Der Jahrhundertsommer 2003 und die außergewöhnlichen Wetterphänomene der letzten Zeit haben viele Menschen nachdenklich gestimmt, ob wir uns nicht langsam auf die jahrzehntelang von Wissenschaftlern bereits prognostizierten Umweltkrisen zu bewegen. In der „großen Politik“ stehen zumeist kurzfristige Wirtschaftsinteressen über den langfristigen Zielen für eine intakte Umwelt und lebenswerte Zukunftsperspektiven. In den letzten Jahrzehnten ist jedoch in einigen Industrienationen ein Umdenken wahrzunehmen. Man beginnt in vielen Bereichen zu erkennen, dass ein wirtschaftliches Wachstum nur mit und nicht gegen die Natur gelingen kann – der Begriff „Nachhaltigkeit“ bekommt Gewicht. Es liegt an uns allen, unsere Bedürfnisse so zu befriedigen, dass die vorhandenen Ressourcen für alle reichen und den zukünftigen Generationen die Chancen für ein gutes und gesundes Leben erhalten bleiben.
Insbesondere die Kinder werden Erben der heutigen Aktivitäten – im positiven und negativen Sinne – sein. Damit rücken auch die Schulen in den Blickpunkt, denn wo könnte man besser für eine Bildung zu einer nachhaltigen Entwicklung ansetzen als bei den Schulkindern? Sollten nicht gerade sie in die Lage versetzt werden, ihre eigene Zukunft mitzugestalten? Diese Zukunft wird geprägt sein von einer steigenden Anzahl von Umwelt- und Naturkatastrophen, wenn wir so weiter machen wie bisher. Daher sehe ich den Leitgedanken von „Umwelterziehung in der Primarstufe“ auch unter dem Aspekt, wie der Unterricht in der Schule einen Gesinnungswandel von einem eher nachlässigen Umgang mit der Natur und Umwelt hin zu einem umweltgerechten Handeln fördern kann.
Die Visionen, Wünsche und Bedürfnisse der Kinder sollen als kreative Quelle mit in den Unterricht einfließen. Deshalb lege ich einen großen Wert auf die projektbezogenen Unterrichtsmodelle, die hier ausführlich dargelegt werden.
Immer lauter ergeht der Ruf an die Schulen von heute, die nachfolgende Generation zukunftsfähig für die Welt von morgen zu machen. Unsere Zukunft ist jedoch von einer intakten Natur und Umwelt abhängig, insofern ist das Eine vom Anderen nicht zu trennen. So hoffe ich, mit dieser Arbeit einen kleinen Beitrag für eine lebenswerte Zukunft zu leisten!
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
Die Umweltsituation heute und morgen als Ausgangspunkt
eines verstärkten Engagements für die Umwelterziehung
2. Historische Entwicklung der Umwelterziehung
Von den „Grenzen des Wachstums“ zu einer „nachhaltigen
Entwicklung“ - Beginn eines Umdenkens in der Umweltpolitik
2.1. Agenda
2.1.1. Konzepte und Forderungen
2.1.2. Was hat sich seit der Agenda 21 im Jahr 1992 geändert?
2.1.3. Nachhaltigkeit in der Schule – Bildung für das 21. Jahrhundert
2.2. Verankerung der Umwelterziehung in den allgemeinen Bildungseinrichtungen
3. Entwicklung der Umwelterziehung in der Primarstufe
3.1. Richtlinien und Lehrpläne
3.2. Umwelterziehung im ganzheitlichen Bildungsauftrag
der Grundschule
3.3. Stand der Umwelterziehung in den Grundschulen heute
4. Ziele der Umwelterziehung
4.1. Umwelt- und Naturerfahrungen der Kinder fördern
4.2. Umweltwissen vermitteln
4.3. Umweltgerechte Einstellungen wecken
4.4. Zu einem umweltgerechten Handeln führen
5. Methoden der Umwelterziehung
5.1. Die Projektmethode
5.1.1. Die historische Entwicklung der Projektmethode
5.1.2. Projektmethode nach Dewey
5.1.3. Projektmethode nach Kilpatrick
5.1.4. Projektmethode nach Frey
5.1.5. Umsetzung der Projektmethode in der Umwelterziehung
5.2. Werkstattkonzept nach J. B. Cornell
5.3. Gemeinsamkeiten umwelterzieherischen Methoden
5.3.1. Situations- und Handlungsorientierung
5.3.2. Ganzheitlichkeit
5.3.3. Interdisziplinarität
5.3.4. Schülerzentrierung
6. Inhalte der Umwelterziehung in der Primarstufe
6.1. Die unüberschaubare Vielfalt an Unterrichtsthemen in der Umwelterziehung
6.2 Der Umweltfaktor „Wasser“
6.3. Der Umweltfaktor „Luft“
6.4. Waldpädagogik und „Rollende Waldschule“
6.5. Das Umweltproblem „Müll“
6.6. Schulgarten
7. Weitere didaktische Anregungen zu den unterschiedlichen Fächern der Primarstufe
7.1. Sprache
7.2. Mathematik
7.3. Musik
7.4. Kunst/ Textil
7.5. Religion
8. Zusammenfassung und Ausblick
Umwelterziehung bleibt die Herausforderung
für das 21. Jahrhundert
9. Anhang
9.1. Literaturangaben
9.2. Bildnachweise
9.3. Erklärung
1. Einleitung
Die Umweltsituation heute und morgen als Ausgangspunkt eines verstärkten Engagements für die Umwelterziehung
Nach einer Umfrage vom Meinungsforschungsinstitut IPSOS aus Mölln, die am 30.11.2003 in Frankfurt am Main von der WWF-Stiftung vorgestellt wurde, stuften 74 % der befragten Deutschen die Gefahren durch Klimaveränderungen als groß oder sehr groß ein.[1]
Mit dieser Veröffentlichung vor Beginn der Weltklimakonferenz, die vom 1.-12. Dezember 2003 in Mailand stattfand, wird deutlich, dass die Mehrzahl der Menschen hierzulande um die Gefahren des weltweiten Klimawandels wissen, ja, sich sogar von ihnen bedroht fühlen.
Nach heutigem Erkenntnisstand verändert die Menschheit nunmehr seit 40.000 Jahren die Erde und hat damit Tausende von Umweltkatastrophen verursacht.[2]
Um ein Beispiel zu geben: 300 v. Chr. hat man den Wald auf der Insel Ägäis in Griechenland gerodet. Bis heute ist eine Wiederaufforstung nicht gelungen, weil die Bodenerosion zu weit fortgeschritten ist. Das ist einer von vielen Beweisen dafür, dass die Natur nicht alles wieder neu richtet, was der Mensch ihr antut.
In früheren Jahrhunderten waren die Umweltfrevel der Menschen allerdings lokal begrenzt, so konnten die Griechen damals in neue Städte auswandern.
Seit nunmehr etwa 50 Jahren beeinflussen wir jedoch erstmals die globalen geo- und biochemischen Kreisläufe der Erde und können uns somit ein Versuch- und Irrtum-Verfahren nicht mehr leisten.[3]
Der Jahrhundertsommer 2003 hat Viele nachdenklich gestimmt, ob wir uns nicht langsam auf die jahrzehntelang von Wissenschaftlern bereits prognostizierten Umweltkrisen zu bewegen. Ein Hitzerekord nach dem anderen wurde in diesem Sommer gebrochen – der Deutsche Wetterdienst verzeichnete u.a. den heißesten Juni seit 100 Jahren: In den Alpen taute ewiges Eis, sodass vom Matterhorn in 3400 Meter Höhe Felsen abbrachen; überall in Europa gab es Ernteschäden in Milliardenhöhe, in Frankreich wurde Trinkwasser knapp, die Waldbrandgefahr stieg und dort, wo ein Jahr vorher noch das Jahrhunderthochwasser hunderttausenden von Menschen in Sachsen und umliegenden Regionen teilweise alles Hab und Gut fortgeschwemmt hatte, hat die Trockenheit die Binnenschifffahrt zum Erliegen gebracht.[4]
In vielen Publikationen, so z. B. in der Dokumentation über die Hochwasserkatastrophe im August 2002: „Die Flut des Jahrhunderts. Naturkatastrophen bedrohen uns. Was sind die Ursachen? Was kann man tun?“ von Joachim Pletsch heißt ein Kapitel zu Recht: „Wir müssen uns ändern!“.
