Einleitung
Mit der Kapitulation der deutschen Streitkräfte am 7. und 8. Mai 1945 endete das „Großdeutsche Reich“. Zu der militärischen Niederlage kam eine gravierende Katastrophe für das deutsche Volk. Viele Menschen waren in den Kriegshandlungen ums Leben gekommen, befanden sich in Kriegsgefangenschaft oder waren schwer verletzt worden. Schon während des Krieges war die Armut der Menschen unermesslich geworden. Für sie begann ein Kampf um das bloße Überleben und die Sorge um die gesellschaftliche und wirtschaftliche Zukunft. In den meisten Stätten waren Schulen und Hochschulen zerstört, es mangelte an Unterrichtsräumen, Lehrern und Lehrmaterialien. Die einst so patriotischen nationalpolitischen Bildungsziele waren zerfallen. Deutschland musste wieder aufgebaut werden. Für die vier alliierten Besatzungsmächte hatte besonders der Aufbau eines demokratischen Bildungswesen, um eine „Umerziehung zur Demokratie“ zu vollziehen, ein sehr große Bedeutung.
Diese Arbeit befasst sich mit der Entwicklung des Schulwesens von 1945 bis zum Beginn der 1960er Jahre. Dabei soll vor allem die Frage, worin sich die Schulsysteme der beiden Staaten unterscheiden, beantwortet werden? Im Rahmen dieser Fragestellung soll zudem aufgezeigt werden, wie das Schulwesen nach dem 2. Weltkrieg wieder aufgebaut wurde, welche Probleme dabei eine Rolle spielten und wie die Schulsysteme weiterentwickelt wurden. Weil vor allem die Entwicklungen im Schulwesen im Mittelpunkt dieser Arbeit stehen sollen, kann nur andeutungsweise auf die politischen Entwicklungen, sowie die Gründungen der Parteien und der daraus resultierenden Machtveränderungen, eingegangen werden. Auch das Hochschulwesen, die berufliche Ausbildung, die Sonderschulen für Behinderte sowie Reformansätze für das Schulwesen, können hier nur am Rande erwähnt werden. Diese Arbeit gliedert sich in zwei Phasen, die zudem in verschiedene Unterpunkte unterteilt sind. In jedem der Gliederungspunkte wird zunächst auf die Gesamtsituation der beiden Staaten eingegangen, um in den darauf folgenden Unterpunkten detaillierte Aussagen über die Entwicklungen in jeweils einem der beiden Staaten zu treffen. In einem ersten Punkt, werden die Periodeneinteilung und die damit verbundenen Schwierigkeiten thematisiert. Außerdem wird vor allem dort das methodische Vorgehen des Vergleiches, der unterschiedlich verlaufenden Entwicklungen bezüglich des Schulwesens in den beiden Staaten, festgelegt...
Inhalt
1. Einleitung
2. Periodeneinteilung
3. Die erste Phase: Nachkriegssituation und Weichenstellung 1945 bis 1949
3.1. Das Vorgehen der westlichen drei Besatzungsmächte
3.1.1. Das gegliederte Schulwesen
3.2. Die Wiedereröffnung der Schulen in der sowjetischen Besatzungszone
3.2.1. „Gesetz zur Demokratisierung der Deutschen Schule“ (1946)
3.3. Die Währungsreformen und die Gründung der beiden deutschen Staaten
4. Die zweite Phase: 1949 bis 1961/1962
4.1. Vereinheitlichung auf dem Gebiet des Schulwesens
4.1.1. Das Düsseldorfer Abkommen
4.2. Der Aufbau der sozialistischen Schule in der Deutschen Demokratischen Republik
4.2.1. Die polytechnische Bildungsreform
5. Fazit
6. Literaturverzeichnis
7. Abbildungen
1. Einleitung
Mit der Kapitulation der deutschen Streitkräfte am 7. und 8. Mai 1945 endete das „Großdeutsche Reich“. Zu der militärischen Niederlage kam eine gravierende Katastrophe für das deutsche Volk. Viele Menschen waren in den Kriegshandlungen ums Leben gekommen, befanden sich in Kriegsgefangenschaft oder waren schwer verletzt worden. Schon während des Krieges war die Armut der Menschen unermesslich geworden. Für sie begann ein Kampf um das bloße Überleben und die Sorge um die gesellschaftliche und wirtschaftliche Zukunft. In den meisten Stätten waren Schulen und Hochschulen zerstört, es mangelte an Unterrichtsräumen, Lehrern und Lehrmaterialien. Die einst so patriotischen nationalpolitischen Bildungsziele waren zerfallen. Deutschland musste wieder aufgebaut werden. Für die vier alliierten Besatzungsmächte hatte besonders der Aufbau eines demokratischen Bildungswesen, um eine „Umerziehung zur Demokratie“ zu vollziehen, ein sehr große Bedeutung.
