Die Digitalisierung führt bereits seit einiger Zeit zu einer maßgeblichen Veränderung auf politischer, sozialer und gesellschaftlicher Ebene – auch im Bereich der Erwerbstätigkeit. Der technologische Fortschritt eröffnet neue Chancen, birgt jedoch auch Risiken. Einerseits vereinfacht die Digitalisierung die Kommunikation am Markt, beschleunigt einzelne Prozesse und Arbeitsschritte in Unternehmen und ermöglicht so eine schnellere Bewältigung des Arbeitspensums. Für die gleiche Menge an Arbeit wird heute weniger Arbeitskraft benötigt, als es früher der Fall war. Zudem wird eine räumliche und zeitliche Flexibilität ermöglicht und einhergehend damit die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben sowie eine Entlastung von monotoner oder physisch beanspruchender Arbeit. Andererseits begünstigt die Digitalisierung die räumliche und zeitliche Entgrenzung der Arbeit, erzeugt mitunter einen permanenten Leistungsdruck und lückenlose Leistungskontrolle aufgrund der kompletten Vernetzung.
Ein neuartiges Arbeitsmodell, das sich auf Basis von Digitalisierung und Outsourcing gründet und sich aktuell in Deutschland wie auch weltweit verbreitet, ist das Crowdworking. Es ist Bestandteil der Plattformökonomie, bei der Kunden und Anbieter im Internet auf speziell ausgerichteten Plattformen zusammenfinden und so Angebot und Nachfrage komprimiert verbinden können. Das Ganze klingt zunächst sehr toll und komfortabel: Unternehmen vergeben über Online-Plattformen Aufträge, sogenannte Microjobs, oder kreative Projekte an Externe – und diese suchen sich aus, welche Aufgaben sie erledigen möchten.
Diese Arbeit setzt sich zum Ziel, die Relevanz der Digitalisierung für den Arbeitsmarkt zu betrachten und herauszuarbeiten, welchen Einfluss neue Formen der Beschäftigung, speziell Crowdwork, im digitalen Zeitalter auf die Arbeitswelt nehmen und welche Konsequenzen sich für die Arbeitswelt und damit für Arbeitgeber wie auch für Crowdworker ergeben.
Folgende Fragen sollen beantwortet werden:
Welchen Einfluss hat die Digitalisierung auf den aktuellen Arbeitsmarkt und welche Anforderungen ergeben sich daraus für den Menschen?
Welche Veränderungen zeigen sich durch die digitale Transformation des Arbeitsmarktes für bestehende Beschäftigungsverhältnisse?
Woher stammt Crowdwork als neue Form der digitalen Arbeit und wie lässt sich diese neue Erwerbsform in den Arbeitsmarkt integrieren?
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Ausgangslage
1.2 Fragestellung und Vorgehensweise
2. Digitalisierung
2.1 Arbeit 4.0 und technologischer Fortschritt
2.1.1 Megatrend Digitalisierung
2.1.2 Plattformökonomie: Entstehung des digitalen Kapitalismus
2.2 Aktuelle Trends der Digitalisierung am Arbeitsmarkt
2.2.1 Auswirkungen technischer Neuerungen am Arbeitsplatz
2.2.2 Neue Anforderungen an den Menschen
2.2.3 Schnittstelle Mensch-Maschine
2.3 Digitalisierung im Kontext der Generationen
3. Technologische Transformation der Arbeitswelt
3.1 Die Ersetzbarkeit des Menschen
3.1.1 Technisch bedingte Rationalisierung
3.1.2 Substituierbarkeitspotenziale von Berufen
3.2 Veränderungen der Beschäftigungsverhältnisse
3.2.1 Auswirkungen auf bestehende Tätigkeitsbereiche
3.2.2 Verlust und Anpassung bestimmter Tätigkeiten
3.2.3 Gestaltung neuer Aufgabenbereiche im digitalen Zeitalter
4. Atypische Beschäftigung
4.1 „Normal“ war gestern? Zur atypischen Beschäftigung
4.2 Sind atypische Beschäftigungsverhältnisse prekär?
4.2.1 Die Bedeutung prekärer Arbeit für den Arbeitsmarkt
4.2.2 Langfristige Konsequenzen atypischer Beschäftigung
4.3 Neue Beschäftigungsmodelle adäquat umsetzen
5. Crowdwork
5.1 Crowdwork: digitalisierte Flexibilität
5.1.1 Grundlagen, Forschungsstand, Formen
5.2 Management von Cloud und Crowd
5.2.1 Steuerung und Kontrolle
5.2.2 Für welche Bereiche bietet sich Crowdwork an?
5.3 Crowdworking-Plattformen
5.3.1 Ausgewählte Beispiele digitaler Plattformen
5.4 Rechtliche Rahmenbedingungen und Handlungsspielräume
5.4.1 Arbeitsbedingungen in der digitalen Cloud
5.4.2 Code of Conduct
5.4.3 Herausforderungen und Probleme für Cloud und Crowd
5.4.4 Wie kann die Sicherheit verbessert werden?
6. Ergebnisse der Arbeit & Prognosen
6.1 Chancen und Risiken der digitalen Wende
6.2 Ein Blick in die Zukunft
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Entwicklung der Arbeit; Login Consults
Abbildung 2: Digitale Infrastruktur; xpert.digital
Abbildung 3: Technologischer Wandel am Arbeitsplatz; IAB 2015
Abbildung 4: Neue Anforderungen der Digitalisierung; IAB 2015
Abbildung 5: Y-Modell zum Tätigkeitswandel; Bartscher/Nissen 2019
Abbildung 6: Wandel der Erwerbsformen; IAB 2017
Abbildung 7: Atypisch Beschäftige in Deutschland 1999-2017; Statista 2018
Abbildung 8: Management des Arbeitsprozesses im Crowdworking
Abbildung 9: Wie man Klickarbeiter schützen könnte
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
1.1 Ausgangslage
Vor kurzer Zeit noch als Phänomen der Neuzeit gesehen, durchdringt die Digitalisierung heute alle Lebensbereiche und ist präsenter denn je. Einer Onlinestudie der Fernsehsender ARD und ZDF zufolge waren im Jahr 2018 erstmals über 90% der Deutschen online, 77% nutzten das Internet sogar täglich. Zudem erhöhte sich auch die eigentlich Nutzungsdauer des Internet deutlich.1 Dem rasanten technologischen Fortschritt ist es geschuldet, dass der Megatrend Digitalisierung mittlerweile private wie auch öffentliche Sektoren gleichermaßen durchdringt.