Dort wird u.a. darauf hingewiesen, dass die USA zu den weltweit größten Umweltverschmutzern zählt und keine Einsicht erkennen lässt, beispielsweise den CO 2- Ausstoß zu vermindern.[5]
Mit dem Kyoto-Protokoll, in dem viele Industriestaaten 1997 versprachen, ihre Treibhausemissionen bis 2012 um rund 5 % unter das Niveau von 1990 zu senken, hofft man, eine weitere Erwärmung des Weltklimas bei einem verträglichen Maß zu stoppen. 0,6 Grad Anstieg hat es den Angaben des Protokolls zufolge seit Beginn der Industrialisierung bereits gegeben. Bei einem weiteren Anstieg drohen Dürre und damit verbundene Ernteausfälle sowie die Ausbreitung so schwerer Krankheiten wie Malaria. Doch weder die USA, noch Russland haben das Kyoto-Protokoll bislang ratifiziert.[6]
Heute sind es zum großen Teil immer noch die ärmeren Länder, in denen sich die Klimaveränderungen am drastischsten auswirken. So sind die immer öfter auftretenden starken Überschwemmungen in Bangladesch, lange Dürreperioden u.a. in Aserbaidschan oder z.B. drei katastrophale Winter in Folge in der Mongolei wohl nur Vorboten für das, was die Industrienationen in den nächsten Jahren und Jahrzehnten zu erwarten haben. Die Versicherungen haben bereits im Jahrzehnt zwischen 1990 und 2000 mehr als 16-mal so viel an Schadensumme zum Ausgleich für Naturschäden bezahlt wie von 1960 bis 1970.[7]
Vermutlich haben aber gerade die USA noch nicht genügend wirtschaftliche Schäden durch klimabedingte Umweltkatastrophen erlitten, sonst würden auch sie die Alarmsignale ernster nehmen. Es ist nur als skandalös zu bezeichnen, dass sie mit 4,6 % der Weltbevölkerung ca. 25 % der weltweiten Energie verbrauchen.[8]
In der so genannten „großen Politik“ stehen zumeist kurzfristige Wirtschafts-Interessen über den langfristigen Zielen für eine intakte Umwelt und lebenswerte Zukunftsperspektiven. In den letzten Jahrzehnten ist jedoch in einigen Industrienationen ein Umdenken wahrzunehmen. Man beginnt in vielen Bereichen zu erkennen, dass ein wirtschaftliches Wachstum nur mit und nicht gegen die Natur gelingen kann – der Begriff: „Nachhaltigkeit“ bekommt Gewicht.
Das Prinzip der Nachhaltigkeit wurde zuerst in der Forstwirtschaft entwickelt und bedeutet, dass wir der Natur nur so viel entnehmen dürfen, wie sie selbst wieder regenerieren kann.[9] Um ca. 1700 veranlasste eine sich schnell verschärfende Holzknappheit den adeligen Hans Carl von Carlowitz in der Silberstadt Freiberg (Sachsen) zur Erarbeitung eines Nachhaltigkeitskonzept zur dauerhaften Bereitstellung ausreichender Holzmengen für den Silberbergbau. Dabei durfte nur soviel Holz geschlagen werden, wie durch Wiederaufforstung nachwachsen konnte.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz,
„Erfinder“ des Prinzips der Nachhaltigkeit[10]
Auf heutige Verhältnisse übertragen ist noch bedeutend mehr zu berücksichtigen: Nämlich dass dem Wald nicht die natürlichen Lebens- und Wachstumsvoraussetzungen entzogen werden, z.B. durch Schadstoffe im Boden und in der Luft (saurer Regen, Waldsterben), durch Klimawandel (Treibhauseffekt) oder durch Schädigung der Erdatmosphäre (Ozonloch).
Es liegt an uns allen, unsere Bedürfnisse so zu befriedigen, dass die vorhandenen Ressourcen für alle reichen und den zukünftigen Generationen die Chancen für ein gutes und gesundes Leben erhalten bleiben.
Da sich diese Erkenntnis im Bewusstsein vieler Menschen auf allen Teilen der Erde immer mehr durchgesetzt hat, fand 1992 in Rio de Janeiro die große Welt-Konferenz für Umwelt und Entwicklung statt, die „Agenda 21“, auf die ich im Kapitel 2.1. näher eingehen werde. Wichtig ist an dieser Stelle zu erwähnen, dass in ihr 179 Staaten – worunter auch Deutschland war – einem Aktionsplan zugestimmt haben, in dem das Ziel sowohl der Schutz der Umwelt, als auch die soziale Entwicklung der Menschen ist. Die Aufforderung, das eigene Konsumverhalten zu überdenken und zu verändern, geht hierbei nicht nur als Aufforderung an die Handlungsbereitschaft der Regierungen, sondern an alle Bürger, Kommunen, freie Initiativen oder Vereine.
Für einen nachhaltigen Klimaschutz reichen technische Fortschritte, wie der effizientere Einsatz von Energie und die Förderung erneuerbarer Energieträger nicht aus. Durch den weltweit wachsenden Bedarf an Energie werden die Einsparungen schnell wieder aufgezehrt. Notwendig ist also zugleich eine Minderung des Energieverbrauchs, insbesondere in den Industrieländern.
Im gleichen Jahr (1992) der Rio-Konferenz wurde von Deutschland die UN-Kinderrechtskonvention unterschrieben, welche u.a. den Schutz und die Versorgung von Kindern fordert.[11] Wenn diese wirklich ernst genommen werden soll, ist eine genaue Beachtung des Aktionsplans „Agenda 21“ unabdingbar.
Insbesondere die Kinder werden ja Erben der heutigen Aktivitäten – im positiven und negativen Sinne – sein.
Damit rücken aber auch die Schulen in den Blickpunkt, denn wo könnte man besser für eine Bildung zu einer nachhaltigen Entwicklung ansetzen als bei den Schulkindern? Sollen nicht gerade sie in die Lage versetzt werden, ihre eigene Zukunft mitzugestalten? Diese Zukunft wird geprägt sein von einer steigenden Anzahl von Umwelt- und Naturkatastrophen, wenn wir so weiter machen wie bisher. Darin sind sich führende Wissenschaftler einig, wie ich mit der Beschäftigung mit dieser Thematik immer wieder feststellen musste.
Daher sehe ich den Leitgedanken dieser Staatsarbeit: „Umwelterziehung in der Primarstufe“ auch unter dem Aspekt, wie der Unterricht in der Schule einen Gesinnungswandel von einem eher nachlässigen Umgang mit der Natur und Umwelt hin zu einem umweltgerechten Handeln fördern kann.
Eigentlich wollen ja alle eine intakte Umwelt und viele sind auch bereit, etwas dafür zu tun, oder dafür sogar auf etwas zu verzichten. Doch oft hat der Einzelne keine Richtschnur, was man denn selber verbessern kann und ohne greifbare Erfolge erlahmt schnell die Lust in seiner „kleinen Welt“ etwas zu verändern. Dann zeigt man gerne wieder auf „die da oben“, die durch politisches Handeln viel Grundlegenderes verbessern könnten.
Doch bin ich überzeugt, dass es so alleine keinen Wandel geben kann. Jeder Mensch ist in seinem Bewusstsein und seiner Tat zum Handeln aufgefordert.
Daher sollen in dieser Arbeit in den Kapiteln 5 und 6 Anregungen gegeben werden, wie der Lehrer seine Schüler zur Bildung eines umweltgerechten Verhaltens führen kann, wobei seine Vorbildfunktion einen entscheidenden Beitrag dazu leisten muss.
Die Visionen, Wünsche und Bedürfnisse der Kinder sollen als kreative Quelle mit in den Unterricht miteinfließen. Deshalb lege ich in meiner Examensarbeit einen großen Wert auf die projektbezogenen Unterrichtsmodelle, die in Kapitel 4 ausführlich dargelegt werden.