Diese Arbeit befasst sich mit der Entwicklung des Schulwesens von 1945 bis zum Beginn der 1960er Jahre. Dabei soll vor allem die Frage, worin sich die Schulsysteme der beiden Staaten unterscheiden, beantwortet werden? Im Rahmen dieser Fragestellung soll zudem aufgezeigt werden, wie das Schulwesen nach dem 2. Weltkrieg wieder aufgebaut wurde, welche Probleme dabei eine Rolle spielten und wie die Schulsysteme weiterentwickelt wurden.
Weil vor allem die Entwicklungen im Schulwesen im Mittelpunkt dieser Arbeit stehen sollen, kann nur andeutungsweise auf die politischen Entwicklungen, sowie die Gründungen der Parteien und der daraus resultierenden Machtveränderungen, eingegangen werden. Auch das Hochschulwesen, die berufliche Ausbildung, die Sonderschulen für Behinderte sowie Reformansätze für das Schulwesen, können hier nur am Rande erwähnt werden.
Diese Arbeit gliedert sich in zwei Phasen, die zudem in verschiedene Unterpunkte unterteilt sind. In jedem der Gliederungspunkte wird zunächst auf die Gesamtsituation der beiden Staaten eingegangen, um in den darauf folgenden Unterpunkten detaillierte Aussagen über die Entwicklungen in jeweils einem der beiden Staaten zu treffen.
In einem ersten Punkt, werden die Periodeneinteilung und die damit verbundenen Schwierigkeiten thematisiert. Außerdem wird vor allem dort das methodische Vorgehen des Vergleiches, der unterschiedlich verlaufenden Entwicklungen bezüglich des Schulwesens in den beiden Staaten, festgelegt.
Im nächsten Abschnitt wird dann auf die Nachkriegssituation eingegangen. Dabei wird sowohl auf die Entwicklungen im Schulwesen, als auch auf die politischen und bildungspolitischen Maßnahmen der Besatzungsmächte eingegangen. In einem zweiten Abschnitt werden die unterschiedlich verlaufenden Entwicklungen nach den Staatsgründungen bis zum Beginn der 1960er Jahre thematisiert. Abschließend werden im Fazit die beiden Schulwesen hinsichtlich ihrer Stärken und Schwächen miteinander vergleichen.
2. Periodeneinteilung
In der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik bildeten sich seit der jeweiligen Staatsgründung zwei verschiedene Bildungssysteme aus. Diese Bildungssysteme haben sich aufgrund der in der Nachkriegszeit bedingten, unterschiedlichen gesellschaftlichen und ökonomischen Strukturen von ihrer gemeinsamen geschichtlichen Herkunft gelöst. Die beiden Bildungssysteme beruhen auf einer gemeinsamen Geschichte, Kultur, Sprache und Nationalität. Einerseits kann demnach von einer Nähe und Zusammengehörigkeit, andererseits aber auch von einer Entfremdung und Distanz aufgrund der politisch- ideologischen Systemunterschiede ausgegangen werden. Besonders im Bereich der Bildung wird dieses Spannungsverhältnis deutlich[1].
