Immer mehr Unternehmen und Organisationen aller Branchen gehen dazu ü-ber, komplexe Sachverhalte mit Hilfe von Teams, z.B. in Projektarbeit, bear-beiten zu lassen. Solche Teams müssen systematisch gemanagt werden, um verwertbare Ergebnisse sicher zu stellen.
Dies erfordert von den Mitarbeitern nicht nur fundiertes Fachwissen, sondern vielmehr müssen sie weitere Kompetenzen vorweisen, um ihren Aufgabenbereich zufrieden stellend ausfüllen zu können. So werden in diesem Zusammenhang häufig so genannte Softskills wie Eigeninitiative, Teamfähigkeit, Kreativität, Flexibilität und Kommunikationsfähigkeit genannt. Darüber hinaus besteht die Notwendigkeit, in größeren fachlichen Zusammenhängen analysieren, planen und Entscheidungen treffen zu können. Hierzu müssen die Mitarbeiter stärker als zuvor in der Lage sein, Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen und sich selbstständig neues Wissen anzueignen. Ähnliche Beobachtungen können für die gesamte Gesellschaft gemacht werden. Zu einem erfolgreichen Management der privaten Lebensführung sind Fähigkeiten zur Selbstreflexion und zur Selbstorganisation unbedingt notwendig.
Es ist daher auch die Aufgabe der Bildungsinstitute, speziell des Berufskollegs, diese Kompetenzen zu vermitteln. Wer bereits in seiner Schulzeit Erfahrung im Umgang mit den grundlegenden Arbeitsweisen durch selbst gesteuertes und kooperatives Lernen und den damit verbundenen Chancen und Risiken gemacht hat, ist den ständig wachsenden Anforderungen im späteren Leben (Privat- und Berufsleben) sicherlich besser gewachsen. Niemand kann heute erwarten, in der Jugend soviel Wissen anzusammeln, dass es für das ganze Leben reicht. Aus diesem Grund befasst sich diese Arbeit mit der Entwicklung eines Konzepts zur Förderung der wohl wichtigsten Kompetenzen, dem selbst gesteuerten und kooperativen Lernen im Rahmen einer Existenzgründung.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Problemdarlegung
2.1 Motivation
2.2 Rahmenbedingungen
2.3 Zielsetzung
2.4 Vorgehensweise
3 Theoretischer Hintergrund
3.1 Existenzgründung
3.2 Selbst gesteuertes Lernen
3.3 Kooperatives Lernen (Collaborative Learning)
4 Möglichkeiten zur praktischen Umsetzung
4.1 Darstellung eines möglichen Ablaufs eines Existenzgründungskurses
4.2 Anforderungen an die Lernenden
4.3 Förderung des selbst gesteuerten Lernens
4.4 Förderung des kooperativen Lernens
5 Reflexion und Ausblick
6 Literaturverzeichnis
7 Anhang
Ehrenwörtliche Erklärung
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
Immer mehr Unternehmen und Organisationen aller Branchen gehen dazu über, komplexe Sachverhalte mit Hilfe von Teams, z.B. in Projektarbeit, bearbeiten zu lassen. Solche Teams müssen systematisch gemanagt werden, um verwertbare Ergebnisse sicher zu stellen.[1]
Dies erfordert von den Mitarbeitern nicht nur fundiertes Fachwissen, sondern vielmehr müssen sie weitere Kompetenzen vorweisen, um ihren Aufgabenbereich zufrieden stellend ausfüllen zu können.[2] So werden in diesem Zusammenhang häufig so genannte Softskills wie Eigeninitiative, Teamfähigkeit, Kreativität, Flexibilität und Kommunikationsfähigkeit genannt. Darüber hinaus besteht die Notwendigkeit, in größeren fachlichen Zusammenhängen analysieren, planen und Entscheidungen treffen zu können.[3] Hierzu müssen die Mitarbeiter stärker als zuvor in der Lage sein, Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen[4] und sich selbstständig neues Wissen anzueignen.[5] Ähnliche Beobachtungen können für die gesamte Gesellschaft gemacht werden. Zu einem erfolgreichen Management der privaten Lebensführung sind Fähigkeiten zur Selbstreflexion und zur Selbstorganisation unbedingt notwendig.[6]
Es ist daher auch die Aufgabe der Bildungsinstitute, speziell des Berufskollegs, diese Kompetenzen zu vermitteln. Wer bereits in seiner Schulzeit Erfahrung im Umgang mit den grundlegenden Arbeitsweisen durch selbst gesteuertes und kooperatives Lernen und den damit verbundenen Chancen und Risiken gemacht hat, ist den ständig wachsenden Anforderungen im späteren Leben (Privat- und Berufsleben) sicherlich besser gewachsen. Niemand kann heute erwarten, in der Jugend soviel Wissen anzusammeln, dass es für das ganze Leben reicht.[7] Aus diesem Grund befasst sich diese Arbeit mit der Entwicklung eines Konzepts zur Förderung der wohl wichtigsten Kompetenzen, dem selbst gesteuerten und kooperativen Lernen im Rahmen einer Existenzgründung.
