Alltäglich und allgegenwärtig erhalten wir mittels Medien Meldungen über die teilweise katastrophalen Zustände in Natur und Umwelt, welche oftmals anthropogene, d.h. durch den Menschen bedingte, Ursachen implizieren. Um nur ein bekanntes Beispiel zu nennen, sei hier auf den globalen Klimawandel verwiesen. Wenngleich es umstritten ist, ob der Mensch in diesem Kontext der alleinige Verursacher dieses gravierenden Umweltproblems ist, ist doch unbestreitbar, dass die Menschheit infolge zunehmender Industrialisierung und deren Folgewirkungen ihren Beitrag zu dieser Erscheinung geleistet hat und immer noch
leistet.
Aber die seit Anfang der 1990er populär gewordene Klimaerwärmung und ihre vielfältigen Konsequenzen für die Erde sind bei weitem nicht die einzigen Anzeichen, welche die menschlichen Einflüsse auf seine Umwelt aufzeigen. Schon vorher wurde bewusst, dass „die Elemente, mit denen und von denen wir leben – Luft, Wasser und Erde“ (Göpfert, 1988), d.h. die Welt, die sich der Mensch nicht zuletzt beispielsweise infolge religiöser Legitimierungen Untertan gemacht hat (vgl. Hamp/Stenzel, 1999), von diesem gewissermaßen missbraucht wurde: industriell bedingte Luftverschmutzungen, Raubbau an natürlichen Ressourcen, massenhafte Rodungen der Wälder sowie der rapide zunehmende Artenschwund in Flora und Fauna sind hier nur als Beispiele einer breiten Palette an menschlichen Einflüssen auf Natur und Umwelt zu nennen. [...]
Bei der Betrachtung der genannten Ausführungen über die vom Menschen (mit-)verursachten Umweltprobleme taucht unweigerlich die Frage nach möglichen Reaktionen auf diese auf. Die Notwendigkeit liegt darin begründet, dass diese Einwirkungen mittlerweile nicht mehr lediglich die Sphäre der Natur, sondern auch den Menschen in seiner Existenz selbst bedrohen. Damit wird zugleich erkennbar, dass die Beschäftigung mit dieser Thematik nicht nur für die Gegenwart, sondern insbesondere für die Zukunft von hoher Relevanz ist.
Präziser formuliert lautet die Frage, wie der Mensch diesen Bedrohungen begegnen kann. Sind politische Maßnahmen notwendig? Reichen technische Lösungsstrategien dafür aus? Oder liegt der Schlüssel für die Bewältigung dieser Probleme, welche eine enorme Herausforderung für die Menschheit und unseren Planeten darstellen, in Bildung und Erziehung begründet?
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1. Einleitung
2. Grundlegende Begriffe des Umweltbildungsbereichs
2.1 Natur
2.2 Umwelt
2.3 Okologie
2.4 Zusammenfassung der Begriffe Natur, Umwelt und Okologie
2.5 Umweltbildung
3. Historische Entwicklung der Umweltbildung
3.1 Ursachen der (globalen) Umweltprobleme
3.2 Ende des Fortschrittsglaubens
3.3 Von einer Umweltpolitik zu einer Umweltbildung
3.4 Internationale umweltbildnerische Initiativen
3.5 Nationale Entwicklung der Umweltbildung in der Bundesrepublik Deutschland
3.6 Zusammenfassung
4. Theoretische Konzeptionen in der Umweltbildung
4.1 Umwelterziehung
4.2 Okologisches Lernen
4.3 Okopadagogik
4.4 Spezifische Konzeptionen im Umweltbildungsbereich: Naturbezogene Padagogik/Flow Learning
4.5 Zusammenfassung und Vergleich der theoretischen Konzeptionen in der Umweltbildung
5. UNCED-Konferenz in Rio de Janeiro und Agenda - Ausgangspunkt in eine neue Ara der Umweltbildung (?)
5.1 UNCED-Konferenz in Rio de Janeiro 1992
5.2 Das Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung (NE)
5.3 Bildung fur eine nachhaltige Entwicklung (BNE)
5.4 Implementierung einer BNE S.83 im schulischen/auBerschulischen Bildungsbereich
5.5 Kritik und Fazit
6. Konventionelle Ansatze der Umweltbildung und BNE - ein Perspektivenwechsel (?)
6.1 Charakteristika eines Perspektivenwechsels in der Umweltbildung
6.2 Tatsachlicher Perspektivenwechsel in der Umweltbildung? - oder Aufgreifen existenter umweltpadagogischer Aspekte?
6.3 Kritik und Fazit
7. Schlussgedanke
Literatur- und Quellenverzeichnis
Anhang
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Waldsterben
Abbildung 2: Regenwaldabholzung durch den Menschen
Abbildung 3: Fortschrittssymbol Energie
Abbildung 4: Karikatur: Konjunktivaktivitaten zur Bewaltigung der Umweltprobleme
Abbildung 5: Symbol der Conference on the Human Environment in Stockholm 1972
Abbildung 6: Dreieck der Nachhaltigkeit
Abbildung 7: Emblem der UN-Weltdekade Bildung fur nachhaltige Entwicklung
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Nationale und internationale Umweltbildungsinitiativen
Tabelle 2: Didaktische Prinzipien und Schlusselqualifikationen einer BNE
Tabelle 3: Wesentliche Aspekte des Perspektivenwechsels von konventionellen Umweltbildungsansatzen hin zu einer BNE
1. Einleitung
„ ,Adieu', sagte der Fuchs. ,Hier ist mein Geheimnis. Es ist ganz einfach: Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist fur die Augen unsichtbar.'
,Das Wesentliche ist fur die Augen unsichtbar', wiederholte der kleine Prinz, um es sich zu merken.
,Die Zeit, die du fur deine Rose verloren hast, sie macht deine Rose so wichtig.'
,Die Zeit, die ich fur meine Rose verloren habe...', sagte der kleine Prinz, um es sich zu merken.
,Die Menschen haben diese Wahrheit vergessen', sagte der Fuchs. ,Aber du darfst sie nicht vergessen. Du bist zeitlebens fur das verantwortlich, was du dir vertraut gemacht hast. Du bist fur deine Rose verantwortlich.'
,Ich bin fur meine Rose verantwortlich.', wiederholte der kleine Prinz, um es sich zu merken (De Saint-Exupery, 1946/2001, S.72 f.).
Dieses Zitat aus Saint-Exuperys Werk Der kleine Prinz ist nicht nur eine Zeile aus einem Klassiker der Weltliteratur. Es deutet zudem die Thematik der hier vorliegenden Diplomarbeit an: Umweltbildung
So wie der kleine Prinz fur seine Rose verantwortlich ist, ist es auch Aufgabe und zugleich Pflicht des Wesens, welches im Laufe der Evolution die oberste Position in Flora und Fauna eingenommen hat, aufgrund dieser Stellung mit seiner Umgebung, seiner Umwelt verantwortungsvoll umzugehen. Doch wenn der Blick auf die tatsachlichen menschlichen Umgangsweisen mit seiner naturlichen Umwelt gerichtet wird, scheinen die Menschen ebenso wie beim kleinen Prinzen diese Wahrheit vergessen zu haben.
Alltaglich und allgegenwartig erhalten wir mittels Medien Meldungen uber die teilweise katastrophalen Zustande in Natur und Umwelt, welche oftmals anthropogene, d.h. durch den Menschen bedingte, Ursachen implizieren. Um nur ein bekanntes Beispiel zu nennen, sei hier auf den globalen Klimawandel verwiesen. Wenngleich es umstritten ist, ob der Mensch in diesem Kontext der alleinige Verursacher dieses gravierenden Umweltproblems ist, ist doch unbestreitbar, dass die Menschheit infolge zunehmender Industrialisierung und deren Folgewirkungen ihren Beitrag zu dieser Erscheinung geleistet hat und immer noch leistet.
Aber die seit Anfang der 1990er popular gewordene Klimaerwarmung und ihre vielfaltigen Konsequenzen fur die Erde sind bei weitem nicht die einzigen Anzeichen, welche die menschlichen Einflusse auf seine Umwelt aufzeigen. Schon vorher wurde bewusst, dass „die Elemente, mit denen und von denen wir leben - Luft, Wasser und Erde“ (Gopfert, 1988, S.5), d.h. die Welt, die sich der Mensch nicht zuletzt beispielsweise infolge religioser Legitimierungen Untertan gemacht hat (vgl. Hamp/Stenzel, 1999, S.14), von diesem gewissermaBen missbraucht wurde: industriell bedingte Luftverschmutzungen, Raubbau an naturlichen Ressourcen, massenhafte Rodungen der Walder sowie der rapide zunehmende Artenschwund in Flora und Fauna sind hier nur als Beispiele einer breiten Palette an menschlichen Einflussen auf Natur und Umwelt zu nennen. Ausgehend von der Brisanz dieses Themas und aufgrund meiner personlichen Motivation infolge eines sechswochigen Praktikums im auBerschulischen, umweltpadagogischen Bereich wahlte ich diese Thematik fur meine Diplomarbeit.
Bei der Betrachtung der genannten Ausfuhrungen uber die vom Menschen (mit- )verursachten Umweltprobleme taucht unweigerlich die Frage nach moglichen Reaktionen auf diese auf. Die Notwendigkeit liegt darin begrundet, dass diese Einwirkungen mittlerweile nicht mehr lediglich die Sphare der Natur, sondern auch den Menschen in seiner Existenz selbst bedrohen. Damit wird zugleich erkennbar, dass die Beschaftigung mit dieser Thematik nicht nur fur die Gegenwart, sondern insbesondere fur die Zukunft von hoher Relevanz ist.
Praziser formuliert lautet die Frage, wie der Mensch diesen Bedrohungen begegnen kann. Sind politische MaBnahmen notwendig? Reichen technische Losungsstrategien dafur aus? Oder liegt der Schlussel fur die Bewaltigung dieser Probleme, welche eine enorme Herausforderung fur die Menschheit und unseren Planeten darstellen, in Bildung und Erziehung begrundet?
Damit wird bereits die erste Fragestellung deutlich, welche in dieser Arbeit behandelt wird: Wodurch wurde die Entstehung von UmweltbildungsmaBnahmen im generellen Sinn1 seit den 1970er Jahren bedingt? Uber welche Stationen verliefen diese Prozesse?
Darauf aufbauend ist zu erwahnen, dass in diesem Kontext nicht nur EIN padagogischer Ansatz entwickelt wurde, sondern wie im Verlauf dieser Arbeit deutlich wird, ein breites Spektrum an Konzeptionen entstanden ist. In diesem Zusammenhang stellt sich die zweite Frage dieser Diplomarbeit: Welche umweltbildnerischen Theorien und Konzepte wurden in diesem Zusammenhang entwickelt? Als Kriterien dieser Analyse werden hierfur die jeweiligen Entstehungshintergrunde, die padagogischen Ziele, Methoden und Inhalte, die institutionellen Rahmenbedingungen sowie die diversen zugrundeliegenden Naturverstandnisse gewahlt. Darauf aufbauend werden die verschiedenen Ansatze hinsichtlich der genannten Charakteristika nochmals vergleichend zusammengefasst.