Bei der Frage der Periodeneinteilung fällt zunächst ins Auge, dass eine formale und strikte Einteilung verschiedener Phasen bei einem Vergleich von zwei Bildungssystemen, in zwei unterschiedlichen Staaten wie der DDR und der BRD, sehr schwierig ist. In dieser Arbeit werden bestimmte Aspekte des Schulwesens der beiden Staaten herausgestellt und miteinander verglichen. Jedoch muss eine gemeinsame Periodisierung, die auf parallelen Entwicklungen in der Bildungspolitik und im Bildungswesen beruht, aufgrund der sehr unterschiedlichen Entwicklungen und weil es in beiden Staaten keine starre zeitliche Gliederung gab, ausgeschlossen werden[2]. Aus diesem Grund kann sich der Vergleich der beiden Staaten, hinsichtlich ihrer unterschiedlichen Schul- und Bildungswesen, nur an bestimmten Zäsuren orientieren.
Einen Versuch der Periodisierung der Schulpolitik leistete Arthur G. Hearnden[3] mit der folgenden Gliederung:
- Die Bildungspolitik der Besatzungsmächte (1945 bis 1949)
- Bildung und Erziehung in zwei neuen Staaten (1949 bis 1955)
- Zunehmende Gegensätze (1955 bis 1960)[4]
Die strikte Gliederung in Fünfjahresabstände zeigt wie schwierig ein Vergleich, der Entwicklungen der beiden Schulsysteme, an gemeinsamen Kriterien ist. Die Gliederung dieser Arbeit wird sich deshalb nur an einer solchen Einteilung orientieren können.
Zunächst teilt sich diese Arbeit in zwei allgemeine Phasen, die der Nachkriegssituation und Weichenstellung und einer zweiten Phase die sich von 1949 bis zum Beginn der 1960er Jahre erstreckt. In den verschiedenen Unterpunkten werden dann die Entwicklungen der Schulsysteme und einige politische Rahmenbedingungen dargestellt. Eine starre Trennung der beiden Phasen kann jedoch nicht immer eingehalten werden. Besonders bei der Darstellung der Entwicklungen in den westlichen Besatzungszonen, beziehungsweise der Bundesrepublik, wird auch schon auf Veränderungen, die sich im Sinne dieser Arbeit in der zweiten Phase befinden würden, eingegangen. In der zweiten Phase wird außerdem aufgezeigt, welche Entwicklungen sich in den Folgejahren bis 1964/64 vollzogen haben.
Nachdem die Vorgehensweise dieser Arbeit dargestellt wurde, werden nun die Entwicklungen des Schulwesens in den beiden deutschen Staaten von 1945 bis in die 1960er Jahre im Mittelpunkt stehen.
3. Die erste Phase: Nachkriegssituation und Weichenstellung 1945 bis 1949
Während der Konferenz von Jalta vom 4. bis 11. Februar 1945, beschlossen die Hauptalliierten die Einteilung Deutschlands in Besatzungszonen. Auch Frankreich wurde auf Wunsch des amerikanischen Präsidenten, jedoch mit Einwänden von Stalin, Besatzungsmacht. Außerdem wurde eine koordinierte Verwaltung und Kontrolle Deutschlands durch eine zentrale Kontrollkommission festgelegt. Am 5. Juni 1945 wurde die Aufteilung Deutschlands in vier Bestatzungszonen und die Ausübung der obersten Gewalt durch den Alliierten Kontrollrat beschlossen. Der Alliierte Kontrollrat mit Sitz in Berlin, als die höchste Regierungsgewalt die vier Besatzungszonen und Deutschland als Ganzes betreffend, war besetzt von den Oberbefehlshabern der Alliierten Besatzungsmächte, Marshall Schukow (Sowjetunion), General Eisenhower (USA), Feldmarshall Montgomery (Großbritannien) und General de Lattre de Tassigny (Frankreich). Doch aufgrund der Uneinheitlichkeit der Besatzungsmächte war die Tätigkeit des Alliierten Kontrollrates sehr stark eingeschränkt[5].
Vom 17. Juli bis zum 2. August trafen sich Churchill / Attlee, Truman und Stalin zu einer Konferenz in Potsdam und vereinbarten im Potsdamer Abkommen, Grundsätze für eine gemeinsame Nachkriegspolitik in Europa, sowie die Besetzung, Verwaltung und Kontrolle Deutschlands durch die Siegermächte. Das Ziel der Konferenz manifestierte sich in dem folgenden Punkt: „Die Alliierten wollen dem deutschen Volk die Möglichkeit geben, sich darauf vorzubereiten, sein Leben auf einer demokratischen und friedlichen Grundlage von neuem wiederaufzubauen[6].“ Bezüglich des Erziehungswesens einigte man sich darauf, das die verbliebenen „narzistischen und militaristischen Lehren entfernt werden und eine erfolgreiche Entwicklung der demokratischen Ideen möglich gemacht wird[7].“ Das Ziel der Besatzungsmächte bestand demnach darin, dass Bildungswesen zu demokratisieren. Deshalb galt es für die einzelnen Besatzungsmächte, nach Ende des Krieges, schnellstmöglich Initiativen für die Wiedereröffnung der Schulen zu entwickeln.
