Diskursmarker sind Partikel, die nichts zum eigentlichen Inhalt einer Aussage beitragen, aber von Sprecherinnen und Sprechern genutzt werden, um im Rahmen einer Diskursstrategie Haltungen oder Emotionen zu vermitteln. Sie sind in der hispanistischen Forschung in den vergangenen Jahrzehnten stärker in den Fokus gerückt. Die vorliegende Arbeit untersucht den Gebrauch von Diskursmarkern im kubanischen Spielfilm "Guantanamera" und ordnet diesen in den Kontext des aktuellen Forschungsstandes ein.
1. Einleitung
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit den pragmatischen Diskursmarkem, die im kubanischen Spielfilm Guantanamera (1995) verwendet werden. Ein Zeugnis für das wachsende Interesse der romanistischen Forschung am Thema der Diskursmarker ist das von Briz Gomez et al. vorgelegte Online-Lexikon der Diskurspartikel des Spanischen (DPDE). Das kubanische Spanisch wurdejedoch in dieser Hinsicht sehr wenig untersucht, so dass das analysierte Material (der Film) nicht einfach mit einer bereits veröffentlichten Arbeit verglichen werden konnte. Diese Arbeit wurde deshalb in drei Schritten erstellt: zunächst werden allgemeinere Arbeiten zu Diskursmarkern, zu Sprache in Filmen und zu den verschiedenen Varietäten des Spanischen diskutiert. Als zweiter Schritt werden hieraus einige Hypothesen abgeleitet, die als Leitfaden zur Analyse des Spielfilms dienten. Als dritter Schritt wurden die Ergebnisse (in diesem Fall die Liste der verwendeten Diskursmarker samt ihrer Anzahl) mit den Hypothesen verglichen. Dementsprechend befasst sich das zweite Kapitel mit allgemeinen Eigenschaften von Diskursmarkern, während das Dritte genauer auf die Eigenschaften des untersuchten Corpus eingeht. In Kapitel 4 werden die Ergebnisse präsentiert und diskutiert, das fünfte Kapitel ist ein kurzes, zusammenfassendes Schlussfazit.
2. Pragmatische Diskursmarker im Spanischen: Definition und Funktionen
Das von Briz Gomez et al. erarbeitete Lexikon der pragmatischen Diskurspartikel des Spanischen verwendet in seinem Namen die Bezeichnung Partikel statt Marker. Briz Gomez selbst stelltjedoch klar, dass die Bezeichnung Diskurmarker in der Fachliteratur als Synonym zu Diskurspartikel gebraucht worden ist (vgl. Briz Gomez, 2011: S.77-78). Entscheidend für die Einordnung als Partikel bzw. Marker ist die Tatsache, dass die entsprechenden Wörter nicht flektierbar sind (vgl. ebd.: S.79). Die Ergänzung Diskurs- (bzw. discursivo m Spanischen) hebt hervor, dass sich diese Marker nicht auf eine einzelne Proposition bezieht, sondern auf eine höhere Ebene, den Diskurs (vgl. ebd: S.80). Die verschiedenen Funktionen, die sie auf dieser Ebene ausüben, werden unten genauer beschrieben - allgemein gesprochen werden sie vom Sprecher als Interpretationshilfe verwendet (vgl. ebd: S.83). Portoles (1993: S.142-143) formuliert, dass ein Gesprächspartner auf den Gesprächsinhalt mit Inferenzen reagiert und dass Diskursmarker ein Mittel sind, den Zuhörer zu einer bestimmten Inferenz zu orientieren. Wie die Ausdrücke Gesprächspartner und Gesprächsinhalt andeuten, sind Diskurspartikel ein Phänomen, das hauptsächlich bei mündlich überlieferter Sprache auftritt, insbesondere bei Umgangssprache (vgl. Briz Gómez, 1993: S.145-146).