Analoge Datenverarbeitung wird in vielen Bereichen mehr und mehr verdrängt und durch digitale Informations- und Kommunikationstechnologien abgelöst. Damit führt die Digitalisierung zu einer maßgeblichen Veränderung auf politischer, sozialer und gesellschaftlicher Ebene – auch im Bereich der Erwerbstätigkeit. Das Ersetzen der menschlichen Arbeitskraft durch Maschinen und sonstige technikbasierte Automatisierung oder Substitution ist ein Szenario, das die moderne Arbeitsgesellschaft wie kaum ein anderes gleichermaßen fasziniert wie auch beunruhigt. Science-Fiction-Filme bedienen sich dieser Vorstellung schon seit vielen Jahren, mittlerweile zeigen sich zunehmend auch reale Neuheiten aus dem Bereich der technischen Entwicklung, die diese Sorgen nähren. Denn der technologische Fortschritt – allen voran die Digitalisierung – bedeutet eine Veränderung der Arbeitswelt. So zeigen sich gravierende Auswirkungen der voranschreitenden Digitalisierung auf den Arbeitsmarkt bereits heute: Zum einen entstehen neue Geschäftsmodelle und Wettbewerbsstrukturen, zum anderen verändern sich Arbeitsinhalte sowie die Organisation von Produktions- und Arbeitsprozessen. Damit begünstigt die Digitalisierung den Wandel von Erwerbsformen und Funktionsweisen der Arbeitswelt mehr denn je. Auch die Anforderungen an die Beschäftigten werden deutlich verändern.
Der technologische Fortschritt eröffnet somit neue Chancen, birgt jedoch auch Risiken: Einerseits vereinfacht die Digitalisierung die Kommunikation am Markt, beschleunigt einzelne Prozesse und Arbeitsschritte in Unternehmen und ermöglicht so eine schnellere Bewältigung des Arbeitspensums – für die gleiche Menge an Arbeit wird heute weniger Arbeitskraft benötigt, als es früher der Fall war. Zudem wird eine räumliche und zeitliche Flexibilität ermöglicht und einhergehend damit die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben sowie eine Entlastung von monotoner oder physisch beanspruchender Arbeit. Andererseits begünstigt die Digitalisierung die räumliche und zeitliche Entgrenzung der Arbeit, erzeugt mitunter einen permanenten Leistungsdruck und lückenlose Leistungskontrolle aufgrund der kompletten Vernetzung.
Durch diese Veränderungen haben sich die bestehenden Probleme am Arbeitsmarkt teilweise vergrößert. Atypische Beschäftigungsverhältnisse, die vom Normalarbeitsverhältnis abweichen, gewinnen seit einiger Zeit an Bedeutung. Wer heute einen Job sucht, findet in vielen Fällen keinen festen und gut bezahlten Arbeitsplatz, sondern lediglich eine prekäre Beschäftigung. Prekär bedeutet hier eine schlechtere Entlohnung, weniger Arbeitnehmerschutz oder begrenzte berufliche Perspektiven. Immer mehr Menschen müssen sich mit Teilzeitbeschäftigung, geringfügiger Beschäftigung, Midi-Jobs, Leiharbeitsverhältnissen oder Befristung zufriedengeben. Ein Möglicher Grund: Outsourcing wird heute in einem völlig neuen Ausmaß betrieben. Unternehmen gliedern Arbeitsabläufe aus und bedienen sich externer Kräfte, um Kosten zu sparen und am Markt wettbewerbsfähig zu bleiben. Häufig sinkt damit auch die Anzahl der Arbeitsplätze im Unternehmen, was letztlich wiederrum maßgeblich zu den genannten prekären Arbeitsverhältnissen beiträgt.
Ein neuartiges Arbeitsmodell, das sich auf Basis von Digitalisierung und Outsourcing gründet und sich aktuell in Deutschland wie auch weltweit verbreitet, ist das Crowdworking. Es ist Bestandteil der Plattformökonomie, bei der Kunden und Anbieter im Internet auf speziell ausgerichteten Plattformen zusammenfinden und so Angebot und Nachfrage komprimiert verbinden können. Das Ganze klingt zunächst sehr toll und komfortabel: Unternehmen vergeben über Online-Plattformen Aufträge, sogenannte Microjobs, oder kreative Projekte an Externe – und diese suchen sich aus, welche Aufgaben sie erledigen möchten. Damit greift Crowdwork das stetig steigende Verlangen nach Flexibilität und Autonomie im Arbeitsleben auf, das sich besonders bei den jüngeren Generationen zeigt, die mit digitalen Medien aufgewachsen sind. Doch Crowdworking kann die soziale Sicherheit gefährden: Noch fehlt es an rechtlichen Rahmenbedingungen für Arbeiter in der Cloud, die Arbeitsbedingungen sind häufig schlecht. Auch Sozialversicherung und Kündigungsschutz gibt es für die Crowdworker auf den meisten Plattformen noch nicht. Wer keine Aufgaben erledigt, der bekommt auch kein Geld. Auch wenn Crowdwork häufig als die Zukunft und die nächste Stufe des Homeoffice gesehen wird, ist das letzte Wort bei der Implementierung am Arbeitsmarkt noch längst nicht gesprochen. Noch immer stellt sich die Frage, wie sich diese Veränderungen und das Thema Crowdwork in der Arbeitswelt adäquat umsetzen und gestalten lassen.