2 Problemdarlegung
2.1 Motivation
Lern- und Beteiligungsbereitschaft und damit verbunden Lern- und Beteiligungsfähigkeit werden heute von Unternehmen als unbedingt notwendig angesehen. Ohne diese Bereitschaft und Fähigkeit könnten viele Unternehmen sich nicht an die ständig wechselnden Marktanforderungen anpassen und sich in einem globalisierten Umfeld behaupten.[8]
Meine Beobachtungen und Erfahrungen im letzten Schuljahr deuten darauf hin, dass viele Schülerinnen und Schüler diese Bereitschaft und Fähigkeit nicht aufweisen.
Es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage nach den Ursachen. Nach meiner Ansicht werden die Schülerinnen und Schüler auch heute noch viel zu sehr als passive Zuschauer im Unterricht betrachtet.[9] Durch diese starke Lehrerzentrierung wird den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit genommen, sich aktiv an ihrem eigenen Lernprozess zu beteiligen. Als Konsequenz ist es vielfach schwierig, die Lernenden dazu zu veranlassen, sich verstärkt in das Unterrichtsgeschehen einzubringen. Schließlich haben sie es nicht anders gelernt.[10]
Die immense Schnelligkeit des Wandels in der Berufswelt bedeutet für die Lernenden, dass ihnen nicht mehr alles auf einem goldenen Tablett dargeboten werden kann, wie es z.B. durch den auch heute noch vielfach praktizierten Frontalunterricht der Fall ist. Nach meiner Einschätzung sind die Schülerinnen und Schüler heutzutage immer weniger in der Lage sich selbstständig mit Informationen zu versorgen und alleine komplexere Aufgaben zu lösen. Daher ist es notwendig sie neben reinem Fachwissen vor allen Dingen das Lernen zu lehren.
Denn nur so sind sie im späteren Berufsleben in der Lage, sich den ständig wechselnden Gegebenheiten in geeigneter Form anzupassen.
Durch die umfangreichen Rahmenvorgaben wie Lehrpläne und didaktische Jahresplanung[11] ergibt sich eine Fülle fachwissenschaftlich zu vermittelnder Kenntnisse, die es schwierig macht, die geforderten Kompetenzen im Unterricht ausreichend zu vermitteln. Sicherlich ist in dieser Hinsicht in letzter Zeit einiges in Bewegung geraten, dennoch ist es nicht immer leicht, Innovationen (z.B. Änderungen in der didaktischen Jahresplanung oder die Zusammenarbeit mit externen Partnern) an der Schule durchzusetzen.
Im Rahmen des Differenzierungskurses besteht daher die Chance, den Schülerinnen und Schülern die unterschiedlichsten Lern- und Lehrmethoden nahe zu bringen und zumindest in Teilen das Verständnis für diese Methoden zu erhöhen oder sie sogar dafür zu begeistern.
Für mich als Referendar ergeben sich hinsichtlich aller Lehrerfunktionen vielfältige Aufgaben. Allerdings konzentrieren sich die Kernpunkte dieser Arbeit vorwiegend auf die Lehrerfunktionen „Unterrichten“ und „Innovieren“.[12]
2.2 Rahmenbedingungen
Im Rahmen meiner Hospitationen habe ich vorwiegend Erfahrungen in Klassen der zweijährigen Berufsfachschule, Fachbereich Wirtschaft und Verwaltung (Höhere Handelsschule)[13], sammeln können. Da der Abschluss in diesem Bildungsgang zum einen auf die Vermittlung erweiterter beruflicher Kenntnisse zielt und zum anderen unter bestimmten Voraussetzungen[14] zu einem Fachhochschulstudium qualifiziert, schien mir dieser Bildungsgang geeignet, um hier eine Existenzgründung mit den Schülerinnen und Schülern durchzuführen. Die Fähigkeiten zum selbst gesteuerten und kooperativen Lernen sind für Schülerinnen und Schüler dieses Bildungsganges in ihrem späteren Studium oder Beruf sicherlich von besonderer Bedeutung.
