Hayao Miyazaki ist ein herausragender Künstler, Erzähler, Drehbuchautor, Zeichner und Regisseur von japanischen Zeichentrickfilmen. Sein Filmschaffen reicht über mehrere Jahrzehnte und beeinflusste jede Bevölkerungsgruppe seines stetig größer gewordenen Publikums. Für seine Fans zählt er aus einer Vielzahl an Gründen zu den besten Filmemachern aller Zeiten. Seien es die Geschichten, in denen man sich emotional wiederfindet, die Optik seiner handgezeichneten Szenen oder seine gut geschriebenen Charaktere; Miyazakis Stil und Geschichten heben sich derart von jeglichen Filmen ab, dass seine Filme schon fast ihr eigenes Genre bilden. Dabei ist nicht leicht ersichtlich, warum sich Miyazakis Filme so anders anfühlen, warum seine Welten so größer und bedeutender scheinen, und warum die Erlebnisse seiner Charaktere den Zuschauer so sehr ergreifen können. Deswegen sollen seine Entscheidungen als Filmemacher, durch welche seine Filme so wirkungsvoll werden, und die gemeinsamen Charakteristika seine Filme untersucht werden.
Folgende Aspekte fallen an Miyazakis Filmen auf und sollen untersucht werden: Die Filme wirken trotz ihrer Fantasy-Elemente überzeugend realistisch. Die Welten haben eine enorme Tiefe und ein großes Detailreichtum. Oft werden banale Kleinigkeiten, auch bei den Handlungen der Figuren gezeigt. Ein großer Fokus liegt auf der Darstellung der Schönheit der Natur, welche gleichzeitig oft mit spirituellen Elementen verbunden ist. Es gibt häufig Konflikte zwischen der Natur und den Menschen. Die Welten und Charaktere sind dabei jedoch oft ambivalent und lassen sich nicht genau einordnen. Flugzeuge und der Traum vom Fliegen ist ein auffällig häufiges Thema. Die Filme vermitteln oft eine geheimnisvolle Mystik und eine Sehnsucht nach einer vergangenen Zeit. Viele der Hauptpersonen sind gewöhnliche Menschen oder Kinder. Viele Hauptpersonen sind ebenfalls weiblich. Der Fokus scheint insgesamt auf der Vermittlung von Gefühlen zu liegen. Die Filme erwecken im Zuschauer eine Aufmerksamkeit für das Subtile und regen ihn zum Nachdenken an.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Hayao Miyazaki: Leben und Werk
3. Anime und Zeichentrick in Japan
4. Vorstellung der Filmauswahl
5. Bisherige Untersuchungen des Gesamtwerkes
6. Ansatz und Methodik
7. Miyazakis Welten
7.1 Realismus in der Darstellung
7.2 Größe und Realismus der Welten
7.3 Unkonventionalität der Plots
7.4 Darstellung und Lebendigkeit der Natur
7.5 Spirituelle Aspekte
7.6 Konflikte
7.7 Fliegen und Flugzeuge
7.8 Ambivalenz
7.9 Mystik und Sehnsucht
8. Menschlichkeit der Filme
8.1 Besonderheiten der Figuren
8.2 Darstellung des Erlebens der Kindheit
8.3 Weibliche Helden
8.4 Charakterentwicklungen
8.5 Vermittlung von Gefühlen
9. Fazit
10. Quellenverzeichnis
1. Einleitung
Hayao Miyazaki ist ein herausragender Künstler, Erzähler, Drehbuchautor, Zeichner und Regisseur von japanischen Zeichentrickfilmen. Sein Filmschaffen reicht über mehrere Jahrzehnte und beeinflusste jede Be völkerungsgruppe seines stetig größer gewordenen Publikums. Für seine Fans zählt er aus einer Vielzahl an Gründen zu den besten Filmemachern aller Zeiten. Seien es die Geschichten, in denen man sich emotional wiederfindet, die Optik seiner handgezeichneten Szenen oder seine gut geschriebenen Charaktere; Miyaz akis Stil und Geschichten heben sich derart von jeglichen Filmen ab, dass seine Filme schon fast ihr eigenes Genre bilden. Dabei ist nicht leicht ersichtlich, warum sich Miyazakis Filme so anders anfühlen, warum seine Welten so größer und bedeutender scheinen, und warum die Erlebnisse seiner Charaktere den Zuschauer so sehr ergreifen können. Deswegen sollen seine Entscheidungen als Filmemacher, durch welche seine Filme so wirkungsvoll werden, und die gemeinsamen Charakteristika seine Filme untersucht werden.
„Whenever we get stuck at Pixar or Disney, I put on a Miyazaki film sequence or two, just to get us inspi red again.“ Sagte einmal John Lasseter, der Regisseur von Toy Story (The Hollywood Reporter. 2014.). Dies zeigt den Einfluss von Miyazaki auf die Animationsindustrie der ganzen Welt. Über fünf Jahrzehnte hinweg produzierte Miyazaki durch und durch außergewöhnliche Filme. Selbst mit über 70 Jahren arbeitete er noch mit vollem Einsatz an einem neuen Film, skizziert jede Szene per Hand und iteriert bis die Charaktere leben dig werden. Das wichtigste, was Miyazaki in seinen Filmen darstellen möchte, ist die menschliche Erfahrung. Trotz den vielfältigen, teilweise obskuren Fantasy-Elementen in seinen Filmen sind die dargestellten Men schen absolut menschlich. Viele seiner Hauptpersonen beginnen ihre Reise mit einem Mangel an Erfahrung und Reife, und beenden ihre Reise mit neu gelernten Lektionen oder Entdeckungen. Die Figuren sind dabei keinesfalls perfekt. Miyazaki weiß, dass auch gute Menschen neidisch und träge sein können und einseitige Sichtweisen haben können. Jeder findet sich irgendwann in Situationen wieder, in denen er diese Gefühle erlebt. Jeder ist mal überfordert und verwirrt, oder eitel und stur. Wie die Charaktere auf diese Situationen reagieren definiert, wer sie sind. Die Figuren, und damit auch die Zuschauer, lernen fundamentale Lektionen fürs Leben. Miyazaki spricht oft davon was Menschen wollen und was sie denken. Denn das ist es was Miyaz aki Zeit seinen Lebens beobachtet. Sein Bewusstsein davon, wie Menschen wirklich sind, spiegelt sich in all seinen Filmen wieder.
Viele Szenen seiner Filme sehen pausiert aus wie detailreiche Gemälde mit schönen Kompositionen. Miyazaki scheint nicht nur Filme zu machen um Geschichten zu erzählen. Er zeichnet die Realitäten die er selbst erleben will. Er nutzt Filme, und eben gerade Zeichentrickfilme, weil er mit diesem Medium sich all die fantastischen Welten erschaffen kann, von denen er träumt: „If I were asked to give my view, in a nutshell, of what animation is, I would say it is whatever I want to make.“ (Starting Point. 2009.)
Er hat selbst gesagt, dass es ihm nicht um Erfolg geht, sondern darum zu tun was seine Leidenschaft ist:
gute Filme zu machen. Seine Filme haben dabei jedoch einen größeren Anspruch, als nur spannende Aben teuergeschichten zu erzählen. Sie spielen in tiefen, komplexen Welten, weisen die Menschheit in ihre Schran ken und geben dem Individuum Inspiration, Anleitung und Lektionen für sein Leben. Durch einen hervorra genden Zeichenstil und exzellentes Sounddesign nutzen Miyazakis Filme das volle Potential ihres Mediums und sind vollgepackt mit Kreativität und Fantasie. Die Filme sind somit ein einzigartiges, immersives Erlebnis. Unter allem Animationsfilmen stechen sie durch ihr Feingefühl und ihre Liebe zum Detail heraus. Deswegen soll Miyazakis Gesamtwerk und damit sein einzigartiger visueller und inhaltlicher Stil untersucht werden, um zu ergründen, was seine Filme so besonders macht.