1.2 Fragestellung und Vorgehensweise
Die Digitalisierung trägt offensichtlich entscheidend zur Veränderung der Arbeitswelt bei. Crowdsourcing und Crowdwork sind zum aktuellen Zeitpunkt noch relativ unerforscht, sodass entsprechend nur sehr begrenzt belastende Aussagen über mittel- und langfristige Entwicklungen getroffen werden können.
Konkret steht die Thematik:
„Digitalisierung und atypische Beschäftigungsverhältnisse – Das Beispiel Crowdwork“
im Mittelpunkt dieser Untersuchung. Damit setzt sich diese Arbeit zum Ziel, die Relevanz der Digitalisierung für den Arbeitsmarkt zu betrachten und herauszuarbeiten, welchen Einfluss neue Formen der Beschäftigung, speziell Crowdwork, im digitalen Zeitalter auf die Arbeitswelt nehmen und welche Konsequenzen sich für die Arbeitswelt und damit für Arbeitgeber wie auch für Crowdworker ergeben.
Dabei stellen sich einige zentrale Fragen, die es zu beantworten gilt:
- Welchen Einfluss hat die Digitalisierung auf den aktuellen Arbeitsmarkt und welche Anforderungen ergeben sich daraus für den Menschen?
- Welche Veränderungen zeigen sich durch die digitale Transformation des Arbeitsmarktes für bestehende Beschäftigungsverhältnisse?
- Woher stammt Crowdwork als neue Form der digitalen Arbeit und wie lässt sich diese neue Erwerbsform in den Arbeitsmarkt integrieren?
- Wie lässt sich der Grundsatz der fairen Arbeit in der Cloud gewährleisten?
- Welche Absicherungen bzw. Handlungsspielräume für Crowdworker gibt es?
Dazu werden systematisch folgende Aspekte betrachtet: Zunächst widmet sich die Arbeit der Digitalisierung und damit der Ursache des digitalen Wandels des Arbeitsmarktes. Aktuelle Entwicklungen wie die Entstehung von Plattformökonomien als zentrales Fundament der digitalen Arbeit und die Auswirkungen technischer Neuerungen am Arbeitsplatz stehen hier im Mittelpunkt. Anschließend richtet sich das Augenmerk auf die technologische Transformation des Arbeitsmarktes, die mit der Digitalisierung einhergeht. Dieser Punkt befasst sich mit der Frage, inwiefern sich durch die Digitalisierung Substituierbarkeitspotenziale in bestehenden Tätigkeitsbereichen zeigen, welche Veränderung die Digitalisierung im Bereich der Beschäftigungsverhältnisse mit sich bringt und wie Aufgabenbereiche im digitalen Zeitalter (um-)gestaltet werden können. Darauf folgt eine Betrachtung atypischer Beschäftigungsverhältnisse und deren Bedeutung für den Arbeitsmarkt. So wird letztlich die Verbindung mit dem Thema Crowdwork geschaffen, das als Resultat der Transformation des Arbeitsmarktes durch die Digitalisierung zu sehen ist und Teil eines Beschäftigungsverhältnisses ist, das nach aktuellen Definitionen (noch) als atypisch bezeichnet werden kann. Letztlich erfolgt eine Analyse möglicher Chancen und Risiken, die Digitalisierung und Crowdwork mit sich bringen und ein Blick in die Zukunft samt theoretischer Prognosen für die Arbeitswelt.
2. Digitalisierung
Um ein allgemeines Verständnis für die Forschungsthematik dieser Arbeit zu schaffen, werden im Folgenden die Begrifflichkeiten Arbeit 4.0 und Digitalisierung näher definiert und im Kontext technologischer Transformationen des Arbeitsmarktes betrachtet. Ziel ist es, Veränderungen im Verhältnis von Arbeitnehmer und Arbeitsmarkt und die beidseitige Erwartungshaltung an den jeweils anderen in Verbindung zu bringen. Auch soll die Digitalisierung im Kontext der Generationen und deren Erwartungshaltung an den modernen Arbeitsmarkt betrachtet werden. Explizit liegt der Fokus dabei auf den neuen Anforderungen, die die Digitalisierung mit sich bringt.
2.1 Arbeit 4.0 und technologischer Fortschritt
Seit jeher ist die Arbeitswelt geprägt durch technologische Fortschritte, welche die Art und Weise, wie wir arbeiten, immer wieder verändern und aktualisieren. Im Rahmen neuer Entwicklungen tun sich meist ähnliche Fragen auf: Wie verändern technologische Entwicklungen die Zukunft der Arbeit? Wie verändern sich unsere Wertvorstellungen und die Ansprüche an die Arbeitswelt? Und welche neuen Anforderungen stellen technologische Fortschritte andererseits an den Menschen?
