Das Grundgesetz gilt seit über fünfzig Jahren, seit über zehn Jahren mittlerweile auch für den östlichen Teil, die fünf „neuen“ Bundesländer, als oberste Ordnung der Bundesrepublik Deutschland.
Im Vorfeld der Wiedervereinigung der Bundesrepublik mit der DDR im Spätjahr 1989 und insbesondere im Zuge der Beitrittsverhandlungen kam die Frage nach der Notwendigkeit einer neuen Verfassung auf. Die mitunter recht emotional geführte Diskussion, die gleichermaßen Staatsrechtler wie Politikwissenschaftler auf den Plan rief, artete zwischenzeitlich in einen regelrechten „Glaubenskrieg“1aus. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit den wesentlichen Aspekten dieser Diskussion, die mit der Änderung etlicher Artikel des Grundgesetzes nach den Änderungsvorschlägen der Gemeinsamen Verfassungsdiskussion 1994, aber ohne Volksabstimmung und ohne die Verabschiedung einer neuen Verfassung ihr Ende fand, und erarbeitet anhand dessen die Notwendigkeit einer neuen Verfassung. Die „Notwendigkeit“ wird dabei an der Argumentation im verfassungsrechtlichen und politisch-kulturellen Teil gemessen.
Die Relevanz dieser Frage besteht durch die „Sprengladung unter den Fundamenten des Grundgesetzes“2des Art 146 n.F. GG, der normiert, das Grundgesetz verliere seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine durch das deutsche Volk in freier Entscheidung beschlossene Verfassung in Kraft trete. Durch ihn kennt das Grundgesetz auch heute noch eine ihm immanente Ablösungsmöglichkeit. Auch wenn die Diskussion mittlerweile verstummt ist, so hat sie dennoch nichts an Aktualität verloren, denn eine Streichung des Art 146 n.F. GG ist nicht abzusehen, und die deutsche Bevölkerung hat bis dato keine Möglichkeit erhalten, über ihr höchstes Gesetz abzustimmen. Die Arbeit fragt zunächst nach den grundsätzlichen Eigenheiten und Aufgaben einer Verfassung und erarbeitet deren Unterschied zum Grundgesetz. Danach wird der verfassungsrechtliche Teil der Diskussion beleuchtet, der sich im Wesentlichen um die Präambel a.F. und der Art. 23 und 146 (a.F.) GG drehte. Die Rolle dieser Regelungen, insbesondere die der beiden Artikel, für die Diskussion wird eingehend erläutert.
Inhaltsverzeichnis
- A. Einleitung
- B. Die Charakteristika einer Verfassung und das Grundgesetz im Vergleich
- I. Verfassungsrechtliche Problematik: Präambel, Art. 23 und Art. 146 a.F.
- 1. Die Bedeutung der einzelnen Normen
- 2. Art. 23 a.F. die Beitrittslösung
- 3. Art. 146 die Verfassungslösung
- II. Die politisch-kulturelle Problematik
- 1. Die fehlende Legitimation
- 2. Ergebnis zur Legitimation
- 3. Die Aufgaben einer gesamtdeutschen Verfassung oder Gibt es Alternativen zum Grundgesetz?
- C. Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Debatte um die Notwendigkeit einer neuen Verfassung für Deutschland nach der Wiedervereinigung. Sie analysiert die verfassungsrechtlichen und politisch-kulturellen Argumente, die während dieser Diskussion vorgebracht wurden, und bewertet die Notwendigkeit einer neuen Verfassung im Lichte dieser Argumente. Die Arbeit konzentriert sich auf die Diskussion um die Änderung von Artikeln des Grundgesetzes, insbesondere Artikel 23 und 146 in ihrer alten Fassung.
- Vergleich zwischen den Charakteristika einer Verfassung und dem Grundgesetz
- Analyse der verfassungsrechtlichen Problematik im Kontext der Präambel und der Artikel 23 und 146 (a.F.)
- Bewertung der politisch-kulturellen Aspekte der Debatte, insbesondere die Legitimation des Grundgesetzes
- Untersuchung möglicher Alternativen zum Grundgesetz
- Bewertung der Notwendigkeit einer neuen Verfassung
Zusammenfassung der Kapitel
A. Einleitung: Die Einleitung stellt die zentrale Forschungsfrage nach der Notwendigkeit einer neuen deutschen Verfassung nach der Wiedervereinigung vor. Sie beschreibt den Kontext der emotional geführten Debatte zwischen Staatsrechtlern und Politikwissenschaftlern und erklärt den Fokus der Arbeit auf der verfassungsrechtlichen und politisch-kulturellen Argumentation. Der Artikel 146 des Grundgesetzes, der eine zukünftige Ablösung durch eine vom deutschen Volk beschlossene Verfassung vorsieht, wird als Ausgangspunkt der Betrachtung genannt. Die Arbeit untersucht die Rolle der Präambel und der Artikel 23 und 146 (a.F.) in dieser Debatte und vermeidet die Bewertung der praktischen Durchführbarkeit einer neuen Verfassung.
B. Die Charakteristika einer Verfassung und das Grundgesetz im Vergleich: Dieses Kapitel vergleicht die allgemeinen Merkmale einer Verfassung mit dem Grundgesetz. Es wird auf die Definition einer Verfassung nach Jellinek eingegangen, welche die Ordnung eines dauernden Verbandes beschreibt und deren Funktionen zur Bildung und Erhaltung politischer Einheit und rechtlicher Ordnung betont. Das Grundgesetz wird im Gegensatz dazu als ein Übergangsprovisorium dargestellt, obwohl es im formellen und materiellen Sinne als Verfassung gilt. Der Unterschied liegt im begrenzten Geltungsanspruch des Grundgesetzes, der durch Artikel 146 (a.F.) zum Ausdruck kommt, der seine Gültigkeit an eine neue, vom Volk beschlossene Verfassung bindet.