Doch wie sich im Laufe dieser Arbeit herausstellen wird, waren bzw. sind diese Konzeptionen nicht die einzigen Ansatze im Rahmen der Umweltbildung. Diesbezuglich wird auch die aktuelle Forderung diskutiert, Umweltbildung unter den Aspekten einer Bildung fur nachhaltige Entwicklung zu erweitern. Dieser Perspektivenwechsel von bisherigen umweltbildnerischen Theorien hin zu einer Bildung fur nachhaltige Entwicklung wird deshalb aufgrund seiner Aktualitat und Bedeutung fur die Umweltbildung ebenso analysiert. Dabei lautet die dritte Frage dieser Diplomarbeit, ob dies eine tatsachliche Neuausrichtung der Umweltbildung ist oder ob lediglich bereits existierende umweltpadagogische Aspekte aufgegriffen werden.
Zur Beantwortung dieser Fragestellungen gilt es allerdings im Vorfeld grundlegende Begriffe zu klaren. In Kapitel 2 werden demzufolge die Termini Natur, Umwelt und Okologie definiert. Wie im Verlauf dieses Kapitels ersichtlich wird, ergibt sich die Notwendigkeit einer Erlauterung zum einen daraus, dass bezuglich dieser Begriffe eine Vielzahl an Interpretationen und Vorstellungen existiert, welche von individuellen und gesellschaftlichen Normen und Werthaltungen gepragt sind. Zum anderen ist es fur Theorie und Praxis von Umweltbildung unerlasslich, dass fur alle an diesen Prozessen Beteiligten Klarheit besteht, was unter diesen Termini zu verstehen ist bzw. welche Bedeutungen sie implizieren.
Des Weiteren widmet sich dieses Kapitel dem grundlegenden Begriff Umweltbildung. In diesem Kontext wird zunachst definiert, was im eigentlichen Sinne Erziehung bzw. Bildung bedeutet. Aufgrund der thematischen Verzweigtheit dieser Begriffe werden hierbei lediglich deren signifikante Aspekte betont, welche besonders fur den Terminus Umweltbildung von Relevanz sind. Zudem wird an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass der Begriff Umweltbildung in diesem Zusammenhang fur samtliche padagogische Ansatze gefasst wird, welche sich mit den Themen Natur, Umwelt und Okologie beschaftigen.
Im Anschluss daran und analog zur ersten Fragestellung behandelt Kapitel 3 die historische Entstehung von Umweltbildungsbemuhungen. Dabei ist zu beachten, dass diese Entwicklung seit den 1970er Jahren bis hin zum Erscheinen des Brundtland-Berichts 1987 bzw. der UNCED-Konferenz in Rio de Janeiro 1992 untersucht wird. Hier ist es zunachst notwendig, die Ursachen der (menschlich bedingten) Umweltprobleme aufzuzeigen sowie das Ende des menschlichen Fortschrittsglaubens, d.h. die Grenzen des Wachstumsstrebens, zu erlautern. Bei der Betrachtung der Reaktionen auf diese Problemlagen wird deutlich, dass allein (umwelt-) politische Losungsstrategien nicht zur Bewaltigung dieser beitragen, sondern dass der Schlussel hierfur in Bildung und Erziehung liegt. Darauf aufbauend werden diverse internationale Initiativen, Konferenzen und Programme vorgestellt, welche die Etablierung von Umweltthematiken im Bildungsbereich anstrebten. Basierend auf diesen multinationalen MaBnahmen wird im Anschluss die Entwicklung von Umweltbildung in der Bundesrepublik Deutschland untersucht.
Dieser historische Uberblick uber die Entstehung von Umweltbildungsbemuhungen ist zudem dahingehend notwendig, dass vor diesem geschichtlichen Hintergrund diverse theoretische Ansatze auf diesem padagogischen Gebiet entstanden sind.
In Kapitel 4 werden demnach und analog zur zweiten Fragestellung diese Theorien und Konzeptionen im Rahmen der Umweltbildung analysiert. Zu beachten ist hierbei, dass der Fokus auf die drei umweltpadagogischen Hauptstromungen, die Umwelterziehung, das okologische Lernen und die Okopadagogik sowie auf zwei selbstgewahlte, spezifische Konzeptionen, die Naturbezogene Padagogik und das Flow Learning gerichtet wird. FolgendermaBen bedeutet dies, dass in diesem Kapitel umweltbildnerische Ansatze des Zeitraumes der 1970er bis hin zum Leitbild der nachhaltigen Entwicklung - welches die UNCED-Konferenz in Rio de Janeiro 1992 ausgerufen hat - gemaB den erwahnten Kriterien kritisch untersucht werden.
Auf Basis der in Kapitel 4 analysierten Theorien wird in Kapitel 5 uber die UNCED- Konferenz in Rio de Janeiro 1992 und das dort verabschiedete Dokument der Agenda 21 mit ihren Leitbildern einer nachhaltigen Entwicklung bzw. einer Bildung unter diesem Prinzip, die weitere Entwicklung dieser theoretischen Aspekte durchleuchtet. Dies bedeutet, dass die multinationale Konferenz an sich und ihre Hintergrunde, die genannten Leitbilder hinsichtlich ihrer Prinzipien, Zielsetzungen sowie Implementierungsmoglichkeiten im schulischen und auBerschulischen Bildungsbereich einer kritischen Untersuchung unterzogen werden.
Da die Proklamierung der nachhaltigen Entwicklung bzw. einer Bildung fur diese gewissermaBen eine Zasur zu den bisherigen, in Kapitel 4 behandelten Theorien darstellt, wird in Kapitel 6 der Diplomarbeit dieser Perspektivenwechsel untersucht. GemaB der dritten Fragestellung wird der Fokus zunachst auf die einzelnen Merkmale dieser Erweiterung von den erwahnten konventionellen Umweltbildungsansatzen hin zu einer Bildung fur nachhaltige Entwicklung gerichtet. Darauf aufbauend wird in einer kritischen Analyse untersucht, ob es sich dabei um eine tatsachliche Neuausrichtung im Umweltbildungsbereich handelt oder ob lediglich Aspekte aus den bereits bestehenden Theorien dieses padagogischen Bereichs aufgegriffen werden.
Der Schlussgedanke widmet sich abschlieBend einem kurzen Fazit zum Thema dieser Arbeit, den oben erwahnten Fragestellungen sowie einem Ausblick fur weitere mogliche (empirische) Forschungsfragen bezuglich des Bereichs der Umweltbildung.
2. Grundlegende Begriffe des Umweltbildungsbereichs
Zunachst ist es zum Verstandnis des dieser Arbeit behandelten Themas der Umweltbildung unabdingbar, einige grundlegende Begrifflichkeiten dieses Bildungsbereiches zu klaren bzw. zu definieren.
Einerseits bedeutet das die Auseinandersetzung mit den elementaren Aspekten des Natur-, Umwelt- und Okologiebegriffs. Andererseits wird sich der Frage gewidmet, was im weiteren Zusammenhang unter Umweltbildung verstanden werden soll.
Dieses Vorgehen der Definition der jeweiligen Sachverhalte ist nicht nur dahingehend notwendig, die thematische Einordnung der Begriffe in den folgenden Kapiteln verstehen zu konnen, sondern auch um sich die entsprechenden Auswirkungen dieser Definitionen auf die Umweltbildung an sich, ihre Entstehungsgeschichte und der Entwicklung der diversen theoretischen Ansatze verstandlich zu machen.
2.1 Natur
Was ist eigentlich unter dem Begriff Natur zu verstehen?
Umfasst dieser Terminus die gewachsene Landschaft um uns Menschen herum? Sind es lediglich Flora und Fauna, also Pflanzen und Tiere? Gehort der Mensch ebenso mit in diese Kategorie oder steht er auBerhalb dieser? Trotz dieser ersten unprazisen Betrachtung der Frage wird durch den folgenden historischen Ruckblick erkennbar, dass diese Fragestellung die Menschen seit jeher beschaftigt und sie beispielsweise nicht erst seit den Anfangen der Industrialisierung mit ihren gravierenden Folgen fur Menschen, Tiere und Pflanzen existiert.
So befassten sich bereits in der Antike die Menschen mit naturphilosophischen Gedanken (vgl. Mocek, 1990, S.508 ff.). In wissenschaftstheoretischer Sichtweise existieren in der Gegenwart jedoch diverse Herangehensweisen an den Naturbegriff. So gehen z.B. Bolscho und Seybold von einem Naturverstandnis aus, welches aus den verschiedenen Umgangsweisen des Menschen im Verhaltnis zu seiner Umgebung im Laufe der Geschichte entstanden ist. Die Autoren beziehen sich hierbei auf ein christliches, wissenschaftliches und technisch-industrielles Verstandnis von Natur (vgl. Bolscho/Seybold, 1996, S.11).
Eine ahnliche Sichtweise erlautert Nitschke, indem er versucht, den Naturbegriff uber seine Zuganglichkeit zu definieren. Laut dem Autor verschaffen sich Menschen uber zweckrationale, sinnlich-asthetische oder ethisch-symbolische Weisen einen Zugang zur Natur. Zweckrational bedeutet in diesem Zusammenhang die Natur als bloBes Objekt zu betrachten. Der Autor sieht dieses Verstandnis als notwendig fur die sowohl reflektierte als auch unreflektierte Aneignung von Natur. Laut Nitschke gelten beispielsweise die Naturwissenschaften mit ihrer technisch-kausalen Geisteshaltung als Verkorperung des zweckrationalen Naturzugangs. Im Unterschied dazu steht der sinnlich-asthetische Zugang fur eine anschauende Zuwendung zur Natur, d.h. fur die Erfahrung ihrer Schonheit und Asthetik. Dies bringt wiederum die Schwierigkeit mit sich, dass diese Wahrnehmungen stets subjektiver Art sind und von jedem Individuum unterschiedlich interpretiert werden. Die ethisch-symbolische Sichtweise schlieBlich sieht die ErschlieBung der Natur einerseits mittels religioser Grundlagen - dies konnen Naturreligionen, welche Natur in ihrem Eigenwert verehren oder auch das Christentum, welches Gott als den Schopfer aller Elemente auf dieser Erde betrachtet. Andererseits bedarf es jedoch nicht notwendigerweise einer religiosen Basis. So dient laut Nitschke z.B. bei der Ausbeutung der Natur ebenso eine Morallehre, namlich die einer nutzenorientierten Ethik, d.h. einer Moralvorstellung, die sich am Nutzen der Natur fur den Menschen orientiert (vgl. Nitschke, 1991, S.16 ff.).
Eine weitere Definitionsmoglichkeit besteht dahingehend, Natur in materialer und formaler Hinsicht zu differenzieren. Dies bedeutet auf der materialen Seite alle wahrnehmbaren Faktoren zu betrachten, welche nicht von Menschenhand geschaffen wurden, sondern aus ihrer selbst entstanden sind, wie Tiere, Pflanzen, organische und anorganische Elemente. Die formale Komponente sieht Natur hingegen als die „gesetzmaBig erfaBbaren Bestimmungen eines Dinges wie auch des Menschen“ (Vossenkuhl, 1986, S.176). Natur kann also in ihrer Wesensart und ihren Eigenschaften (d.h. formal), und in ihrer naturlichen Entwicklung, ihrem Werden (d.h. material) betrachtet werden (vgl. Mocek, 1990, S.508; vgl. Vossenkuhl, 1986, S.176 f.).