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Entwicklung der Arbeit; Login Consults
Beginnend bereits Ende des 18. Jahrhunderts mit der ersten industriellen Revolution und Arbeit 1.0 nehmen die ersten drei industriellen Revolutionen bis heute großen Einfluss auf die Funktionsweisen des Arbeitsmarktes. Der Begriff „Arbeit 4.0“ knüpft an den aktuellen Diskurs über die vierte industrielle Revolution, welche ihren Beginn Anfang des 21. Jahrhunderts findet und durch weitreichende technologische Fortschritte erneut starke Veränderungen mit sich bringt. Unter Arbeit 4.0 wird seit einiger Zeit die zunehmende Durchdringung von Arbeits- und Geschäftsprozessen mit digitalen Technologien diskutiert, inklusive erwarteten Wirkungen auf Arbeit, Beschäftigung, Bildung und Beruf. Damit richtet sich Arbeit 4.0 im Kern an das komplexe Beziehungsgefüge zwischen Berufsbildungs- und Beschäftigungssystemen.2 Allerdings wird der Arbeitsmarkt nicht isoliert betrachtet, sondern erweitert die Betrachtung um eine weitere Dimension, indem Arbeitsformen und Arbeitsverhältnisse ins Zentrum gerückt werden und somit besonders auch die soziale Komponente einbezogen wird.3 Damit zeigt sich durch Arbeit 4.0 eine völlig neue Dynamik in der Arbeitswelt. Sie ist die Schnittstelle verschiedenster Akteure und unterschiedlicher Disziplinen, die miteinander kombiniert werden wollen. Zudem entstehen neue Möglichkeiten der Wertschöpfung in Form neuer Strategien der Zusammenarbeit und Kommunikation, die die Arbeitswelt verändern. Durch die aktive Gestaltung, unter Einbezug technologischer Entwicklungen, zeigt sich so letztlich auch ein kultureller Wandel der Arbeitswelt.4
Die digitale Transformation kann demnach nicht im Vakuum betrachtet werden. Der Transformationsprozess setzt sich zusammen aus verschiedenen Faktoren, welche mehrfache Wechselwirkungen untereinander zeigen. Auf Basis technologischer Fortschritte, besonders im Bereich des Internet, schaffen Faktoren wie Globalisierung, Digitalisierung oder Automatisierung eine zunehmende Unabhängigkeit von Zeit und Raum und lösen einst starre Regelungen des Arbeitsmarktes ab (siehe Abbildung 1). So wird seit Arbeit 4.0 versucht, das gesamte System mit all seinen unterschiedlichen Dimensionen zu betrachten, sowohl technisch wie auch gesellschaftlich. Wenngleich also viele unterschiedliche Faktoren in dieses System hineinspielen ist doch die Digitalisierung als grundlegender Faktor der wohl entscheidende und als Ursache der Modernisierung der Arbeitswelt zu sehen.
2.1.1 Megatrend Digitalisierung
In der Literatur wird die digitale Vernetzung häufig als Megatrend betrachtet. Megatrends sind ubiquitär und interdisziplinär. Ihre Auswirkungen umfassen alle Bereiche des menschlichen Lebens: Von technologischen Veränderungen bis hin zu zwischenmenschlichen Beziehungen lassen sie sich auf der gesellschaftlichen Ebene genauso darlegen wie auch im ökonomischen Sektor. Zudem zeichnen sich Megatrends aus durch mehrschichtige Veränderungen, die sich über einen langen Zeitraum konstituieren und langanhaltende Veränderungen im großen Maßstab mit dem Ergebnis tiefgreifender Auswirkungen zur Folge haben.5 Megatrend als meist globales Phänomen ist dabei zu verstehen als eine stark ausgeprägte Form eines Trends – quasi als Fundament eines größeren Systems – dem weitere Trends zugesprochen werden können.6 Meist zeigt sich bei Megatrends ein exponentielles Wachstum. Langsam beginnende Veränderungen entwickeln sich plötzlich schlagartig – so auch das Internet. Zu den typischen Megatrends wird neben Globalisierung, Individualisierung oder Urbanisierung daher auch die Digitalisierung gezählt.
In Anlehnung an die Definition des Megatrends versteht man die Digitalisierung als den Wandel in allen Bereichen des Lebens durch ständige Neuerungen im Bereich digitaler Technologien. Damit ist das Thema Digitalisierung im heutigen Alltag allgegenwärtig. Dem Begriff kommen mehrere Bedeutungen zu: Zum einen spricht man bei der Digitalisierung von der digitalen Modifikation von Information und Kommunikation, sprich von der Umwandlung analoger Daten in digitale Formate. Hier handelt es sich demnach um ein sehr technisches Verständnis der Digitalisierung. „Informationszeitalter“ oder „Computerisierung“ sind nur zwei Schlagworte, die häufig in Verbindung mit der Digitalisierung gebracht werden. Damit entsteht überall da, wo Informationen und Wissen erzeugt oder verarbeitet werden, ein natürliches Potenzial der Digitalisierung. Gepaart mit digitaler Vernetzung und steigender Mobilisierung von Endgeräten geht zudem eine Flexibilisierung einher, die den Arbeitsplatz zunehmend zeit- und ortunabhängig gestaltet.7
Die zweite Interpretation versteht die Digitalisierung im Kontext gesellschaftlicher Veränderungsprozesse in den Bereichen Wirtschaft, Kultur, Bildung und Politik. Digitale Transformationen verändern Arbeits- und Verhaltensweisen. Digitalisierung bedeutet in diesem Kontext die Übertragung des Menschen und seiner Lebens- sowie Arbeitswelten auf die digitale Ebene. Die Herausforderungen und Chancen, die damit einhergehen, sind enorm. So fordert die Digitalisierung die Weiterentwicklung oder gar ein grundsätzliches Überdenken bisheriger Modelle.8 Besonders in Unternehmen zeigen sich starke strukturelle und funktionelle Veränderungen, wodurch sich die Geschäftstätigkeiten immer mehr in die virtuelle Welt verlagern. Ganze Branchen, Berufsprofile und Qualifikationsanforderungen werden durch die Digitalisierung geprägt und verändern Strukturen und Geschäftsprozesse. Mit Hinblick auf Effizienzsteigerung und Kundenorientierung zeigen sich vor allem Veränderungen in unternehmerischen Kernprozessen: Die digitale Vernetzung von Unternehmen untereinander, aber auch die Verbindung zum Kunden, ist heute wichtiger denn je.9