Die Wiederaufnahme des Schulbetriebes ereignete sich in allen Besatzungszonen unter schwierigen Bedingungen. In der sowjetischen Besatzungszone waren die Schulen, besonders in den Gebieten die während der letzten Kriegsmonate bombardiert wurden, überwiegend zerstört[8]. In den westlichen Zonen zeigten sich vor allem in den Großstädten beträchtliche Vernichtungen[9].
In den notdürftig eingerichteten Schulgebäuden konnte der Unterricht anfangs nur in Schichten abgehalten werden. In den Wintermonaten fiel der Unterricht sogar über Wochen aus. Bis 1948 kennzeichnete sich das Schulwesen vor allem durch einen Mangel an Lehrern, die während des Krieges starben, in Kriegsgefangenschaft gerieten oder im Zuge der Entnazifizierung entlassen wurden, dem Fehlen von Unterrichtsmaterialien, der unzureichenden Ernährung, der Wohnungsnot und der schlechten Kleidung von Lehrern und Schülern.
Die Einheitlichkeit der politischen Maßnahmen der Besatzungsmächte beschränkte sich auf wenige allgemeine Leitlinien. In dieser ersten Phase, der Nachkriegsphase, konnten sich die vier Besatzungsmächte auf die Durchführung einer Entnazifizierung zur Tilgung der „politischen Doktrinen des Nationalsozialismus“[10] einigen, jedoch konnte ein Übereinkommen im Bereich des Bildungswesens nicht erzielt werden. Denn die Wiederaufnahme des Unterrichts versuchte jede Besatzungsmacht an den Grundsätzen ihres eigenen Erziehungssystems zu orientieren.
So konnte auch die Direktive Nr. 54 des Alliierten Kontrollrats vom 25. Juni 1947, über die „Grundsätze für die Demokratisierung des deutschen Bildungswesen“, die unter anderem die Gleichheit der Bildungschancen, Unentgeltlichkeit des Unterrichts und Lernmittelfreiheit, Vollzeitschulpflicht bis mindestens zum fünfzehnten Lebensjahr, Einführung des horizontalen Schulwesens, sowie die universitäre Ausbildung für alle Lehrer forderte, eine wirtschaftliche und politische Auseinanderentwicklung der Besatzungszonen nicht verhindern.
Im folgenden Abschnitt soll nun aufgezeigt werden, wie sich die Entwicklung des Bildungswesens in den Besatzungszonen gestaltet hat und welche Maßnahmen und Gesetze, im Sinne der Bildungspolitik, erlassen wurden.
3.1. Das Vorgehen der westlichen drei Besatzungsmächte
Schon in der frühen Nachkriegszeit zeigte sich, dass in den drei westlichen- und in der sowjetischen Besatzungszone sehr unterschiedliche Entscheidungen bezüglich der Bildungspolitik fielen. Im Folgenden soll nun auf die Schulentwicklung in den drei westlichen Besatzungszonen eingegangen werden.
Vor allem in den ersten Jahren bis zur Bildung der Bizone am 01. Januar 1947 und bis zur Bildung der Trizone im April 1949, wurden die Interessenunterschiede der Besatzungsmächte hinsichtlich der Bildungsziele deutlich. Obwohl diese Ziele nicht einheitlich waren, entließen die Alliierten die Deutschen schrittweise in die „eigenverantwortliche Gestaltung des Neuaufbaus[11] “. Ihnen wurde der Zugang zum demokratischen Pluralismus und freien Wahlen ermöglicht. Bezüglich der Entwicklung der Bildungspolitik und der Wiedereröffnung der Schulen, sprach man in den westlich besetzten Zonen, wie auch in der sowjetischen Besatzungszone, von der „Umerziehung zur Demokratie“, die sich in den westlichen Zonen in der „Reeducations“- Politik ausdrückte.
