Kaum ein anderer Philosoph oder eine andere Philosophin hat sich so ausführlich mit unterschiedlichen existenzialen Positionen und Lebensverständnissen auseinandergesetzt wie Kierkegaard. Diese existenzialen Positionen, die von Kierkegaards Pseudonymen vertreten werden, verfolgen für ihn eine gemeinsame Strategie: Es geht ihm darum aufzuzeigen, dass die verschiedenen Lebensverständnisse allesamt misslingen und sämtliche Figuren auf ihre je eigene Art verzweifeln. Verzweiflung wird daher zum zentralen Thema bei Kierkegaard und auch der hier vorliegenden Arbeit.
Weshalb misslingen die verschiedenen Lebensverständnisse?
Es bleibt jedoch in Kierkegaards Werk ungeklärt, wie genau dieses Misslingen zustande kommt, auch wenn die Gründe dafür angegeben werden. Dies ist somit auch die Forschungsfrage der vorliegenden Arbeit. Es wird sich zeigen, dass die verschiedenen Lebensentwürfe dadurch misslingen, weil sie erstens versuchen, die oben genannten Spannungen zu überwinden und zweitens, weil sie daher dem totalisierten Zweifel über die eigene Authentizität verfallen. Es wird sich zeigen, dass die eigentliche Verzweiflung mit der Authentizität verbunden ist und dieses Verhältnis in einer Unbestimmtheit, in einem totalisierten Zweifel aufkommt. Eigentliche Verzweiflung ist der totalisierte Zweifel darüber, ob wir authentisch leben oder nicht (vgl. Kapitel 4). Für die Arbeit wollen wir Kierkegaard nicht als Existenzialisten, als Theologen, oder schlicht als Literaten verstehen, sondern wir beziehen uns auf die philosophische Anthropologie nach Wesche (2013). Zudem beschränken wir uns hierfür auf seine Werke Entweder - Oder (2014) und Die Krankheit zum Tode (2017). Dass beide Werke zusammenhängen, wird durch die internen Bezüge zueinander deutlich.
Der Aufbau der Arbeit sieht dementsprechend wie folgt aus. Kapitel 2 behandelt die verschiedenen Facetten und die oben erwähnten Spannungsverhältnisse der Kierkegaardschen Verzweiflung. Hierbei ist es wichtig, Unklarheiten, Widersprüche und Probleme aus Kierkegaards Theorie zu vernachlässigen und sie auf die relevantesten Punkte herunter zu brechen. Kapitel 3 zeigt daraufhin auf, wie aus der Verzweiflung die oben vorgeschlagene Hypothese vertreten werden kann. Das Kapitel 4 rundet die vorliegende Arbeit ab. Dabei werden weitere Anknüpfungspunkte vorgestellt und kurz erläutert, wie es möglich wäre, diese Spannungsverhältnisse auszuhalten und den Zweifel über die Authentizität gelassen hinzunehmen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Verzweiflung: Ein komplexes Phänomen
- Selbst und Authentizität
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit setzt sich zum Ziel, die von Søren Kierkegaard beschriebene Verzweiflung als ein zentrales Element seiner philosophischen Anthropologie zu untersuchen. Die Arbeit analysiert insbesondere die Beziehung zwischen Verzweiflung und Authentizität und untersucht, wie diese Beziehung im Kontext der von Kierkegaard herausgestellten Spannungsverhältnisse zwischen faktischem Gesetztsein und existenzieler Freiheit entsteht.
- Verzweiflung als Ausdruck der Widersprüchlichkeit des Menschseins
- Spannungsverhältnisse zwischen faktischem Gesetztsein und existenzieler Freiheit
- Beziehung zwischen Verzweiflung und Authentizität
- Der Einfluss der Selbstwahl auf die Entwicklung der Verzweiflung
- Die Bedeutung des Selbst als Grundlage für die Verzweiflung
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung
Die Einleitung führt in das Thema Verzweiflung bei Kierkegaard ein und stellt die zentrale Forschungsfrage der Arbeit dar: Wie kommt es zu dem Misslingen der verschiedenen Lebensverständnisse, die Kierkegaard beschreibt?
Verzweiflung: Ein komplexes Phänomen
Dieses Kapitel befasst sich mit der Verzweiflung als einem zentralen Thema in Kierkegaards Werk. Es analysiert die Grundlagen der Verzweiflung, ihre verschiedenen Formen und Stufen sowie ihre Phänomenologie.
Selbst und Authentizität
Der Fokus dieses Abschnitts liegt auf dem Konzept des Selbst und seiner Beziehung zur Verzweiflung. Die Arbeit erläutert, wie das Selbst als Verhältnis von faktischem Gesetztsein und existenzieler Freiheit die Grundlage für die Verzweiflung bildet.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den zentralen Themen Verzweiflung, Authentizität, Selbst, existenzielle Freiheit, faktisches Gesetztsein und Spannungsverhältnisse im Kontext der philosophischen Anthropologie von Søren Kierkegaard.
- Citation du texte
- Omar Ibrahim (Auteur), 2019, Verzweiflung und Authentizität. Eine produktive Weiterentwicklung von Kierkegaard, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/515319