Hinweisen möchte ich schließlich darauf, dass es inzwischen einen Überfluss an Begriffen neben dem der „Umwelterziehung“ gibt, wie z.B.: „Umweltbildung“, „Umweltpädagogik“, „Mitwelterziehung“ oder „Umweltlernen“, die im Grunde jedoch dasselbe meinen.[12]
Als weitere Strömungen haben sich „Ökologisches Lernen“, „Naturbezogene Pädagogik“ und die „Ökopädagogik“ zu Beginn der achtziger Jahren gebildet, die sich insofern von der Umweltbildung und –erziehung unterscheiden, als dass sie sich ausdrücklich von der Schule als Lernort für die Bearbeitung von Umweltfragen distanzieren. Ich bevorzuge daher, gemäß dem Titelthema, in dieser Arbeit den Begriff der „Umwelterziehung“. Lasse mich aber auch als zukünftiger Vertreter der Schule nicht einschränken, so allgemeine Wörter wie „ökologisch“ und „naturbezogen“ zu verwenden, denn so hatte beispielsweise Freinet in den dreißiger Jahren bereits einen in Ansätzen ökologisch zu nennenden Lernbegriff formuliert, als von den aus Bürgerprotestbewegungen hervorgegangenen Gruppierungen überhaupt noch nicht die Rede war.[13]
Immer lauter ergeht der Ruf an die Schulen von heute, die nachfolgende Generation „zukunftsfähig“ für „die Welt von morgen“ zu machen. Unsere Zukunft ist jedoch von einer intakten Natur und Umwelt abhängig, insofern ist das Eine vom Anderen nicht zu trennen. So hoffe ich, mit dieser Arbeit einen kleinen Beitrag für eine lebenswerte Zukunft zu leisten!
2. Historische Entwicklung der Umwelterziehung
Von den „Grenzen des Wachstums“ zu einer „nachhaltigen Entwicklung“ - Beginn eines Umdenkens in der Umweltpolitik
Es ist schwierig, einen genauen Zeitpunkt festzulegen, wann genau der Bewusstseinswandel einsetzte, dass die fortschreitende Industrialisierung des letzten Jahrhunderts zu einer weltumspannenden Umweltkrise führen könnte.
Im Februar 1972 jedenfalls eroberten Dennis und Donella Meadows mit dem Buch: „Die Grenzen des Wachstums“ die Welt im Sturm. Mit Unterstützung eines italienischen Millionärs und dessen privater Institution, des Club of Rome, sowie mittels der Verteilung von 12.000 Freiexemplaren des Buches an Minister und Journalisten in aller Welt gelang es ihnen, Millionen Menschen davon zu überzeugen, dass ihr Computermodell, das eine Katastrophe globalen Ausmaßes voraussagte, ernst zu nehmen sei.
In diesem Modell prognostizierte das Ehepaar Meadows, dass unserer Zivilisation in den nächsten 100 oder gar 50 Jahren ein katastrophaler Kollaps bevorstehe, wenn es nicht gelänge, die augenblicklichen weltweiten Trends im Bereich des Bevölkerungswachstums und der Industrieproduktion in den Griff zu bekommen und die Umweltverschmutzung drastisch zu reduzieren. Durch die Art und Weise der Computerprogrammierung war die Schlussfolgerung jedoch praktisch unausweichlich. So gab Meadows dem Computer die Grundannahme ein, dass die Umweltverschmutzung und unser Bedarf an Boden und Mineralien exponentiell, d.h. mit einer stetig zunehmenden Rate, wüchsen. Technische Errungenschaften und andere positiven Entwicklungen wüchsen jedoch weiterhin mit der augenblicklichen Wachstumsrate. Daher war es nicht überraschend, dass der Computer der Menschheit einen steinigen Weg vorhersagte. Es würde beispielsweise noch vor dem Jahr 2000 zu einem hoffnungslosen Mangel an Land kommen, wenn der Landbedarf pro Kopf auf dem damaligen Niveau bliebe.[14]
Unabhängig davon, für wie glaubwürdig man heute die damaligen Computer-Berechnungen hält, damals besaßen die Voraussagen einen großen Einfluss.
Es ist sicher auch kein Zufall, dass im selben Jahr auf der UNO-Konferenz: „Der Mensch in seiner Umwelt“ in Stockholm das „Zeitalter der Umwelt“ ausgerufen wurde.[15] Auch dort wurden vor allem Schreckensszenarien an die Wand gemalt, als wenn in den kommenden Jahren mit keinerlei Fortschritten zu rechnen sei.
Der Autor des Buches: „Politik und Praxis der Umwelterziehung“, Norbert Reichel, sieht hingegen seit diesem Zeitpunkt einen weitreichenden Bewusstseinswandel sowie zahlreiche umweltpolitische Verbesserungen zumindest in den OECD-Staaten (Organisation for Economic Co-operation and Development) und zitiert einen weiteren Vertreter seiner Ansicht:
„Natürlich haben auch andere erkannt, dass wichtige positive Veränderungen stattgefunden haben. Der Leiter eines großen Industrieunternehmens beispielsweise beschrieb einmal die Entwicklung des umweltbewussten Denkens und Handelns mit den ´drei D´.
Die siebziger Jahre seien die Zeit des ´Dementierens´ gewesen, als die Wirtschaft zu beweisen versuchte, dass nicht sie ´der Schurke´ wäre. Das Schlüsselwort der achtziger Jahre habe ´Daten´ gelautet, als Wirtschaft und Politik miteinander darüber stritten, wessen Daten zu Umweltbedingungen und –risiken wichtiger wären. Am Beginn der neunziger Jahre sei man in das Zeitalter des dritten ´D´, des ´Dialogs´, eingetreten, bei dem Wirtschaft, Staat und Umweltgruppen darin übereinstimmen, dass sie weiter kommen werden, wenn sie miteinander zusammenarbeiten anstatt gegeneinander zu kämpfen, und dass die Verantwortung für die Fehler der Vergangenheit und die Maßnahmen zum Gegensteuern in der Zukunft von der Wirtschaftswelt, dem Staat und den Bürgern gemeinsam getragen werden muss.“[16]
Tatsächlich scheint damit die wesentliche Entwicklung kurz gefasst beschrieben zu sein. Nach der Konferenz in Stockholm gab es im internationalen Kontext 1977 die „Intergovernmental Conference on Environmental Education“ in Tiflis und 1987 die „UNESCO/UNEP-Konferenz“ in Moskau, bis schließlich der „Erdgipfel“ (United Nations Conference for Environment and Development – UNCED) von Rio de Janeiro 1992 mit der „Agenda 21“ grundlegende Leitbilder für das neue Jahrhundert festgesetzt hat.[17] Dort ging es schon nicht mehr darum, ein Bewusstsein für die Umweltprobleme zu schaffen, sondern es standen gezielt wirtschaftliche Fragen im Mittelpunkt. Es geht eben heute vor allem darum, notwendiges Wirtschaftswachstum mit dem Wunsch der Bürger nach einer sauberen und gesunden Umwelt in Einklang zu bringen.
Neue Handlungsorientierungen für eine nachhaltige Entwicklung entstehen jedoch nicht ohne einen grundlegenden Mentalitätswandel im Hinblick auf Lebensstile, Konsumverhalten, Produktentwicklungen und – prozesse. Dies wurde in dem Jahresgutachten „Zur Umsetzung einer dauerhaft umweltgerechten Entwicklung“ des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen (SRU) herausgestellt.[18]
Auch Steuerreformen, Gesetze und Erlasse der Politiker benötigen die Akzeptanz der Bevölkerung. Dies konnte man zuletzt gut im Jahr 2003 feststellen, in dem es schien, dass zum Schluss das Volk die Steuerreform drängender wollte als die Politiker. Um diese Befürwortung zu erreichen, ist eine positive Einstellung zu diesen Maßnahmen Voraussetzung von Politik. Dafür spielen Kommunikations- und Bildungsprozesse eine große Rolle, für die so genannte Non-Governmental-Organisations (NGOs), wie Umweltverbände, aber auch kirchliche und gewerkschaftliche Einrichtungen, Unternehmen sowie freie Träger wichtige Impulsgeber sind. Ohne die vielen kleinen und großen Initiativen hätte es sicher auch in Deutschland nicht einen so massiven Bewusstseinwandel gegeben, dass „Öko“-Produkte nun Massenware geworden sind und „Die Grünen“-Partei, 1979 aus den verschiedenen Umwelt-Verbänden entstanden, heute auf der Regierungsbank sitzt.
Sieht man sich die 24 OECD-Staaten zusammen an, bestehen jedoch bei vielen Fragen erhebliche Unterschiede in Auffassungen und Vorgehensweisen.