Folgende Aspekte fallen an Miyazakis Filmen auf und sollen untersucht werden: Die Filme wirken trotz ihrer Fantasy-Elemente überzeugend realistisch. Die Welten haben eine enorme Tiefe und ein großes Detail reichtum. Oft werden banale Kleinigkeiten, auch bei den Handlungen der Figuren gezeigt. Ein großer Fokus liegt auf der Darstellung der Schönheit der Natur, welche gleichzeitig oft mit spirituellen Elementen verbun den ist. Es gibt häufig Konflikte zwischen der Natur und den Menschen. Die Welten und Charaktere sind da bei jedoch oft ambivalent und lassen sich nicht genau einordnen. Flugzeuge und der Traum vom Fliegen ist ein auffällig häufiges Thema. Die Filme vermitteln oft eine geheimnisvolle Mystik und eine Sehnsucht nach einer vergangenen Zeit. Viele der Hauptpersonen sind gewöhnliche Menschen oder Kinder. Viele Hauptper sonen sind ebenfalls weiblich. Der Fokus scheint insgesamt auf der Vermittlung von Gefühlen zu liegen. Die Filme erwecken im Zuschauer eine Aufmerksamkeit für das Subtile und regen ihn zum Nachdenken an.
2. Hayao Miyazaki: Leben und Werk
Hayao Miyazaki hat mit seinem Schaffen die Anime-Welt stark geprägt und mit zu dem gemacht was sie heute ist. Um seine Karriere und seinen Einfluss zu verstehen soll zunächst der Verlauf seines Lebens und was ihn beeinflusste betrachtet werden. Miyazaki ist am 5. Januar 1941 in Tokio geboren. Um Bombenangrif fen der USA zu entgehen, zog seine Familie in eine ländlicher Stadt. Die Nachkriegs-Umgebung in der er aufwuchs sollte die Grundlage für viele seiner späteren Geschichten sein. Nicht nur beeinflusste das generel le Nachkriegs-Japan sein Schaffen, sondern auch seine konkreten Lebensumstände. Sein Vater arbeitete für das Familienunternehmen der Miyazakis, eine Fabrik die Flugzeugteile herstellte. Hierin gründet Miyazakis lebenslange Faszination für die Luftfahrt, welche ein wiederkehrendes Thema zu jedem Punkt seiner Karriere ist. Auch kleinere Details seines Lebens, wie die Nähe zu seinen Geschwistern oder die Krankheit seiner Mut ter werden zu Elementen seiner Geschichten. Miyazakis frühes Leben lässt sich in allen Aspekten seines Schaffen wiedererkennen. In der Nachkriegs-Ära von Japan entstanden Comics und Animationen, welche ein sehr populäres Medium wurden. Miyazaki wuchs mit den Werken von Osamu Tezuka auf, welcher das Medi um Zeichentrick revolutionierte und teilweise als „Gott des Manga“ bezeichnet wurde. Miyazaki gab selbst an, dass die Animes der 40er und 50er Jahre ihn anfangs sehr beeinflusst und inspiriert hatten. Ende der 50er Jahre erschienen die ersten Anime-Filme in Farbe, wie „Hakujaden“ („Erzählung einer weißen Schlange“) von Studio Toei Animation. Miyazaki beendet nach vier Jahren sein Studium der Politikwissenschaften und Öko nomie, gerade zu einer Zeit als die Anime-Industrie jung und erfolgreich war. 1965 heiratet er die Animatorin Akemi Ōta, mit welcher er später zwei Söhne hat.
Miyazakis Karriere als Zeichner von Animationsfilmen bzw. Serien begann bei Toei Animation. Später übernahm er aber auch Management-Aufgaben. Bei Toei traf Miyazaki auf Isao Takahata, mit dem er sein Le ben lang zusammenarbeitete. Takahata und Miyazaki wurden den steifen, kommerziellen Regeln von Toei jedoch überdrüssig, welche ihre Kreativität unterdrückte. Miyazakis Interessen lagen außerhalb der narrativen Grenzen der damaligen Anime-Industrie, welche meist nur alte Geschichten neu auflegte und alte Figuren neu benutzte. Miyazaki und Takahata verließen deswegen Toei und fingen bei Nippon Animation an zu arbei ten. Hier machte Miyazaki deutliche Fortschritte und übernahm immer wichtigere Arbeiten. Viele der Produk tionen bei Nippon zeigten komplexe Geschichten und eine Liebe zum Detail. Hier zeige sich auch erstmals die feine Abstimmung von Fantasy und Realität, welche sein Schaffen später so erfolgreich machte. 1979 übernahm Miyazaki zum ersten Mal die Rolle des Regisseurs für den Film „Das Schloss des Cagliostro“, bei dem er seine Fähigkeiten wirkungsvoll einsetzen konnte. Trotz des kleines Budgets, welches im Vergleich zu seinen späteren Projekten geradezu winzig erscheint, steckte Miyazaki sehr viel Liebe zum Detail und innova tive Animations-Stile in die Arbeit des Films. Der Film war zwar narrativ sicherlich nicht ganz auf dem Niveau, wie Miyazaki es sich gewünscht hätte, aber visuell war es sehr eindrucksvoll. Fünf Jahre später im Jahr 1984 erschien sein zweiter Film, Nausicaä aus dem Tal der Winde, welcher auf Mangas basierte, an denen er gleichzeitig arbeitete. Wieder zeigte sich erstaunliche Fortschritte in Miyazakis kreativer Gestaltung. Der Film begeisterte mit phantastischen Animationen und atemberaubenden Kompositionen. Miyazaki schuf sehr komplexe Animationen mit lediglich Hand-gezeichneten, zwei-dimensionalen Bildern. Zusammen mit Taka hata gründete Miyazaki später das Studio Ghibli, und setzte sich zum Ziel, dass die Qualität der Werke immer über allen anderem steht und nicht z.B. durch zeitliche, finanzielle, oder Erfolgs-bedingende Limits einge schränkt wird. Für Ghibli zu arbeiten hieß, sein Leben während der Produktion eines Films gänzlich dieser zu widmen. Ghibli gründete nicht nur auf dem finanziellen Erfolg von Nausicaä, sondern auch auf dem Stil des Schaffens und der Arbeitsprozesse.
Der erste Film den Miyazaki mit seinem Team im Studio Ghibli produzierte, war 1986 Das Schloss im Himmel. Hier festigten sich Miyazakis starke Storytelling-Fähigkeiten und es zeigten sich typische Aspekte seines späteren Stils, wie starke weibliche Helden. Seine komplette Abkehr von alten Anime-Produktions praktiken zahlte sich aus. Das Schloss im Himmel gehörte genau wie Nausicaä zwei Jahre zuvor zu den er folgreichsten Zeichentrickfilmen des Jahres. Stil und Storytelling des Films waren richtungsweisend für die Welt des Anime und beeinflussten diese enorm. Das Studio Ghibli begann darauf mit der simultanen Produk tion von zwei neuen Filmen, Mein Nachbar Totoro mit Miyazaki als Regisseur und Drehbuchautor, und Die letzten Glühwürmchen von Isao Takahata, welche nur zwei Jahre später 1988 veröffentlicht werden sollten.
