Auch heute noch wird Krieg in den Köpfen der Menschen weitgehend nach der Definition von Clausewitz als Fortführung der Politik mit anderen Mitteln verstanden, in dem sich Soldaten verfeindeter Staaten gegenüberstehen und für den militärischen Sieg ihres Vaterlandes kämpfen. Krieg umfasse dabei den Zeitraum von Kriegserklärung bis zum Friedensschluß und unterliegt den Regeln des Kriegsrechts bzw. Völkerrechts.
Die jüngsten Kriege in Afghanistan und Irak tragen sicherlich dazu bei, dieses Bild bei zu behalten, selbst wenn beide Kriege zeigen, dass ein militärischer Sieg noch lange keinen dauerhaften Frieden zur Folge hat.
Die meisten Kriege seit den 90er Jahren werden dieser Definition jedoch nicht mehr gerecht, da ihre Erscheinungsformen sich grundlegend geändert haben. So konstatiert Herfried Münkler: Die „(..)Staaten haben als die faktischen Monopolisten des Krieges abgedankt, und an ihre Stelle treten immer häufiger parastaatliche, teilweise sogar private Akteure (...), für die der Krieg zu einem dauerhaften Betätigungsfeld geworden ist.“ Demzufolge ist die Anzahl klassischer Staatenkriege (zwischenstaatliche Kriege) rapide gesunken, während immer mehr Kriege innerhalb der Staatsgrenzen ausgetragen werden. Dabei ist oftmals weder ein Anfang noch ein Ende der teils endlos vor sich hinschwelenden Kriegshandlungen auszumachen, was darauf zurückgeführt wird, dass die Kosten des low-intensity-war dem Nutzen der durch die Fortdauer des Krieges erhofften Gewinne mehr als gerecht wird. Schließlich zeigt die Opferbilanz, dass 80% der Getöteten und Verletzten nun Zivilisten sind, wohingegen bis Anfang des 20.Jahrhunderts 90% der Gefallenen und Verwundeten noch Kombattanten waren.
Diese Phänomene faßt Herfried Münkler mit den Begriffen Entstaatlichung bzw. Privatisierung des Krieges, Asymmetrisierung kriegerischer Gewalt und sukzessiver Verselbständigung bzw. Autonomisierung zusammen. Münkler bevorzugt den unscharfen, aber offenen Begriff der “neuen Kriege“ um die Komplexität der Konfliktgründe und Gewaltmotive zu betonen, wobei er auf unverkennbare Parallelen zum Dreißigjährigen Krieg in Europa verweist:
„Die neuen Kriege werden von einer schwer durchschaubaren Gemengelage aus persönlichem Machtstreben, ideologischen Überzeugungen, ethnisch-kulturellen Gegensätzen sowie Habgier und Korruption am Schwelen gehalten und häufig nicht um erkennbare Zwecke und Ziele willen geführt.“
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung – Was ist neu an den neuen Kriegen ?
2. Ausgangslage bzw. Ursachen des Kongo-Konflikt
2.1. Staatszerfall unter Mobutu
2.2. Auswirkungen des Völkermordes in Ruanda
3. Auslöser und Verlauf des Kongo-Krieg ab
3.1. Der Krieg
3.2. Der Kriegsverlauf ab
4. Neuer oder alter Krieg ?
4.1. Die These der sicherheitspolitischen Motive
4.2. Die These der ökonomischen Motive
4.3. Indikatoren für neue Kriegsformen
4.3.1. Anfang und Ende des Krieges
4.3.2. Dominanz ziviler Opfer
4.3.3. Die niedrige Intensität der Kriegsführung
4.3.4. Die Kriegsökonomie
5. Fazit - Der neue alte Krieg
7. Literaturverzeichnis
1. Einleitung – Was ist neu an den neuen Kriegen ?
Auch heute noch wird Krieg in den Köpfen der Menschen weitgehend nach der Definition von Clausewitz als Fortführung der Politik mit anderen Mitteln verstanden, in dem sich Soldaten verfeindeter Staaten gegenüberstehen und für den militärischen Sieg ihres Vaterlandes kämpfen. Krieg umfasse dabei den Zeitraum von Kriegserklärung bis zum Friedensschluß und unterliegt den Regeln des Kriegsrechts bzw. Völkerrechts.
Die jüngsten Kriege in Afghanistan und Irak tragen sicherlich dazu bei, dieses Bild bei zu behalten, selbst wenn beide Kriege zeigen, dass ein militärischer Sieg noch lange keinen dauerhaften Frieden zur Folge hat.