Es ist deshalb oft irreführend, wenn man verallgemeinernde Aussagen in der Umweltentwicklung der Völker macht. Dies ergibt sich schon alleine aus den großen geographischen Unterschieden, denn neben 19 europäischen Staaten gehören dazu auch beispielsweise Kanada, Neuseeland, Australien und Japan. Steht für die Türkei vor allem die Wasserqualität im Vordergrund, so geht es Norwegen mehr um Probleme, die sich aus der Zerstörung der Ozonschicht ergeben, während es den USA vor allem um die Luftqualität in den Städten geht.
Auch das unterschiedliche Niveau der wirtschaftlichen Entwicklung, des Lebensstandards, der Kultur und dem Bestand an Bodenschätzen spielt dabei eine Rolle. Doch so groß die Unterschiede sind: Gemeinsam ist den OECD-Staaten seit dem Rio-Gipfel, dass ökonomische und ökologische Zielsetzungen nur zusammen erreicht und langfristig erhalten werden können.[19]
Problematischer sieht die Entwicklung in den Ländern aus, die nicht der OECD angehören. Diese Staaten werden ungefähr bis zum Jahr 2010 das Niveau der Emissionsmengen von Kohlendioxid und anderen Treibhausgasen in den OECD-Staaten erreicht haben. Dies liegt vor allem am industriellen Wachstum solcher Länder wie China und Indien. Wer soll ihnen verdenken, dass sie zunächst einmal auf den technischen Entwicklungsstand der westlichen Völker kommen wollen, ehe sie das Umweltbewusstsein übernehmen, das bei uns in mehreren Jahrzehnten langsam gewachsen ist? Für jene ist Armut erstmal „die schlimmste Form der Umweltverschmutzung“.[20]
Darin sieht man schon, dass Umweltpolitik in starkem Maße abhängig ist von der ökonomischen Entwicklung eines Landes.
Doch ist den reicheren Ländern in den letzten Jahren immer deutlicher geworden, dass wir in einer kleiner werdenden, zusammenwachsenden Welt mit den ärmeren Regionen verflochten sind. Die Sorge, in den nächsten Jahren von Umweltflüchtlingen überschwemmt zu werden, die aus ökologisch toten, unfruchtbaren Regionen fliehen werden, wächst.
Als in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre das Loch in der Ozonschicht der Erde über der Antarktis entdeckt wurde, begannen die Wissenschaftler über Klimaveränderungen zu spekulieren. Das völlige Verschwinden von Tropenwäldern und das Ausbreiten von Wüsten wurden heraufbeschworen.
Spätestens jetzt wurden die Umweltprobleme in einem weltweiten Maßstab sichtbar.[21]
1987 erschien der Bericht der Weltkommission unter dem Titel „Our Common Future“ (Unsere gemeinsame Zukunft), welcher zu einer neuen Ära der internationalen Zusammenarbeit zum Ziele einer „nachhaltigen Entwicklung“ aufrief. Dieser Bericht stieß auf zunehmende Unterstützung der Öffentlichkeit und wachsende politische Bereitschaft für eine Wende, sodass die OECD im Oktober 1989 eine Konferenz von Wirtschafts- und Umweltexperten einberiefen, die sich mit dem Konzept der „nachhaltigen Entwicklung“ befassen sollten.
Das Ergebnis war, dass alle Teilnehmer darin übereinstimmten, dass dieses Konzept ein nützliches neues Weltmodell für die Entwicklungsstrategien in reichen wie armen Ländern darstellte und eine dringend notwendige Alternative zu dem schwarz malenden Modell der „Grenzen des Wachstums“ sei, mit dem der Club of Rome Anfang der siebziger Jahre die Umweltproblematik definiert hatte. Die Umweltpolitik müsste den globalen Charakter der Umweltprobleme in Verbindung mit denen der Weltwirtschaft und den Bedürfnissen sowohl jetziger wie zukünftiger Generationen stärker berücksichtigen. Insgesamt wurden neun politische Ziele definiert, die die grundlegenden Elemente einer „nachhaltigen Entwicklung“ bilden sollten. Sie lauten:
„ 1. Förderung des weltweiten Wirtschaftswachstum, insbesondere in den Entwicklungsländern, damit die für einen vernünftigen Umgang mit der Umwelt benötigten Ressourcen frei werden.
2. Verknüpfung von Wirtschafts- und Umweltpolitik, einschließlich der Lösung von Grundsatzkonflikten (wie zum Beispiel Produktionssubventionen).
3. Schaffung der Voraussetzungen dafür, dass Preise für Waren und Dienstleistungen ihre ökologischen Kosten enthalten und Preise für natürliche Ressourcen ihre Begrenztheit und ihren ökologischen Nutzen widerspiegeln.
4. Eindämmung des Bevölkerungswachstums in den Ländern, in denen es zu hoch ist.
5. Förderung der technologischen Innovation und der Verbreitung neuer Erkenntnisse für ein ´sauberes, grünes´ Wirtschaftswachstum.
6. Schaffung eines soliden Managements für einzigartige Ökosysteme.
7. Steigerung der Quantität und der Qualität der Faktoren, die einem vernünftigen Umgang mit der Umwelt förderlich sind (zum Beispiel qualifizierte Arbeitskräfte und hoher Bildungsstandard der Bevölkerung).
8. Erweiterung der internationalen Kooperation, um Staaten bei der Bewältigung ihrer nationalen Umweltprobleme zu unterstützen und ihnen die Möglichkeit zu geben, sich an gemeinsamen Bemühungen um die Bekämpfung von regionalen und globalen Umweltgefahren zu beteiligen.
9. Systematische Kontrolle der national und international erreichten Fortschritte im Hinblick auf die genannten Ziele.“[22]
Mit diesen wichtigen Zielen war eine Basis für das weitere Vorgehen geschaffen.
2.1. Agenda 21
Die Weltkonferenz in Rio de Janeiro im Jahre 1992 wurde von den Vereinten Nationen veranstaltet. Es waren Vertreter von fast 200 Regierungen und vieler Nicht-Regierungsorganisationen, Personen aus Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft anwesend. Begrifflich geht sie auf den Brundtland-Bericht zurück. Der frühere norwegische Ministerpräsident Gro Harlem Brundtland leitete 1987 eine UN-Kommission und definierte die nachhaltige Entwicklung („sustainable development“) folgendermaßen:
„Den Bedürfnissen der heutigen Generation zu entsprechen, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen.“[23]
Zum ersten Mal sprachen reiche und arme Länder offen und ernsthaft darüber, welche Auswirkungen Art und Höhe der Produktion sowie des Verbrauchs auf die globale Umwelt haben, was notwendigerweise verändert werden und realistischerweise erreicht werden könnte. Seit diesem Zeitpunkt haben sich die Verhältnisse für eine konstruktive internationale Diskussion über eine nachhaltige Entwicklung stetig verbessert.[24]
Es wurde die Wende vollzogen von einer getrennten Sicht der Bereiche: Ökonomie, Ökologie, Soziales und Kultur hin zu einer Verknüpfung aller Aspekte, da nur diese umfangreiche Sichtweise zu realistischen Einschätzungen für die gegenwärtigen und zukünftigen Umweltbedingungen kommen kann.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Das „magische Dreieck“ der Nachhaltigkeit („sustainable development“)[25]
Das über allem stehende Motto lautet: Global denken – lokal handeln.[26]
Global, weil es die ganze Erde betrifft und lokal, da Aktionen ganz konkret vor Ort durchgeführt werden sollen im Geist der Agenda (= allg.: Merkbuch, Tagesordnung)[27] 21 (da es das 21. Jahrhundert betrifft).
2.1.1. Konzepte und Forderungen
Insgesamt umfasst die Agenda 21 vier Teile mit 40 Kapiteln.
Sie spricht damit alle Bereiche einer umweltverträglichen, nachhaltigen Entwicklung an. Mit diesem Aktionsprogramm werden detaillierte Handlungsaufträge gegeben, um einer weiteren Verschlechterung der Situation entgegenzuwirken, eine schrittweise Verbesserung zu erreichen und eine nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen sicherzustellen. Wesentlicher Ansatz ist dabei die Integration von Umweltaspekten in alle anderen Politikbereiche.