Hier zeigten sich auch Miyazakis Management-Fähigkeiten, denn das Team von Zeichnern und Grafikern wechselte zwischen der Produktion beider Filme hin und her und Miyazaki war auch eng in die Produktion des Film von Takahata involviert. Die beiden Filme erhielten gute Kritiken und gehören rückblickend zu den interessantesten und hochwertig produzierten Filmes des Jahrzehnts. Einige Jahre später wurden die Mer chandise-Produkte von Totoro überraschend erfolgreich und sind es bis heute noch. Dies sicherte dem Studio Ghibli ein weiteres stetiges Einkommen. Zusammen mit einer Handvoll anderen Filmen in den späten 80er Jahren setzte Miyazaki mit seiner harten Arbeit und visionärem Ansatz einen neuen Standard für japanischen Zeichentrick. Noch bevor die letzten beiden Filme fertig waren übernahm Miyazaki jedoch auch noch die Rol le des Produzenten für einen weiteren Film, Kikis kleiner Lieferservice. Miyazaki war jedoch unzufrieden mit der Story der Roman-Adaption und schrieb deswegen das Drehbuch komplett um und wurde Regisseur des Films. An den Kinokassen spielte Kikis kleiner Lieferservice 1989, nur ein Jahr später nach den vorherigen beiden Filmen, mehr Geld ein als diese beiden Filme zusammen. Er wurde somit zum erfolgreichsten Film im Kino des Jahres 1989 in Japan. Durch diesen großen finanziellen Erfolg war Ghibli nun abgesichert, falls ein weiterer Film mal scheitern sollte. Zeitgleich wurden Animes in westlichen Ländern immer bekannter und be liebter, während andere Filmstudios finanzielle Probleme hatten und Projekte einstellen mussten. Die in den 90er veröffentlichten Filme aus dem Studio Ghibli waren finanziell sehr erfolgreich und halfen dem Studio, ohne Probleme durch eine schwierige Zeit der Filmindustrie zu kommen. In dieser Zeit gab es zwar keine Re korde bezüglich der Produktions-Budgets und Einspielergebnisse, aber die Geschichten der Filme sind den noch innovativ und besonders. 1996 schloss das Studio Ghibli einen Distributionsvertrag mit Disney zur Ver öffentlichung von Miyazakis Filmen im Westen. Diesmal gab es jedoch ausdrücklich die Bedingung, dass jede Veränderung am ursprünglichen Bildmaterial ausgeschlossen ist. Die Handlung von Nausicaä wurde in einer alten im Westen veröffentlichten Version durch Schnitte und Dialogänderungen zuvor sehr entstellt.
Miyazakis begann die Arbeit an seinem nächsten Projekt viele Jahre vor der Veröffentlichung im Jahre. 1997. Der Film Prinzessin Mononoke lag Miyazaki sehr am Herzen und sollte einen enormen Einfluss auf die Anime-Branche haben. Er übertraf die bisherigen Ghibli Filme durch seinen Erfolg und Einfluss bei Weitem. Durch diesem Film machte sich das Studio Ghibli weltweit einen Namen und Miyazaki wurde zu einem der wichtigen Filmemacher Japans. Schon seit den 70er Jahren hatte Miyazaki an den ersten Ideen für die Ge schichte des Films gearbeitet. Story-technisch war der Film eine Perfektion bisheriger Themen, die bereits in Miyazakis Filmen vorkamen, wie die Zerstörung der Umwelt und der Kampf zwischen Mensch und Natur. Prinzessin Mononoke behandelte diese Themen zum ersten Mal in einer Tiefe, wie Miyazaki es sich wünschte. Die Animationen des Films waren noch komplexer und detailreicher als bisher. Und besonders die Bewe gungen waren flüssiger und eindrucksvoller. Hier zeigte sich Miyazakis völlige Hingabe zu der Produktion des Films. Zum ersten Mal wurden auch Computer zur Animation genutzt, um den Arbeitsaufwand bewältigen zu können. Während viele andere Anime-Filme mit Computer-Animationen experimentierten, ohne dass dies zu besseren Filmen geführt hätte, nutze Miyazaki es nicht um neue Stile zu entwickeln, sondern schlicht um die Produktion zu vereinfachen und zu beschleunigen. Prinzessin Mononoke gehörte zu den erfolgreichsten Fil men des Jahres 1997 weltweit. Der Film war einer der letzten, bevor die Industrie vollständig von digitaler Produktion durchdrungen war. Miyazakis erreichte mit dem Film die Grenzen des traditionellen Animes be züglich der visuellen Animation.
Mit der Jahrtausendwende begann die Produktion von Miyazakis nächstem Film, Chihiros Reise ins Zauberland, welcher 2001, gerade einmal 18 Monate nach Produktionsstart, veröffentlicht wurde. Der Film wurde im Studio Ghibli von einem eigenem CG-Team komplett digital gezeichnet und produziert. Ein weite rer neuer Ansatz war, dass die Animation des Films begann, bevor die Story und das Storyboard fertig waren. Der Film wurde zum weltweiten Hit und zum bisher erfolgreichsten Film in ganz Japan. Bei internationalen Filmfestspielen in Berlin gewann der Film 2002 einen goldenen Bären, und 2003 gewann er einen Oskar.
Miyazaki wurde jedoch älter und könnte nicht mehr mit dem gleichen Einsatz arbeiten, wie er es bisher tat, während viele junge, talentierte Filmemacher bei Studio Ghibli arbeiten wollten. So hatte Miyazaki schon nach der Fertigstellung von Mononoke überlegt, in den Ruhezustand zu gehen. Im Verlauf seiner weiteren Karriere zog er dies immer wieder in Betracht. Dennoch zog es ihn immer wieder hin zu den Produktionen von neuen Filmen. 2004 erschien Das wandelnde Schloss, 2008 Ponyo – Das große Abenteuer am Meer, und 2013 Wie der Wind sich hebt. Zwischendurch übernahm er auch einige kleine Jobs als Drehbuchautor. Chihi ros Reise ins Zauberland, Das wandelnde Schloss und Prinzessin Mononoke belegten die ersten drei Plätze der kommerziell erfolgreichsten japanischen Filme. 2017 bestätigte Miyazaki, dass er an einem weiteren Film arbeitet, welcher 2020 erscheinen soll. Miyazaki hatte die letzten 50 Jahre seines Lebens mit einer absoluten Detail-Besessenheit komplett dem Zeichentrick gewidmet, und damit eines der erfolgreichsten Zeichentrick Studios aufgebaut. Er hat sich den Standards des Mediums widersetzt und die Branche grundlegend verän dert. In allem modernen Animes zeigt sich heute der Einfluss von Miyazaki und dem Studio Ghibli.
3. Anime und Zeichentrick in Japan
Der Begriff des Anime bezeichnet eigentlich nur aus Japan stammende Zeichentrickfilme. Da diese je doch gemeinsame stilistische Merkmale ausweisen, wird Anime im Westen auch oft als Genre-Begriff ver wendet. (Gilles Poitras 2001) Miyazakis Filme unterscheiden sich jedoch deutlich von Stil eines typischen Anime. Das Studio Ghibli lehnt die Bezeichnung Anime für ihre Filme ab und verwendet stattdessen manga eiga, was Mange-Filme bedeutet. (Lamarre, Thomas. 2009.) In Japan ist der Begriff Anime nur ein anderer Ausdruck für Animation, und bezeichnet alle Arten von Zeichentrick-Filmen und -Serien, auch wenn sie aus dem Ausland stammen. Anime kann auch als Gegenstück zur gedruckten Form dem Manga, also japani schen Comics, aufgefasst werden. Ein Großteil der Animes basieren auf Mangas, und auch umgekehrt sind einige Mangas auf Basis von Animes entstanden.