Trotz dieser unterschiedlichen Betrachtungsweisen von Natur wird eine Gemeinsamkeit deutlich: Bei den Bestimmungen dieses Begriffes steht der Mensch nicht auBerhalb der Natur. Des weiteren implizieren diese definitorischen Ansatze zumeist das Verhaltnis des Menschen zur Natur.
Da eine Zusammenstellung samtlicher Definitionen von Natur aufgrund der Vielzahl an Ausfuhrungen im Rahmen der vorliegenden Arbeit obsolet ist, wird der Fokus der Aufmerksamkeit im Folgenden auf die zwei Aspekte des physiozentrischen und des anthropozentrischen Naturverstandnisses gelenkt. Wie auch bei den oben erwahnten definitorischen Festlegungen liegt auch hier der Ausgangspunkt im Umgang des Menschen mit der Natur. Laut Hofer betonen beide Formen dieser Auffassung2 den Schutz und Erhalt der Natur, jedoch je nach Ansatz mit verschiedenen Bedingungen, Mitteln und Methoden der Gestaltung der Mensch-Natur-Beziehung. Die zentrale These in den beiden Begriffen des Naturverstandnisses besteht darin, ob eine ethische Verantwortung des Menschen bezuglich der Natur existiert, unabhangig fur die nachkommenden Generationen. Wahrend eine solche Verantwortlichkeit einerseits im physiozentrischen Verstandnis eindeutig bestatigt wird, wird diese andererseits im anthropozentrischen negiert (vgl. Hofer, 1990, S.42 ff.). Wenngleich im physiozentrischen Bild der Natur ein Nutzen fur die Menschheit zum Tragen kommt, wird ihr vor allem ein Wert an sich angerechnet. Natur dient also nicht als Mittel zum Zweck, sondern die Achtung und Wertschatzung ihr gegenuber soll um ihrer selbst willen erfolgen, was auch als intrinsische Werthaltung aufgefasst werden kann (vgl. Nida-Rumelin, 1991, S.87 f.). GemaB Meyer-Abich soll die Natur in ihrem „Schopfungswille[n; A.R.] insgesamt [erfahren werden; A.R.]“ (Meyer-Abich, 1984, S.88). Auch Mertens pladiert in seiner okologisch-ethischen Grundlegung, dafur das „despotische Naturverhaltnis durch ein dialogisches ab[zu; A.R.]losen [...], [damit die; A.R.] Gemeinschaft mit der Natur [...] zur ethisch-verbindlichen Grundlage einer Einstellung [wird; A.R.], die allen Umgang mit Natur nach Analogie des Zwischenmenschlichen im Geist des Miteinander ausgestaltet“ (Mertens, 1989, S.153).
Im anthropozentrischen Verstandnis hingegen wird der Eigenwert der Natur abgelehnt, sowie die Zugehorigkeit des Menschen zu der ihn umgebenden Natur als verloren gesehen. Das humane Individuum ist in diesem philosophischen Denkmuster ein Subjekt, wahrend die Natur als Objekt betrachtet wird. Sinnhaftigkeit und Wertschatzung erfahrt letztere uber die Interpretationen des Menschen, welche aus den diversen Erkenntnissen und Werthaltungen resultieren. Aufbauend auf diesen Vorstellungen erhalt der Mensch das Recht zur Verfugung uber die Natur und ihrer Ressourcen (vgl. Heid, 1992, S.113 ff.).
Bezuglich der physio- und anthropozentrischen Verstandnisse wird an dieser Stelle angemerkt, dass der physiozentrische Gedankengang trotz allen Wohlwollens fur die Natur sowie den Schutz und Erhalt um ihrer selbst willen, in gewisser Hinsicht utopisch erscheint: Im Fokus der modernen Industrie- und Leistungsgesellschaften des 21. Jahrhunderts, in welchen trotz internationaler Bemuhungen um den nachhaltigen Erhalt der Natur, wirtschaftlich-technologische Interessen vorrangige Bedeutung haben, wirken die physiozentrischen Uberlegungen trotz ihrer Aussagekraft und ihrer intuitiven Bejahung durch die Menschen wie ein Anachronismus, wahrend die Philosophie des anthropozentrischen Naturverstandnisses bezuglich der oben erwahnten wirtschaftlichen Denkweise als vorherrschend betrachtet werden kann.
Nach den oben erwahnten Ausfuhrungen wird hier darauf verwiesen, dass die Diskussion um den Naturbegriff keineswegs neu ist und die philosophischen Gedanken uber das physio- und anthropozentrische Naturverstandnis infolge ihrer weitreichenden Verzweigung nur in ihren elementaren Kerngedanken erfasst wurden. Dennoch wird erkennbar, dass die Frage nach der Naturauffassung stets eine Frage nach dem Verstandnis des Menschen von sich selbst und seiner Umgebung ist. Es lasst sich also konstatieren, dass es keinen absoluten Begriff von Natur gibt. Vielmehr wird die Realitat der uns umgebenden Umwelt individuell empfunden. Letztlich handelt es sich bei allen Ansatzen um die Beziehung zwischen Mensch und Natur, wenngleich diese auch immer in ihrem jeweiligen kulturellen, geschichtlichen und ethischen Zusammenhang betrachtet werden muss. Aber im Rahmen dieser Arbeit gilt es als notwendig, sich auf eine Definition von Natur festzulegen.
Wenn im weiteren Verlauf von Natur die Rede ist, so bedeutet dies zum einen, in Anlehnung an die oben erwahnte Erlauterung uber den materialen Naturbegriff, alle wahrnehmbaren Faktoren und Gegebenheiten, welche nicht vom Menschen erschaffen wurden, sondern aus sich selbst heraus entstanden sind. Dies impliziert sowohl Lebewesen wie Pflanzen und Tiere als auch unbelebte Faktoren wie Klima, Gestein, Boden- und Wasserbeschaffenheit. Allerdings ist dabei zu berucksichtigen den Menschen nicht auBerhalb, sondern als Teil, also als ein Lebewesen dieser Natur zu betrachten. Zum anderen muss beim Begriff Natur im folgenden Kontext auch stets das Verhaltnis des Menschen zu dieser berucksichtigt werden. Hierbei sind die beiden beschriebenen Sichtweisen des physio- und anthropozentrischen Verstandnisses in Betracht zu ziehen, welche in einem antagonistischen Wechselspiel zueinander stehen. Dies bedeutet, dass es weder nur das physio- bzw. anthropozentrische Naturverstandnis gibt, sondern in menschlichen Gemeinschaften stets beide Weltbilder existieren, in ihrer jeweiligen Auspragung abhangig von den dort vorherrschenden kulturellen, zeitlich-historischen, gesellschaftlichen, individuellen und ethisch-moralischen Vorstellungen.
2.2 Umwelt
In samtlichen Lebensbereichen unseres gegenwartigen Alltags begegnet man dem Begriff Umwelt, wenngleich er dort oft unreflektiert verwendet wird. In diesem Abschnitt wird deutlich, dass der Terminus Umwelt im Vergleich zu dem der Natur eine kurzere wissenschaftlich-historische Entwicklungsgeschichte besitzt. AuBerdem ist bereits an dieser Stelle anzumerken, dass es ahnlich der Auffassung von Natur keine einheitliche Definition von Umwelt gibt. Im Folgenden wird ein weites Feld an diversen Erklarungsmustern und Interpretationsmoglichkeiten dargestellt, welches sich von biologischen uber anthropologische bis hin zu sozialen Sichtweisen erstrecken.
Als eine erste wissenschaftliche Begriffsklarung von Umwelt muss die Definition des Biologen Jakob von Uexkull aus den 1930er Jahren erwahnt werden. Dieser stellte Umwelt als einen Lebensraum dar, welchen Individuen wahrnehmen und worauf sie mit ihrem Handeln einwirken konnen (vgl. Kleber, 1993, S.18). Des weiteren spricht Uexkull davon, dass „das Leben eines jeden Subjektes [.] sich auf einer Spezialbuhne ab[spielt; A.R.] und nicht bloB auf unserer menschlichen Spezialbuhne, die (wiederum) keineswegs die allgemeine Weltbuhne fur alle Subjekte darstellt“ (Uexkull, 1930, S.131; zitiert nach Kleber, 1993, S.18). Dementsprechend existiert nach diesem Modell eine groBe Anzahl an unterschiedlichen Buhnen, welche in diesem Kontext mit Umwelten synonym zu setzen sind (vgl. Kleber, 1993, S.18).
Ebenso aus biologischer Sichtweise definiert Schwerdtfeger Umwelt. Er unterteilt diese in drei Sparten: die Sphare der unbelebten Welt, der belebten Welt und der Welt der Nahrung. Diese drei Ebenen konnen auch als abiotische, biotische und trophische Faktoren3 bezeichnet werden (vgl. Schwerdtfeger, 1963, S.21).
Aber auch in anthropologischer Hinsicht existieren Erklarungsansatze zum Umweltbegriff. So versteht Bozek unter dem Terminus Umwelt „die Gesamtheit der von auBen auf den Menschen wirkenden Faktoren, soweit sie subjektiv erfahrbar sind“ (Bozek, 1975, S.255 f.), wahrend Kock Umwelt als samtliche „auBere[.] Einflusse [kennzeichnet; A.R.], denen ein Individuum vom Augenblick seiner Zeugung an in je eigener Weise und in bedingendem und veranderndem Wechselbezug ausgesetzt ist“ (Kock, 1976, S.414).
Eine differenziertere Definitionsweise von Umwelt stammt von Buchwald. Hier findet sich eine Erweiterung der biologischen Sichtweise, indem die menschliche Gesellschaft in den Fokus der Uberlegungen Buchwalds gestellt wird. Bei ihm wird Umwelt, welche von extremer Komplexitat gezeichnet ist, in die naturliche, gebaute und soziale Umwelt unterteilt. Erstgenannte umfasst primar die Spharen Boden, Wasser, Luft, Gestein, Pflanzen und Tiere bis hin zu Landschaftsraumen und Kosmos, wahrend die gebaute Umwelt von Menschenhand errichtete bzw. geschaffene Guter umfasst, wie beispielsweise Hauser und Fahrzeuge. Die dritte Sparte, die soziale Umwelt, untergliedert sich in menschliche Formen des Zusammenlebens wie z.B. Gruppe, Volk und Gesellschaft. Daruber hinaus sind mit diesen drei Umwelten zwei weitere Aspekte verknupft: Zum einen stehen im Mittelpunkt der Begriffe organische und anorganische Einheiten wie Tiere, Pflanzen, Menschen und deren Gesellschaftsformen. Zum anderen bestehen in diesen Umwelten mit ihren differenten Faktoren und Lebenseinheiten komplizierte Wirkungs- und Beziehungsgefuge, in welche der Mensch trotz seiner besonderen Stellung integriert ist (vgl. Buchwald, 1978, S.2).
In einer weitgefassten Definition impliziert Umwelt fur Wicke samtliche Aspekte, die die Existenz aller Organismen bedingen. Ahnlich wie bei Buchwald wird diese Umwelt in Teilbereiche gegliedert, hier in eine soziologische, raumliche und bio-okologische. Die soziologische beinhaltet das soziale Umfeld sowohl einer einzelnen Person, als auch einer Gruppe oder Gesellschaft, wahrend der raumliche Bereich die jeweilige lokale Umgebung wie z.B. eine Region oder eine Stadt umfasst (vgl. Wicke, 1991, S.5). Der bio-okologische Unterpunkt hingegen erfasst den „Zustand der Umwelt fur Tier, Mensch und Pflanze und die Bedingungen fur ihr gemeinsames Zusammenleben [.]“ (ebd., S.5 f.).