Das Aktionsprogramm gilt sowohl für Industrie- wie für Entwicklungsländer. Es enthält wichtige Festlegungen, u. a. zur Armutsbekämpfung, Bevölkerungspolitik, zu Handel und Umwelt, zur Abfall-, Chemikalien-, Klima- und Energiepolitik, zur Landwirtschaftspolitik sowie zu finanzieller und technologischer Zusammenarbeit der Industrie- und Entwicklungsländer.
Die gesamte Agenda 21 umfasst in der deutschen Übersetzung 289 DIN A 4-Seiten (+ 70 Seiten Stichwortverzeichnis) und ist im Einzelnen auch teilweise schwer verständlich, daher seien hier nur die einzelnen Kapitelüberschriften in vereinfachter Form zitiert:
„Abschnitt 1:
Sozial- und Wirtschaftsfragen
- Internationale Zusammenarbeit
- Kampf gegen Armut
- Änderung des Konsumverhaltens
- Bevölkerung und nachhaltige Entwicklung
- Schutz und Förderung der menschlichen Gesundheit
- Nachhaltige menschliche Siedlungsformen
- Entscheidungen für nachhaltige Umwelt- und Entwicklungskonzepte
Abschnitt 2:
Erhaltung und Bewirtschaftung von Ressourcen für die Entwicklung
- Schutz der Erdatmosphäre
- Nachhaltige Bewirtschaftung von Bodenressourcen
- Bekämpfung der Entwaldung
- Kampf gegen Wüstenbildung und Trockenheit
- Nachhaltige Entwicklung der Berggebiete
- Nachhaltige Landwirtschaft und ländliche Entwicklung
- Erhaltung der biologischen Vielfalt
- Umweltverträglicher Umgang mit Biotechnologie
- Schutz und Nutzung der Ozeane
- Schutz und Nutzung von Süßwasser
- Sicherer Umgang mit giftigen Chemikalien
- Umweltverträgliche Entsorgung von gefährlichen Abfällen
- Umweltverträglicher Umgang mit festen Abfällen und Abwässern
- Sicherer und umweltverträglicher Umgang mit radioaktiven Abfällen
Abschnitt 3:
Stärkung der Rolle wichtiger Gruppen
- Frauen
- Kinder und Jugendliche
- Eingeborenenvölker
- Regierungsunabhängige Organisationen
- Städte und Gemeinden
- Arbeitnehmer und Gewerkschaften
- Privatwirtschaft
- Wissenschaft und Technik
- Bauern
Abschnitt 4:
Möglichkeiten der Umsetzung
- Zur Finanzierung
- Austausch umweltverträglicher Technologien
- Die Wissenschaft für eine nachhaltige Entwicklung
- Förderung der Schulbildung, des öffentlichen Bewusstseins und der beruflichen Aus- und Fortbildung
- Zur Schaffung von Kapazitäten in den Entwicklungsländern
- Zusammenarbeit für Umwelt- und Entwicklungsfragen auf verschiedenen Ebenen
- Entwicklung internationaler Gesetze
- Informationen für Umwelt und Entwicklung“[28]
Diese Punkte der Agenda 21 können nicht einfach abgehakt werden.
Es handelt sich um einen Prozess, in dem die Strategien für ein nachhaltiges Leben erst entwickelt werden müssen. Die Agenda 21 ist auch kein einklagbares Gesetz, doch durch die Zustimmung von 179 Regierungen ist sie ein sehr wichtiges Dokument. Insbesondere der Abschnitt 3 macht deutlich, dass nicht nur die Regierungen aufgefordert sind, die Ziele umzusetzen. Alle Menschen sollen in den Prozess miteinbezogen werden. Im Abschnitt 1 werden insbesondere die Industriestaaten dazu aufgefordert, sich für eine gerechte Welt einzusetzen und den Entwicklungsländern beim Kampf gegen Hunger, Krankheit, Armut und Ungerechtigkeit zu helfen.
Der Publizist und Kultur-Historiker Ulrich Grober hat sich immer wieder mit Artikeln und Essays mit dem Prinzip der Nachhaltigkeit auseinandergesetzt.
U. a. schreibt er:
„ Unsere Gesellschaft sei sich überhaupt nicht bewusst, welche Verpflichtung sie mit dem Rio-Bekenntnis zur nachhaltigen Entwicklung eingegangen sei, hat mir vor einigen Jahren auf einem Gang durch seine sommergrünen Buchenbestände im Steigerwald der bayerische Forstmann Georg Sperber gesagt: ´Das ist ein Umkrempeln bis tief hinein in das Wesen der Industriegesellschaft. Eine Revolution im wahrsten Sinne des Wortes…´.“[29]
Angesichts der Vielfältigkeit und Komplexität der Agenda-Themen ist es schwierig, sie hier umfangreich vorzustellen. Die folgende Grafik enthält „Allround“ Informationen auf einen Blick:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3: Infografik der zentralen Themen der Agenda 21 vom Evangelischen Presse-Dienst[30]
Die gesamte Grafik ist viergeteilt. In ihr bildet die Erde den Mittelpunkt, um die sich die vier Bereiche: Generationen, Ökonomie, Soziales/ Politik und Ökologie drehen.
In den äußeren Teilen der Grafik werden die zu berücksichtigenden Aspekte der drei Gebiete, welche auch das Dreieck der nachhaltigen Entwicklung bilden (Ökonomie, Ökologie und Soziales), genannt. Sie werden sozusagen „gekrönt“ von dem zentralen Ziel der Agenda 21, nämlich gleiche Lebenschancen für gegenwärtige und zukünftige Generationen zu erreichen.
2.1.2. Was hat sich seit der Agenda 21 im Jahr 1992 geändert?
Etwa zwölf Jahre nach dem Rio-Gipfel kann man sagen, dass es viele gute Ansätze in der Umweltbildung in Deutschland gegeben hat. Hierauf wird im folgenden Kapitel 2.1.3 noch speziell einzugehen sein.
Jedoch global betrachtet ist die Agenda 21 nur halbherzig oder gar nicht umgesetzt worden. Schon der erste Bilanz-Erdgipfel Rio + 5 (1997 in New York) brachte enttäuschende Ergebnisse und desillusionierte die Agenda-Engagierten weltweit.[31] Nach nunmehr 32 Jahren seit der ersten UN-Umweltkonferenz (Stockholm 1972) und 12 Jahren seit dem Erdgipfel in Rio de Janeiro 1992 fällt die neuerliche Bilanz für viele der drängendsten globalen Probleme abermals düster aus: Armut, Bevölkerungsentwicklung, biologische Vielfalt, Energie und Ressourcen, Hunger und Unter- bzw. Fehlernährung, Klimaerwärmung, verschwenderischer Konsum- und Lebensstil in den reichen Ländern, Müll und langlebige Umweltgifte, Umweltzerstörung, Wasser, Wald - in allen Problembereichen hat sich die Lage seit Rio 1992 z. T. dramatisch verschärft.
Ein Ziel des Umweltgipfels war beispielsweise „die Stabilisierung der Treibhausgaskonzentrationen auf einem Niveau zu erreichen, …das sich die Ökosysteme auf natürliche Weise den Klimaänderungen anpassen können, die Nahrungsmittelerzeugung nicht bedroht wird und die wirtschaftliche Entwicklung auf nachhaltige Weise fortgeführt werden kann.“[32]
Um die weltweiten Klimaveränderungen zu stoppen, verhinderten jedoch bislang die gravierenden Interessengegensätze zur Industrie und Wirtschaft die dafür notwendigen Schadstoff-Reduktionsmaßnahmen.