Japan besitzt die weltweit größte Trickfilmkultur. (Litten, Freddy. 2008.) Schon 1917 entstanden hier die ersten Zeichentrickfilme als Umsetzungen japanischer und westlicher Märchen. Während des zweiten Welt krieges wurden auch Zeichentrickkünstler in Japan stark zensiert und mussten Propagandamaterialien pro duzieren.1958 erschien der erste abendfüllende japanische Zeichentrickfilm „Hakujaden“, welcher auch den jungen Miyazaki sehr beeindruckte. Anfang der 60er Jahre wurden die ersten Anime TV-Serien in Japan aus gestrahlt. In den 90er Jahren erlangten viele dieser Anime Serien auch international eine große Popularität.
Animes und Zeichentrickfilme spielen in der japanischen Kultur eine besondere Rolle und unterschei den sich auf allen Ebenen stark von westlichen Cartoons. Sie sind nicht primär an Kinder gerichtet, sondern werden teilweise sogar auch als journalistisches Medium für Erwachsene genutzt. Im Gegensatz zu westli chen Animationsfilmen sind manche Animes sogar pornographisch, erzählen dramatische oder brutale Ge schichten und bedienen eine größere Vielfalt an Genres. Die Geschichten sind komplexer und vielschichtiger und es findet mehr Charakterentwicklung statt. Kurzum kann man sagen, dass Animes all die Möglichkeiten von westlichen Real-Filmen einsetzen. Musicaleinlagen, sprechende Tierfiguren und Slapstick-Humor kom men im Gegensatz zu im Westen erfolgreichen Trickfilmen wesentlich seltener vor. Weit verbreitete Themen in Animes sind auch die Bezüge zum japanischen Alltag und des Lebens in modernen, technisierten Metro polen, sowie Bezüge zur japanischen Geschichte und Mythologie. Ähnlich wie im Manga sind die Figuren in Animes einfach und stilisiert gezeichnet, während die Hintergründe hingegen detailreicher und realistischer gestaltet sind. Die Charaktere entsprechen oft dem „Niedlichkeitskonzept“ Kawaii, welches Unschuld und Kindlichkeit betont. Im Unterschied zu westlichen Zeichentrickfilmen soll die Bewegung nicht realistisch sein, sondern es sollen meist ausdrucksstarke Posen durch Bewegung überbrückt werden.
4. Vorstellung der Filmauswahl
Miyazaki ist laut der IMDb (Internet Movie Database) Regisseur und Animator (Zeichner/Grafiker) von 29 und Autor von 36 Filmen, Serien oder Kurzfilmen. (IMDb: Hayao Miyazaki) Regisseur und gleichzeitig Drehbuchautor ist er von 11 Filmen. Die Untersuchungen dieser Arbeit sollen sich auf die neun Filme von ihm beziehen, welche er bei Studio Ghibli produzierte aber auch den letzten Film vor Ghibli, Nausicaä, mit einbe ziehen, da dieser bereits alle Merkmale von Miyazakis Stil aufweist. Im Folgenden sollen also diese zehn Fil me von Miyazaki in ihrer Handlung kurz vorgestellt werden, welche später in ihrer deutschen Synchronisation auf ihre gemeinsamen Charakteristika untersucht werden sollen.
Nausicaä aus dem Tal der Winde (1984): Dieses Fantasy-Abenteuer spielt in einer postapokalyptischen Zu kunft, in der die Erde durch Verschmutzung und Kriege stark zerstört wurde. Die verbliebenen Menschen le ben in einfachen Verhältnissen und betrachten den giftigen Wald mit seinen riesigen Insekten und hausgro ßen, Assel-artigen Ohmu als gefährliche Feinde. Prinzessin Nausicaä, ist den Tieren und der Natur freundlich gesinnt und erforscht die Eigenheiten des Waldes. Die Herrscherin Kushana will die verfeindeten Stämme und Königreiche im Kampf gegen den giftigen Wald und die Insekten vereinen. Es kommt zu Entführungen, Verfolgungsjagden und militärischen Konflikten. Ein vom Militär zum Leben erweckter Kriegstitan aus alter Zeit, welcher die Ohmu-Herde aufhalten soll, welche Nausicaäs Volk bedroht, fällt in sich zusammen, da er nicht vollständig regeneriert war. Nausicaä versucht die Herde aufzuhalten, wird jedoch von dieser überrannt. Ihr Opfer besänftigt die Ohmus und rettet so die Menschen. Die Ohmus heilen Nausicaä, da sie in ihr eine Prophezeiung sehen.
Das Schloss im Himmel (1986): In einer Welt der frühen Industrialisierung lebt die junge Waise Sheeta allein in einer Hütte, bis sie von Musca, einem Agent der Regierung, auf ein Luftschiff entführt wird. Sie werden je doch von der Luftpiratin Dora und ihren Söhnen angegriffen, sodass Sheeta in die Tiefe stürzt, aber durch ihre Kette mit einem magischen Edelstein gerettet wird. Der junge Pazu, welcher auf der Suche nach einer legen dären, verborgenen Stadt im Himmel (Laputa) ist, findet das Mädchen. Sie fliehen vor den Piraten, der Armee und den Agenten und erfahren, dass der Edelstein ein Flugstein der untergegangen Kultur Laputa von der fliegenden Stadt ist, von welcher auch Sheeta abstammt. Musca entführt Sheeta um Laputa zu finden, und Pazu schließt sich den Piraten an um sie zu befreien. Sheeta erweckt versehentlich einen uralten Roboter La putas, welcher die Festung Muscas zerstört. Sheeta kann mit den Piraten fliehen und sie entdecken schließlich das von seinen Bewohnern vor langer Zeit zurückgelassene Laputa. Musca dringt jedoch mit Unterstützung der Armee in das Innerste Laputas ein und will mit den Waffen der Festung die Weltherrschaft an sich reißen. Sheeta und Pazu können ihn jedoch überwältigen und zerstören mithilfe einer magischen Formel den Kern der Stadt, welche daraufhin immer weiter in den Himmel steigt und verschwindet.
Mein Nachbar Totoro (1988): Ein Professor aus Tokio zieht in den 50er Jahren mit seinen zwei kleinen Töch tern in ein Landhaus, um in der Nähe seiner Frau sein zu können, welche sich in einem Krankenhaus von einer schweren Krankheit erholt. Die kleine Mei begegnet beim Spielen im Wald dem großem Waldgeist Totoro. Totoro, sowie eine phantastische, zwölfbeinige Buskatze tauchen wieder auf, als die Mädchen an einer Bus haltestelle warten. Eines Nacht erscheint Totoro wieder, und lässt zusammen mit den Mädchen einen riesigen Baum aus eingepflanzten Nüssen wachsen und fliegt mit den beiden anschließend über den Wald. Als die Familie erfährt, dass die Mutter im Krankenhaus bleiben muss, trifft dies die Mädchen schwer. Sie weinen und es kommt zu Streit. Mei will allein ins Krankenhaus gehen, verirrt sich jedoch, und wird von der ganzen Nach barschaft gesucht. Satsuki findet mit Hilfe der Buskatze Mei schließlich und bringt sie zum Krankenhaus. Dort redet bereits der Vater mit der Mutter, welche bald entlassen werden kann.
Kikis kleiner Lieferservice (1989): Die kleine Hexe Kiki zieht mit 13 Jahren in eine fremde Stadt am Meer, um ihre Hexenkräfte zu vervollkommnen, wie es Tradition ist. Nach ein paar Schwierigkeiten finden sie und ihr schwarzer Kater Jiji eine Wohnung und gute Freunde. Da sie einen Besen hat und als Hexe fliegen kann, plant sie einen Lieferservice zu eröffnen um sich ihr eigenes Geld zu verdienen. Mit Hilfe einer befreundeten Bä ckerin bekommt Kiki einige erste Aufträge und freundet sich mit vielen Leuten an. Sie sammelt viele Erfah rungen und trifft den Jungen Tombo, welcher von allem Arten von Fluggeräten begeistert ist und sich in Kiki verliebt. Durch Selbstzweifel gerät Kiki jedoch in eine persönliche Krise und verliert ihre Zauberkräfte. Ihre Freunde unterstützen sie jedoch, und als sie Tombo aus einer lebensbedrohlichen Situation retten kann, wird sie in der ganzen Stadt berühmt und gewinnt ihr Vertrauen in sich zurück.