Die meisten Kriege seit den 90er Jahren werden dieser Definition jedoch nicht mehr gerecht, da ihre Erscheinungsformen sich grundlegend geändert haben. So konstatiert Herfried Münkler:
Die „(..)Staaten haben als die faktischen Monopolisten des Krieges abgedankt, und an ihre Stelle treten immer häufiger parastaatliche, teilweise sogar private Akteure (...), für die der Krieg zu einem dauerhaften Betätigungsfeld geworden ist.“[1] Demzufolge ist die Anzahl klassischer Staatenkriege (zwischenstaatliche Kriege) rapide gesunken, während immer mehr Kriege innerhalb der Staatsgrenzen ausgetragen werden.[2] Dabei ist oftmals weder ein Anfang noch ein Ende der teils endlos vor sich hinschwelenden Kriegshandlungen auszumachen, was darauf zurückgeführt wird, dass die Kosten des low-intensity-war dem Nutzen der durch die Fortdauer des Krieges erhofften Gewinne mehr als gerecht wird. Schließlich zeigt die Opferbilanz, dass 80% der Getöteten und Verletzten nun Zivilisten sind, wohingegen bis Anfang des 20.Jahrhunderts 90% der Gefallenen und Verwundeten noch Kombattanten waren.[3]
Diese Phänomene faßt Herfried Münkler mit den Begriffen Entstaatlichung bzw. Privatisierung des Krieges, Asymmetrisierung kriegerischer Gewalt und sukzessiver Verselbständigung bzw. Autonomisierung [4] zusammen. Münkler bevorzugt den unscharfen, aber offenen Begriff der “neuen Kriege“ um die Komplexität der Konfliktgründe und Gewaltmotive zu betonen, wobei er auf unverkennbare Parallelen zum Dreißigjährigen Krieg in Europa verweist:
„Die neuen Kriege werden von einer schwer durchschaubaren Gemengelage aus persönlichem Machtstreben, ideologischen Überzeugungen, ethnisch-kulturellen Gegensätzen sowie Habgier und Korruption am Schwelen gehalten und häufig nicht um erkennbare Zwecke und Ziele willen geführt.“[5]
Nahezu alle dieser neuen Kriege entwickelten sich dabei an den Rändern und Bruchstellen der einstigen Imperien, da dort nur schwache und kaum belastungsfähige Staaten entstanden sind, deren Staatsbildungsprozesse als gescheitert betrachtet werden müssen. Wichtigste Ursache hierfür sei der Mangel an integren und korruptionsresistenten politischen Eliten und keineswegs Armut als solche. Potenzieller Reichtum in Form von Kontrolle über Territorien, wo Bodenschätze vermutet werden ist demnach eine viel wichtigere Ursache für Kriege als definitive Armut.[6]
Gerade der Krieg in der Demokratischen Republik Kongo (DRC) - der 1998 begann und 2002 mit dem Truppenabzug Ruandas und Ugandas vorläufig offiziell beendet wurde – dient mittlerweile als klassisches Beispiel eines Krieges um Rohstoffe, der gerade durch den enormen Reichtum an Bodenschätzen Millionen von Menschen zum Verhängnis wurde und wird.
Ziel dieser Arbeit ist es, anhand des Fallbeispiel Demokratische Republik Kongo festzustellen, wie relevant der oben vorgestellte theoretische Ansatz der „neuen Kriege“ von Münkler ist, um die Kriegsursachen, sowie die Motive der beteiligten Akteure zu erklären.
2. Ausgangslage bzw. Ursachen des Kongo-Konflikt
Wie bereits oben erwähnt, spricht sich Münkler gegen monokausale Ansätze der Kriegsursachenforschung aus und plädiert vielmehr dafür, dass die neuen Kriege durch eine undurchdringliche Gemengelage unterschiedlicher Motive und Ursachen[7] gekennzeichnet seien. Angesichts dieser Komplexität der Kriegsursachen ist der neutrale Begriff der Ausgangslage wohl zutreffender, zumal der primäre Fokus dieses Abschnittes nicht darauf gerichtet ist, eine umfangreiche Kriegsursachenanalyse durchzuführen, sondern aufzuzeigen, welche “neuen“ Phänomene im Vorfeld des Konfliktes aufgetreten sind. Der Staatszerfall unter Mobutu gilt hierbei als wichtigste Bedingung für die Entstaatlichung bzw. Privatisierung des Krieges ab 1998[8]. Dennoch sind die Auswirkungen des Völkermordes in Ruanda nicht zu vernachlässigen, jedoch weniger weil ethnische Gegensätze nach wie vor in Konflikten instrumentalisiert werden, sondern vor allem weil sie den Nachbarstaaten der DRC dazu dienten, ihre Interventionen sicherheitspolitisch zu legitimieren.