Um den Schülerinnen und Schülern möglichst früh und intensiv die oben genannten Kompetenzen vermitteln zu können, habe ich mich entschlossen, die Planung einer Existenzgründung in der Unterstufe im Rahmen des Differenzierungsbereiches durchzuführen. Dies bietet den Schülerinnen und Schülern zum einen die Möglichkeit, die im Unterricht erworbenen Kenntnisse unmittelbar in die Praxis umsetzen, und zum anderen werden dadurch die Einschränkungen des Lehrplans und der didaktischen Jahresplanung umgangen. Da die Schülerinnen und Schüler im Rahmen des Differenzierungsbereiches die freie Wahl haben, sich für mein Angebot „Existenzgründung“ zu entscheiden, ist davon auszugehen, dass alle Teilnehmer zumindest ein grundlegendes Interesse an der Thematik haben und somit entsprechend motiviert sind, sich eingehend mit dem Thema Existenzgründung zu beschäftigen. Der intrinsischen Motivation der Schülerinnen und Schüler kommt im weiteren Verlauf der Arbeit eine hohe Bedeutung zu.[15]
Für eine Existenzgründung habe ich mich aus vielen Gründen entschieden. Zunächst habe ich mich aufgrund der vielfältigen Berichte in den Medien (Hartz IV, ICH-AG) aus persönlichem Interesse mit dieser Thematik beschäftigt. Ähnlich wie bei den Schülerinnen und Schüler ist auch für Referendare die berufliche Zukunft keineswegs sicher.
Daher bietet eine Existenzgründung sicherlich eine mögliche Alternative im späteren Berufsleben.[16] Ich denke, dass bereits diese Perspektive, nämlich eine Alternative zu Arbeitslosigkeit und Hartz IV zu haben, den Schülerinnen und Schülern klar macht, dass sie unmittelbar einen persönlichen Nutzen aus ihrem Engagement ziehen können. Denn nicht selten ist die Motivationslosigkeit vieler Schülerinnen und Schüler darin begründet, dass sie keinerlei Sinn in ihrer Anwesenheit in der Schule sehen.
Darüber hinaus lassen sich viele Elemente einer Existenzgründung[17] unmittelbar mit dem Unterricht in BWL und Rechnungswesen, aber auch mit Fächern wie Deutsch, Mathematik, Informationswissenschaft und Volkswirtschaftslehre verbinden. Der fächerübergreifende Aspekt spielt daher ebenfalls eine große Rolle.
Durch die unmittelbare Anwendung des im Unterricht Gelernten auf ihre persönliche Geschäftsidee wird zum einen der Lernerfolg erhöht (90% von dem, was man selber tut, behält man)[18] und zum anderen fördert eine intensive Auseinandersetzung mit den sich ergebenden Problemen das Verständnis.
Ein letzter Punkt bezieht sich auf die Lehrerfunktion Innovieren. Das Thema Existenzgründung bietet im umfangreichen Maße die Gelegenheit zur internen[19] und externen[20] Kooperation. Die Verknüpfung des Unterrichts mit Bezügen aus der Praxis bietet eine Fülle von Anknüpfungspunkten. So können nicht nur externe Referenten von Bank, Presse, IHK o.ä. eingeladen werden, sondern es besteht zudem die Möglichkeit, auch das familiäre Umfeld der Schülerinnen und Schüler, z.B. durch Vorträge von Eltern, die selber Existenzgründer sind, in den Unterricht einzubeziehen.
2.3 Zielsetzung
Ziel dieser Arbeit ist es, ein Konzept zu entwickeln, mit dessen Hilfe die Fähigkeit der Schülerinnen und Schüler zum selbst gesteuerten und kooperativen Lernen entscheidend verbessert werden kann. Es gilt die Grundfähigkeit zu fördern, die häufig mit dem Schlagwort „Lernen lernen“ bezeichnet wird. Darüber hinaus sollen jene Fähigkeiten und Fertigkeiten der Schülerinnen und Schülern gefördert und entwickelt werden, von denen man hofft, dass sie in berufsunspezifischer Weise das zukünftige Lernen verbessern können.[21] Den Schülerinnen und Schülern muss deutlich gemacht werden, dass die Bereitschaft zum lebenslangen Lernen[22] eine unabdingbare Voraussetzung für den späteren Berufsweg ist.