Wie im folgenden dargestellt wird ersetzen manche Autoren in ihren Definitionen den Begriff Umwelt durch den der Mitwelt. So nimmt in einigen der oben erwahnten Definitionsansatze, insbesondere in denen von Buchwald und Wicke, der Mensch hinsichtlich seiner Umgebung eine gesonderte Stellung ein. Laut Schmack wird der Umweltbegriff dadurch zu sehr auf den Menschen fokussiert, was unweigerlich den Eindruck aufkommen lasst, dass dem humanen Individuum uber seine Umwelt „ungewollt oder beabsichtigt eine totale Verfugungsgewalt [eingeraumt wird; A.R.]“ (Schmack, 1982, S.44).
Besonders bei Meyer-Abich ist der Begriff Mitwelt von Bedeutung. Fur ihn bezieht diese naturliche Mitwelt alles mit ein, was zusammen mit uns Menschen in der Welt koexistiert. Deshalb ist es wichtig, samtliche Aspekte unserer Mitwelt in ihrem Eigenwert zu betrachten und nicht in dem Wert, dem der Mensch ihnen beimisst. Denn dann wurde, wie bereits bei Schmack weiter oben zitiert, die Gefahr bestehen, die uns umgebende Mitwelt zur Umwelt zu reduzieren und dem Menschen eine Allmachtsstellung uber diese auszusprechen (vgl. Meyer-Abich, 1984, S.19 f.). Die Grunde fur diese Begriffswandlung von Umwelt zu Mitwelt liegen somit in erster Linie in ethischen Argumenten begrundet.
In Anbetracht der oben erwahnten Begriffsklarungen der verschiedenen Autoren wird erkennbar, dass es ahnlich wie beim Naturbegriff eine Vielzahl von Deutungsmustern gibt und die Diskussion um diese sich endlos fortsetzen lieBe. Es zeigt sich, dass die eine singulare Definition von Umwelt nicht existiert.
So konstatieren Bolscho und Seybold, dass Umwelt auch nur begrenzt objektiv erfahrbar ist, denn Umwelt wird von den Menschen individuell wahrgenommen und empfunden. Die Bedingungen hierfur konnen sehr vielfaltig sein, doch lasst sich laut den beiden Autoren behaupten, dass hierbei individuelle Werthaltungen einen entscheidenden Einfluss haben (vgl. Bolscho/Seybold, 1996, S.10 f.). Wie es Bolscho und Seybold darlegen, spiegeln sich demnach in dem Begriff Umwelt die verschiedenen Betrachtungsweisen, wie der einzelne Mensch seine Umgebung wahrnimmt. Doch ebenso wie beim Naturbegriff besteht im Rahmen dieser Arbeit auch hier die Notwendigkeit, eine konkrete Definition von Umwelt zu bestimmen.
Trotz der angefuhrten ethischen Kritik statt von Umwelt von Mitwelt zu sprechen, wird in den weiteren Kapiteln nach wie vor der Begriff Umwelt verwendet. Dies impliziert jedoch nicht automatisch eine absolute Verfugungsgewalt des Menschen uber seine Umgebung. Umwelt wird im Folgenden in Anlehnung an die oben erwahnte Definition Buchwalds sowohl die naturliche, gebaute als auch die soziale Umgebung des Menschen umfassen. Allerdings wird in dieser Arbeit der Fokus besonders auf die naturliche Umgebung gerichtet, also auf alle Faktoren, welche nicht vom Menschen geschaffen wurden; von Gesteinen uber Klima bis hin zu Boden und Wasser. Damit nahert sich der Begriff Umwelt der bereits gefassten Definition von Natur an. Die Abgrenzung zu dieser besteht allerdings darin, dass beim Begriff Umwelt zudem die komplexen Gefuge von Ein- und Auswirkungen der Lebewesen auf ihre Umgebung eine Rolle spielen. Dies bedeutet, dass zum einen die jeweilige Umgebung auf samtliche organische und anorganische Lebensformen, also Pflanzen, Tiere und auch den Menschen einwirkt, zum anderen diese wiederum durch ihr Handeln ihre Umgebung beeinflussen.
2.3 Okologie
Ein weiterer Begriff, der zum Verstandnis von Umweltbildung in den folgenden Kapiteln dieser Arbeit von Relevanz sein wird, ist der Terminus der Okologie. Bereits im antiken Griechenland und bei den Stammen nordamerikanischer Indianer lassen sich Wurzeln fur diesen spateren Bereich der Wissenschaften finden. So existierten in diesen unterschiedlichen Kulturen beispielsweise Gemeinsamkeiten hinsichtlich der Vorstellung von einer harmonischen Einheit des Menschen mit der ihm umgebenden Natur, welche lediglich von den jeweiligen Gottheiten gestort werden konnte. Dem Menschen war als Einflussnahme auf das Wohlwollen der Gotter nur Opfergaben und Gebet vorenthalten (vgl. Schramm, 1984, S.23 f.).
Auch die Bedeutung des Begriffs Okologie hat ihren Ursprung im Griechischen und bedeutet ins Deutsche ubersetzt die Lehre vom Haus, in welchem samtliche Lebewesen ihren Wohnraum haben (vgl. Mertens, 1989, S.30).4
Einige Jahrhunderte spater, in der Zeit der sogenannten biologischen Renaissance des 18. und 19 Jahrhunderts, wurden entscheidende wissenschaftliche Leistungen zur Entwicklung der Okologie erbracht (vgl. Odum, 1999, S.1). So wurden beispielsweise im Providentialismus die okologischen Gedanken weiter ausgefuhrt. Dieser Providentialismus war der Versuch, theologische Aspekte des Christentums mit naturwissenschaftlichen Erkenntnissen in Einklang zu bringen. Ziel dabei war, durch Forschungen die einzig wahre Natur zu erfahren, welche gleichzusetzen ist mit der Erkenntnis der Existenz Gottes (vgl. Schramm, 1984, S.25). Basierend auf dieser providentialistischen Geisteshaltung entwarf Carl Linne (1707-1778), welcher als Begrunder der systematischen Biologie gilt, im 18. Jahrhundert die Lehre vom Naturhaushalt. Allerdings ersetzte er bei seinen Forschungen den Begriff einer „gottlichen Oeconomie (sic!)“ (ebd., S.33) durch den einer „Oeconomie (sic!) der Natur“ (ebd., S.34). Durch diese Ausklammerung der theologischen Komponente fuhrte Linne die Okologie naher in den Bereich der Naturwissenschaften, so wie wir sie heute kennen (vgl. ebd., S.33 f.).
Doch eine Konstitution der Okologie als wissenschaftlicher Bereich erfolgte erst durch den Zoologen Ernst Haeckel (1834-1919). In Anlehnung an Darwins Evolutionstheorie, welche die wechselseitige Einflussnahme der verschiedenen Spezies im Kampf um ihr Dasein und ihre Entwicklung beschreibt, setzte Haeckel im Jahre 1866 folgende Definition von Okologie (vgl. Mertens, 1989, S.31):
„Unter Oecologie (sic!) verstehen wir die gesamte Wissenschaft von den Beziehungen des Organismus zur umgebenden AuBenwelt, wobei wir im weiteren Sinne alle ,Existenz- Bedingungen' rechnen konnen“ (Haeckel, 1866, S.286; zitiert nach Mertens, 1989, S.31). Kurze Zeit spater variierte Haeckel den Okologie-Begriff „zur Lehre von der Okonomie, von dem Haushalt der tierischen Organismen“ (Wittig/Streit, 2004, S.10).5 Des weiteren heiBt es dort, dass
„diese [Okonomie; A.R.]die gesamten Beziehungen des Tieres sowohl zu seiner anorganischen als [auch; A.R.] zu seiner organischen Umgebung zu untersuchen [hat; A.R.], vor allem die freundlichen und feindlichen Beziehungen zu denjenigen Tieren und Pflanzen, mit denen es in direkte oder indirekte Beruhrung kommt; oder mit einem Worte alle diejenigen verwickelten Wechselbeziehungen, welche Darwin als die Bedingungen des Kampfes ums Dasein bezeichnet“ (Haeckel, 1869, S. 49; zitiert nach Bick, 1998, S.1).
Durch diese Definition uber die Korrelationen von Lebewesen mit ihrer belebten und unbelebten Umwelt legte Haeckel den Grundstein zur Etablierung der Okologie als naturwissenschaftliche Teildisziplin, wobei jedoch angemerkt werden muss, dass diese Begriffsbestimmung ihren Fokus auf den Bereich der Tierokologie hatte (vgl. Wittig/Streit, 2004, S.10). Als Kritikpunkt muss hier angemerkt werden, dass trotz der zu dieser Zeit einsetzenden Industrialisierung mit ihren weitreichenden Folgen fur Mensch und Natur „die Problematik der menschlichen Einflusse auf die okologischen Gefuge [.] jedoch weitgehend ausgeklammert [wurde; A.R.]“ (Schramm, 1984, S.16). Dennoch muss der Definition Haeckels angerechnet werden, dass sie als Ausgangspunkt fur samtliche weitere Begriffsbestimmungen von Okologie diente und auch heute noch Gultigkeit besitzt.
Dies wird an der (ebenfalls biologisch-naturwissenschaftlichen) Okologie-Definition von Buchwald deutlich, welche uber 100 Jahre spater verfasst wurde:
„Unter Okologie verstehen wir die Wissenschaft von den wechselseitigen Beziehungen zwischen Lebewesen und ihrer Umwelt. Der Begriff Lebewesen oder Organismen umschlieBt Mikroorganismen (wie Bakterien und Pilze), Pflanzen, Tiere und den Menschen. Okologie handelt demnach einmal von den Beziehungen der Lebewesen zu den anderen Lebewesen einer Lebensgemeinschaft oder Biozonose, von ihrer Beziehung zu ihrer lebenden, biologischen Umwelt. Okologie handelt aber auch von den Beziehungen der Lebewesen zu ihrer Lebensstatte, ihrem Biotop, ihrer abiotischen Umwelt [Hervorhebungen im Original]“ (Buchwald, 1989, S.9 f.).
Zum Verstandnis dieser expliziteren Definition ist die Erklarung einiger Begrifflichkeiten notwendig. Unter Biozonose wird eine Lebensgemeinschaft von Organismen diverser Arten verstanden, die in einem abgegrenzten Lebensraum vorkommen und teils unter gegenseitigem Einfluss stehen (vgl. Wittig/Streit, 2004, S.86).
