In den letzten Jahrzehnten ist es der Geldpolitik in den Industrienationen gelungen, die Inflation als solche zu stabilisieren. Mit zunehmender Globalisierung und aufgrund der Tatsache, dass sie immer wieder Quelle von gesamtwirtschaftlicher Instabilität waren, rückten zunehmend die Finanz- und Vermögensmärkte in den Fokus der Zentralbanken. Dies unter anderem auch deshalb, weil private Haushalte zunehmend Immobilien und Wertpapiere (insbesondere Aktien) halten. Ob, und gegebenenfalls wie, die EZB daher die Preise von derartigem Vermögen in ihrer Zielformulierung oder ihrer Strategie berücksichtigen sollte, wird im Rahmen dieser Arbeit diskutiert. Dabei werden verschiedene Arten der Vermögenspreisentwicklung berücksichtigt.
Anhand der Effekte, mit denen Vermögenspreisänderungen auf den Output wirken, sowie der Strategie der EZB stellt der Autor dar, dass die Aufnahme von Vermögenspreisen in die Zielformulierung der EZB aufgrund großer Schwierigkeiten nicht sinnvoll erscheint. Auch die Implementierung in die EZB-Strategie ist problembehaftet, jedoch durchaus möglich und daher auch sinnvoll.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Die wirtschaftliche Bedeutung von Vermögenspreisen
3 Ziel und Strategie der EZB
4 Möglichkeiten der Vermögenspreisberücksichtigung durch die EZB
4.1 Zielformulierung der EZB
4.2 Strategie der EZB.. 6 4.2.1 Das Argument der Stabilität
4.2.2 Monetäre oder wirtschaftliche Säule?
4.2.3 Reaktionsmöglichkeiten der EZB
4.2.4 Probleme
5 Zusammenfassung und Fazit
Literaturverzeichnis
Erklärung
Abbildungsverzeichnis
Tabelle 1: Kombinationen von Dauer des Preisanstiegs und Art der Blase,
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
In den letzten Jahrzehnten ist es der Geldpolitik in den Industrienationen gelungen, die Inflation als solche zu stabilisieren. Mit zunehmender Globalisierung und aufgrund der Tatsache, dass sie immer wieder Quelle von gesamtwirtschaftlicher Instabilität waren, rückten zunehmend die Finanz- und Vermögensmärkte in den Fokus der Zentralbanken. Dies unter anderem auch deshalb, weil private Haushalte zunehmend Immobilien und Wertpapiere (insbesondere Aktien) halten.1 Ob, und gegebenenfalls wie, die EZB daher die Preise von derartigem Vermögen in ihrer Zielformulierung oder ihrer Strategie berücksichtigen sollte, soll im Rahmen dieser Arbeit diskutiert werden.
2 Die wirtschaftliche Bedeutung von Vermögenspreisen
Um zu verstehen, warum Vermögenspreise für Ziel oder Strategie der EZB eine Rolle spielen könnten, muss zunächst geklärt werden, wie Vermögenspreisänderungen auf die Gesamtwirtschaft wirken. Dabei kann und soll unter „Vermögen“ nicht nur Wertpapier-, sondern auch Immobilieneigentum verstanden werden.
Der sog. Vermögenseffekt entsteht dadurch, dass steigende Vermögenspreise für die Haushalte zusätzliches Einkommen aus Vermögen generieren, was zu einer höheren Konsumnachfrage führt und somit expansiv auf die Gesamtwirtschaft wirkt.2 Dieser Effekt tritt sowohl bei Wertpapier- als auch bei Immobilienvermögen auf, bei letzterem aber indirekt: Immobilienbesitzer erfahren eine Wertsteigerung ihres Eigentums, was ihnen bei Banken bessere Kreditkonditionen verschafft. Dies nutzen sie, um ihren zusätzlichen Konsum zu finanzieren. Damit vergleichbar ist ein Effekt, der als Bilanzeffekt bezeichnet werden könnte. Durch steigende Vermögenspreise steigt der Wert der Sicherheiten, die Unternehmen und Haushalte bei Banken für Kredite hinterlegen, wodurch letztere mehr Kredite vergeben können.3 Von der Höhe der vergebenen Kredite hängt aber das Investionsvolumen der Unternehmen ab, so dass dieses dann ebenfalls steigen wird und sich expansiv auswirkt. Der Bilanzeffekt kann aber auch mit der Unvollkommenheit der Märkte erklärt werden. So führt unvollständige Information der Marktteilnehmer zu steigenden Kosten für externe
Unternehmensfinanzierung, weil Banken eine Prämie für die existierende Unsicherheit verlangen werden. Dies wiederum führt dazu, dass das durch Kredite finanzierte Investitionsvolumen von den Bilanzrelationen der betroffenen Unternehmen abhängt.[4]
