Einleitung
„Une rose n’ est pas une rose.“ Diese Feststellung des französischen Dichters Mallarmé beschreibt treffend, was auch Kernpunkt dieser Arbeit ist: mit dem Wort ‚Rose’ verhält es sich genauso, wie mit dem Wort ‚Krankheit’. Eine Rose ist nicht gleich der anderen. Das Wort ‚Rose’ allein beschreibt nicht deren Aussehen, Farbe, Blüte, Größe, Form etc.
Auch das Wort ‚Krankheit’ allein gibt keinen Aufschluss über die Definition von ‚Krankheit’, was ‚Krankheit’ ist, ab wann ein Mensch krank, wann er noch als gesund bezeichnet wird, was Zeichen von Krankheit ist, wie ihr begegnet wird, was zu ihrer Bekämpfung getan werden kann, wer zur Heilung zu Rate gezogen wird und wie mit dem Kranken umgegangen wird.
Wird ‚Krankheit’ in einem kulturübergreifenden Zusammenhang gebracht, sind die Inhalte und Konnotationen von ‚Krankheit’ möglicherweise so unterschiedlich, dass Irritationen entstehen können.
Mit diesen Irritationen, bezogen auf die Arzt-Patientenbeziehung, befasst sich folgende Arbeit.
Die Begründung der Irritationen zwischen ausländischem Patienten und deutschem Arzt durch kulturelle Unterschiede allein, wäre eine zu einseitige Beleuchtung der Thematik. Deswegen werden weitere Problemebenen erfasst, wobei nicht migrantenspezifische Themen kurzgefasst sind, jedoch der Vollständigkeit halber angerissen werden, um einen Einblick zu gewähren.
Leitende Fragestellungen dieser Arbeit sind:
Haben Migranten besondere Bedürfnisse, die bei der Behandlung durch den niedergelassenen Arzt beachtet werden sollten? Worin begründen sich diese Bedürfnisse?
Die Arbeit ist so aufgebaut, dass zunächst in den Kapiteln 1 und 2 eine theoretische Basis gelegt wird. Um den Umfang der Arbeit einzugrenzen, ist die Zielgruppe nicht ausländische Patienten allgemein, sondern türkische Patienten. In den Kapiteln 3 und 4 wird die Ziel gruppe eingehend beschrieben und auf das traditionelle türkische Krankheitsverständnis eingegangen. Dieses Vorwissen ist nötig, um dann in den folgenden Kapiteln 5 – 8 mögliche Irritationen eingehend darlegen und erörtern zu können. Aus der Gesamtheit der Arbeit kann dann eine Konklusion und Handlungsmöglichkeiten erschlossen werden (Kapitel 9 und 10). Diese zeigen auf, worin Möglichkeiten liegen können, die medizinische Behandlung von Migranten in der ärztlichen Praxis und somit den gesundheitlichen Status zu verbessern. Erarbeitet wurden diese Konklusion und die Hinführung zu dieser durch Literaturrecherche und –analyse.
Inhaltsverzeichnis:
- EINLEITUNG
- I. MIGRATION UND KRANKHEIT - THEORETISCHE ASPEKTE
- 1.1 Migration
- 1.2 Migranten
- 1.3 Gesundheit
- 1.4 Krankheit
- 1.4.1 Krankheit und Kultur
- 1.4.2 Krankheit und soziale Lage
- 1.4.3 Bedeutung von Krankheit in der Gesellschaft
- 1.5 Subjektive Krankheitstheorien
- 1.6 Ursachenvorstellungen bezüglich Krankheit
- 2. MIGRATION - EIN PATHOGENER FAKTOR?
