dem alten Bild des Bauernfängers.
Ist es deswegen allein aber gerechtfertigt von einem „neuen “ europäischen Rechtspopulismus zu sprechen oder sind die Erscheinungsformen des heutigen Populismus nicht im Zuge einer komplexer gewordenen Umwelt eben auch vielseitiger geworden ? Und welche Auswirkungen hätte oder hat dieser neue Rechtspopulismus für das politische System der BRD ?
Diese beiden Fragen sollen im Vordergrund dieser Arbeit stehen, zu deren Beantwortung es zuerst einer theoretischen Einordnung des Begriffes Populismus bedarf, ehe festgestellt werden kann, welche Gefahren speziell der Rechtspopulismus für das politische System der BRD mit sich bringen könnte.
2. Vom historischen zum posthistorischen Populismus
2.1. Vorraussetzungen und Merkmale des historischen Populismus
Um den begrifflichen Wandel des Rechtspopulismus anhand seiner Ursachen und Merkmale jedoch überhaupt untersuchen zu können ist es vorab notwendig Populismus allgemein zu definieren und sich seiner klassischen Bedeutung bewusst zu werden.
2.1.1. Klassische Definition und Bedeutung von Populismus
Der Begriff „Populismus“ ist lateinischen Ursprungs und besagt, dass „populus“- das Volk sich unerwarteter Weise in der Öffentlichkeit bemerkbar macht.
Die Überraschung über diese plötzliche Politisierung des Volkes ist laut Helmut Dubiel
berechtigt, da das Volk als solches bisher nur auf den Schreibtischen von Staatsrechtlern existiert hat. „Es liegt zwar allen politischen Erscheinungen irgendwie zugrunde, geht aber in keiner ihrer institutionellen oder sozialen Manifestationen restlos auf.“
Der französische Begriff für das Volk „le peuple“, der den Ausschluss des dritten Standes von der absolutistischen Herrschaftsgewalt bezeichnet, macht dies nur allzu deutlich.[2] Folglich definiert Dubiel Populismus als „(...) das Phänomen, dass „das Volk“, das es eigentlich nur als legitimierendes „Ding an sich“ für die Konstruktion einer politischen Gesamtordnung gibt, aus dem Hintergrund hervortritt, sich von einem
Phantom zu einem empirischen Gespenst vergegenständlicht und so die etablierten
Politiker erschreckt und zu Reaktionen nötigt, die dann von Zeitdiagnostikern als „populistisch“ gedeutet werden.“[3]. Ausgehend von diesem Mangel an Volkssouveränität
entwickelt das Volk seit jeher eine starke Skepsis gegenüber seinen Herrschern, die dann populistische Bewegungen auslösen kann. Deswegen werden in politischen Zusammenhängen Bewegungen populistisch genannt, die „(...) jenen Verlust an Volkssouveränität einklagen, der in komplexen repräsentativen Mechanismen moderner Massendemokratien zwangsläufig entsteht.“[4] Die ersten populistische Bewegungen entstanden Ende des !9. Jahrhunderts in den Vereinigten Staaten, in Russland und Südosteuropa in Reaktion auf eine ökonomische Modernisierung der Infrastruktur.
[...]
[1] Ross, Andreas: „Wie gefährlich ist der Populismus?“
in: Die Zeit, Ausg. 41/2002
[2] Vgl. Dubiel, Helmut: Das Gespenst des Populismus,
in: ders. (Hrsg.), Populismus und Aufklärung, Frankfurt a.M. 1986, S.34;
[3] Dubiel, Helmut: Das Gespenst des Populismus,
in: ders. (Hrsg.), Populismus und Aufklärung, Frankfurt a.M. 1986, S.35;
[4] a.a.O. S. 37;
- Quote paper
- Anonymous,, 2003, Der neue Rechtspopulismus als Herausforderung für das politische System der Bundesrepublik Deutschland, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/52321
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