Nach Rio wurden inzwischen in 10 weiteren Konferenzen versucht, die Rahmenkovention in konkrete Reduktionszahlen für Staaten und Regionen umzusetzen: Berlin 1995, Genf 1996, Kyoto 1997, Buenos Aires 1998, Bonn 1999, Den Haag 2000, Bonn 2001, Marrakesch 2001, Neu-Delhi 2002, Mailand 2003.[33] Ohne nun auf die einzelnen Ergebnisse dieser Konferenzen einzugehen, da sich der Hauptteil dieser Arbeit ganz auf die Umweltbildung und – erziehung konzentrieren soll, ist doch zu erwähnen, dass die Treibhausemissionen, statt zu sinken, weltweit von 1990 bis 2001 um 20 % angestiegen sind. In einem Gutachten des WBGU („Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen“) betonen die Wissenschaftler, dass gefährliche Klimaveränderungen nur noch vermeidbar sind, wenn insbesondere der CO2 (Kohlendioxid)-Ausstoß bis 2050 global um etwa 45-60 % gegenüber 1990 gesenkt werden müsse.[34]
Das Kyoto-Protokoll aus dem Jahr 1997 ist von besonderer Bedeutsamkeit, da sich die bei diesem Treffen versammelten Mitgliedsstaaten konkret verpflichten sollten, ihre Emissionen bis 2012 um im Schnitt 5,2 % zu vermindern. Bis heute haben es aber nur 119 Staaten ratifiziert. Das Kyoto-Protokoll gilt erst als angenommen, wenn mindestens 55 % der Vertragsstaaten, die zugleich für mindestens 55 % des weltweiten CO2-Ausstoßes der Industrieländer verantwortlich sein müssen, es im eigenen Parlament ratifizieren. 90 Tage später tritt es in Kraft. Ziel war es, dies bis spätestens 10 Jahre nach der Rio-Konferenz im Jahr 2002 zu schaffen, was aber scheiterte, da die USA und Russland es nicht ratifizierten. Die USA haben einen Anteil am weltweiten CO2-Ausstoß der Industriestaaten von etwa 36 %, Russland von 17,4 %. Die jetzige US-Regierung unter George W. Bush betreibt eine dezidiert gegen das Kyoto-Protokoll gerichtete Politik – Klimaschutzmaßnahmen seien unvereinbar mit dem „American Way of Live“.[35]
So zog der BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland) beim Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung in Johannesburg die Bilanz:
„Der rückständigen US-Regierung, unterstützt von Australien, Kanada, Japan und den OPEC-Staaten ist es gelungen, dass die Nachhaltigkeit in vielen Punkten auf dem Altar kurzfristiger wirtschaftlicher Interessen geopfert wurde. Aus dem Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung ist deshalb ein Gipfel der nachhaltigen Enttäuschung geworden.“[36]
Deutschland dagegen ist einer der Vorreiter in Sachen Reduktion der Treibhausgas-Emissionen und wird als solcher demonstrieren müssen, dass Klimaschutz nicht zulasten von Wirtschaft und Wohlstand geht. In der folgenden Tabelle sind die Vorgaben des Kyoto-Protokolls sowie deren Umsetzung in einzelnen Ländern zu sehen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 4: USA, Spanien, Japan und Italien weichen am stärksten
negativ von den Vorgaben des Kyoto-Protokoll ab[37]
Gerade in Deutschland gibt es viele so genannte NGO´s („Non Government Organisations“), also Nichtregierungsorganisationen, die zahlreiche Bürger aktivieren, zu umweltpolitischen Themen das Wort zu ergreifen. Dazu gehört z.B. die Deutsche Bundesstiftung Umwelt, der BUND, der NABU (Naturschutz Bund), die Heinrich Böll-Stiftung, usw.
Auch wenn den Bürgern oftmals die nötigen Entscheidungsbefugnisse verweigert werden, so haben sie auf diese Weise doch einen Einfluss auf politische Entscheidungen. Mit Sicherheit hat das große Engagement dieser Menschen zu den im Vergleich mageren Umweltfortschritten vieler anderer Industriestaaten seinen Teil beigetragen. Kann es denn ein Zufall sein, dass sich ausgerechnet in dem Land, in dem auf verschwenderischste Weise mit den Ressourcen umgegangen wird, die wenigsten für Politik interessieren: den USA?[38]
Wie wichtig ist also Aufklärung der Bevölkerung, Entwicklung von Eigeninitiative und damit auch engagierte Umweltbildung in den Schulen!
2.1.3. Nachhaltigkeit in der Schule – Bildung für das 21. Jahrhundert
Im Kapitel 36 der Agenda 21 geht es um drei große Bildungsanliegen, die mit fast allen anderen Programmbereichen in Verbindung stehen. Es geht um die
„a) Neuausrichtung der Bildung auf eine nachhaltige Entwicklung
b) Förderung der öffentlichen Bewusstseinsbildung;
c) Förderung der beruflichen Ausbildung“[39]
Der erste dieser drei Punkte trifft explizit das Thema dieser Staatsarbeit. Daher möchte ich an dieser Stelle den genauen Wortlaut der Agenda 21 dazu wiedergeben. Dieser Text fungiert als Handlungsgrundlage für die Neuausrichtung der Bildung auf eine nachhaltige Entwicklung:
„Bildung/Erziehung einschließlich formaler Bildung, öffentliche Bewusstseinsbildung und berufliche Ausbildung sind als ein Prozess zu sehen, mit dessen Hilfe die Menschen als Einzelpersonen und die Gesellschaft als Ganzes ihr Potential voll ausschöpfen können. Bildung ist eine unerlässliche Voraussetzung für die Förderung einer nachhaltigen Entwicklung und die Verbesserung der Fähigkeit der Menschen, sich mit Umwelt- und Entwicklungsfragen auseinanderzusetzen. Während die Grunderziehung den Unterbau für eine umwelt- und entwicklungsorientierte Bildung liefert, muss letzteres als wesentlicher Bestandteil des Lernens fest mit einbezogen werden. Sowohl die formale als auch die nichtformale Bildung sind unabdingbare Voraussetzungen für die Herbeiführung eines Bewusstseinswandels bei den Menschen, damit sie in der Lage sind, ihre Anliegen in Bezug auf eine nachhaltige Entwicklung abzuschätzen und anzugehen. Sie sind auch von entscheidender Bedeutung für die Schaffung eines ökologischen und eines ethischen Bewusstseins sowie von Werten und Einstellungen, Fähigkeiten und Verhaltensweisen, die mit einer nachhaltigen Entwicklung vereinbar sind, sowie für eine wirksame Beteiligung der Öffentlichkeit an der Entscheidungsfindung. Um wirksam zu sein, soll sich eine umwelt- und entwicklungsorientierte Bildung/Erziehung sowohl mit der Dynamik der physikalischen/ biologischen und der sozioökonomischen Umwelt als auch mit der menschlichen (eventuell auch einschließlich der geistigen) Entwicklung befassen, in alle Fachdisziplinen eingebunden werden und formale und nonformale Methoden und wirksame Kommunikationsmittel anwenden.“[40]
Es wird also als Erweiterung der „Grunderziehung“ eine Bildung gefordert, die Menschen befähigt, selber für eine nachhaltige Entwicklung einzutreten. Diese Umweltbildung soll nicht ein in sich abgegrenzter Bereich sein, sondern mit allen Teilgebieten der Bildung insgesamt verbunden werden, damit der Mensch ein umfassendes Umweltbewusstsein entwickelt.
Zu diesem Zweck gibt es u.a. in Nordrhein-Westfalen seit Anfang 2003 „Agenda 21 Schulen“, die sich an den Konferenz-Beschlüssen von Rio orientieren.
1997 trafen sich VertreterInnen von ca. 40 Schulen aus NRW zu einem ersten Treffen in Hagen mit dem Ziel, ein Netzwerk aller an der Agenda 21 interessierten Schulen zu bilden. Ein Ergebnis war die gemeinsame Kommunikationsplattform „learn-line.nrw“.[41]
Als dann im Jahr 2000 die internationale Ausschreibung für „Umweltschulen in Europa“ stattfand, haben sich 250 Schulen in NRW erfolgreich daran beteiligt. Diese wurden 2003 von der neuen Kampagne „Agenda 21 in der Schule“ abgelöst.
Die neue Kampagne will Schulen aller Schulformen anregen, Bildung für nachhaltige Entwicklung im Schulalltag zu etablieren. Dabei bietet sie sowohl die Möglichkeit, erste Schritte in diese Richtung zu tun wie bereits gemachte Erfahrungen zu erweitern und ökologische mit ökonomischen, sozialen und globalen Aspekten zu verknüpfen. Im Sinn der Agenda 21 ist es Methode und Ziel zugleich, Schüler, Lehrer, Eltern und Schulpersonal sowie außerschulische Partner an der Ausgestaltung einer Bildung für nachhaltige Entwicklung zu beteiligen.