- 2.1 Stand der Forschung
- 2.2 Medizin-soziologische Theorien
- 2.2.1 Selektionshypothese
- 2.2.2 Kulturschocktheorie
- 2.2.3 Akkulturationstheorie
- 2.2.4 Weitere medizin-soziologische Theorien
- 2.3 Fazit aus Kapitel 1 und 2
- 3. DIE TÜRKEI
- 3.1 Türkisch-deutsche Migration
- 3.2 Soziale Lage türkischer Migranten in Deutschland
- 3.2.1 Bildungssituation
- 3.2.2 Arbeitssituation
- 3.2.3 Sprachsituation
- 3.2.4 Wohnsituation
- 3.2.5 Gesundheitliche Situation
- 3.3 Die drei Generationen
- 3.4 Fazit
- 4. GESUNDHEIT UND KRANKHEIT IN DER TÜRKEI
- 4.1 Formeller und informeller Sektor
- 4.2 Bedeutung von Krankheit
- 4.3 Aspekte traditioneller türkischer Krankheitsvorstellungen
- 4.3.1 ,Nazar'- der böse Blick
- 4.3.2 ,Cinler'- böse Geister
- 4.3.3 ,Büyü'- schwarze Magie
- 4.3.4 Heilerpersönlichkeiten
- 4.3.4.1 ,Hoca'- der Korankundige
- 4.3.5 Die Bedeutung von Blut
- 4.3.6 Die Bedeutung von Medikamenten
- 4.4 Fazit
- 5. INTERKULTURELLE IRRITATIONEN BEIM ARZT
- 6. DIE SPRACHBARRIERE
- 6.1 Folgen der Sprachbarriere
- 6.2 Folgen für die compliance
- 6.3 Dolmetschen in der ärztlichen Praxis
- 6.4 Fazit
- 7. KULTURELLE MISSVERSTÄNDNISSE
- 7.1 Unterschiedliche Krankheitsverständnisse im Sprechstundengespräch
- 7.1.2 Folgen unterschiedlicher Krankheitsverständnisse
- 7.1.3 Folgen für die compliance
- 7.2 Die Symptompräsentation
- 7.2.1 Irritationen im Bereich Symptompräsentation
- 7.3 Psychische Krankheiten
- 7.4 Kommunikation im Arzt-Patientengespräch
- 7.5 Erwartungen an den Arzt
- 7.5.1 Einverständnis im Missverständnis
- 7.6 Fazit
- 7.1 Unterschiedliche Krankheitsverständnisse im Sprechstundengespräch
- 8. IRRITATIONEN AUFGRUND DER SOZIALEN LAGE
- 8.1 Das Arzt-Patientengespräch in Bezug zur sozialen Lage
- 8.2 Fazit
- 9. ERGEBNISSE
- 9.1 Folgen der Problemebenen
- 9.2 Gesamtfazit
- 9.3 Lösungswege
- 10. SPEZIFISCHE VERSORGUNGSANGEBOTE: DAS GESUNDHEITSZENTRUM FÜR MIGRANT/INWEN IN KÖLN
- 11. LITERATURVERZEICHNIS
- 12. TABELLEN- UND ABBILDUNGSVERZEICHNIS
- 13. ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
- 14. WEITERFÜHRENDE LITERATUR
Zielsetzung und Themenschwerpunkte:
Die Diplomarbeit untersucht die interkulturellen Irritationen, die im Arzt-Patienten-Gespräch zwischen deutschen Ärzten und türkischen Migranten auftreten können. Sie analysiert die Ursachen dieser Irritationen, die sich aus drei zentralen Problemfeldern ergeben: der Sprachbarriere, kulturellen Unterschieden im Krankheitsverständnis und der sozialen Lage der Migranten. Die Arbeit zielt darauf ab, die besonderen Bedürfnisse von Patienten mit Migrationshintergrund zu identifizieren und Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen, um die medizinische Versorgung von Migranten zu verbessern.
- Sprachbarrieren und Kommunikationsdefizite
- Kulturelle Unterschiede im Krankheitsverständnis und -verhalten
- Soziale Lage und ihre Auswirkungen auf die Arzt-Patientenbeziehung
- Traditionsgebundene Krankheitsvorstellungen und ihre Bedeutung für die Behandlung
- Die Rolle von Erwartungen und Einverständnis im Missverständnis
Zusammenfassung der Kapitel:
Die Einleitung führt in die Thematik der interkulturellen Irritationen im Arzt-Patienten-Gespräch ein und stellt die Leitfragen der Arbeit vor.