I. Verfassungsrechtliche Problematik: Präambel, Art. 23 und Art. 146 a.F.: Dieses Kapitel befasst sich mit der verfassungsrechtlichen Argumentation in der Debatte um eine neue Verfassung. Es analysiert die Rolle der Präambel (a.F.) und der Artikel 23 und 146 (a.F.) des Grundgesetzes. Die Bedeutung dieser Normen wird im Kontext des Selbstverständnisses der Bundesrepublik als räumlich begrenzte Fortführung des Deutschen Reiches erläutert. Die Artikel werden eingehend analysiert, um ihren Einfluss auf die Diskussion um die Notwendigkeit einer neuen Verfassung zu verdeutlichen.
II. Die politisch-kulturelle Problematik: Dieses Kapitel widmet sich der politisch-kulturellen Dimension der Debatte. Der Fokus liegt auf der Frage der Legitimation des Grundgesetzes im Laufe der Zeit und der Erörterung möglicher Alternativen zum Grundgesetz. Die Diskussion um die Legitimation des Grundgesetzes wird als zentraler Aspekt der politischen und gesellschaftlichen Auseinandersetzung dargestellt. Mögliche Alternativen zum Grundgesetz werden im Hinblick auf die Notwendigkeit einer neuen Verfassung betrachtet.
Schlüsselwörter
Grundgesetz, Verfassung, Wiedervereinigung, Artikel 146, Artikel 23, Legitimation, Präambel, Beitritt, gesamtdeutsche Verfassung, politisch-kulturelle Problematik, Verfassungsdiskussion
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur Analyse der Notwendigkeit einer neuen deutschen Verfassung nach der Wiedervereinigung
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit untersucht die Debatte um die Notwendigkeit einer neuen Verfassung für Deutschland nach der Wiedervereinigung. Sie analysiert die verfassungsrechtlichen und politisch-kulturellen Argumente, die während dieser Diskussion vorgebracht wurden, und bewertet die Notwendigkeit einer neuen Verfassung im Lichte dieser Argumente. Ein Schwerpunkt liegt auf der Diskussion um die Änderung von Artikeln des Grundgesetzes, insbesondere Artikel 23 und 146 in ihrer alten Fassung.
Welche Themen werden im Einzelnen behandelt?
Die Arbeit umfasst einen Vergleich der Charakteristika einer Verfassung mit dem Grundgesetz, eine Analyse der verfassungsrechtlichen Problematik im Kontext der Präambel und der Artikel 23 und 146 (a.F.), eine Bewertung der politisch-kulturellen Aspekte der Debatte (insbesondere die Legitimation des Grundgesetzes), die Untersuchung möglicher Alternativen zum Grundgesetz und eine abschließende Bewertung der Notwendigkeit einer neuen Verfassung.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit ist in folgende Kapitel gegliedert: A. Einleitung; B. Die Charakteristika einer Verfassung und das Grundgesetz im Vergleich; I. Verfassungsrechtliche Problematik: Präambel, Art. 23 und Art. 146 a.F. (mit Unterpunkten zur Bedeutung einzelner Normen, Art. 23 a.F. als Beitrittslösung und Art. 146 als Verfassungslösung); II. Die politisch-kulturelle Problematik (mit Unterpunkten zur fehlenden Legitimation, Ergebnissen zur Legitimation und der Frage nach Alternativen zum Grundgesetz); C. Zusammenfassung.
Welche Rolle spielen Artikel 23 und 146 (a.F.) des Grundgesetzes?
Artikel 23 und 146 (a.F.) des Grundgesetzes stehen im Zentrum der verfassungsrechtlichen Analyse. Ihre Bedeutung wird im Kontext des Selbstverständnisses der Bundesrepublik als räumlich begrenzte Fortführung des Deutschen Reiches erläutert. Die Analyse untersucht ihren Einfluss auf die Diskussion um die Notwendigkeit einer neuen Verfassung.
Wie wird die Legitimation des Grundgesetzes behandelt?
Die Frage der Legitimation des Grundgesetzes wird als zentraler Aspekt der politisch-kulturellen Dimension der Debatte dargestellt. Die Arbeit erörtert die Legitimation des Grundgesetzes im Laufe der Zeit und untersucht, ob diese Legitimation ausreichte oder ob eine neue Verfassung notwendig war.
Welche Alternativen zum Grundgesetz werden betrachtet?
Die Arbeit untersucht mögliche Alternativen zum Grundgesetz im Hinblick auf die Notwendigkeit einer neuen Verfassung. Es wird geprüft, ob es neben einer komplett neuen Verfassung andere Optionen gegeben hätte.
Welche Schlüsselwörter beschreiben die Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Grundgesetz, Verfassung, Wiedervereinigung, Artikel 146, Artikel 23, Legitimation, Präambel, Beitritt, gesamtdeutsche Verfassung, politisch-kulturelle Problematik, Verfassungsdiskussion.
Was ist das zentrale Ergebnis der Arbeit (ohne detaillierte Analyse)?
Die Arbeit analysiert die Argumente für und gegen eine neue Verfassung nach der Wiedervereinigung, ohne jedoch eine endgültige Bewertung der Notwendigkeit einer solchen Verfassung abzugeben. Sie beleuchtet die verfassungsrechtlichen und politisch-kulturellen Aspekte der damaligen Debatte.
- Citation du texte
- Stefan Rupp (Auteur), 2001, In freier Entscheidung beschlossen - braucht Deutschland nach der Wiedervereinigung eine neue Verfassung?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/51951