Porco Rosso (1992): Ende der 20er Jahre jagt der italienische Pilot Porco Rosso, welcher verflucht ist und den Kopf eines Schweines hat, als Kopfgeldjäger fliegende Piraten, die Schiffe ausrauben. Er wird von dem be rühmten amerikanischen Piloten Curtis abgeschossen und schafft es noch zu einem befreundeten Ingenieur, welcher die Reparatur seines Flugzeuges seiner jungen Enkelin Fiona überlassen will. Die junge Frau beweist ihr Talent und bittet Porco, sie als Mechanikerin mitzunehmen. Auf ihrer weiteren, gemeinsamen Reise kom men sie sich näher, und Porco erzählt von seiner Vergangenheit. Am Ende kommt es zu einem Wettkampf zwischen Curtis und Porco, den Porco vor versammelten Publikum gewinnt. Damit kann er seine Schulden bezahlen und rettet Fiona vor Curtis, welche sie sonst hätte heiraten können.
Prinzessin Mononoke (1997): In einer Welt, die dem vorindustriellen Japan ähnelt, verteidigt der junge Prinz Ashitaka seinen Stamm vor dem Angriff eines Wildschweines, dass von einem Dämonen besessen ist. Dabei wird er jedoch von einem tödlichen Fluch befallen und verlässt das Dorf auf der Suche nach Heilung. Er gerät zwischen die Fronten von einerseits Arbeitern einer Eisenhütte, den Wald abholzen um dort zu leben und Metalle abzubauen, und andererseits den Tieren und Göttern des Waldes, die ihr Territorium verteidigen wol len. Er begegnet dem Mädchen San (Prinzessin Mononoke), welche mit den großen Wolfsgöttern zusammen lebt, und der machthungrigen Herrin Eboshi, welche für die Bewohner der Eisenhütte den Kampf gegen die Tiergötter anführt. Ashitaka versucht Eboshi daran zu hindern den Waldgott zu töten, dessen Kopf unsterblich machen soll. Ashitaka wird schwer verwundet und später vom Waldgottes gerettet. Der Stamm der Wild schweine bereitet sich auf eine letzte Schlacht gegen die Menschen vor. Sie verlieren den Kampf und der rie sige Okkoto, Anführer der Wildschweine, droht, vor Hass zu einem Dämon zu werden. Die Wolfsgöttin Moro liegt ebenfalls durch die Wunden des Kampfes im Sterben. Eboshi schießt dem Waldgott den Kopf ab, und sein Körper verwandelt sich in tödlichen Schleim, welcher den ganzen Wald zu zerstören droht. Erst als Ashit aka und San ihn seinen Kopf zurückbringen können, verliert er seine körperliche Gestalt, erlöst die beiden von ihrem Fluch, und lässt den Wald langsam wieder aufblühen.
Chihiros Reise ins Zauberland (2001): Die 10-jährige Chihiro zieht mit ihren Eltern in eine neue Stadt. Unter wegs begegnen sie jedoch den Ruinen eines scheinbaren Vergnügungsparks. Die Eltern stürzen sich auf das Essen eines Restaurants und verwandeln sich in Schweine. Chihiro erfährt von dem Jungen Haku, dass sich sich in der Welt der Geister befindet, welche von der Hexe Yubaba, beherrscht wird. In einem Badehaus für Götter und Geister muss Chihiro arbeiten, in der Hoffnung vielleicht irgendwann ihre Eltern befreien zu kön nen. Anfangs hilft sie dem spinnenbeinigen, alten Kamaji im Heizungsraum, später arbeitet sie jedoch bei den Frauen. Yubaba beraubt Chihiro wie auch allen anderen Arbeitern ihres Namens. Chihiro droht so ihre wahre Identität zu vergessen. Das Ohngesicht erkauft sich mit Gold alles was das Badehaus zu bieten hat, frisst jedoch auch einige Angestellte. Als das Ohngesicht sich immer mehr in ein Monster verwandelt gibt Chihiro ihm ein Teil eines magischen Kloßes, welchen sie zuvor von einem Flussgott erhalten hat, den sie sie von seiner Verschmutzung befreit hat. Das Ohngesicht erbricht daraufhin alles was er gefressen hatte, und wird wieder friedlich. Die andere Hälfte des Kloßes hatte Chihiro Haku gegeben, als dieser in Gestalt eines Drachens schwer verwundet im Badehaus ankam, weil er im Auftrag von Yubaba gegen ihre Zwillingsschwes ter, die Hexe Zeniba gekämpft hatte. Chihiro macht sich mit Begleitung auf den Weg zu Zeniba, wo sie er fährt, dass ihre Liebe zu Haku ihren Bann von Yubaba brach. Chihiro kann schließlich ihre Eltern befreien, wel che sich an nichts erinnern.
Das wandelnde Schloss (2004): In einer Welt ähnlich dem 19. Jahrhundert in Europa wird begegnet die jun ge Hutmacherin Sophie einem hübschen Mann, wird jedoch aus Eifersucht von der Hexe aus dem Niemands land in eine alte, gebrechliche Frau verwandelt. Sie flüchtet aus der Stadt und wird vom wandelnden Schloss der Zauberers Hauro aufgenommen. Dort begegnet sie dem jungen Schüler Markl und dem Feuerdämon Calcifer, welcher mit seiner Energie das Schloss am Laufen hält. In entfernteren Regionen tobt derweil ein Krieg, in dem auch Hauro in Gestalt eines vogelähnlichem Wesen beteiligt ist und gegen Flugschiffe kämpft. Im Schloss des Königs wird Sophie von der königlichen Zauberin Madame Suliman empfangen, vor welcher sich Hauro fürchtet. Als sich die Situation zuspitzt, erscheint Hauro und flieht mit Sophie. Sie nehmen die Hexe aus dem Niemandsland mit, welche ebenfalls da war, aber alle ihre Kräfte verloren hat. Der Krieg kommt auch zu ihnen und das wandelnde Schloss bricht schließlich zusammen, als Sophie den geschwächten Calici fer herausträgt. Sophie erfährt, was es mit Hauro und Calcifer auf sich hat und bricht die Verbindung zwischen ihnen. Hauro wird wieder zu einem Menschen und Sophie erlangt ihre junge Gestalt wieder. Der Krieg kann beendet werden und Sophie und Hauro können glücklich in einem neuem Schloss leben, dass Calcifer errich ten ließ.
Ponyo – Das große Abendteuer am Meer (2008): Ein kleines Goldfischmädchen wird von seinem Vater Fuji moto, einem Magier der unter Wasser lebt, gefangen gehalten. Fujimoto verabscheut die Menschen, da die se das Meer verschmutzen. Das Mädchen in Gestalt eines Fisches kann jedoch fliehen und wird an der Küste von dem kleinen Jungen Sōsuke aufgenommen, welcher sie Ponyo nennt. Fujimoto kann Ponyo jedoch wie der zurückholen, welche nun auch ein Mensch werden will, weshalb er ihre Mutter, die Meeresgöttin, ruft. Ponyo kann derweil fliehen und nutzt die Magie ihres Vaters um ein Mensch zu werden. Dadurch gerät je doch die Welt aus dem Gleichgewicht und es kommt zu Flutwellen, welche große Teile des Landes unter sich begraben. Sōsuke, seine Mutter Lisa und Ponyo sind jedoch in Lisas Haus sicher vor den Überschwemmun gen. Im Altenheim, wo Lisa arbeitet, kommen schließlich alle zusammen. Sōsuke versichert, dass er Ponyo auch in Gestalt eines Fisches lieben würde. Ponyo übernimmt nun endgültig eine menschliche Gestalt, und lebt von nun an bei Lisa und Sōsuke.