Die zweite zu erklärende Spezifikation ist die Zusatzbezeichnung pragmatisch. Die von Leech (1983: S.76) vorgenommene Definition des Begriffs der allgemeinen Grammatik ist hierfür hilfreich:
,,[..]Generalpragmatics is a set ofstrategies andprinciplesfor achieving success in communication by the use of grammar. Grammar isfunctionally adapted tot he extent that itpossessesproperties which facilitate the Operation ofpragmatic principies.“
Aus dem oben Beschriebenen lässt sich genau diese strategische Funktion ableiten. Diskursmarker sind (oftmals) grammatikalisch nicht notwendig, damit ein syntaktisch korrekter Satz entsteht, sie sind jedoch ein wichtiger Teil kommunikativer Strategien. Konsequenterweise spricht Ferrer Mora (2000: S.268) auch von der pragmatischen Ebene, auf der sie analysiert werden müssen. Pragmatische Diskursmarker können eine Vielzahl an Funktionen ausüben, Briz Gómez (2011: S.83-84) erwähnt die Folgenden in seiner Vorstellung des Online-Lexikons der Diskursmarker des Spanischen:
1. Reformulieren (es decirypor cierto), argumentativ Verbinden (encima, además), Strukturieren {por unaparte /por otraparte)
2. Intensivieren {por supuesto,fijo) oder Abschwächen (no sé, digamos)
3. Kontaktherstellung (oye, hombre, tío)
4. Hervorhebung (incluso, ni siquiera, también)
Die aufgelisteten Beispielwörter werden als Diskursmarker gebraucht, was allerdings nicht bedeutet, dass sie immer diese Funktion ausüben. Hombre könnte je nach Zusammenhang sowohl ein Marker zur Kontaktaufnahme als auch die Bezeichnung für denMenschen an sich oder Teil einer Personenbeschreibung sein. Die folgenden, von Ferrer Mora (2000: S.268) der Wortklasse der Konnektoren zugeschriebenen Eigenschaften treffen auch auf pragmatische Diskursmarker zu (siehe nächste Seite):
1. Sie können morphologisch nicht flektiert werden
2. Im Allgemeinen werden sie nicht betont
3. Sie sind zumeist fakultativ (auf der syntaktischen Ebene)
4. Es ist möglich, sie mit Einschränkungen untereinander zu kombinieren
Das Interesse an Diskursmarkern als linguistischem Phänomen ist seit den 90er Jahren gestiegen - die Tatsache, dass die Mehrzahl der in dieser Arbeit zitierten Veröffentlichungen aus diesem Zeitraum stammt, weist darauf hin. Eine Sonderrolle spielen hierbei die sogenannten Konnektoren (original: conectores), die intensiv von spanischsprachigen Forschern untersucht wurden (vgl. Ferrer Mora, 2000: S.264). Ihr Name verrät bereits ihre Funktion - sie werden als Bindeglied zwischen kleineren Einheiten eines Gesprächs aufgefasst (vgl. ebd.). Wie oben beschrieben wurde, ist dies allerdings nur eine der möglichen Funktionen von pragmatischen Diskursmarkern - der Kontaktmarker tio wäre hierfür denkbar ungeeignet. Während diese Konnektoren zwar unter die Gruppe der Diskursmarker fallen sind umgekehrt einige Diskursmarker keine Konnektoren. Nicht alle Erkenntnisse, die Autoren zu Konnektoren erlangt haben, gelten ebenfalls für Diskursmarker, auch wenn die thematischen Überschneidungen evident sind.
Auch die kontrastive Linguistik hat sich diesem Thema gewidmet und die Rolle der spanischen Diskursmarker mit der der deutschen Modalpartikel verglichen. Aus der Beschäftigung mit den kommunikativen Strategien, die spanische Muttersprachler anstelle der deutschen Modalpartikel anwenden, erwuchs Interesse für die Diskursmarker des Spanischen (vgl. Ferrer Mora, 2000: S.254-255) - dies unterstreicht ihre pragmatischen Aspekte, auf die bereits eingegangen wurde. Für die untersuchte Kategorie der Konnektoren (siehe oben) geht Ferrer Mora (ebd.: S.269) sogar davon aus, dass diese der deutschen Kategorie der Modalpartikel entspricht. Unabhängig davon, ob man dieser These zustimmt, kann dieser Vergleich zu einer in der deutschen Linguistik etablierten Kategorie dazu beitragen, das Konzept der pragmatischen Diskursmarker besser zu verstehen.