Schulen sind Ressourcen verbrauchende, Müll und Schadstoffe produzierende Systeme. Nachhaltigkeit in der Schule bedeutet also zunächst auch hier Ressourcen einzusparen und den Müll- und Schadstoff-Ausstoß zu reduzieren. Dabei geht es z.B. um umweltfreundliche Schultaschen, Solarstrom auf dem Dach, Mülltrennung, fairen Handel, Energiesparen, Eine-Welt-Arbeit, Schulumfeldgestaltung oder Einführung von „Öko“-Milch als Pausengetränk.
Es gibt eine Auszeichnung zur „Agenda 21 Schule“ in zwei Stufen:
STUFE I:
Die Auszeichnung „Agenda 21-Projekt in NRW“ signalisiert, dass die Schule auf dem Weg zu einer Bildung für nachhaltige Entwicklung ist.
Es werden ein oder mehrere Unterrichts- oder Schulprojekte über zwei Jahre durchgeführt, an der mindestens zwei Lehrkräfte der Schule teilnehmen, eine Klasse und ein außerschulischer Partner. Das Projekt muss wenigstens zwei Dimensionen einer Bildung für nachhaltige Entwicklung beinhalten (z.B. aus ökologischer und sozialer Hinsicht). Davon muss der Natur- und Umweltschutz-Akademie NRW (NUA) eine aussagekräftige Dokumentation vorgelegt werden.
STUFE II:
Die Auszeichnung „Agenda 21-Schule in NRW“ zeigt, dass die Schule systematisch Bildung für nachhaltige Entwicklung in Unterricht
und Schulleben umsetzt.
Hierbei müssen ebenfalls Projekte durchgeführt werden, allerdings mit mindestens drei Dimensionen einer Bildung für nachhaltige Entwicklung. Das Vorhaben muss im Schulprogramm verankert und durch die Nutzung geregelter Kommunikationsstrukturen (z.B. durch Pressearbeit) veröffentlicht werden.[42]
Solche „Agenda 21 Schulen“ kooperieren inzwischen in regionalen und auch überregionalen Netzwerken. Daneben gibt es jedoch noch andere Namen für Schulen, die sich auf den Weg gemacht haben oder auf dem Weg sind, die Agenda 21 in die Tat umzusetzen: dazu gehören die Umweltschulen in Europa, die GÖS-Schulen (G estaltung des Schullebens und Ö ffnung von S chule), GLOBE-Schulen (G lobal L earning and O bservation to B enefit the E nvironment), BLK-Schulen (B und- L änder- K ommission für Bildungsfragen und Forschungsförderung), Charta-Kontaktschulen für Umwelt und Entwicklung sowie die UNESCO-Projekt-Schulen.[43]
Durch viele gemeinsame Aktivitäten gibt es inzwischen eine große Menge an Unterrichtsmaterialien, die Lehrer für ihre Arbeit im Sinne der Agenda 21 benutzen können. So gibt es z.B. Projektkisten und Aktionskoffer, die sich Schulen kostenlos leihen können[44] und in den verschiedenen Umweltgruppen, Dritte-Welt-Läden, usw. stehen Themenhefte, Spiele, Praxismappen für den Unterricht und vieles andere mehr zur Verfügung.
In der Zeitschrift „Natur&Kosmos“[45] geht der Autor Geseko von Lüpke sogar so weit zu behaupten, die Agenda 21 Schulen seien die Lösung der Bildungsmisere nach dem PISA-Schock in Deutschland.
U. a. schreibt er, wenn die Schulen das neue Leitbild „Nachhaltigkeit“ ernst nähmen, dann muss sich die Schule ändern. Die nachhaltige Umweltbildung könne der Hebel sein, mit dem ein überholtes Bildungssystem zukunftsfähig gemacht werden könne. Und er führt Beispiele von Schulen an, die durch entsprechende Projekte beispielsweise die Müllgebühren von 300.000 DM auf 7.300 DM jährlich gesenkt hätten. Dabei hätten die Schüler, nicht wie sonst üblich, einzelne Fächer abgegrenzt voneinander wahrgenommen, sondern gelernt, die Welt als ein System von Zusammenhängen zu begreifen. Von Lüpke sieht in der Agenda 21 die Basis einer zukunftsfähigen Bildung, welche eine Leitlinie für die Zukunft sein müsse:
„Im Auftrag aus Rio liegt die Chance. Denn Umweltbildung, von dem Berliner Bildungsplaner Gerhard de Haan bislang als ´Ein-Prozent-Disziplin´ bezeichnet, ist mehr als eine Spielerei. Sie bietet Antworten auf fast alle Mängel, die von der ´Pisa´-Studie entdeckt wurden. Die Stellungnahmen zur Untersuchung haben gezeigt, dass Pädagogen und Wissenschaftler, Politiker und Manager, Lehrer-, Eltern- und Schülerverbände neue Wege des Lernens fordern. Da geht es um Lernen an der Praxis und in Zusammenhängen, Lernen mit allen Sinnen und auf selbstbestimmten, kreativen Wegen. All das verlangt Kooperation statt Konkurrenz, Offenheit statt Beschränkung, Selbstentfaltung statt Fremdbestimmung, Interdisziplinarität statt Fächergrenzen, Spiel statt Leistungsdruck.
Umweltpädagogen sind sich sicher: Wenn das alte Bildungswissen unter dem Leitbild ´Ökologie, Zukunftsfähigkeit und Nachhaltigkeit´ neu sortiert wird, zwingen die neuen Inhalte die Schulen zu diesen Methoden.“[46]
2.2. Verankerung der Umwelterziehung in den allgemeinen Bildungseinrichtungen
Beginn in den frühen 70er Jahren
Die Umwelterziehung hat jedoch schon eine längere Tradition als die „Agenda 21“, die sich nach Prof. Reinhold E. Lob, einem „Pionier“ auf diesem Gebiet und heutiger Leiter der „Zentralstelle für Umwelterziehung“ in Essen, bereits in den frühen 70er Jahren abzeichnete. Seit dieser Zeit formierten sich in Deutschland bereits lokale Bürgergruppen, die zunächst spontan gegen Umweltbelastungen ankämpften.[47]
Diese Umweltbewegung zeichnete sich durch Sachkenntnis aus, da sich die engagierten Bürger entsprechendes Bücherwissen geradezu als einen zweiten Ausbildungsweg nach Dienstschluss aneigneten.[48] Von Beginn an gab es enge Kontakte der Bürgerinitiativen zu Universitäten. Durch größere Zusammenschlüsse, die sich später in der Partei „Die Grünen“ oder in Vereinen wie dem „BUND“ vereinten, gab es auch politisch eine Zeit des Aufbruchs.
Dies geschah alles vor dem Hintergrund weltweiter Entwicklungen im Umweltbereich, die im Kapitel 2.1. bereits angesprochen wurden.
Die globalen Umweltprobleme, vor allem wohl auch so spektakuläre Katastrophen wie Tankerunglücke, Entdeckung des Ozonlochs, usw. gaben den einzelnen Gruppen zunehmend gesellschaftliches Gewicht. Durch Umweltforschungsprogramme an den Universitäten machte der Umweltschutz auch vor den Schulen nicht mehr Halt. Es begann eine lebhafte Diskussion um neue Lehrpläne, Lernziele und Arbeitsformen, so dass es bereits 1973 auf Einladung der „Bundeszentrale für politische Bildung“ zu einer ersten bundesweiten Tagung kam, um den Umweltschutz in ein fächerübergreifendes Schulcurriculum einzubeziehen.[49]
Es gab bis dahin zwar bereits gewisse Naturschutzaspekte im Sach-, Biologie- und Geographieunterricht, jedoch wurde die große Umweltgefährdung durch Wasser- und Luftbelastung, Energieknappheit, Müllprobleme, etc. noch nicht aufgenommen. Eilig war man nun bemüht, die Lücke zu schließen und die Umweltproblematiken mit teilweise erschreckenden Bildern in Schulbüchern zu integrieren. Pädagogisch sehr fragwürdig war dabei die Fixierung auf Umweltschäden und das Fehlen von eigenen positiven Handlungsmöglichkeiten für die Schüler. So wurden vielfach dumpfe Umweltängste aufgebaut.[50]
Umwelterziehung – „fächerübergreifend“ oder „Überfach“?
Von Beginn der schulischen Umwelterziehung an griffen jedoch nur die Schulfächer Biologie, Chemie, Geographie und teilweise Sozialkunde die entsprechenden Themen als „Zentrierungsfächer“[51] auf. Fächer wie Philosophie, Musik, Sport, Mathematik und Sprachen wurden überhaupt nicht daran beteiligt.