Für die digitale Vernetzung und die Erweiterung bestehender Geschäftsmodelle bedarf es spezieller Plattformen der Kommunikation, über die Unternehmen neue digitale Geschäftsmodelle entwerfen und online Produkte und Dienstleistungen anbieten können. Zudem wird die Kommunikation zwischen Unternehmen und Kunden gefördert. Besonders profitieren können die Endnutzer davon, weil sie sich leicht einen Überblick über den aktuellen Markt verschaffen können. Gleichzeitig profitiert der Anbieter, weil digitale Plattformen zu einem Netzwerkeffekt führen und den Austausch von Informationen und Gütern begünstigen. Durch die Schaffung neuer digitaler Infrastrukturen definiert die Plattformökonomie Märkte neu und verspricht großes Marktwachstum.10
2.1.2 Plattformökonomie: Entstehung des digitalen Kapitalismus
Die Digitalisierung von Unternehmen, d.h. die wachsende Durchdringung von Geschäftsprozessen mit Informationstechnologien, ermöglicht neue Geschäftsmodelle, neue Umsatzströme, schnellere Markteinführungen, eine höhere Rentabilität, dynamische Wertschöpfungsketten und auf den Kunden optimal zugeschnittene Informationen und Services. Daten sind wertvoll geworden und lassen sich heute zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit nutzen.11 Die Tatsache, dass nicht nur Daten, sondern zunehmen auch Produkte digitalisiert werden, hat starke Veränderungen im wirtschaftlichen Sektor zur Folge: Digitale Märkte bilden sich, die ihre eigene „digitale Ökonomie“ erzeugen. Diese neue Form der Ökonomie, in dem digitale Plattformen die dominanten Wirtschaftsakteure darstellen, ist der Plattformkapitalismus. Dabei handelt es sich um ein Geschäftsmodell, in dem Plattformen als Mittelsmänner Angebot und Nachfrage am Markt zusammenführen. Die Plattformen selbst besitzen keine materiellen Güter in Form eigener Produkte, sondern kontrollieren stattdessen den Zugang zu Gütern oder Dienstleistungen über das Internet.12 Demnach ist dieses Plattform-Modell allgemein als zweiseitiger Markt zu verstehen, auf dem Produkte und Dienstleistungen ausgetauscht werden. Dadurch, dass der Betreiber Anbietern und Kunden Zugang auf seine digitale Plattform gewährt, kann er durch sehr geringe Investitionskosten einen Markt schaffen, der je nach Ausrichtung der Plattform eine Vielzahl an verschiedenen wirtschaftlichen Bereichen abdecken kann.13 Durch eine Art Dreiecksbeziehung zwischen Plattformbetreiber, Anbieter und Kunde entsteht eine neue Dynamik der Ökonomie: Verschiedene Unternehmen können ihre Dienstleistungen auf wenigen spezialisierten Plattformen anbieten, gleichzeitig erhält der Kunde über das Internet einen komprimierten Einblick in den digitalen Markt (siehe Abbildung 2). So werden viele Angebote in Zeiten des digitalen Kapitalismus digitalisiert, aufgrund steigender Transparenz wird der Markt liberalisiert und alte analoge Geschäftsmodelle ersetzt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Digitale Infrastruktur; xpert.digital
Die Plattformökonomie ist daher besonders geprägt durch Begriffe wie Dematerialisierung, Beschleunigung, Dezentralisierung und Globalisierung. Der digitale Kapitalismus beschreibt nicht mehr die Verwertung von materiellen Gütern, sondern die Verwertung von Informationen und anderen immateriellen oder intellektuellen Gütern. Diese Informationen sind über digitale Netzwerke global verfügbar, haben nur noch eine sehr kurze Präsenzzeit, verlieren damit schneller denn je an Relevanz und verlangen Aktualisierungen in kürzeren Intervallen als zuvor.14 Erfolgskriterium dieser digitalen Märkte ist der daher primär der Parameter Zeit, denn hinzu kommt, dass bereits mit nur sehr wenigen Plattformen ein Sättigungseffekt eintritt, der andere Plattformen entweder vom Markt verdrängt oder die Anbieter untereinander zur Kooperation zwingt.15 Dieser Effekt zeigt sich an Beispielen wie Facebook im Bereich der sozialen Netzwerke, Amazon oder Ebay als Vertreter des Onlinehandels oder Uber als Vermittlungsdienst für Personenbeförderung.
Mittlerweile lagern Unternehmen diverse Aufgaben aus und bieten diese auf digitalen Plattformen zur Bearbeitung durch Außenstehende an. Durch das zentrale Angebot auf speziell zugeschnittenen Plattformen soll das digitale Outsourcing ähnlich wie auch bei anderen Plattform-Modellen die Verarbeitungsgeschwindigkeit und Flexibilität erhöhen bei gleichzeitiger Kostenreduzierung. Diese Form des Plattformkapitalismus ist im späteren Verlauf dieser Arbeit von besonderer Relevanz.
2.2 Aktuelle Trends der Digitalisierung am Arbeitsmarkt
Wie in den letzten Kapiteln angesprochen, wird das Thema „Digitaler Wandel“ heute meist in vier große Dimensionen unterteilt: Technologische Entwicklungen, Geschäftsmodelle, Wertschöpfungsketten und Auswirkungen auf die Arbeitswelt. Mehr und mehr Unternehmen befassen sich mit dem Thema, wie sie digitale Technologien nutzen können, um anhand neuer Geschäftsmodelle ihre Produktion an die Anforderungen des Marktes anzupassen. Auch im Bereich der Arbeitswelt springen Unternehmen daher zunehmend auf den Zug der digitalen Trendwende auf. Die Bedeutung der Digitalisierung am Arbeitsmarkt ist so groß wie nie, denn sie öffnet neue Gestaltungsmöglichkeiten der Arbeitswelt. Durch die Entstehung digitaler Plattformen verändern sich bisherige Arbeitsprozesse, zudem ergeben sich daraus neue Formen der Interaktion mit Arbeit, denn diese Onlineplattformen schaffen für Anbieter und Kunde die Möglichkeiten, praktisch unabhängig von Raum und Zeit zu interagieren. Für die Teilnahme an diesen Plattformen ist es nicht mehr notwendig, zur selben Zeit am selben Ort zu sein.16 Im Zeichen der Digitalisierung setzen sich viele Unternehmen neue Ziele: Durch die steigende Vernetzung von Arbeitsplätzen und durch einfachere Kommunikation zwischen Mitarbeitern und Unternehmen soll ein mobiles und effizientes Arbeiten unterstützt werden. Starre Zeiten der Anwesenheitspflicht am Arbeitsplatz weichen steigender Flexibilität – Reine Anwesenheit im Unternehmen ist keine Qualifikation und kein Leistungsnachweis mehr. Damit verlieren auch altmodische Karrieresymbole wie das eigene Büro an Bedeutung. Stattdessen fördert die sogenannte Vertrauensarbeitszeit nachweislich sogar Innovationen und die allgemeine Arbeitsqualität.17 Viele Unternehmen sind also daran bedacht, sich dem Wandel der Digitalisierung und damit den neuen Trends der Arbeitswelt anzupassen.