2.1. Staatszerfall unter Mobutu
Wichtigste Determinante des Kongo-Konflikt bleibt jedoch der Staatszerfall[9] unter der Ära Mobutu: „The major determinant of the present conflict and instability in the Great Lakes region is the decay of the state and its instruments of rule in the Congo.”[10]
Die für autoritäre Systeme typische Aushöhlung der Staatlichkeit von unten[11] erzeugte immer mehr parallele Strukturen bis hin zum vollständigen Verlust des Gewaltmonopols.
Nur aufgrund des daraus resultierenden Machtvakuums war es für die Nachbarstaaten Ruanda und Uganda letztendlich möglich, in den Kongo einzumarschieren und ihn auszuplündern:
„The power vacuum created by state decay reinforced their detremination to fish in troubled waters and to maximize their resource extraction from the Congo.“[12]
Insbesondere Mobutus Vetternwirtschaft und Mißwirtschaft[13] trieb die DRC in den wirtschaftlichen und schließlich politischen Ruin: Nachdem 1965 Mobutu mit Hilfe des amerikanischen Geheimdienstes CIA die Staatsgewalt in der bis dahin von Bürgerkrieg zerrütteten Demokratischen Republik Kongo übernahm, errichtete er schnell ein zentralistisches, totalitäres Präsidialregime. Politische Gegner wurden ermordet und ein Einparteiensystems (MPR) mit repressivem Staatsapparat errichtet. 1971 wird das Land in Zaire umbenannt. In den folgenden Jahren treibt Mobutu das Land immer mehr in den wirtschaftlichen Ruin und bewirkt somit den unaufhaltsamen Staatszerfall: Sofern Gewinne aus dem Rohstoffexport nicht in Mobutus Privatschatulle wanderten oder seinen Palast mit internationalem Flughafen finanzierten stärkten sie seine Herrschaft nach innen. Mit Geschenken wurde eine “Staatsklasse“ bei Laune gehalten, die aus einflußreichen Personen aus den verschiedenen Regionen des Landes bestand, die sich für die lukrativen Ämter mit Loyalität bedankten. Ein höherer Posten galt wiederum als Freibrief zur ungestraften Bereicherung. Dabei waren strategische Posten im Militär, in den Geheimdiensten und der Polizei nur einem engen Kreis aus Familienangehörigen Mobutus vorbehalten. Die Präsidialgarde, das schärfste Instrument des Repressionsapparates, bestand fast ausschließlich aus Ngbandi, der Ethnie Mobutus.[14]
Doch Mobutus Herrschaftssystem widersprach nicht nur jeglichen Kriterien von good governance, es war auch teuer und unproduktiv. Die Enteignung sämtlichen ausländischen Besitzes 1973 (Zairianisierung) und dessen partielle Verteilung, stärkte zwar die Loyalität der begünstigten Elite gegenüber Mobutu, schwächte jedoch die Wirtschaftskraft des Landes erheblich. Die neuen Besitzer wirtschafteten in die eigene Tasche, infolge dessen viele der Betriebe zusammenbrachen.
Mit dem abrupten Verfall der Rohstoffpreise Mitte der 70er Jahre wurde der wirtschaftliche Bankrott beschleunigt, zumal die staatliche Wirtschaft nun unter der Abschöpfung der Gewinne durch das Regime zu leiden begann. Die Mittel für Instandhaltung und Modernisierung der Betriebe fehlten, wie der weitgehende Zusammenbruch der Kupferproduktion in den 90er Jahren verdeutlicht. Neue Arbeitsplätze wurden nicht geschaffen und dem Staatswesen fehlten neben dem Willen nun auch die Einnahmen, um ihre Pflichten gegenüber den Bürgern zu erfüllen. Mit dem Zerfall der Infrastruktur wurde der Güterverkehr der meisten Regionen bevorzugt mit dem benachbarten Ausland abgewickelt.