Wie der Wind sich hebt (2013): Der junge Jirō träumt vom Fliegen und will Flugzeugkonstrukteur. 1923 reist er zum Studium nach Tokio als ein heftiges Erdbeben die Stadt zerstört, und er ein junges Mädchen und ihre Mutter aus dem Zug rettet. Nach seinem Studium beginnt er als Flugzeugkonstrukteur bei Mitsubishi zu ar beiten. Für eine Dienstreise wird er nach Dessau geschickt, um etwas über den dortigen Stand des Flug zeugbaus zu lernen. In Japan begegnet er wieder dem Mädchen, dass er beim viele Jahre zuvor beim Erd beben kennengelernt hatte. Sie verlieben sich und heiraten. Die junge Naoko leidet jedoch an Tuberkulose, weshalb sie in einem Sanatorium in den Bergen genesen soll. Nach einigen Fehlschlägen gelingt Jirō derweil die Konstruktion eines außergewöhnlich schnellen Flugzeuges. Naoko erlebt den gelungen Erstflug des Le benswerkes ihres Mannes und kehrt darauf in die Berge zurück, wo sie ihre letzten Tage verbringen wird. Jirō träumt zuletzt davon, eines Tages nicht nur Flugzeuge für den Krieg, sondern friedliche Passierflugzeuge kon struieren zu können.
5. Bisherige Untersuchungen des Gesamtwerkes
Im Folgenden soll der bisherige Forschungsstand von Hayao Miyazakis Stil beleuchtet werden, der in deutscher oder englischer Sprache verfügbar ist.
Dani Cavallaro untersucht in ihrem Buch „The Anime Art of Hayao Miyazaki“ die technischen Aspekte von Miyazakis Zeichentrickfilmen sowie anderen Ghibli-Filmen, sowie die inhaltlichen Aspekte der meisten Ghibli-Filme von 1984 bis 2004. Cavallaro geht außerdem auf die biografischen Hintergründe der Filme ein. Sie kommt zu dem Schluss, dass Miyazakis Filme zum Nachdenken anregende, ästhetisch ansprechende Syn thesen aus Realität und Fantasy sind. Seine Erzählweise treibt nicht die Handlung voran, sondern „lebt die Momente“ und respektiert die Charaktere als wären sie autonome Wesen mit ihren eigenen Werten und Wahrheitskriterien, meint Cavallaro. Einige wiederkehrende Themen von Miyazakis Filmen werden unter sucht, jedoch oft nicht in ausführlicher Tiefe. Susan Napier, Professorin für Rhetorik und Japanologie, veröf fentlichte 2018 das Buch „Miyazakiworld – A Life in Art“. Darin werden Miyazakis Leben und Schaffen parallel zueinander beschrieben und untersucht, sowie sein Einfluss auf Japan und die Welt beleuchtet. Sie kommt zu dem Schluss, dass Miyazakis Filme stark geprägt sind von seinen persönlichen Erlebnissen und künstleri schen Vorstellungen, sodass sie durch ihre gemeinsamen Merkmale alle wiedererkennbar den typischen Stil von Miyazaki tragen. Hauptschwerpunkt Napiers Untersuchungen ist jedoch der biografische Kontext der elf Filme von Miyazaki, sowie der weitere historische und gesellschaftliche Hintergrund ihrer Entstehung. Diese Arbeit hier soll hingegen nur untersuchen, was das Erlebnis von Miyazakis Filmen durch seine typischen Stil merkmale für den Zuschauer besonders macht. Die wiederkehrenden Themen der Filme, welche Napiers be schreibt, sind: ökologische Verwüstung und Apokalypse, Militarismus, Nostalgie, Liebe zur Natur, die Un schuld der Kindheit, starke weibliche Charaktere und die Bedeutung des Menschen in Welten die größer sind als er. Trotz dieser Gemeinsamkeiten wird jedoch nicht ganz ersichtlich, was der Stil von Miyazaki ist, welcher sich in allen Filmen zeigt, unter anderen auch deswegen, weil sie jeden Film nur mit einem Themen schwerpunkt untersucht. Susan Napier untersucht genau wie Dani Cavallaro, die Filme einzeln. Diese Arbeit soll jedoch nicht die Filme, sondern die gemeinsamen Themen als Gliederungspunkte nehmen.
Im Folgenden werden noch ein paar Fachartikel bzw. Untersuchungen geringeren Umfangs kurz vorge stellt. Kaitlyn M. Ugoretz untersucht in „Drawing on Shintō?: Interpretations of the Religious and Spiritual in Miyazaki’s Anime“ (2018) anhand von Beiträgen aus Online-Foren inwiefern Miyazakis Filme als religiös oder spirituell empfunden werden. Die Untersuchung kommt zu dem Schluss, dass dies der Fall ist, und Elemente der Filme sogar vereinzelt wie ein religiöses Ritual praktiziert werden. Ong Zhen Jieh untersucht in „Hayao Miyazaki and Studio Ghibli: Reimagining the Portrayal of Women in Japanese Anime“ (2018) die Aspekte Geschlechtergleichheit, Rollen für Frauen und übliche Stereotype in drei Filmen von Miyazaki. Die Untersu chung kommt zu dem Schluss, dass Miyazakis Filme enorme Fortschritte in besseren Darstellungen von Frau en machen im Vergleich zu vielen typischen Anime aber auch westlichen Zeichentrickfilmen, da die weibli chen Figuren nicht sexualisiert oder als schwach dargestellt werden, sondern selbstbewusst, mutig und stark sind. Sibel Çelik Norman vergleicht in „Miyazaki and the West: A Comparative Analysis of Narrative Structure in Animated Films for Children“ 12 verschiedene westliche Kinderfilme und 7 Filme von Miyazaki miteinan der und untersucht sie bezüglich narrativer Elemente und Themen. Die Untersuchung kommt zu dem Schluss, dass Miyazakis Filme viel weniger Stereotypen an Figuren und Narrativen enthalten, und freier be züglich narrativer Konventionen sind. Miyazakis Filme, heißt es, haben eine große Vielfalt an phantasievollen Welten, Dingen und Figuren, die Geschichten sind komplex und unvorhersehbar, und auch die Botschaften der Filme z.B. in Bezug auf den Umweltschutz sind ebenfalls besser als in westlichen Filmen. Anna Blagrove untersucht in „Oceans, Forests, and Kami: Environment, Location, and Spirituality in Miyazaki’s Films“ (2015) anhand von drei Filmen von Miyazaki die Orte in denen die Geschichten spielen, die Themen im Umgang mit der Umwelt bzw. der Natur, und die religiösen Aspekte aus Shintō and Buddhismus in den Filmen. Die Unter suchung kommt zu dem Schluss, dass Miyazakis Filme zeigen, das die Ökosysteme der Natur fragil sein kön-nen und der Mensch in Harmonie mit der Natur und den (imaginären) magischen Wesen der Natur leben muss. Kozo Mayumi, Barry D. Solomon und Jason Chang untersuchen in „The ecological and consumption themes of the films of Hayao Miyazaki“ (2005) inwiefern Miyazakis Filme zu kritischem Denken bezüglich den systemischen Problemen ökologischer Ökonomie anregen. Die Untersuchung kommt zu dem Schluss, dass Miyazaki bedeutende Beiträge zur Erzeugung eines Verständnisses für Umweltschutz für ein breites Publikum bewirkt hat. Es heißt, dass Miyazakis Filme helfen, die Komplexität der Welt zu erkennen, und Menschen dazu inspirieren kann eine Position der Bescheidenheit gegenüber der Natur einzunehmen.