3. Diskursmarker in Guantanamera: Hypothesen
3.1. Diskursmarker im Film und ihre linguistische Analyse
Im Gegensatz zu herkömmlichen Corpora, die zumeist spontane, mündliche Kommunikation in transkribierter Form abbilden, handelt es sich bei Guantanamera um einen Spielfilm. Neben weiteren speziellen Eigenheiten, auf die im Folgenden eingegangen werden wird, ist festzuhalten, dass ein grundsätzlicher Unterschied zu anderen Corpora darin besteht, dass die veröffentlichte Version eines Films nur einen Teil des vorhandenen Materials umfasst. Das Genre der Dokumentarfilme arbeitet zwar mit authentischem Material, dieses unterliegt jedoch einer Vorauswahl - der Regisseur entscheidet sich nach künstlerischen Gesichtspunkten für oder gegen die Inkorporation des in realen Situationen aufgezeichneten Geschehens. Im Falle von Spielfilmen geht diese Selektion noch einen Schritt weiter, da der Regisseur sich nicht nur für oder gegen die Aufnahme einer Szene in die Endfassung entscheiden kann, sondern auch die Möglichkeit hat, den Take wiederholen zu lassen. In Filmszenen ist deshalb nur dann mit Versprechern, Sprechpausen oder verfehlter Kommunikation zu rechnen, wenn dies so gewollt ist - ganz im Gegensatz zu spontaner, authentischer Kommunikation.
Sieht man von speziellen Stilmitteln wie dem Brechen der vierten Wand (etwa in einem ironischen Metadiskurs) einmal ab, verfolgt die in Spielfilmen eingesetzte Sprache stets das Ziel, möglichst authentisch und natürlich zu wirken. Baumgarten (2003: S.3, eigene Übersetzung des Autors) spricht von „perfekt getarnter Fiktionalität“ - gestellt oder unnatürlich wirkende Dialogpassagen sollen also möglichst vermieden werden. Gleichzeitig ist die Kommunikation in Spielfilmen zweckmäßig und auf den Zuschauer ausgerichtet (vgl. ebd.). Dies bedeutet, dass die Dialoge nicht aus den kommunikativen Bedürfnissen der fiktiven Charaktere entstehen, sondern dazu dienen, die Handlung voranzutreiben, dem Zuschauer Informationen zu vermitteln, oder zur Charakterisierung der handelnden Personen beitragen. Obwohl Dialoge in Spielfilmen echt wirken sollen, erfüllen sie also ganz andere Funktionen als tatsächliche Gespräche. Aus diesem Grund kann angenommen werden, dass echte Gespräche und Dialoge in Filmen sich auch in Bezug auf die sprachlichen Mittel unterscheiden.
Wie bereits erwähnt sind Diskursmarker typisch für spontane und gesprochene Sprache, weshalb sie dazu beitragen könnten, Dialoge in Filmszenen authentisch erscheinen zu lassen. Eine Untersuchung von Taylor (2004) zeigte auch tatsächlich, dass Diskursmarker in Filmen präsent sind. Allerdings erreicht ist dort ihre Frequenz deutlich niedriger als in realen Gesprächssituationen. Die Auswertung der Skripte von 50 Filmen, die zusammengenommen etwa 1.000.000 Wörter enthalten, ergab im Vergleichmit einem etwa gleich großen Corpus des Englischen die in Tabelle 1 dargestellten Wortfrequenzen.
Tabelle 1: Vergleich der Frequenz von Diskursmarkern in Filmen und in spontaner
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
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- Citation du texte
- Jakub Duch (Auteur), 2016, Der Gebrauch pragmatischer Diskursmarker im kubanischen Spanisch am Beispiel des Spielfilms "Guantanamera", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/514400
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