Zudem sind aber auch die Lehrenden angesprochen das eigene Lehrerverhalten kritisch zu überprüfen. So soll dieses Konzept Anregungen geben, um das eigene Lehrerverhalten besser auf die Anforderungen des selbst gesteuerten und kooperativen Lernens abzustimmen.
Dieses Konzept ist zunächst beschränkt auf den Einsatz bei der Planung einer Existenzgründung, kann aber sicherlich auch als Grundlage für Kolleginnen und Kollegen dienen, die im Rahmen ihres Unterrichts ähnliche Ziele verfolgen oder sich neue Unterrichtsideen und -konzepte holen wollen.
2.4 Vorgehensweise
Nun soll kurz die weitere Vorgehensweise dieser Arbeit aufgezeigt werden. Nachdem im vorangegangenen Abschnitt im Rahmen der Problemdarlegung meine Motivation und die wesentlichen Rahmenbedingungen erläutert wurden, sollen im Folgenden zunächst die theoretischen Hintergründe der wichtigsten Komponenten dieser Arbeit, Existenzgründung, selbst gesteuertes und kooperatives Lernen betrachtet werden.
Dabei soll vor allen Dingen eine genaue Abgrenzung dieser Begriffe erfolgen, da diese die Grundlage für die weitere Arbeit darstellen. Zudem werden die wichtigsten Elemente und Begriffe des selbst gesteuerten und kooperativen Lernens dargestellt und näher erläutert.
Im Anschluss daran sollen auf Basis der theoretischen Grundlagen geeignete Konzepte zur Förderung des selbst gesteuerten und kooperativen Lernens zur praktischen Umsetzung im Unterricht bzw. im Rahmen des Differenzierungskurses entwickelt werden. Dabei soll auch kurz ein möglicher Ablauf eines Differenzierungskurses „Existenzgründung“ dargelegt werden.
Abschließend werden diese Konzepte noch einmal kritisch reflektiert.
An geeigneten Stellen sollen erste Erfahrungen aus der Praxis einbezogen werden.
3 Theoretischer Hintergrund
3.1 Existenzgründung
Zum Thema Existenzgründung existiert eine Vielzahl an Informationsquellen. Um den Aufgabenbereich für die Schülerinnen und Schüler ein wenig einzugrenzen, ohne sie in ihren freien Entscheidungen unnötig zu beschränken, wird sich der Differenzierungskurs „Existenzgründung“ im Wesentlichen mit der Erstellung eines Businessplans[23] für die von den Schülerinnen und Schüler ausgewählten Gründungsideen befassen.
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit stellt zu diesem Thema eine Fülle von kostenlosen Informationsmaterialien zur Verfügung.[24] Um den komplexen Umfang einer Existenzgründung zu verdeutlichen, soll nun ein kurzer Überblick über den Ablauf des Differenzierungskurses erfolgen. Die Schülerinnen und Schüler entwickeln zunächst alleine und später in Gruppen ihre eigenen Geschäftsideen. Erlaubt ist (fast) alles, die Idee muss jedoch mit denen den Schülerinnen und Schülern zur Verfügung stehenden Mitteln umsetzbar sein.
Nachdem die einzelnen Gruppen ihre Gründungsideen konkretisiert haben, geht es an die Umsetzung der Idee in einem Businessplan. Hierbei müssen, wie in der Realität auch, alle wesentlichen Elemente berücksichtigt werden. Einschränkungen sind nur in Ausnahmefällen vorgesehen.[25]
Zum Ende des Schuljahres werden die erstellten Businesspläne vor einer fachkundigen Jury (IHK, Bank, Lehrer) präsentiert und anschließend kritisch reflektiert.
„Existenzgründungen sind vor allem dann erfolgreich, wenn sie wohl überlegt und sorgfältig geplant sind.“[26] Diese Aussage verdeutlicht noch einmal die Komplexität einer Existenzgründung. Auch aus diesem Grund eignet sie sich hervorragend, um selbst gesteuertes und kooperatives Lernen zu fördern.