Der Lebensraum, den eine solche Biozonose einnimmt, wird hingegen Biotop6 genannt, wahrend eine Lebensstatte (oder auch Habitat) der spezifische Lebensraum einer Art ist. Allerdings gilt es zu beachten, dass die Begriffe Biotop und Lebensstatte bzw. Habitat im bio-okologischen Bereich oftmals in synonymer Weise verwendet werden (vgl. ebd., S.29). Des Weiteren ist abiotische Umwelt mit unbelebter Umwelt gleichzusetzen7. Zu den unbelebten Elementen zahlt man unter anderem Faktoren wie Wasser, Luft und Klima (vgl. Odum, 1999, S.7 ff.). Die Beziehung zwischen Biozonose und Biotop wird schlieblich als Okosystem tituliert. Laut Buchwald kann Okologie auch als Lehre von den Okosystemen verstanden werden, da „alle Lebewesen in Lebensgemeinschaften leben, die an bestimmte Lebensstatten gebunden sind“ (Buchwald, 1989, S.10).
Zudem bildeten sich innerhalb der biologisch-okologischen Disziplin diverse Untergliederungen heraus, wie beispielsweise die der Pflanzen-, Gewasser- und Mikrobenokologie (vgl. Wittig/Streit, 2004, S.10 f.). Jedoch blieben die okologischen Erkenntnisse nicht nur auf den zoologisch-biologischen Wissenschaftsbereich beschrankt.
Auch andere Disziplinen, wie etwa die Soziologie und die Psychologie, ubernahmen okologische Erkenntnisse in ihre Konzepte und Theorien, bzw. okologische Uberlegungen wurden wiederum von anderen Wissenschaften beeinflusst, wie z.B. die Humanokologie. Deren Untersuchungsgegenstand richtet sich auf die Bedingungen des Zusammenlebens der Menschen und die Auswirkungen dieser sozialen Strukturen auf die Umwelt (vgl. Mertens, 1989, S.32 ff.).
Diese Etablierung der Okologie im akademischen Feld resultiert jedoch nicht ausschlieblich aus wissenschaftlichen Forschungen. Daran hatte auch die seit den 1960/1970er Jahren zunehmende Berichterstattung der Medien uber die stets starker wahrnehmbareren Krisen in Natur und Umwelt ihren Anteil. Diese Medienreportagen trugen nicht unwesentlich zur Einfuhrung okologischer Themen in gesellschaftliche Diskussionen und ins Bewusstsein der Menschen bei, was wiederum die Festigung von Okologie als wissenschaftliche Disziplin zur Folge hatte (vgl. Odum, 1999, S.2).
Bei der Betrachtung dieser Uberlegungen ist anzumerken, dass der Begriff der ,Okologie' im Laufe seiner Entwicklungsgeschichte eine weite Verzweigung erfahren hat. Der Untersuchungsgegenstand der Okologie zielt also nicht mehr nur ausschlieBlich auf den biologischen Aspekt von Lebewesen-Umwelt-Beziehungen ab, sondern schlieBt auch gesellschaftliche und soziale Auseinandersetzungen des Menschen mit der Umwelt ein. Doch wie beim Natur- und Umweltbegriff zeigt sich aufgrund der Thematik dieser Arbeit auch an dieser Stelle die Notwendigkeit fur den Terminus Okologie eine Definition zu fassen bzw. einen Objektbereich einzugrenzen, mit dem sich Okologie befassen soll.
Wie Odum anmerkt drehen sich die aktuellen Definitionen um das „Studium von Struktur und Funktion [Hervorhebungen im Original] der Natur, wobei man sich besonders mit der Struktur von Organismengruppen und ihren Funktionen [.] beschaftigt. Die Menschheit ist ein Teil dieser Natur, was haufig vergessen wird“ (Odum, 1999, S.1; vgl. Raithel/Dollinger/Hormann, 2005, S. 306).
Der Zusatz, dass auch der Mensch ein Teil seiner naturlichen Umgebung ist und mit dieser in einem Beziehungsgeflecht steht, ist fur eine okologische Begriffsbestimmung der Gegenwart und fur die Bearbeitung der Umweltthematik in dieser wissenschaftlichen Arbeit von maBgeblicher Bedeutung. Wie in den folgenden Kapiteln beschrieben wird, beschaftigt sich Umweltbildung zumeist mit Umweltproblemen, welche zum GroBteil anthropogene, d.h. vom Menschen bedingte Ursachen haben. Dadurch darf der Mensch in einer Definition von Okologie nicht auBen vor bleiben, sondern muss in diese integriert werden.
Bei diesen Ausfuhrungen wird deutlich, dass sich der Okologiebegriff dem der Umwelt annahert. Bei beiden Definitionen spielen die Beziehungsgefuge zwischen Lebewesen und ihrer Umwelt eine Rolle. Wahrend diese Beziehungen beim oben erwahnten Umweltbegriff jedoch in dessen Gesamtgefuge lediglich eine nebengeordnete Rolle spielt, liegt beim Okologiebegriff der Fokus darauf, diese gegenseitigen Interaktionen zwischen Lebewesen und Umwelt wissenschaftlich zu untersuchen. Wie es Hartmut Bick kurz, jedoch treffend ausdruckt, ist „Okologie [.] die Wissenschaft von den wechselseitigen Beziehungen zwischen Organismen und ihrer Umwelt“ (Bick, 1998, S.8). Wie bereits oben erwahnt, steht der Begriff Organismen hier fur samtliche Lebewesen, von Pflanzen uber Tiere bis zu den Menschen. Der Objektbereich dieser Okologie-Definition bezieht sich also auf die biologische Komponente. Wenn in den folgenden Kapiteln von Okologie die Rede ist, dann impliziert dies im wissenschaftlichen Sinn die Bedeutung und Funktionen der Interaktionen zwischen den Lebewesen und ihrer Umwelt.
Jedoch muss in Anlehnung an die oben erwahnten Ausfuhrungen zum Begriff Okologie angemerkt werden, dass Okologie trotz ihrer weiten Verzweigung in der Wissenschaft der Biologie und auch anderer Disziplinen wie die Geistes- und Sozialwissenschaften, letzten Endes immer nur naturwissenschaftliche Kenntnisse uber das Zusammenleben von Lebewesen und deren Umwelt liefern kann und auf mogliche Konsequenzen aus diesen Beziehungen hindeuten kann. Was die Okologie jedoch nicht aufzeigen kann sind politische, rechtliche, soziale und moralische Rahmenbedingungen. In diesem Sinne ist Okologie also eine neutrale Beschreibung der Zustande, wahrend es der Gesellschaft und - wie in den folgenden Kapiteln deutlich gemacht wird - damit insbesondere dem Bereich der padagogischen Interventionen obliegt, wie man mit diesen Zustanden bzw. den Konsequenzen daraus umgehen kann.
2.4 Zusammenfassung der Begriffe Natur, Umwelt und Okologie
Wie in den oben durchgefuhrten Begriffsdiskussionen deutlich wurde, gibt es bei Natur, Umwelt und Okologie die eine singulare Definition nicht. Es existieren lediglich unterschiedliche Vorstellungen und Interpretationen uber diese, welche sowohl von gesellschaftlichen als auch von individuellen Normen und Werthaltungen gepragt sind. Daneben muss jeder dieser Begriffe unter den jeweiligen gesellschaftlichen, kulturellen, zeitlich-historischen und ethischen Standpunkten und Voraussetzungen betrachtet werden. Wie jedoch schon in den einzelnen Abschnitten angemerkt wurde, ist es im Rahmen dieser wissenschaftlichen Arbeit notwendig, sich auf Definitionen fur die einzelnen Ausdrucke zu einigen. Die Notwendigkeit liegt zum einen darin begrundet, dass Umweltbildung als anerkannter Bereich der Padagogik einer wissenschaftlichen Fundierung ihrer grundlegenden Begriffe bedarf. Zum anderen muss es in der Umweltbildungstheorie und - praxis fur alle daran Beteiligten logisch und nachvollziehbar sein, was jeweils unter den entsprechenden Begriffen verstanden wird, und wie diese voneinander differenziert werden. Denn es ist in umweltpadagogischen Prozessen nicht unwesentlich, von welchem Natur-, Umwelt- oder Okologieverstandnis sie aus initiiert werden. Wenn es beispielsweise in solchen padagogischen Aktivitaten um den Erhalt und Schutz der Natur geht, muss der Terminus Natur klar definiert sein.
Allerdings durfen die gefassten Definitionen auch nicht dogmatisch betrachtet werden, d.h. dass diese unveranderbar waren und somit einen Ewigkeitswert besaben. Vielmehr muss die Diskussion um diese Begriffe stets neu aufgegriffen werden und offen sein fur neue Vorstellungen und Ideen, beispielsweise unter dem Aspekt sich standig wechselnder gesellschaftlicher Anforderungen oder neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse. Aber auch in der Praxis der Umweltbildung bedarf es bei der Begriffsdiskussion einer Offenheit gegenuber der Vorstellungen und Gedanken der an diesen Prozessen partizipierenden Personen. Zum einen ist es schlieblich nicht unwesentlich, ob z.B. jemand mit einem anthropozentrischen oder physiozentrischen Naturverstandnis in den Bildungsprozess eintritt. Zum anderen soll den Teilnehmern umweltbildnerischer Angebote damit bewusst werden, dass ihnen Umweltbildung nicht oktroyiert wird, also von Erzieher und Padagogen aufgezwungen, sondern dass sie als Individuen mit eigenen Wunschen und Vorstellungen ernst genommen werden.
Zum besseren Uberblick werden an dieser Stelle noch einmal in Kurzform die zentralen Inhalte der Begriffe Natur, Umwelt und Okologie zusammengefasst:
Natur:
Natur steht fur alle wahrnehmbaren Faktoren und Gegebenheiten der Umgebung, welche nicht von Menschenhand erschaffen wurden, sondern aus sich selbst heraus entstanden sind. Dies impliziert sowohl Lebewesen wie Pflanzen und Tiere als auch unbelebte Faktoren wie Klima, Gestein, Boden- und Wasserbeschaffenheit. Ebenso ist der Mensch ein Teil dieser Natur.
Zudem beinhaltet Natur auch immer das Verhaltnis bzw. Verstandnis des Menschen zu dieser. Hierbei sind die in Abschnitt 2.1 beschriebenen Sichtweisen des physio- und anthropozentrischen Naturbildes in Betracht zu ziehen, welche in einem antagonistischen Wechselspiel zueinander stehen.
Umwelt:
Umwelt umfasst die naturliche, gebaute und soziale Umgebung des Menschen. Dabei wird der Fokus besonders auf die naturliche Umgebung gerichtet, also auf alle Faktoren welche nicht vom Menschen geschaffen wurden. Zudem umfasst Umwelt die komplexen Gefuge von Ein- und Auswirkungen der Lebewesen auf ihre Umgebung. D.h. zum einen wirkt die jeweilige Umgebung auf samtliche organische und anorganische Lebensformen, also auf Pflanzen, Tiere und auch auf den Menschen ein, zum anderen beeinflussen diese wiederum durch ihr Handeln ihre Umgebung. Dabei muss beachtet werden, dass Umwelt nur begrenzt objektiv wahrnehmbar ist, da der Mensch diese abhangig von seinen individuellen und den jeweiligen gesellschaftlichen Werten und Normen perzipiert.
Okologie:
Okologie ist die Wissenschaft der gegenseitigen Interaktionen zwischen Organismen und ihrer spezifischen Umwelt. Die Bedeutungen und Funktionen dieser Beziehungen stehen demnach im Mittelpunkt der wissenschaftlichen Untersuchungen. Als Organismen werden hierunter samtliche Lebewesen, von Pflanzen uber Tiere bis hin zum Menschen verstanden. Somit gilt die biologische Komponente als Objektbereich, mit dem sich Okologie beschaftigt.