In der französischen Zone orientierte sich die Wiederherstellung des Schulsystems insbesondere an dem traditionellen europäischen Vorbild. So handelte es sich in dieser Zone um die Neuformulierung klassischer Bildungswerte.
Die Unterschiede zwischen der Amerikanischen und der Britischen Zone drückten sich hauptsächlich in der Formulierung der Bildungspolitik und in den angewandten Methoden aus. Die Unterschiede waren in beiden Zonen jedoch äußerst gering. Denn es galt das Bestreben, mit den deutschen Behörden beim Wiederaufbau des Bildungswesens zusammenzuarbeiten und den Beamten und Erziehern schrittweise Eigenständigkeit, bezüglich von Entscheidungen, zu gewähren[12]. Diese Eigenständigkeit für das Bildungswesen bezog sich allerdings nur auf die Länder und Gemeinden, der Bund sollte erst 1969 begrenzte Kompetenzen, vor allem im Hochschulbereich, erhalten. Dies führte dazu, dass sich in den verschiedenen Bundesländern auch unterschiedliche Schulsysteme, beziehungsweise unterschiedliche Akzentsetzungen, herausbildeten.
So gelang es zum Beispiel in der amerikanischen Besatzungszone, dem bayrischen Kultusminister, mit Unterstützung des Parlaments, die Einführung der Einheitsschule, wie sie nach amerikanischem Vorbild angestrebt wurde, abzuwenden. So konnte im heutigen Freistaat Bayern, an alte Bildungstraditionen, dem dreigliedrigen Schulsystem Volksschule, Mittelschule, Gymnasium festgehalten werden. Der Erfolg des Kultusministers lässt sich vor allem damit erklären, dass die Mehrheit der westdeutschen Bevölkerung nicht an weit reichenden Schulreformen interessiert war, wie sich in den Landtags- und Bundestagswahlen zeigte, sondern ein „Schulchaos“ vermeiden wollten[13]. Doch nicht nur in Bayern gelang die Einführung des traditionellen dreigliedrigen Schulwesens, sondern auch in den anderen Bundesländern der drei westlichen Besatzungsmächte. Hinzu kam auch die Einführung einer Gesamtschule in den amerikanisch besetzten Bundesländern. Denn nach Verabschiedung von demokratisch legitimierten Verfassungen in den Bundesländern, konnten und wollten die Besatzungsmächte ihre Interessen bezüglich des Bildungswesens, nicht gegen den Widerstand des Volkes durchsetzen. Auch die Verschärfung des Ost-West-Konflikts und die Einbeziehung der zukünftigen Bundesrepublik Deutschland in die westliche Wirtschafts- und Verteidigungspolitik, ließ das Engagement der Besatzungsmächte am Bildungswesen zurückgehen.
Während die Bundesländer ihr Schulwesen neu ordneten, in Verfassungen oder in Schulgesetzen, vereinbarten die Kultusminister gemeinsame Grundsätze zur Neuordnung des Schulwesens um einer drohenden Auseinanderentwicklung des Schulwesens entgegenzuwirken. Eine Initiative zur Beratung über das Bildungswesen vom Dezember 1945, die sich zunächst auf die amerikanische Zone beschränkte, führte vorab zu fortlaufenden Beratungen mit dem Sprecher der britischen Zone und im Februar 1948[14] zu einer ersten und einzigen Konferenz der Kultusminister aller Deutschen Länder, einschließlich der sowjetischen Besatzungszone. Die Kultusminister beschlossen, trotz heftiger Auseinandersetzungen mit den Vertretern der Sowjetzone, dass das Schulwesen eine Einheit bilden sollte, das sich auf dem Prinzip der „Demokratie, der sozialen Gerechtigkeit, des Friedens und der Völkerverständigung“[15] gründe. Außerdem einigte man sich auf das Angleichen der Unterrichtsziele in den deutschen Ländern, trotz unterschiedlicher Bildungswege. Des Weiteren stellten die Kultusminister erhebliche Mängel wie unzureichende Bekleidung und Ernährung, Schulraumnot, Mangel an Lehr- und Lernmitteln und katastrophale Wohnverhältnisse fest. Das beschlossene Programm der Kultusminister scheiterte jedoch, zum Einen an den politischen Konflikten wie der Währungsreform und der Berliner Blockade, zum Anderen aber an den Gegensätzen der pädagogischen und bildungspolitischen Auffassungen[16].