Bestehende Grenzen lösen sich dadurch zunehmend auf. Dieser Trend zeigt sich in vielen Bereichen des Arbeitsmarktes. Für die Arbeitnehmer ergeben sich durch die digitale Transformation des Marktes ebenfalls Veränderungen: Durch die Digitalisierung und den daraus entstehenden Geschäftsmodellen auf Basis neuer Internet-Plattformen zeigt sich ein Wandel in bestehenden Berufen. Am Beispiel des beruflichen Netzwerkes XING besteht unter den Berufstätigen Konsens, dass es viele Berufe in ihrer jetzigen Form in Zukunft nicht mehr geben wird. Die vernetzte Arbeitswelt von morgen wird automatisch an Komplexität gewinnen, wodurch auch mentale Anforderungen deutlich steigen werden. Arbeitnehmer, die nur einen klugen Kopf, ihren Laptop und ein Smartphone zur Ausübung ihres Berufes benötigen, möchten zunehmend wählen dürfen, wann und wo sie arbeiten. Die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit verschwimmen somit zunehmend, wodurch ziemlich alle Themen, die unter dem Begriff „Work-Life-Balance“ zusammengefasst werden können, an Bedeutung gewinnen. Obwohl eine große Zahl der Arbeitnehmer die gestiegene Flexibilität der Arbeit begrüßen und der Wunsch nach einer flexiblen Gestaltung der Arbeit nach wie vor hoch ist, geht der Trend mittlerweile allerdings wieder in die Richtung der klaren Trennung zwischen Arbeits- und Freizeit.18
Die Trends des digitalen Arbeitsmarktes haben somit weitreichende Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft. Individuelle Lebensentwürfe werden vielfältiger, klassische Rollenbilder weichen auf und die Ansprüche an die eigene Arbeit entwickeln sich weiter. Durch den digitalen Wandel zeigt sich nicht nur eine steigende Komplexität des Arbeitsmarktes, sondern auch steigende Anforderungen seitens der Arbeitnehmer.
2.2.1 Auswirkungen technischer Neuerungen am Arbeitsplatz
Die Auswirkungen neuer Informations- und Kommunikationstechnologien, darunter mobile Endgeräte, digitale Plattformen oder Cloud-Dienste in Kombination mit der steigenden Vernetzung des Arbeitsplatzes, resultieren in grundlegenden Veränderungen des Arbeitslebens. Fast jedes zweite Unternehmen gab im Jahr 2018 an, die Digitalisierung in der eigenen Geschäftsstrategie verankert zu haben. Vor allem in den Bereichen IT, Informationssicherheit und Datenschutz bestätigten Unternehmen die Notwendigkeit der digitalen Modernisierung.19 Diese Veränderungen haben starke Auswirkungen auf Arbeitszeit, Arbeitsort und die Art und Weise, wie wir in Zukunft arbeiten werden. Ein Patentrezept für die ideale Anpassung an den technologischen Wandel wird man dabei aber wohl vergeblich suchen, denn die Ausrichtung von unternehmerischen Strategien variiert auf Basis des Geschäftskonzeptes. In Branchen mit enger Kundenbindung ergeben sich aus der Digitalisierung andere Schwerpunkte und Prioritäten, als es bei Geschäftsbeziehungen ohne Kundenkontakt der Fall ist.20 Trotz der Tatsache, dass handwerklich-manuelle Berufe einen weniger starken Anstieg vermerken als Berufe aus dem intellektuell-geistigen Sektor, ist der technologische Wandel am Arbeitsplatz doch über alle Tätigkeitsbereiche deutlich spürbar21 – Unabhängig vom beruflichen Abschluss ist ein starker Anstieg der Nutzung digitaler Informations- und Kommunikationstechnologien am Arbeitsplatz erkennbar.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Technologischer Wandel am Arbeitsplatz; IAB 2015
Allgemein lässt sich somit beobachten, dass der technologische Wandel alle wirtschaftlichen Sektoren beeinflusst, wenn auch nicht im selben Maße (siehe Abbildung 3). Vielmehr bestehen abhängig von nicht-technischen, sozialen und ökonomischen Faktoren stets große Spielräume für die Arbeitsgestaltung. Als Gestaltungsansatz dieses komplexen Zusammenhangs unterschiedlicher Faktoren kommt daher meist ein sozio-technisches Konzept zum Einsatz mit dem Ziel einer aufeinander abgestimmten Entwicklung und Gestaltung der digitalisierten Arbeitswelt.22 Das Ziel ist die Anpassung und Abstimmung von Mensch und Maschine, sodass die Produktivität und Arbeitsleistung verbessert werden kann. Daraus entstehen aber auch neue Herausforderungen für den Menschen: Anforderungen in den Bereichen Qualifikation, Kompetenzen, Weiterbildung und Tätigkeiten im Allgemeinen gewinnen an Relevanz.