Bis Ende der 80er Jahre stiegen Zaires Schulden auf 10 Milliarden U$ und das Pro-Kopf-Einkommen sank auf 200U$.[15] Die erste Phase des Staatszerfalls läßt sich somit unter dem Begriff Staatsversagen zusammenfassen. Neben der Rechtstaatlichkeit konnte die DRC ihren Bürgern nun auch keinerlei Wohlfahrt mehr garantieren.[16]
Die zweite Phase, die als Staatsverfall bezeichnet werden kann ist durch die Reaktion der Menschen auf diese Entwicklung gekennzeichnet. „Das Staatsversagen zwang die Menschen in Zaire zur Entwicklung eigener Überlebensstrategien.“[17] Es entstanden alternative Marktstrukturen abseits staatlicher Kontrolle und damit abseits willkürlicher Steuererhebung, die letztlich den gesellschaftspolitischen Wandel der DRC bewirkten. Denn nach dem völligen Zusammenbruch des formellen Sektors aufgrund von Plünderungen marodierender Soldaten 1991 und 1993 machte er ca. 80 Prozent der Wirtschaftsaktivität des Landes aus und sicherte somit das Überleben der Bevölkerung, wobei jedoch der enorme Anteil an Subsistenzwirtschaft mit einberechnet wurde.[18] Denn geschätzte „(..) 78% des BIP werden derzeit [Stand: 2004] durch informelle Tätigkeiten (32,5%) und landwirtsch. Subsistenz (45,5%)
[...]
[1] Münkler, Herfried: Die neuen Kriege, Reinbek 2002, S.7.
[2] Unterteilung innerstaatlicher Kriege v.a. in: Anti-Regime-Kriege und Sezessionskriege.
Vgl. hierzu auch: Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung (AKUF).
http://www.sozialwiss.uni-hamburg.de/publish/Ipw/Akuf/kriege_aktuell.htm#Def [Stand: 12.07.2005]
[3] Vgl. MÜNKLER, Die neuen Kriege, 2002, S.28.
[4] Vgl. hierzu auch den Begriff Kommerzialisierung/Ökonomisierung
in: Ferdowsi, Mir A./Matthies, Volker (Hg.): Den Frieden gewinnen.
Zur Konsolidierung von Friedensprozessen in Nachkriegsgesellschaften, Bonn 2003, S. 17.
[5] MÜNKLER, Die neuen Kriege, 2002, S.16.
[6] Vgl. MÜNKLER, Die neuen Kriege, 2002, S.16 f.
[7] Vgl. a.a.O., S.18.
[8] Die Bezeichnung “Krieg ab 1998“ wird verwendet, da es schwierig ist, einen genauen Zeitpunkt des Kriegsendes
festzulegen.
[9] In der Politikwissenschaft hat sich hier der Begriff ”failing-states” durchgesetzt, der jedoch eine
Kategorisierung impliziert. Ob die DRC nun als ”failing-state” oder gar als ”failed-state“ bezeichnet werden
kann, ist umstritten. Bzgl. der Handlungsunfähigkeit der DRC zu Beginn des Krieges ab 98’ kann jedoch von
einem völligen Staatszerfall (failed-state bzw. collapsed-state) ausgegangen werden.
[10] Nzongola-Ntalaja, Georges: The Congo from Leopold to Kabila – A People´s History. London 2002, S.214.
[11] Vgl. Roehder, Katja: Entwicklungspolitische Handlungsfelder im Kontext erodierender Staatlichkeit in
Subsahara- Afrika. Deutsches Institut für Entwicklungspolitik, Bonn 5/2004, S.12.
[12] Nzongola-Ntalaja, The Congo from Leopold to Kabila, 2002, S.215.
[13] Zudem begünstigten der Erdölschock 1973/74, der Verfall der Rohstoffpreise auf dem Weltmarkt Mitte der 70er
Jahre und der Verlust der Unterstützung durch den Westen seit den 90er Jahren den systematischen Zerfall.
[14] Vgl. Stroux, Daniel: Kriegerische Auseinandersetzungen in Kongo-Zaire.
In: Informationen zur politischen Bildung Nr.264, Bonn 1999, S.49.
[15] Vgl. STROUX, Kriegerische Auseinandersetzungen in Kongo-Zaire, 1999, S.49.
[16] Die klassischen Funktionen eines Staates sind die Garantie von Sicherheit, Rechtstaatlichkeit und Wohlfahrt.
Vgl. hierzu: RHOEDER, Entwicklungspolitische Handlungsfelder im Kontext erodierender Staatlichkeit in
Subsahara- Afrika, 2004, S.11.
[17] STROUX, Kriegerische Auseinandersetzungen in Kongo-Zaire, 1999, S.49.
[18] Vgl. ebd.
- Arbeit zitieren
- Anonym,, 2004, Fallstudie: Demokratische Republik Kongo, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/52315
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