Der dritte Effekt wird als Tobin’s q bezeichnet. Dabei steht q für das Verhältnis vom Marktwert des Kapitals eines Unternehmens zu dessen Wiederbeschaffungskosten. Steigende Vermögenspreise erhöhen den Marktwert des Kapitals und steigern so das Investitionsvolumen, weil weitere Investitionen lohnend erscheinen.[5]
Diese drei Effekte haben positive Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft, sofern die Vermögenspreise steigen. Allerdings gibt es auch stark negative Effekte bei fallenden Preisen. So besteht bei einem Preiseinbruch, wie er z.B. beim Platzen einer spekulativen Blase auftritt, die Gefahr eines als Kreditklemme bezeichneten Liquiditätsengpasses[6]. Dieser entsteht, weil durch den Preiseinbruch der (Markt-) Wert der Sicherheiten sinkt, die Haushalte und Unternehmen bei Banken für Kredite hinterlegt haben. Als Folge vergeben die Banken weniger Kredite. Dies bewirkt einen Rückgang der Güternachfrage. Da langfristig damit auch das Güterangebot sinkt und eine Art Kreislauf angestoßen wird, wird in der Literatur von einem „Financial Accelerator“ gesprochen, um den sich selbst verstärkenden Effekt zu beschreiben.[7] Genau dieses Sich-selbst-verstärken hat aber über den Zeitablauf eine sehr starke Schwankung des gesamtwirtschaftlichen Outputs zur Folge. Hinzu kommt, dass starke Überbewertungen auf dem Vermögensgütermarkt in Kombination mit anschließenden Preiseinbrüchen Kapital entwerten oder Fehlallokationen von Kapital zur Folge haben können.[8]
Damit aber stellen Vermögenspreisänderungen eine potenzielle Quelle gesamtwirtschaftlicher Instabilität dar, so dass sie prinzipiell von der EZB auch berücksichtigt werden sollten. Zu fragen ist also zunächst, ob die EZB nicht bereits Vermögenspreise in ihre Zielformulierung und ihre Strategie einbezogen hat?
3 Ziel und Strategie der EZB
Die Europäische Zentralbank verfolgt mit ihrer Geldpolitik primär lediglich ein Ziel, nämlich Preisniveaustabilität. Dieses Ziel wird operationalisiert als Anstieg des HVPI der EWU um nicht mehr als zwei Prozentpunkte. Um Messfehlern bei der Ermittlung des HVPI sowie Deflationsgefahren vorzubeugen, soll der Anstieg nicht Null betragen, sondern knapp unter dieser Grenze liegen.[9] Um mittelfristig ihr Ziel zu erreichen, verwendet die EZB eine auf zwei gleich gewichteten Säulen ruhende Strategie. Dabei dient die erste Säule (bezeichnet als „monetäre Säule“) der langfristigen Geldmengensteuerung, da eine Zunahme der Inflation letztlich stets auf
eine Geldmengenausweitung zurückführbar ist. Im Rahmen der ersten Säule wird ein
Referenzwert für das Geldmengenwachstum festgelegt, der jedoch nicht als Zwischenziel verstanden wird, sondern der EZB vielmehr als zeitloser Richtwert des
Geldmengenwachstums dient.[10] Die zweite Säule („wirtschaftliche Säule“) dagegen ist kurzfristig ausgerichtet, um Unsicherheiten hinsichtlich der zukünftigen Geldnachfrage auszugleichen. Sie beinhaltet neben der Geldmenge weitere Inflationsindikatoren, vor allem Preise auf verschiedenen Wertschöpfungsstufen. Damit sollen jene Faktoren erfasst werden, die kurzfristig die Geldmenge als Treiber
der Inflation überlagern können.[11] Die Strategie der EZB umfasst damit keine direkte Inflationssteuerung („Inflation Targeting“), wie einige andere Zentralbanken sie betreiben.
[...]
[1] Vgl. Alexandre/Bação (2002), S. 2.
[2] Vgl. Beck/Prinz (2000), S. 33.
[3] Vgl. Bernanke/Gertler (2000), S. 8.
[4] Vgl. Alexandre/Bação (2002), S. 4.
[5] Vgl. Alexandre/Bação (2002), S. 7 sowie Beck/Prinz (2000), S. 33.
[6] Vgl. Zimmermann (2004), S. 109.
[7] Vgl. Bernanke/Gertler (2000), S. 9f.
[8] Vgl. Beck/Prinz (2000), S. 33f.
- Quote paper
- Christian Sasse (Author), 2005, Sollten Vermögenspreise in der geldpolitschen Strategie oder der Zielformulierung der Europäischen Zentralbank eine Rolle spielen?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/51579
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