Kapitel 1 und 2 bilden die theoretische Grundlage der Arbeit. Kapitel 1 beschäftigt sich mit grundlegenden Definitionen der Begriffe Migration, Migranten, Gesundheit und Krankheit. Es beleuchtet den Einfluss von Kultur, sozialer Lage und Gesellschaft auf das Krankheitsverständnis und -erleben. Kapitel 2 analysiert verschiedene medizin-soziologische Theorien, die den Zusammenhang zwischen Migration und Krankheit untersuchen, wie die Selektionshypothese, die Kulturschocktheorie und die Akkulturationstheorie.
Kapitel 3 und 4 fokussieren auf die Türkei als Herkunftsland der größten Migrantengruppe in Deutschland. Kapitel 3 beschreibt die türkisch-deutsche Migrationsgeschichte und die aktuelle soziale Lage türkischer Migranten in Deutschland, einschließlich ihrer Bildungssituation, Arbeitssituation, Sprachsituation, Wohnsituation und gesundheitlichen Situation. Kapitel 4 beleuchtet die traditionelle türkische Krankheitsvorstellung und die Bedeutung von Krankheit in der türkischen Gesellschaft. Es analysiert verschiedene Aspekte des traditionellen Krankheitsverständnisses, wie den bösen Blick (Nazar), böse Geister (Cinler), schwarze Magie (Büyü) und die Rolle von Heilerpersönlichkeiten.
Kapitel 5 stellt die Problematik der interkulturellen Irritationen im Arzt-Patienten-Gespräch dar und kategorisiert die verschiedenen Problemfelder, die in der Literatur beschrieben werden.
Kapitel 6 untersucht die Sprachbarriere als eine zentrale Herausforderung in der medizinischen Versorgung von Migranten. Es analysiert die Folgen der Sprachbarriere für die Kommunikation, die Compliance und die Nutzung von Dolmetschern in der ärztlichen Praxis.
Kapitel 7 beleuchtet die kulturellen Missverständnisse, die aufgrund unterschiedlicher Krankheitsverständnisse zwischen Arzt und Patient entstehen können. Es betrachtet die Auswirkungen dieser Unterschiede auf die Symptompräsentation, die Behandlung psychischer Krankheiten und die Kommunikation im Arzt-Patientengespräch.
Kapitel 8 untersucht die Irritationen, die sich aus der sozialen Lage von Migranten ergeben können. Es analysiert den Einfluss der sozialen Lage auf das Arzt-Patienten-Gespräch und die Qualität der medizinischen Versorgung.
Kapitel 9 fasst die Ergebnisse der Arbeit zusammen und beschreibt die Folgen der verschiedenen Problemebenen für Arzt und Patient. Es stellt die besonderen Bedürfnisse von Migranten in der ärztlichen Praxis dar und identifiziert Handlungsmöglichkeiten zur Verbesserung der medizinischen Versorgung.
Kapitel 10 stellt das Gesundheitszentrum für MigrantInnen in Köln als ein Beispiel für ein spezifisches Versorgungsangebot vor und zeigt die verschiedenen Leistungen des Zentrums auf.
Schlüsselwörter:
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die interkulturelle Kommunikation, die medizinische Versorgung von Migranten, insbesondere türkischer Migranten, die Sprachbarriere, kulturelle Unterschiede im Krankheitsverständnis, die soziale Lage, die traditionelle türkische Krankheitsvorstellung, die Arzt-Patientenbeziehung, die Compliance, die Somatisierung, die Akkulturation, die Integration und die gesundheitsfördernde Versorgung. Der Text beleuchtet die Herausforderungen und Chancen, die mit der medizinischen Versorgung von Migranten verbunden sind, und zeigt Möglichkeiten auf, um die interkulturelle Verständigung in der ärztlichen Praxis zu verbessern.
- Quote paper
- Ilona Heinz (Author), 2004, Interkulturelle Irritationen beim Arzt, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/52072
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