6. Ansatz und Methodik
Um den visuellen und inhaltlichen Stil von Miyazakis Filmen zu erfassen, sollen folgende filmanalytische Elemente untersucht werden: Die Gestaltungsmittel, also Bild, Ton und Schnitt/Montage und die Wirkung dieser filmsprachlichen Mittel; der Inhalt, also die thematisierten Frage und Problemstellungen; die Figuren, also eine Betrachtung der einzelnen Charaktere und ihrer Ausdrucksformen sowie die Art und Weise ihres Auftretens, des äußeren Erscheinungsbildes und wie sie sprechen; und schließlich die Normen und Werte, sowie die Absicht des Künstlers.
Die systematische Filmanalyse nach Helmut Korte verwendet grundsätzlich eine Transkription, als eine formal-inhaltliche Protokollierung des filmischen Ablaufs, welche einen präzisen und überprüfbaren Interpre tationsrahmen für die qualitative Gesamtanalyse schaffen soll. Dies erscheint für den Zweck dieser Arbeit je doch nicht notwendig, da eine Sichtung der Filme zusammen mit dem Verweis auf exemplarische Szenen eine Transkription ersetzen kann, und eine Sichtung sowieso unumgänglich ist um nachvollziehen zu können, ob diese Arbeit den Stil der Filme richtig erfasst hat. Des Weiteren würde eine Transkription aller Filme den Rahmen der Arbeit sprengen und es sollen auch nicht alle Elemente der einzelnen Filme untersucht werden.
Die systematische Filmanalyse unterscheidet vier große Analysedimensionen. Die erste, die Analyse der Filmrealität bzw. ihrer Bedeutung, untersucht alle am Film selbst feststellbaren Daten und Informationen, also Aussagen, Inhalt, formale und technische Daten, Einsatz filmischer Mittel, Aufbau, handelnde Personen, Informationslenkung und Spannungsaufbau. In dieser Arbeit sollen diese Aspekte exemplarisch an einzelnen Szenen untersucht werden um den Stil von Miyazakis Filmen herauszuarbeiten.
Die Bedingungsrealität, also die Fragen wie, wo, warum und durch wen ein Film entstand, und die Be zugsrealität, also die Fragen, auf welche realen Hintergründe sich ein Film bezieht und wie er dies darstellt, sind für diese Arbeit nicht relevant, da untersucht werden soll, was den Stil von Miyazaki aus der Sicht eines Zuschauers ausmacht, ohne dass dieser Hintergrundwissen über die Entstehung der Filme und ihrer Bedeu tungen hat, welche über das hinaus gehen, was sich ein durchschnittlicher Zuschauer aus dem Film selbst ab leiten kann. Die Wirkungsrealität, also eine Auseinandersetzung mit der Publikumsstruktur, einschließlich der Einsatzorte, Laufzeiten des Films, Intentionen der Hersteller und einer Aufarbeitung der Rezeptionsdokumen te zur Entstehungszeit, ist ebenfalls nicht relevant. Insofern Bezug jedoch die filmische Darstellung eines Pro blems meint, und Wirkung das Empfinden eines Zuschauers, sind auch diese Aspekte relevant.
Untersucht werden sollen nur Teilaspekte der zehn Filme, welche mehrfach vorkommen und somit Miyazakis Stil ausmachen, oder die Filme in ihrer Wirkung auf den Zuschauer besonders machen. Die Filme sollen also nicht aus technischer oder theoretischer Sicht betrachtet werden, sondern es soll bestimmt wer den wodurch sie sich visuell, inhaltlich und in ihrer Wirkung auszeichnen. Nicht alle Eigenheiten und Gemein samkeiten der Filme, sondern nur jene, durch welche sie herausstechen und bedeutungsvoll werden. Die meisten Methodiken der Filmanalyse scheinen jedoch nicht besonders hilfreich zu sein, wenn es um die Be stimmung der Besonderheiten von Miyazakis Filmen bzw. Filmen im Allgemeinen geht. Diese Arbeit soll kein minutiöses Belegen jeder These und jedes Argumentes liefern, da dies angewendet auf die Untersuchung des Stils eines Filmemachers bzw. der Charakteristika seiner Filme einerseits den Rahmen jeder Arbeit sprengen würde, und andererseits schlicht nicht notwendig für den Erkenntnisprozess ist. Die in dieser Arbeit aufgestellten Behauptungen und Erkenntnisse sind sorgfältig geprüft und durchdacht. Da argumentative Be gründungen oft beliebig tief und ausführlich gehen können, sind sie hier nur so weit ausgeführt, wie sie für Betrachter der Filme nachvollziehbar sind und sinnvoll das gesteckte Erkenntnisinteresse bedienen. Eine „streng wissenschaftliche“ Filmanalyse erscheint nicht notwendig, da auch eine lockerere Form, welche mehr einer real-kommunikativen Argumentationsweise gleicht, nachvollziehbare Ergebnisse liefern kann.
Ein wichtiger Aspekt, welcher Miyazakis Filme besonders macht und seinen Stil auszeichnet ist die oft intendierte Wirkung auf den Zuschauer. So könnte man meinen, dass dies der alleinige Sinn von Filmen ist, da sie dazu da sind gesehen zu werden und im Betrachter geistige Zustände auszulösen. Gerade hier er scheint das, was Methodik genannt wird, jedoch entweder nutzlos oder in seinem wissenschaftlichen An spruch nicht oder nur schwer ausführbar. Nur weil etwas sich nicht mit handfesten Dingen belegen lässt, soll es nicht von einer ausführlichen Untersuchung ausgeschlossen sein. Interpretationen und Beschreibungen von inneren, geistigen Zuständen sind essentielle Bestandteile des Inhaltes und der Bedeutung eines Films. Ihre wissenschaftliche „Objektivität“ stützt sich auf die Summe der ähnlichen Empfindungen von Subjekten. Denn so ist Objektivität im Allgemeinen letztlich intersubjektiv. Das vollständige Verstehen eines Films erfor dert also Menschenkenntnis, Empathie und ein Verständnis für das Empfinden einer Person und geht über eine rein beschreibende und abbildende Betrachtung hinaus.
7. Miyazakis Welten
7.1 Realismus in der Darstellung
„Anime may depict fictional worlds, but I nonetheless believe that at its core it must have a certain rea lism. Even if the world depicted is a lie, the trick is to make it seem as real as possible. Stated another way, the animator must fabricate a world that seems so real, viewers will think the world depicted might possibly exist.“ – Hayao Miyazaki, Starting Point Miyazakis Zeichenstil unterscheidet sich stark von westlichen aber auch japanischem Zeichentrick. So nutzen typische Anime vor allen eine übertriebene, unrealistische Darstellung von Bewegung und Ausdruck um Spannung zu erzeugen und den Zustand einer Figur zu kommunizieren. Miyazakis Stil ist gedämpft und subtil, er betont die Schönheit des Einfachen. So bewegen sich z.B. die Haare und Kleidung der Figuren im Wind wie reale physische Objekte. Wohingegen im Zeichentrick meist sogenannte „run-cycle“ Animationen verwendet werden, in denen sich Bilder immer wiederholen, um z.B. darzustellen, wie eine Person rennt, verwendet Miyazaki oft unterschiedliche Zeichnungen für die einzelnen Zeitpunkte einer rennenden Figur. So wirkt die Bewegung weniger künstlich und drückt besser die aktuelle Situation und das Empfinden der Figur aus. So z.B. in Chihiros Reise, als Chihiro panisch und hilflos durch die Welt der Geister rennt (0:12:47). Miyaz akis Zeichentrick soll jedoch nicht die Realität nachzuahmen oder korrekt abbilden. Die animierten Welten von Miyazaki erinnern nur an die Realität, und übernehmen oder brechen ihre Regeln, haben jedoch vor al lem ihre eigenen Darstellungsformen, welche die Filme schön, unterhaltsam und anregend machen.