2.2.2 Neue Anforderungen an den Menschen
Die Digitalisierung der Arbeitswelt verändert nicht nur die Art und Weise, wie wir arbeiten, sondern erfordert zudem gewaltige Anpassungsleistungen an das neue digitale Umfeld. Einerseits stellt die zunehmende Computer- und Internetaffinität von Unternehmen neue Anforderungen an ihre Mitarbeiter. Neue Fähigkeiten werden vorausgesetzt, mit dem aktuellen digitalen Standard umzugehen zu können. Andererseits wird erwartet, die Potenziale der Digitalisierung auch darüber hinaus erschließen und umsetzen zu können. Immer häufiger werden in Unternehmen daher unterschiedlichste Kenntnisse im IT-Bereich und ein sicherer Umgang in PC-Anwendungen verlangt.23 Das Internet hat sich damit in einer verhältnismäßig kurzen Zeit bereits zu einem Standardwerkzeug entwickelt. Im Zuge der Digitalisierung ergeben sich neue Qualifikationsprofile, die aufgrund des stark beschleunigten Produktzyklus ständig aktualisiert werden müssen. Dies bedingt eine stetige Verkürzung der Intervalle von Fortbildungsmaßnahmen und erhöht die Anforderungen an den Menschen weiter, das eigene Wissen regelmäßig zu aktualisieren, um mit der technologischen Entwicklung des Marktes mithalten zu können.24 Qualifikationen im digitalen Sektor sind mehr denn je Grundvoraussetzungen für die Teilhabe am digitalisierten Arbeitsmarkt, aufgrund der geringeren Halbwertszeit von Wissen können sich selbst Hochqualifizierte nicht mehr auf erworbenen Kenntnissen ausruhen.25 Bezugnehmend auf die neuen Trends der Arbeitswelt wie bspw. die steigende Flexibilität und neue Gestaltungsmöglichkeiten der eigenen Arbeit werden dem Menschen zunehmend auch neue Selbstlernkompetenzen abverlangt, um in Zeiten des schnelllebigen und offenen Arbeitsmarktes den Überblick zu behalten. Damit steht der Mensch mehr und mehr zwischen Selbstbestimmung, Freiheit und Verantwortung.
Hinzu kommt, dass durch die Digitalisierung auch die reine Menge an Arbeit, die im gleichen Zeitraum zu bewältigen ist, deutlich ansteigt. Wie in Abbildung 4 zu sehen verändern neue Technologien nicht nur die Kompetenzanforderungen an die Beschäftigten, sondern erhöhen zudem die Arbeitsbelastung. Zwar führt der technologische Wandel, ungeachtet des beruflichen Werdegangs, zu einer körperlichen Entlastung am Arbeitsplatz. Gleichwohl hat der Wandel aber auch eine Verdichtung der Arbeit zur Folge, wodurch die psychische Belastung stark ansteigt. Routinetätigkeiten verschwinden zunehmend aus dem Arbeitsalltag, stattdessen verlangt die steigende Komplexität von Aufgaben die Koordination und Kooperation in Teams, die übergreifende Lösungswege erarbeiten. Die steigende Vernetzung erhöht somit auch die Anzahl der Reize und Informationen, die zu jeder Zeit auf uns einwirken und erhöht die zu bewältigende Menge an Informationen drastisch.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Neue Anforderungen der Digitalisierung; IAB 2015
Belastungen am Arbeitsplatz basieren daher in Zukunft voraussichtlich seltener auf körperlichen Anstrengungen, sondern sind charakterisiert durch neue Herausforderungen infolge von Arbeits- und Informationsintensivierung.26 Viele Arbeitnehmer beklagen sich bereits heute über eine Überforderung durch Multitasking. Auch die neuen Formen der flexibleren Arbeit und Möglichkeiten der Selbstbestimmung am Arbeitsplatz bringen nicht nur Vorteile mit sich und führen bereits heute zu einer Art Ernüchterung gegenüber der Digitalisierung: In vielen Fällen fürchten Menschen eine fortschreitende Entgrenzung von Beruf und Privatleben und den steigenden Leistungsdruck durch permanente Vernetzung.27
Neue Anforderungen zeigen sich daher nicht nur im direkten Umfeld des Arbeitsplatzes, sondern auch im Management neuer technologischer Veränderungen in Kombination mit persönlichen Erwartungen an den eigenen Arbeitsplatz. Eine der wichtigen Anforderungen am digitalen Arbeitsmarkt ist daher die Anpassungsfähigkeit des Menschen an das neue Umfeld.
2.2.3 Schnittstelle Mensch-Maschine
Der bisherige Trend der Digitalisierung zeigt, dass die Zusammenarbeit von Mensch und Technik in den kommenden Jahren noch deutlich an Relevanz gewinnen wird. Bereits heute zeigen sich enorme Fortschritte im Bereich der Schnittstellen von Mensch und Maschine (Benutzerschnittstelle). Dadurch können neue digitale Technologien künftig viel einfacher in die Arbeitsumgebung integriert werden. Diese ermöglichen neue Formen der Funktionsverteilung und Interaktion von Mensch und Maschine. Durch die neue digitale Aufgaben- und Kontrollverteilung kann die Arbeit so einerseits abwechslungsreicher gestaltet werden, andererseits können durch strikte Systemvorgaben aber auch Handlungsspielräume eingeschränkt werden.28 Es geht daher nicht mehr um die Frage „Mensch oder Maschine?“, sondern vielmehr um die aufeinander abgestimmte Entwicklung und Gestaltung des sozio-technischen Gesamtsystems und damit um die funktionale Beziehung zwischen Mensch, Technik und Organisation. Zwei Faktoren spielen hier eine wichtige Rolle:
1. Adaptivität und Kontextsensitivität: Um neue digitale Systeme sinnvoll einsetzen zu können, müssen sie an spezifische Arbeitsbedingungen angepasst werden können und müssen in diesem Arbeitsbereich je nach Bedarf flexibel einsetzbar sein. Um störungsfreie Arbeitsprozesse sicherzustellen müssen diese Systeme Daten und Informationen situationsbedingt bereitstellen und sich an die Bedürfnisse des Menschen anpassen lassen.
2. Komplementarität: Das System muss die Anpassung von Mensch und Maschine auf den jeweils anderen ermöglichen, sodass sich beide im Arbeitsprozess ergänzen können. Durch eine adäquate Funktionsteilung und die systematische Gestaltung soll die Mensch-Maschine-Interaktion optimiert werden, um Entscheidungs- und Handlungsmöglichkeiten zu verbessern.29
Das Benutzerinterface und das Verhältnis von Mensch und Maschine gewinnt somit in Zeiten der digitalen Systeme und Plattformen, über die zunehmend auch Arbeit ausgelagert und vermittelt wird, an Bedeutung. Je leichter der Zugang zu solchen Systemen gestaltet wird und je leichter sie zu verstehen und zu erlernen sind, desto effektiver gestalten sich letztlich auch Arbeitsprozesse und desto höher wird die Produktqualität selbst bewertet. Daher wird die Schnittstelle Mensch-Maschine zunehmend zu einem der wichtigsten Kriterien für die Güte von Maschinen und Konsumgütern.30 Denn auch die technologisch optimierteste Maschine ist dem Menschen von keinerlei Nutzen, wenn das Betriebssystem, das die Nutzung durch den Menschen ermöglichen soll, die erwarteten Funktionen nicht bereitstellen kann.