Da es in den westlichen Besatzungszonen aufgrund der Kulturhoheit der Länder[17], im Gegenteil zur sowjetisch besetzten Zone, keine einheitlichen Richtlinien, den Aufbau und die Lehrinhalte der Schulen betreffend, gab, kann man nur wenige allgemeingültige Aussagen über die Struktur des Schulsystems treffen.
3.1.1. Das gegliederte Schulwesen
Die Bundesländer der westlichen Besatzungszonen knüpften an die Situation vor 1933 und damit an die Grundsätze aus dem „Reichsschulgesetz“ der Weimarer Republik aus dem Jahr 1919 an[18]. Neben der Übernahme der traditionellen Dreigliederung des Schulwesens in Volksschulen, Mittelschulen und Gymnasien, vollzog das Schulwesen auch einige Neuentwicklungen. So konnte erst mit dem flächendeckenden Ausbau der mittleren Schulen von einem voll entwickelten dreigliedrigen Schulsystem gesprochen werden. Außerdem wurde ein zweiter Bildungsweg geschaffen und das Berufsschulwesen, in der Form wie es heute als die duale Ausbildung bekannt ist, entwickelt[19].
Im Folgenden werden die Schulformen, ihre Besonderheiten und ihre Bildungsziele im Mittelpunkt stehen.
Die Dreiteilung des Bildungswesens in drei Schultypen erfolgte nach dem Vorbild der Weimarer Verfassung aus dem Jahre 1919. Die Schüler wurden hinsichtlich ihrer Begabungen, nach Beendigung der Volksschule, an einen der drei Schultypen zugeteilt. Die Unterscheidung, gemäß der Dreiteilung des Schulwesens, erfolgte in „praktisch begabte, zur Vermittlung von Theorie und Praxis fähige und theoretisch- wissenschaftlich begabte Schüler[20].“ Die Abbildung 1 im Abbildungsverzeichnis stellt das Schulwesen der westlichen Besatzungszonen dar.
Die Weimarer Verfassung erklärte die Institution der Grundschule zur einzigen Schule des Primärbereiches: „Auf einer für alle gemeinsamen Grundschule baut sich das mittlere und höhere Schulwesen auf[21].“ In der Zeit des Wiederaufbaus konnte man sich auf die Widereinrichtung der Grundschule als einzige Schule im Primärbereich einigen, doch bezüglich der Dauer, vier oder sechs Jahre, bestanden deutliche Differenzen[22].
Außerdem wurden in Bayern, Teilen Baden- Württembergs, Rheinland- Pfalz, Nordrhein- Westfalen, Niederachsen und im Saarland neben den normalen Schulen, die so genannten, sich in kirchlicher Trägerschaft befindlichen, Bekenntnisschulen oder auch Konfessionsschulen wieder eingeführt.
Die Aufgabe der Grundschule bestand darin, die Kinder auf den Eintritt in die mittleren und höheren Lehranstalten vorzubereiten. Auch bezüglich didaktisch- methodischer Prinzipien richtete man sich nach dem Vorbild der Weimarer Republik: „Ziel war es, in der Grundschule, die als Lebensstätte und Schonraum des Kindes verstanden wurde, eine kindgemäße ganzheitliche Bildung zu vermitteln[23].“ Neben den Fächern wie Lesen, Schreiben und Rechnen gehörte fortan auch der Heimatkundeunterricht, in Anbindung an die Vorstellungen von Eduard Spranger zur Zeit der Weimarer Republik, zur kindgemäßen ganzheitlichen Bildung.