2.5 Umweltbildung
Der Terminus Umweltbildung setzt sich aus den Begriffen Umwelt und Bildung zusammen. Umwelt orientiert sich hierbei an dem oben skizzierten Umweltbegriff, d.h. er umfasst die soziale, gebaute und naturliche Umgebung des Menschen. Wobei der Fokus auf der biologisch-naturlichen Komponente liegt. Dabei mussen aber auch die Interaktionen zwischen den Lebensformen und ihrem Umfeld beachtet werden.
Beim zweiten Begriff Bildung, bedarf es zunachst einer Erlauterung, was im konventionellen Sinn darunter verstanden wird. Da die Zusammenstellung samtlicher Ausfuhrungen uber diesen Ausdruck aufgrund der Vielzahl an Moglichkeiten im Rahmen dieser Arbeit obsolet ist, wird im Folgenden lediglich auf einige, in der (inter-)nationalen Diskussion relevante, Definitionen sowie signifikante Aspekte von Bildung sowie von Erziehung eingegangen.
Zunachst muss darauf hingewiesen werden, dass der Ausdruck Bildung im Deutschen eine Besonderheit darstellt. Wie Koch behauptet, ist „der Begriff der Bildung [.] einer der Grundbegriffe und zugleich ein Programm der deutschen Padagogik, wenn nicht gar der [Hervorhebung im Original] Grundbegriff und das [Hervorhebung im Original] Programm“ (Koch, 1999, S.78).
Die Differenzierung zwischen Erziehung und Bildung ist also ein im deutschsprachigen Raum auftretendes Phanomen, wahrend in anderen Landern die beiden Begrifflichkeiten in ihrer Bedeutung oft synonym verwendet werden. Allerdings werden auch im Deutschen die beiden Begrifflichkeiten nicht immer konsequent voneinander abgegrenzt (vgl. Koch, 1999, S.78; vgl. Miller-Kipp/Oelkers, 2007, S.204).
Wie Schaller anmerkt, ist Erziehung8 also ein weitgefacherter Begriff, der „sich nicht fur alle Zeiten bestimmen [lasst; A.R.]“ (Schaller, 1974, S.392).
Laut Heitger bedeutet Erziehung „nicht die Absicht der Vermittlung von Wissen oder Konnen, sondern [dass sie; A.R.][...] sich auf das Ich9 in seinem Verhalten, in seiner Haltung [richtet; A.R.]“ (Heitger, 1999, S.140). Des Weiteren erlautert die Autorin in ihren Zusammenfassungen, dass Erziehung „zum padagogischen Auftrag [gehort; A.R.], wenn dieser sich an der Menschenbildung orientiert, die Unterricht und Erziehung, Wissen und Haltung umfaBt“ (ebd., S.144). Unterricht nimmt hierbei Bezug auf Wissen und Kenntnisse, wahrend sich Erziehung mit der Beschaffenheit und dem Umgang dieses Wissens und dem Verhalten des Subjekts befasst (vgl. ebd., S.144).
Bei Koch wird Bildung hingegen sowohl als Prozess als auch dessen Ergebnis gesehen. Bildung als Ergebnis bedeutet hier die „durch Erfahrung und vielfaltige Anstrengung erworbene individuelle Pragung im Denken, Fuhlen und Handeln, die das Welt- und Selbstverhaltnis des Menschen bestimmt“ (Koch, 1999, S.78).
Miller-Kipp und Oelkers bezeichnen Erziehung als einen analytischen Werdegang, welcher durch Erzieher gelenkt wird und auf Veranderungen der zu erziehenden Person, des Edukanden, abzielt (vgl. Miller-Kipp/Oelkers, 2007, S.204). Die Ziele der Erziehung werden entweder im Hinblick auf den Edukanden selbst, beispielsweise an spezifischen Abschnitten seiner Entwicklung, oder auf der ihn umgebenden Gesellschaft und ihrer Werte, Normen und Anforderungen abgefasst (Miller-Kipp, 2007, S.205 f.). Als Erziehungsziele selbst werden hierbei „Tugenden, soziale Einstellungen, moralisches Verhalten oder korperliche oder geistige Fahigkeiten, [.] [sowie; A.R.] die Ubertragung oder Erhaltung von Normen und Werten, kollektiven Einstellungen, Tuchtigkeiten usw. [angefuhrt; A.R.]“ (ebd., S.206).
Bei der Fassung der Erziehungsziele muss allerdings stets auf ihre Begrundung und Legitimation geachtet werden, da es sich um normative Einflussnahmen auf das Individuum handelt (vgl. ebd., S.205). Als Erziehungsmittel gelten bei Miller-Kipp „neben personalen Akten bzw. Handlungen [.] alle Formen und Medien des intentionalen Einwirkens auf den Zogling [Hervorhebung im Original], also Worte und Taten, Mienen und Gesten (verbale und nonverbale Akte), Rituale und arrangierte Situationen mit Aufgabencharakter“ (ebd., S.206).
Die erwahnten Erziehungsziele und -mittel haben schlieblich zum einen an der individuellen Ebene der Entwicklung des Edukanden und zum anderen an den Erfordernissen der Gesellschaft anzusetzen (vgl. ebd., S.206). Allerdings erklaren die Autoren Miller-Kipp und Oelkers, dass es in der Erziehungswissenschaft keine uniforme und absolut akkreditierte Theorie uber Erziehung gibt und „streng genommen [.] sich E. [d.h. Erziehung, Abkurzung durch den Autor; A.R.] nicht definieren [lasst, da; A.R.] Praktiker und Theoretiker [...] sich je nach eigener Sicht auf einen Erziehungsbegriff fest[legen; A.R.]“ (Miller-Kipp/Oelkers, 2007, S.204).
Bei Kaiser und Kaiser finden sich folgende Definitionen uber Erziehung und Bildung: Erziehung besteht demnach aus „einem Interaktionsverhaltnis [zwischen Erzieher und Zogling; A.R.], das zielgerichtet (intentional) ist [Hervorhebungen nicht ubernommen]“ (Kaiser/Kaiser, 1992, S.40). Die Erziehungsziele werden hierbei durch „[geplante; A.R.] Lernprozesse [verwirklicht; A.R.] [Hervorhebungen nicht ubernommen]“ (ebd., S.41). Bildung ist bei Kaiser und Kaiser der essentielle Oberbegriff allen erzieherischen Handelns10 und wird als ein fortwahrender, lebensbegleitender Prozess charakterisiert. Dabei wird die Personlichkeit des Individuums dahingehend befahigt, sein Denken und Handeln auf Vernunft und Sachkenntnissen zu fundieren, dieses zugleich aber im Hinblick auf seine eigene individuelle Autonomie kritisch-reflexiv zu verantworten (vgl. Kaiser/Kaiser, 1992, S.72 f.). Zudem wird darauf verwiesen, dass sich Erziehungs- und Bildungsziele stets an den Werten und Normen der jeweiligen Gesellschaft, d.h. an ihren jeweiligen Menschenbildern und an ihren politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Gegebenheiten ausrichten und sich mit einem Wandel dieser auch die Inhalte, Ziele und Mittel von Bildung und Erziehung andern (vgl. ebd., S.57).
Bolscho u.a. tendieren in ihrer Definition uber Erziehung und Bildung bereits in Richtung Umweltbildung:
„Der Erziehungsbegriff meint die von auben kommende Einwirkung auf die einzelnen Menschen, sei es nun eine personliche oder mediale Einwirkung. Die geplante Erziehung richtet sich auf ein Bildungsziel, in unserem Zusammenhang also auf die Entwicklung eines Verantwortungsbewubtseins [...]“ (Bolscho/Eulefeld/Seybold, 1994, S.2).
Auf Grundlage der hier erlauterten Uberlegungen uber Bildung und Erziehung gilt es nun, Umweltbildung expliziter zu definieren. Umweltbildung richtet sich demnach in ihren padagogischen Prozessen auf Veranderungen des Verhaltens, der Einstellungen und des Handelns des Einzelnen gegenuber seiner Umwelt. Die Basis fur diese Veranderungen beinhalten in Anlehnung an Bolschos u.a. oben erwahnter Definition von Erziehung und Bildung samtliche Informationen und Aktionen, welche „direkt oder indirekt der Entwicklung von Einstellungen, Werthaltungen, Kenntnissen, Fahigkeiten und Handlungsorientierungen [...] dienen“ (ebd., S.3).
Dementsprechend lasst sich hier als zusammenfassende Konsequenz anmerken, dass mittels MaBnahmen der Umweltbildung die Einzelperson dazu befahigt werden soll, ihr Verhalten bezuglich der naturlichen Umwelt auf der Grundlage von Erfahrung und Wissen uber Vorgange und Beziehungen in Natur und Umwelt sowie uber okologische Kreislaufe, kritisch-reflexiv zu uberdenken und ein Verantwortungsbewusstsein gegenuber dieser zu entwickeln. Allerdings gilt es zu betonen, dass der Terminus Umweltbildung einen umfassenden Charakter besitzt. Denn wie in den folgenden Kapiteln deutlich wird, entwickelten sich seit den 1980er Jahren unterschiedliche padagogische Ansatze wie z.B. Umwelterziehung, okologisches Lernen und Okopadagogik bis hin zur Bildung fur eine nachhaltige Entwicklung. Diese Ansatze und Leitbilder besitzen jeweils unterschiedliche Vorstellungen und Ideen hinsichtlich ihrer Konzepte, Methoden und Erziehungsziele. Der hier definierte Begriff Umweltbildung wird demnach im weiteren Kontext dieser Arbeit lediglich als ein bewusst gewahlter Oberbegriff verwendet, welcher samtliche padagogischen Ansatze und Theorien einschlieBt, die sich auf Natur, Umwelt und Okologie beziehen. Welche spezifischen Inhalte und Zielsetzungen die einzelnen Stromungen und Richtungen der Umweltbildung besitzen, ist nicht unwesentlich abhangig von den jeweiligen zeitgeschichtlichen und gesellschaftlichen Bedingungen und Vorstellungen sowie Erkenntnissen aus Wissenschaft und Forschung. Um uber diese Rahmenbedingungen Aufschluss und ein Verstandnis zu erhalten, befasst sich das folgende Kapitel mit der historischen Entwicklung der Umweltbildung sowie den Ursachen, die zu dieser Entstehung gefuhrt haben.
3. Historische Entwicklung der Umweltbildung
Um die Entwicklung der Umweltbildung sowohl auf nationaler wie internationaler Ebene seit den 1970er Jahren aufzeigen zu konnen, ist es zunachst von Bedeutung die Hintergrunde und Ursachen zu erlautern, die zur Entstehung der diversen umweltbildnerischen Ansatze beigetragen haben.