Totoro, ein großes, flauschiges Wesen, das aussieht wie eine Mischung aus Katze und Eule, wird in vie len Nahaufnahmen gezeigt und seine Bewegungen erinnern an reale Bewegungen von einem Hund oder einer Katze. Als die kleine Mei ihm zum ersten Mal begegnet und seinen flauschigen Stummelschwanz be rührt, hebt sich dieser und senkt sich dann wieder leicht (0:32:16). Als er aufwacht, rümpft er die Nase, wobei seine „Schnurrhaare“ sich aufstellen. Totoro ist zwar magisch, aber durch die Details seiner Darstellung wirkt er sehr greifbar und real. Seine Trägheit, sein Zögern und seine bewussten und unbewussten Bewegungen und Handlungen lassen ihn lebendig und überzeugend erscheinen.
Es gibt keinen notwendigen Grund warum Miyazakis Filme Zeichentrickfilme sein müssen. In ihrer reinsten Form kann weder ein Zeichentrickfilm noch ein Live-Action bzw. realistisch animierter Film in die je weils andere Form übersetzt werden. Es gibt Geschichten und Stile die einfach nur in der einen Form richtig funktionieren. Bei Zeichentrickfilmen liegt dies zu großen Teilen daran, dass der Zuschauer hier toleranter gegenüber unrealistischen Darstellungen ist, weil er eine andere Grundhaltung in Bezug auf die Glaubwür digkeit des Geschehens hat. Zeichentrick bzw. Animation sollte in seinem Kern nicht darum bemüht sein der Realität zu gleichen. Deswegen funktionieren Miyazakis Fantasy-Geschichten so gut in der Form als Zeichen trick. Man könnte die Filme mit Schauspielern, Sets und CGI (Computer-generierten Bildern) umsetzen, aber es würde einfach keinen Sinn machen da es viele Nachteile mit sich brächte. Eine Live-Action Version der To toro-Figur wäre beispielsweise für Kinder sehr angsteinflößend, wie in der Szene als Mei auf ihm sitzt und er mit einem lauten Brüllen seinen riesigen Mund aufreißt (0:34:0). In der vereinfachten Zeichentrickdarstellung hingegen wirkt es weniger bedrohlich und eher harmlos, so wie Totoros Charakter auch sein soll. Um die Ge schichten und Gefühle zu vermitteln, muss man nicht, so Miyazakis Ansatz, z.B. jedes Haar einer Figur animie ren, wie es in den realitätsnahen CGI-Filmen versucht wird. Alltägliche, simple Handlungen sind oft am schwersten zu zeichnen. Wenn sie jedoch realitätsnah gelingen, sind sie für den Zuschauer praktisch unsicht bar. Diese kleinen, banalen Szenen in Live-Action Filmen zu sehen ist nichts Besonderes. In der Zeichentrick Form haben sie jedoch etwas wirklich tiefgreifendes. Denn im Zeichentrick ist jedes Detail bewusst gesetzt. Nichts wäre so wie es ist wenn nicht jemand absichtlich es so gezeichnet hätte. Die realitätsnah-animierten neuen Disney Filme fügen keinen wirklichen Mehrwert zu den Geschichten hinzu, sondern nehmen durch ihren realitätsnahen Stil oft die Verspieltheit und Schönheit des Zeichentricks, welcher viel mehr die eigene Fantasie anregt. So sind z.B. die Szenen, in denen die Figuren essen nicht anatomisch und physikalisch kor rekt, beschreiben aber die Freude am Essen und den riesigen Hunger der Figuren, wie z.B. in einer Szene Das Schloss im Himmel, als die Bewohner des Schlosses ihr Frühstück aus Spiegeleiern verspeisen (0:48:20).
Bei Miyazakis handgezeichnetem 2D-Stil geht es nicht darum, dass die Dinge in ihren Formen und Tex turen realistisch aussehen, sondern darum, dass sie sich realistisch anfühlen. Das heißt der Fokus liegt auf rea listischen Bewegungen und authentischen Charakteren mit zahlreichen Details in ihrer Persönlichkeit und ih ren Handlungen. Und Miyazakis Ansatz funktioniert: Trotz des gezeichneten Stils der Dinge und Figuren, fällt es dem Zuschauer leicht sich mit ihnen zu identifizieren und sie für etwas zu halten, was auch in der echten Realität funktionieren könnte. Denn natürliche Bewegungen machen Figuren viel glaubwürdiger als realitäts nahe Texturen. Ebenso ist die Darstellung von kleinen Details wichtig, welche bei klassischem Zeichentrick meist weggelassen werden. Der Level an Realismus in Miyazakis visueller Darstellung ist fein abgestimmt. So enthalten z.B. die Flugzeuge in Miyazakis Filmen viele Details, welche für die Funktionstüchtigkeit eines ech tem Flugzeuges notwendig sind, diese Details sind aber in ihren Texturen im minimalistischen 2D-Zeichenstil gehalten, wie z.B. in Wie der Wind sich hebt (0:1:46). Und auch die Bewegung der Flugzeug-Bauteile ist hier unrealistisch, da das Metall sich in seiner Bewegung verformt als wäre es aus Gummi. Diese Darstellung ver mittelt jedoch die Lebendigkeit und Energie, welche in den rhythmischen Bewegungen des Motors zu ste cken scheinen.
Typisch für Miyazakis Filme ist z.B. auch ein Aufstellen der Kopfhaare, wenn eine Person in Erregung gerät, wie z.B. Ashitaka aus Mononoke, als er Eboshi mit ihrem verantwortungslosem Verhalten konfrontiert (0:39:50), oder ganz subtil, als Ponyo eine Lampe gereicht bekommt und sich an deren Licht erfreut (0:49:20). Dies ist zwar nicht realistisch, fühlt sich aber zum Teil so ähnlich an, wenn man Gänsehaut bekommt und eine Energie und Anspannung in den Kopf steigt. Dass Miyazakis Filme zum Teil nicht real aussehen, aber sich real anfühlen, zeigt sich z.B. auch bei den Darstellungen von Wasser und Wassertropfen. Letztere sind oft sehr groß und träge, wie in Wie der Wind sich hebt (1:12:3, 1:45:21, 1:48:17). Oder z.B. als Chihiro (0:49:50) oder Sophie aus Das wandelnde Schloss (1:48:3 und 0:47:44) weinen, und dicke Tränen ihre Gesichter herunter perlen. Auch das Wasser des Meeres aus Ponyo wirkt wie eine zähere, glitschige Flüssigkeit (0:38:5). Wenn Figuren in großem Stress sind, laufen an ihrem Körper in Miyazakis Darstellung oft viele Schweißperlen run ter, wie z.B. bei Kikis Kater Jiji (0:43:21). Diese Darstellung ist absichtlich unrealistisch, beschreibt aber gut das Gefühl der Panik und Anspannung.
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- Arbeit zitieren
- Thomas Weinreich (Autor:in), 2019, Hayao Miyazaki. Eine Untersuchung der Charakteristika seines Filmschaffens in der Zeit von 1984 bis 2013, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/516630
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