Da die Grundschulen die Kinder für die nächsten Stufen des Schulwesens vorbereiten sollten, musste ihnen ein Spagat zwischen der „volkstümlichen Bildung“ und der Wissenschaftsorientierung gelingen. Im Sinne des Konzepts der Volksschule sollten die Schüler eine kindgemäße Ausbildung erhalten, in der vor allem die „Anschaulichkeit, Lebensnähe, Praxisbezug, Zweckgerichtetheit, Personifikation, (und) Vermenschlichung“[24] im Mittelpunkt standen. Im Gegensatz zur humanistischen, wissenschaftlichen Bildung, baute diese auf Bildern und Beispielen auf. Doch von der Grundschule wurde auch verlangt die Kinder auf das Gymnasium vorzubereiten und damit auch ein wissenschaftliches Denken zu vermitteln.
Die Volksschule wurde nach 1945 als einheitliche, die eine eigenständige und in sich geschlossene Einrichtung war, wieder geöffnet. Die neue Volksschule beruhte auf den Richtlinien aus der Weimarer Republik. Die Oberstufe und der Primärbereich waren nicht voneinander getrennt. Dennoch stand es den Familien frei, in Abhängigkeit zu den Leistungen, ihre Kinder nach der Grundschulzeit weiterhin die Volksschule, das Gymnasium oder die Mittelschule besuchen zu lassen. Die Volksschuldauer der Unterstufe und die Dauer der Volksschule wurden in einigen Ländern unterschiedlich festgelegt. Die meisten Länder legten die gesamte Dauer der Volksschule auf acht Jahre fest. In Bremen, Berlin, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig- Holstein einigt man sich auf neun Schuljahre.
[...]
[1] Vgl. Anweiler, Oskar (1990): S. 1.
[2] Vgl. Anweiler (1990): S. 14.
[3] Diese zeitliche Gliederung erschien in: Arthur G. Hearnden: Bildungspolitik in der BRD und DDR.
Düsseldorf 1973²;1977.
[4] Vgl. Hoffmann; Neumann (1994): S. 20.
[5] Vgl. Reichert, Winfried (1974): S. 3.
[6] Politische und wirtschaftliche Grundsätze für die alliierte Verwaltung Deutschlands nach dem
Potsdamer Abkommen (1945), In: Michael; Schepp (1993):S. 330.
[7] Michael; Schepp (1993): S. 331.
[8] So waren in Frankfurt an der Oder und der Umgebung 95 Prozent der Schulen zerstört.
Vgl. Günther; Uhlig(1974): S.31.
[9] Beispielsweise waren in Berlin ein Drittel des Schulraumes, in Hamburg mehr als die Hälft und in Bremen
circa 84 Prozent des Schulraumes zerstört worden Vgl. Führ; Furck (1998 a): S. 245.
[10] Heinemann, Manfred (1981): S. 25.
[11] Vgl. Anweiler, Oskar (1990): S. 15f.
[12] Vgl. Heinemann, Manfred (1981): S. 26.
[13] Vgl. Anweiler, Oskar (1990): S. 17.
[14] „Entschließung der Erziehungsminister der deutschen Länder zur Frage der Schulreform“. Vgl. Michael;
Schepp (1993): S. 347.
[15] Michael; Schepp (1993): S. 347.
[16] Vgl. Michael; Scheppe (1993): 346 f.
[17] Die Kulturhoheit der Länder wurde in der „Bernkasteler Erklärung“ der Kultusminister festgelegt.
[18] Vgl. Wollenweber (1980): S. 40.
[19] Vgl. Führ (1997): S. 11.
[20] Führ; Furck (1998 a): S. 295.
[21] „Weimarer Verfassung“; Zweiter Hauptteil „Grundrechte und Grundpflichten der Deutschen“, Art. 146. In:
Michael; Schepp (1993): S. 234.
[22] Vorgeschlagen wurde die Verlängerung der Grundschule auf sechs Schuljahre in Württemberg- Baden vom
christdemokratischen Kultusminister Bäuerle und unter sozialdemokratischen Kultusministern bzw.
Senatoren in Hamburg, Bremen und Schleswig- Holstein gesetzlich eingeführt.
[23] Führ; Furck (1998 a): S. 283.
[24] Führ; Furck (1998 a): S. 283.
- Citation du texte
- Doreen Winter (Auteur), 2006, Schulentwicklung in den beiden deutschen Staaten von 1945 bis zum Beginn der 1960er Jahre, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/51721
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