Anbei wird an dieser Stelle betont, dass innerhalb dieser Arbeit die Entwicklung der Umweltbildung ab den 1970er Jahren fokussiert wird, wenngleich ein Blick in die Geschichte verrat, dass die Beschaftigung mit den Themen Natur und Umwelt im Bereich der Bildung, insbesondere in der schulischen Institution, keineswegs neu ist. Beispielsweise hatte das Thema Natur bei Johann Amos Comenius (1592-1670) einen unmittelbaren erziehungspraktischen Wert und diente gewissermaBen als Erziehungsmetapher. Demnach ist der Weg der Erziehung analog dem Gang der auBeren Natur angelehnt, und impliziert zugleich ein bestimmtes Werdensziel (vgl. Maiwald, 1987, S.8 f.). Auch in der Zeit der Jugendbewegung Anfang des 20. Jahrhunderts hatten Natur- und Umweltthematiken eine bedeutende Funktion: Natur wurde hier als ein „rhythmische[r; A.R.] Lebensstrom [betrachtet; A.R.] , den es zu erfuhlen gilt und der den Menschen fuhrt“ (ebd., S.10 f.). Dieses Naturerleben, welches insbesondere auf Wanderungen erfahren wurde, sollte letztlich dazu fuhren, dass der Mensch eine Einheit mit der naturlichen Welt bildet und dadurch zugleich seine individuelle Personlichkeit formt (vgl. ebd., S.10 f.).
In den nachsten Abschnitten dieses Kapitels folgt eine Untersuchung uber die Ursachen der (weltweiten) Umweltprobleme und das Ende des menschlichen Fortschrittsglaubens. Daran schlieBt sich eine Skizzierung des Weges von einer Umweltpolitik zu einer Umweltbildung sowie eine Erlauterung der internationalen und nationalen - d.h. in der Bundesrepublik Deutschland stattfindenden - Bemuhungen im Rahmen von Umweltbildung an. Dabei ist zu beachten, dass die internationale und nationale Entwicklung von UmweltbildungsmaBnahmen in den Abschnitten 3.4 und 3.5 bis in die 1980er Jahre erlautert wird11.
3.1 Ursachen der (globalen) Umweltprobleme
“Jede Form von unbegrenztem Wachstum in begrenztem Raum fuhrt zwangslaufig zur Katastrophe - zur Zerstorung des Systems [Hervorhebung im Original]' (Konrad Lorenz)“ (Succow, 1993, S.29).
Dieses Zitat von Konrad Lorenz trifft die Ausmabe der menschlichen Eingriffe in die Umwelt sehr deutlich. Durch Berichterstattung diverser Medien erfahrt der Mensch des 21.Jahrhunderts bereits von Kindesbeinen an von Problemen im Umweltbereich, die in stets globaleren Dimensionen um sich greifen. Auch wenn man sein Wissen uber diese Risiken meist aus zweiter Hand erhalt wie bei den oben erwahnten Medien, kann die Menschheit nicht verleugnen, dass trotz popularistischer und polarisierender Berichterstattung eine Vielzahl an Okologieproblemen existiert (vgl. Kahlert 1990, S.43 f.). Als Beispiele seien hier nur „Desertifikation, Ozonloch, Smog, Treibhauseffekt und Waldsterben [genannt; A.R.]“ (Bonz/Schanz, 2002, S.5.) sowie auf die folgenden Abbildungen 1 und 2 verwiesen:
Abbildung 1: Waldsterben
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(Quelle: Weizsacker, 1997, S.24)
Abbildung 2: Regenwaldabholzung durch den Menschen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(Quelle: Weizsacker, 1997, S.7)
An dieser Stelle stellt sich die Frage, wie es zu dieser dramatischen Entwicklung kommen konnte. Bei der Suche nach den Ursachen fur diese Missstande ist es unausweichlich, die Entstehungsgeschichte dieser Problematik zu analysieren.
Seit jeher gehorte es zum unangefochtenen Recht des Menschen, der Natur das zu entnehmen, was er zur Befriedigung seiner eigenen Bedurfnisse benotigte. „Die ,Krone' der Schopfung verfugte selbstverstandlich freizugig uber alles, was unter seinen FuBen oder seinen Schiffskielen lag“ (van Damsen, 1988, S.IV). Letzten Endes war der Mensch in seiner Entwicklungsgeschichte gezwungen, die ihm umgebende Natur zu nutzen, um seine Existenz zu sichern (vgl. Bolscho/Seybold 1996, S.10).
Dabei hat sich der Mensch im Laufe seiner Entwicklungsgeschichte immer starker von der ihn umgebenden Umwelt abgegrenzt, und dabei auBer Acht gelassen, „dass auch [.] [er; A.R.] nur ein Teil der Natur ist, dass er mit seinem Tun naturlichen GesetzmaBigkeiten und Grenzen des Wachstums unterliegt [.] [, welche nun; A.R.] vielfach uberschritten sind“ (Raithel/Dollinger/Hormann, 2005, S.306).
Zur Begrundung, wie es zu dieser Entwicklung kam, gibt es diverse Erklarungsmuster: So beschreibt Kahlert, dass uber die Entstehung dieser Einstellung zur Natur sowohl marxistische und zivilisationskritische Ansatze, als auch naturphilosophische Theorien uber gestorte Mensch-Natur-Beziehungen und systemtheoretische Ansatze der Gesellschaftskritik usw. existieren. Wenngleich auch viele dieser Theorien auf Bedingungen beruhen, die fur Kahlerts Uberlegungen nicht nachvollziehbar sind (vgl. Kahlert, 1990, S.22). Bolscho und Seybold konstatieren zudem, dass ebenso religiose Weltanschauungen als Verursacher der Umweltkrisen betrachtet werden konnen bzw. Religionen den menschlichen Umgang mit der Natur legitimierten, wie beispielsweise die christliche Botschaft aus dem Ersten Buch Mose belegt: „Seid fruchtbar und mehret euch und fullet die Erde und machet sie euch untertan und herrschet uber die Fische im Meer und uber die Vogel unter dem Himmel und uber das Vieh und uber alles Getier, das auf Erden kriecht“ (Bolscho/Seybold, 1996, S.13; vgl. Hamp/Stenzel, 1999, S.14). Hier ist anzumerken, dass demnach je nach Auslegung dieses religiosen Gebotes die Ausbeutung der Natur ihre Berechtigung erhalten kann.
Trotz oder gerade wegen der oben erwahnten Vielzahl an Erklarungsmustern erscheint es schwierig, sich auf einen Ansatz zu beschranken. Zudem ware es laut Kahlert auch kompliziert und muhevoll, die eine wesentliche Theorie zu den Bedingungen der Umweltprobleme zu finden bzw. zu erstellen (vgl. Kahlert, 1990, S.22 f.).
Des Weiteren ergibt sich bei einer Ursachensuche in der Geschichte das Risiko, einem unendlichen Ruckgriff in die Vergangenheit zu erliegen. Betrachtet man beispielsweise den Wachstumszwang hochentwickelter Industriegesellschaften als einen Grund fur die Umweltprobleme und beleuchtet die geschichtlichen Ursachen dieses Wachstumsstrebens, gelangt man zuerst auf den industriellen Aufschwung nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Hintergrunde hierfur wiederum lassen sich in den Anfangen der modernen Industriegesellschaften und schlieBlich in der Entstehungszeit der Industriellen Revolution finden usw. . Es wird deutlich, dass es notwendig ist, stets weiter in die Geschichte zuruck zu greifen, um die Bedingungen einzelner historischer Stationen zu erklaren. Zudem gilt es, die in den jeweiligen Zeitabschnitten vorherrschenden Denkvorstellungen und Verstandnismuster zu beachten, welche jene Entwicklungen beeinflussten (vgl. ebd., S.109 f.). Ein Blick in die geschichtliche Entstehungsgeschichte gestaltet sich demnach sehr komplex und es ware im Rahmen dieser Arbeit obsolet, das breite Spektrum samtlicher Kausalitaten fur die heutigen Umweltrisiken aufzeigen.
Aufgrund dessen wird im Folgenden auf zwei Aspekte eingegangen, die in Verbindung miteinander als entscheidende Ursachen der globalen Umweltrisiken betrachtet werden konnen. Gemeint sind die industriell-kapitalistische Produktions- und Wirtschaftsweise sowie das weltweite Bevolkerungswachstum.
Bezuglich der industriellen Produktionsprozesse muss vorweggenommen werden, dass menschliche Wirtschaftsprozesse schon in fruheren Zeiten die Natur gepragt haben, beispielsweise in Form von
„Ressourcenubernutzungen [.], [dem; A.R.] Verschwinden von Tierarten durch Uberjagung oder Verdrangung, die Rodung von Waldern fur den Schiffbau mit Folgeproblemen wie Verkarstung und Bodenerosion [.]. Diese Eingriffe waren aber punktueller Art, die Folgen blieben regional begrenzt. Sie stellten keine grundsatzliche Bedrohung der Regenerationsfahigkeit der naturlichen Kreislaufe dar“ (Gebhard, 1998, S.4).
Doch infolge technologischer Errungenschaften und Entwicklungen des Menschen, besonders seit Beginn der Industrialisierung durch die Erfindung der Dampfmaschine 1765, erfuhren die AusmaBe der menschlichen Eingriffe in die Natur eine neue Dimension. Diesen technischen Neuerungen folgte zwangslaufig ein Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft, in welchen laut Bolscho und Seybold die Ursprunge der gegenwartigen Umweltprobleme liegen (vgl. Bolscho/Seybold, 1996, S.17). So schreiben die Autoren Bonz und Schanz, dass „der Industrialisierungsprozess [.] [der; A.R.] letzten Jahrzehnte [.] im Kern ein groBangelegter Abschopfungsprozess von Naturreichtum [war; A.R.], der von der Evolution uber Jahrmillionen aufgebaut wurde“ (Bonz/Schanz, 2002, S.5).
Diese Anderungen im technischen, okonomischen und gesellschaftlichen Bereich brachten auch Wandlungen im Bewusstsein und den Einstellungen des Menschen gegenuber der ihn umgebenden Umwelt mit sich. Die Natur wurde starker denn je als ein Objekt und Produktionsfaktor betrachtet. Der burgerlich Fortschrittsglaube des 19.Jahrhunderts wurde zunehmend dominierend innerhalb der Gesellschaft. Obwohl einerseits auf die negativen sozialen Folgen der Industrialisierungsprozesse aufmerksam gemacht wurde, hier ist beispielsweise die Kapitalismuskritik von Karl Marx zu nennen, existierten andererseits nur wenige Stimmen hinsichtlich der zerstorerischen Auswirkungen auf die naturliche Umwelt. Eher verdrangte und verharmloste man die negativen Folgen dieser industriellen Prozesse auf die Natur (vgl. Bolscho/Seybold, 1996, S.21 f.). Viel mehr wurde der „Triumph uber die Natur in Form von Denkmalern [geradewegs; A.R,] gefeiert ( [z.B. in der Gestaltung von; A.R.] Schlote[n, A.R.] fur Industrieabgase als architektonische Turme, Fabriken als Kathedralen des Fortschritts)“ (vgl. Spelsberg, 1988; zitiert nach Raithel/Dollinger/Hormann, 2005, S.310). Die folgende Abbildung 3 verdeutlicht diesen menschlichen Triumphglauben:
Abbildung 3: Fortschrittssymbol Energie.
„Der Energie wurden Palaste gebaut. Das Bild zeigt den ,Palast der Elektrizitat', Pariser Weltausstellung 1900“ (Weizsacker, 1997, S.68).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(Quelle: Weizsacker, 1997, S.68)
Diese Vorstellungen wirken bis in die Gegenwart, wenngleich ihre „Ausformungen durch die zeithistorischen Bedingungen bestimmt sind“ (Bolscho/Seybold, 1996, S.22). Dieser „Glaube an die Beherrschbarkeit der Umwelt [wurde; A.R.] eine wissenschaftliche Tradition, die wahrend der Industrialisierung zum ersten Mal deutliche Spuren in der sozialen, naturlichen und bebauten Umwelt [hinterlieB; A.R.]“ (ebd., S.41).