Diese Einteilung der Schulfächer in wichtige und weniger wichtige hat auf der einen Seite zu erfreulichen Anstrengungen in den naturwissenschaftlichen Fächern geführt, auf der anderen Seite jedoch die Beteiligung und Entfaltung der übrigen Schulfächer wenig gefördert.[52]
Eine mögliche Lösung, diese Konzentration der Umwelterziehung auf wenige naturwissenschaftliche Fächer aufzulösen, wäre z.B. ein eigenes Unterrichtsfach. Der Studiendirektor und stellvertretende Leiter der Abteilung Biologiedidaktik am Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften in Kiel Günter Eulefeld hielt dies allerdings nicht für sinnvoll. Dem Einzelnen seine Einbindung in die Umwelt bewusst und die Rolle individuellen und gesellschaftlichen Handelns für die Nutzung, Gestaltung oder Zerstörung der Natur einsichtig zu machen, kann man nach seiner Überzeugung nicht allein in einem einzelnen Fach verwirklichen. Es geht eben dabei auch um eine wertorientierte Erziehung mit gleichzeitiger Entwicklung von Fähigkeiten und Einstellungen, um die Beziehungen zwischen dem Menschen, der Kultur und Umwelt zu verstehen und zu würdigen. So geriete Umwelterziehung allerdings in Gefahr zu einem „Überfach“ zu werden.[53]
[...]
[1] Vgl. http://www.heute.t-online.de/ZDFheute/artikel/6/0,1367,MAG-0-2055686,00.html „Deutsche empfinden Klimawandel als reale Bedrohung – WWF stellt Umfrage zu Umwelt und Energie vor“, 30.11.2003
[2] Vgl. Seybold, Hansjörg/ Rieß, Werner: Bildung für eine nachhaltige Entwicklung in der Grundschule. Schwäbisch Gmünd 2002, S. 32
[3] Vgl. ebd.
[4] Vgl. http://www.heute.t-online.de/ZDFde/druckansicht/0,1986,2055486,00.html
„Hitze trocknet Europa aus“, 15.07.2003
[5] Vgl. Pletsch, Joachim: Die Flut des Jahrhunderts. Naturkatastrophen bedrohen uns. Was sind die Ursachen? Was kann man tun? Dillenburg 2002, S. 46 ff.
[6] Vgl. http://www.heute.t-online.de/ZDFheute/artikel/7/0,1367,POL-0-2084583,00.html „Deutsche Klimaschutzpflicht von Kyoto fast erfüllt“, 25.11.2003
[7] Vgl. Seybold, Hansjörg/ Rieß, Werner. Schwäbisch Gmünd 2002, S. 38
[8] Vgl. http://www.learn-line.nrw.de/angebote/agenda21/thema/kyoto-protokoll.htm, 16.03.2004
[9] Vgl. Kreuzinger, Steffi/ Unger, Harald: Agenda 21 – Wir bauen unsere Zukunft. Mülheim an der Ruhr 1999, S. 9
[10] Abb. 1: Ulrich Grober: Der Erfinder der Nachhaltigkeit. In: DIE ZEIT Nr. 48/ 25.11.1999,
S. 98
[11] Vgl. Kreuzinger/ Unger 1999, S. 15
[12] Berchtold, Christoph/ Stauffer, Martin: Schule und Umwelterziehung. Eine pädagogische Analyse und Neubestimmung umwelterzieherischer Theorie und Praxis. Frankfurt/ M. 1997,
S. 42 ff.
[13] Vgl. Wurster, Ekkehard: Bewertung pädagogischer Maßnahmen zur Veränderung des Umweltbewusstseins bei Schülern unter Berücksichtigung Sozialpsychologischer Theorien. Frankfurt/ M. 1998, S. 26
[14] Vgl. Pearce, Fred: Treibhaus Erde. Die Gefahren der weltweiten Klimaveränderungen. Braunschweig 1990, S. 233 f.
[15] Reichel, Norbert (Hrsg.): Politik und Praxis der Umwelterziehung. Beiträge der internationalen OECD-Konferenz vom 6. bis 11. März 1994 in Braunschweig. Frankfurt/M. 1995, S. 12
[16] Ebd.
[17] Bölts, Hartmut: Umwelterziehung. Darmstadt 1995, S. 2
[18] Vgl. Giesel, Katharina D./ Haan, Gerhard de/ Rode, Horst: Umweltbildung in Deutschland. Berlin 2002
[19] Reichel 1995, S. 13
[20] Ebd., S. 15
[21] Ebd., S. 17
[22] Ebd., S. 18 f.
[23] http://www.learn-line.nrw.de/angebote/agenda21/info/nachhalt.htm, 16.03.2004
[24] Vgl. Reichel 1995, S. 21 f.
[25] Abb. 2: http://www.learn-line.nrw.de/angebote/agenda21/archiv/bildmed/dreieck.jpg, 16.03.2004
[26] Vgl. Kreuzinger/ Unger 1999, S. 8 f.
[27] Vgl. Bertelsmann Lexikon, Bd. 1. Gütersloh 1992. S. 63
[28] Kreuzinger/ Unger 1999, S. 11
[29] Grober, Ulrich: Die Idee der Nachhaltigkeit als zivilisatorischer Entwurf. In: Politik und Zeitgeschichte, Beilage zu: Das Parlament, Nr. 24. 08. Juni 2001
[30] Abb. 3: http://www.learn-line.nrw.de/angebote/agenda21/info/ag21epd2.htm, 16.03.2004
[31] Vgl. http://www.learn-line.nrw.de/angebote/agenda21/thema/erdgipfel2002.htm, 16.03.2004
[32] Aus der Klimarahmenkonvention. Vgl. http://www.learn-line.nrw.de/angebote/agenda21/thema/cop6b.htm, 16.03.2004
[33] Vgl. http://www.learn-line.nrw.de/angebote/agenda21/thema/kyoto-protokoll.htm, 16.03.2004
[34] Ebd.
[35] Ebd.
[36] Bund-Vorsitzende Angelica Zahrnt, http://www.learn-line.nrw.de/angebote/agenda21/archiv/02/09/BUN94.HTM, 16.03.2004
[37] Abb. 4: Daten der Tabelle aus: DIE ZEIT 46/06.11.03, S. 28
[38] Anm.: Ein Zeichen mangelnden Politikinteresses ist z.B., dass sich die Amerikaner bei der Wahlbeteiligung im Vergleich zu anderen westlichen Demokratien stets auf dem letzten Platz bewegen, vgl. u.a.: http://www.spsr.ch/Archive/Vol2/Issue4/Articles/t05.pdf, 16.03.2004
[39] Aus der deutschen Übersetzung der Agenda 21. Vgl. http://www.learn-line.nrw.de/angebote/agenda21/archiv/ag21dok/index.htm, 16.03.2004
[40] Ebd.
[41] http://www.learn-line.nrw.de/angebote/agenda21/info/ag21schulen.htm, 16.03.2004
[42] Vgl. Natur- und Umweltschutzakademie NRW (NUA): Agenda 21 in der Schule. Leitfaden zur Kampagne. Recklinghausen 2003, S. 4
[43] Eine Übersicht findet man bei: http://www. learn-line.nrw.de/angebote/agenda21/archiv/01/ini6/ini0163.htm, 16.03.2004.
[44] Z.B. erhältlich bei: http://www.mobilspiel.de/Oekoprojekt/pdf/PkAk.pdf, 27.12.2003
[45] Natur&Kosmos, Heft Februar 2002, S. 24-31, http://www.learn-line.nrw.de/angebote/agenda21/archiv/02/02/pisa.htm, 16.03.2004
[46] Ebd.
[47] Lob 1997, S. 1
[48] Vgl. ebd., S. 2
[49] Vgl. ebd., S. 1 ff.
[50] Vgl. ebd., S. 31
[51] Vgl. ebd., S. 5
[52] Vgl. ebd., S. 6
[53] Vgl. Eulefeld, Günter: Ökologie und Umwelterziehung, Stuttgart 1981, S. 60 f.
- Arbeit zitieren
- Jörg Nilgens (Autor:in), 2004, Umwelterziehung in der Primarstufe, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/51389
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