2.3 Digitalisierung im Kontext der Generationen
Im Zuge der Digitalisierung und dem einhergehenden Wandel der Arbeitswelt zeigen sich grundlegende Veränderungen bei der Einstellung der Generationen zur Arbeit. Die Anforderungen der Arbeitnehmer steigen heute genauso wie die der Arbeitgeber. Explizit heißt das, dass die Generation Y und darauffolgende Generationen eine gänzlich neue Einstellung gegenüber Arbeit haben und dass sich ihre Vorstellungen von denen vorheriger Generationen, was die Verbindung von Privatleben und Beruf angeht, enorm unterscheidet. Damit ist der Generationenwechsel für den Arbeitgeber in vielen Fällen eine große Herausforderung, denn mit den neuen Generationen müssen sich zwangsläufig auch die Unternehmenskultur und die gesamte Organisation anpassen.31
Die jüngeren Generationen, die u.a. unter alternativen Bezeichnungen wie „Digital Natives“ bekannt sind, zeigen besonders Verhaltensmerkmale wie Offenheit, Mobilität, Flexibilität, Selbstbewusstsein, Sprunghaftigkeit, den Wunsch nach stetiger Entwicklung und die ausgeprägte Affinität zu digitalen Medien. Sie sind besonders geübt mit den neuen Technologien der Digitalisierung und wissen mit dem Internet und plattformbasierten Netzwerken umzugehen. Die digitale Welt und ihre zahlreichen neuen Möglichkeiten, mit der Welt zu kommunizieren, sind für die jüngeren Generationen eine Selbstverständlichkeit.32 Diese steigende Verbundenheit von Mensch und Technik hat unweigerlich Auswirkungen auf die Anforderungen der Generationen am Arbeitsplatz. Die Generationen Y besteht gegenüber älteren Generationen mehr denn je auf Individualismus, Freiheit und Spaß an der Arbeit und erwartet eine Art persönliche Erfüllung durch den Beruf.
Die Generation Z geht sogar noch einen Schritt weiter. Auch die „Digital Natives 2.0“ verlangen einen perfekten Mix aus Arbeitsleben und Freizeit, wollen zudem unabhängig sein und eigene Interessen verfolgen. Sie wollen das gewisse Maß an Flexibilität, suchen aber dennoch aus Gründen der Sicherheit wieder vermehrt auch geordnete Arbeitsverhältnisse. Sie sind also hochgradig auf eigene Ziele konzentriert, weniger teamorientiert als frühere Generationen und setzen auf ein ausgeglichenes Verhältnis von beruflicher Flexibilität und Stabilität sowie privater Lebensqualität.33 Der Trend der abnehmenden emotionalen Bindung zum Unternehmen setzt sich also fort – Das Berufsleben soll nicht mehr Hauptinhalt des Lebens sein. Offensichtlich spielt das Verlangen nach Flexibilität aber dennoch zu jeder Zeit eine entscheidende Rolle. Wichtig ist es daher, dass Unternehmen Motivation anders schaffen, indem sie auf die Anforderungen der jungen Generationen eingehen, beispielsweise durch neue Projekte im digitalen Bereich, wechselnde Herausforderungen und adäquate Modelle zur Work-Life-Balance.
[...]
1 Vgl. ARD/ZDF-Onlinestudie 2018, S. 1
2 Vgl. Dobischat et al. 2019, S. 9 f.
3 Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales o.J.a
4 Vgl. Werther; Bruckner 2018, S. 3 f.
5 Vgl. Zukunftsinstitut GmbH o.J.
6 Vgl. Wicker 2010, S 11
7 Vgl. Hofmann 2018, S. 3 ff.
8 Vgl. SHR Fernhochschule 2017, S. 4 f.
9 Vgl. Hess 2019
10 Vgl. Wirtschaft digital o.J.
11 Vgl. Foth 2016, S. 32
12 Vgl. Hildebrandt; Landhäußer 2017, S. 1146
13 Vgl. Fend; Hofmann 2018, S. 187
14 Vgl. Stähler 2002, S. 29
15 Vgl. Fend; Hofmann 2018, S. 188
16 Vgl. Stokar et al. 2018, S. 53
17 Vgl. Fortmann; Kolocek 2018, S. 3 f.
18 Vgl. Wippermann 2018, S. 4 ff.
19 Vgl. Digitalisierungsindex 2018, S. 4 f.
20 Vgl. Binckebanck; Elste 2016, S. 61
21 Vgl. Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung 2017a, S. 3 f.
22 Vgl. Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft 2017, S. 474 f.
23 Vgl. Thüsing 2016, S. 90 f.
24 Vgl. Hermeier et al. 2019, S. 11 f.
25 Vgl. Lorenz 2017, S. 15
26 Vgl. Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung 2017b, S. 6 f.
27 Vgl. Fortmann; Kolocek 2018, S. 5
28 Vgl. Hirsch-Kreinsen et al. 2018, S. 386 f.
29 Vgl. Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft 2017, S. 474 f.
30 Vgl. Sendler 2018, S. 281 f.
31 Vgl. Parment 2013, S. 12
32 Vgl. Krause 2015, S. 15 ff.
33 Vgl. Freudenberg 2016, S. 4 ff.
- Citar trabajo
- Nicolas Seibel (Autor), 2020, Digitalisierung und atypische Beschäftigungsverhältnisse. Crowdwork, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/520311
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