Der zweite Aspekt, der zusammen mit der immer noch vorherrschenden industriell- kapitalistischen Wirtschafts- und Produktionsweise als einer der Grunde der Umweltprobleme angefuhrt wird, kann im weltweiten Bevolkerungswachstum gesehen werden. So erlautert van Damsen in Anlehnung an die Studie Global 200012 aus dem Jahr 1980, dass die Populationsentwicklung eine der Ursachen fur die Umweltproblematik ist. Die Autorin erwahnt, dass zum damaligen Zeitpunkt die Studie die Weltbevolkerung des Jahres 2000 auf ca. 6,35 Mrd. Menschen schatzte13. An dieser Stelle ist besonders hervorzuheben, dass die so genannten Dritte-Welt-Lander sich in diesem Zusammenhang mit den Problemen der Uberbevolkerung auseinandersetzen, wahrend die westlichen Industrienationen mit anderen demografischen Problemen konfrontiert sind: Allen voran ist hier die Uberalterung der Gesellschaft sowie der Geburtenruckgang zu nennen. Das explosionsartig steigende Wachstum der Bevolkerung, insbesondere in den Dritte-Welt- Landern, benotigt im Folgeschluss einen hoheren Bedarf an Ressourcen, seien es Nahrungsmittel, Wasser, mineralische Rohstoffe oder vor allem Energie. Durch diesen steigenden Ressourcenbedarf, welcher einerseits erst durch die oben erwahnte fortschreitende Entwicklung von Technologien ermoglicht wurde, andererseits jedoch eine Entwicklung dieser Produktionstechniken zugleich beschleunigt, entstehen schwerwiegende Veranderungen der Umwelt (vgl. van Damsen 1988, S.4ff.). Als Beispiele seien hier nur „okologische Bodenschadigungen durch Monokulturen, ubermabigen Chemikalieneinsatz [...], das weltweite Sterben von Waldern, Seen und Boden [...] [und der; A.R.] erhohte[...] Verbrauch von fossilen Brennstoffen [genannt; A.R.]“ (ebd., S.9).
3.2 Ende des Fortschrittsglaubens
Einen spurbaren Wandel erfuhr dieser Fortschrittsglaube in der zweiten Halfte des 20. Jahrhunderts. Ab diesem Zeitpunkt zeigte sich starker denn je, dass die Eingriffe des Menschen infolge der fortschreitenden weltweiten Industrialisierung nicht mehr nur lokal begrenzt blieben, sondern sich zunehmend auf das weltweite Okosystem auswirkten (vgl. Gebhard, 1998, S.4), und zwar in dem Ausmabe, „dass naturliche Kreislaufe und im Rahmen dieser Kreislaufe auch die kunftigen Lebens- und Wirtschaftsbedingungen der Menschen weltweit bedroht [wurden; A.R.]“ (ebd., S.4).
Diese Bedrohung wurde bereits 1962 durch das Buch Der stumme Fruhling der US- Biologin Rachel Carson der allgemeinen Offentlichkeit vermittelt. In diesem literarischen Werk schilderte die Autorin eine bluhende, harmonische (allerdings fiktive) Kleinstadt in landlicher Umgebung in den USA. Jedoch tauchte in diesem Idyll eine schleichende Seuche auf, welche die gesamte Flora und Fauna veranderte (vgl. Carson, 1962/1987, S.15 f.; zitiert nach Kleber, 1993, S.24). Die Ursachen fur diese Entwicklung waren jedoch „kein boser Zauber, kein feindlicher Uberfall [, der; A.R.] in dieser verwusteten Welt die Wiedergeburt neuen Lebens im Keim erstickt [hatte; A.R.]. Das hatten die Menschen selbst getan“ (ebd., S.24).
Eine Dekade spater, im Jahre 1972, entfachte die Veroffentlichung des Berichts Die Grenzen des Wachstums von Meadows u.a., welcher vom Club of Rome14 initiiert wurde, erneut eine offentliche Diskussion uber die Folgen der globalen Einwirkungen des Menschen auf seine Umwelt. In dieser Studie wurde mittels Modellen die Folgen einer steigenden Entwicklung diverser Faktoren berechnet, unter anderem die Zunahmen der Weltbevolkerung, der globalen Wirtschaft, der Nahrungsmittelsherstellung, des Abbaus naturlicher Rohstoffe sowie der Freisetzung von Schadstoffen (vgl. Meadows u.a., 1972, S.14 ff.). Dabei wurde prognostiziert, dass bei einer konstanten Entwicklung der besagten Aspekte, „die absoluten Wachstumsgrenzen auf der Erde im Laufe der nachsten hundert Jahre erreicht [sein wurden; A.R.]“ (ebd., S.17). Wenngleich bei diesem Bericht nicht bestimmt werden konnte, welche Hochstmengen an Schadstoffen die Umwelt absorbieren kann, ohne dass dabei die Balance ihrer Okosysteme destabilisiert wird, so erwuchs aus diesen Berechnungen die Deutlichkeit, dass die Moglichkeiten der Erde begrenzt sind und das Wachstumsstreben des Menschen dadurch naturlichen Grenzen unterliegt (vgl. ebd., S.68 ff.). Allerdings wurde auch darauf verwiesen, dass dieser Trend dadurch beeinflussbar ist, dass der Mensch sich selbst in seinem Wachstumsstreben beschrankt und damit ein zukunftsfahiges okologisches und okonomisches Gleichgewicht herbeifuhren kann (vgl. ebd., S.141 ff.).
Allerdings raumten die Autoren bereits zum Zeitpunkt des Erscheinens dieses Berichts eigenreflektierte Kritik ein: So verwiesen sie beispielsweise darauf, dass bei diesen Untersuchungen stets „nur eine begrenzte Zahl variabler GroBen berucksichtigt [wurde und; A.R.] die beobachtbaren Wechselwirkungen [...] daher ebenfalls beschrankt [waren; A.R.]“ (ebd., S.166) oder die technologischen und wissenschaftlichen Fahigkeiten bei der Losung einiger Problembereiche nicht grundlich einbezogen wurden (vgl. ebd., S.166 f.).
Zudem erlauterte Anfang der 90er Jahre Alexander King, der von 1984-1990 amtierende Prasident des Club of Rome, dass aus heutiger Sicht bei den damaligen Hochrechnungen sowohl die Verfugbarkeit der Ressourcen als auch die Explosion der Weltbevolkerung unterschatzt und heute bekannte Umweltrisiken, wie etwa die Ozonschicht schadigenden Treibhausgase, nicht in die Simulation des Berichts miteinbezogen wurden (vgl. Kulke/Odenwald, 1991, S.36; zitiert nach Bolscho/Seybold, 1996, S.52).
[...]
1 An dieser Stelle ist bereits auf Abschnitt 2.5 Umweltbildung zu verweisen: Wie dort erlautert wird, umfassen UmweltbildungsmaBnahmen im allgemeinen Sinn im Kontext dieser Arbeit samtliche padagogische Bemuhungen zum Thema Natur, Umwelt und Okologie.
2 Bei Hofer wird anstatt physiozentrisch der Ausdruck okozentrisch verwendet (vgl. Hofer, 1990, S.42 ff.)
3 Unter abiotischen bzw. unbelebten Faktoren zahlt man beispielsweise physiko-chemische Elemente wie Licht, Klima, Temperatur, Boden- und Wasserbeschaffenheit, wahrend als biotische, also belebte Faktoren, die Einflusse und Wechselwirkungen der verschiedenen Spezies untereinander, wie z. B. Konkurrenz und Nahrungsangebot bezeichnet werden (vgl. Wittig/Streit, 2004, S.22). Trophische Faktoren sind laut Schwerdtfeger sowohl den biotischen und abiotischen Sparten zuzurechnen. Diese „konnte man teils den biotischen Faktoren zuweisen, so bei rauberischen Tieren, Schmarotzern, und Pflanzenfressern, teils den abiotischen, wie bei Kot- und Abfallfressern [.]“ (Schwerdtfeger, 1963, S.21).
4 Gemab Eugene P. Odums Ausfuhrungen steht Oikos fur Haus oder ein Platz, um zu leben. In strenger Hinsicht wurde Okologie demnach das Studium der Organismen zu Hause bedeuten (vgl. Odum, 1999, S.1).
5 Ahnlich wie der Begriff Okologie hat auch Okonomie seinen Ursprung im Griechischen. Oikos bedeutet Haus (wie bereits in FuBnote 4 erklart), wahrend Nomos fur Gesetz oder Verwaltung steht. Dementsprechend kann Okonomie als Verwaltung des Haushalts bezeichnet werden (vgl. Odum, 1999, S.1).
6 Der Begriff Biotop hat seinen Ursprung im Griechischen, wobei bios Leben und topos Ort bedeutet. Somit steht Biotop im wortlichen Sinne fur Lebensort (vgl. Wittig/Streit, 2004, S.29).
7 Dieser Sachverhalt wird bereits in Fubnote 3 erwahnt.
8 Laut Miller-Kipp stammt der Begriff Erziehung aus dem Lateinischen Educatio, welcher ins Deutsche mit Aufzucht ubersetzt werden kann (vgl. Miller-Kipp, 2007, S.204).
9 GemaB Heitger bezieht sich das ,Ich' hier auf den Menschen, welcher als Subjekt betrachtet wird (vgl. Heitger, 1999, S.140).
10 Wie bereits weiter oben in diesem Abschnitt erwahnt, wird auch im deutschsprachigen Raum nicht immer konsequent zwischen den Begriffen Erziehung und Bildung unterschieden.
11 Zeitlich spater stattfindende Ereignisse, wie das Erscheinen des Brundtland-Berichts 1987 oder die UNCED-Konferenz in Rio de Janeiro 1992 sowie das dort veroffentlichte Dokument der Agenda 21, werden wegen ihrer thematischen Relevanz in Kapitel 5 dieser Arbeit behandelt.
12 Die Studie Global 2000 aus dem Jahr 1980 implizierte die Zielsetzung, Globalprognosen in den Bereichen Bevolkerung, Ressourcen und Umwelt fur das Jahr 2000 zu entwerfen (vgl. van Damsen, 1988, S.4ff.).
13 Die Prognose dieser Studie traf in etwa ein: Laut Auskunft der Vereinten Nationen zahlte die Weltbevolkerung im Jahre 2000 6.115.367 Menschen (vgl. United Nations, 2009).
14 Der Club of Rome ist eine im Jahre 1968 gegrundete informelle Vereinigung von internationalen Wissenschaftlern diverser Disziplinen, welche sich zum Ziel gesetzt hat, Hintergrunde von Krisen der Menschheit zu analysieren, Politik und Offentlichkeit darauf hinzuweisen und diese zu Losungsmoglichkeiten zu bewegen (vgl. Meadows u.a., 1972, S.9).
- Citar trabajo
- Alexander Rödl (Autor), 2010, Von der Umwelterziehung zur Bildung für eine nachhaltige Entwicklung, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/520210
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