3.2 Selbst gesteuertes Lernen
Die Selbstbestimmung des Menschen über seine Lebensgestaltung gehört schon lange zu den Leitideen und Zielen der Erziehung eines Menschen. Dieser Gedanke wird seither weiter auf den Sektor Bildung ausgedehnt. Mündige Erwachsene sollen nicht von außen geleitete Objekte, sondern Subjekte ihres Denkens, Handelns und Lernens sein.[27]
Trotz des in letzter Zeit stark gestiegenen Interesses am Konzept des „selbst gesteuerten Lernens“ ist dieser Begriff nicht einheitlich definiert.[28] Er ist wohl vor allem als Übersetzung des international eingebürgerten Begriffs „self-directed learning“ in Umlauf gekommen.[29]
Aufgrund der verschiedenartigen Diskussionen über das Thema „selbst gesteuertes Lernen“, die weltweit geführt werden, gibt es keine allgemein akzeptierte Definition dieses Lehr-Lern-Konzeptes.[30] So findet man neben dem Begriff „selbst gesteuertes Lernen“ Begriffe wie „selbst organisiertes“, „selbst reguliertes“ oder „autonomes Lernen“. Diese Begriffe werden häufig synonym verwendet (siehe auch Abbildung 1).[31]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1[32]
An dieser Stelle sollen zunächst die grundlegenden Begriffe „Lehren“ und „Lernen“ kurz erläutert werden. „Lernen“ bedeutet Anpassen, Erweitern und Weiterentwickeln von Wissensstrukturen und potenziellen Handlungsalternativen. Der Lernende weiß nach einem erfolgreichen Lernprozess mehr, er kann etwas, was er vorher nicht konnte oder ist besser in der Lage, verschiedene Situationen besser einzuschätzen. „Lehren“ ist ein aktiver Prozess, um einem anderen den Vorgang des Lernens zu erleichtern. Die Methode des selbst gesteuerten Lernens fasst nun beide Tätigkeiten, die des Lernens und die des Lehrens, in einer Person zusammen. Selbst gesteuertes Lernen kann als eine Gesamthandlung verstanden werden, bei der die verschiedenen Entscheidungen darüber, ob, was, wann, wie und woraufhin gelernt wird, umfassend und folgenreich vom Lernwilligen selbst beeinflusst werden.[33]
Um eine korrekte Einordnung zu ermöglichen, soll zunächst eine Abgrenzung des selbst gesteuerten Lernens vom fremdgesteuerten Lernen erfolgen, um im Folgenden eine genauere Begriffsbestimmung vornehmen zu können.
Der Erwerb von Wissen und Fertigkeiten unterliegt einer Reihe von Einflüssen, die einerseits auf interne, andererseits aber auch auf externe Faktoren zurückzuführen sind. Geht es um die externen Einflüsse, so redet man vom fremdgesteuerten Lernen. Dazu zählt beispielsweise die Anweisung eines Lehrers, der versucht, von außen auf den Lernprozess einzuwirken. Aber auch indirekte Maßnahmen gehören zum fremdgesteuerten Lernen, zum Beispiel die Gestaltung von Lernumgebungen.[34]
Bei einer internen[35] Steuerung des Lernprozesses spricht man vom „selbst gesteuerten Lernen“.
Eine 100-prozentige Form des fremdgesteuerten Lernens kann es aber ebenso wenig geben wie eine 100-prozentige Selbststeuerung nicht geben. Der Lernende ist immer einem gewissen Einfluss von außen unterlegen. Selbst am heimischen Schreibtisch ist er durch externe Medien oder Gegenstände nicht mehr völlig unbeeinflusst. Gleiches gilt für die 100-prozentige Fremdsteuerung. Ohne ein gewisses Maß an Eigenaktivität kann kein Lernen stattfinden.
Im gleichen Atemzug mit dem Begriff des selbst gesteuerten Lernens wird häufig auch das selbst organisierte Lernen genannt. Das selbst gesteuerte Lernen ist aber umfassender als das selbst organisierte Lernen.[36]
Das selbst gesteuerte Lernen schließt, und das ist ein wesentlicher Unterschied zur Selbststeuerung, auch die Nutzung fremdorganisierter Lernmöglichkeiten ein. Beim selbst organisierten Lernen bleibt dem Lernenden bei vorgegebenen Zielen und Inhalten nur die Organisation des Lernprozesses überlassen. Das begrifflich entgegenstehende fremdgesteuerte Lernen ist auch hier nicht als vollkommener Gegensatz zum selbst organisierten Lernen zu bewerten, sondern kann aufgrund eigener Entscheidung des Lerners, der seinen Prozess selbst steuert, mit eingebunden werden.[37]
Abschließend kann gesagt werden, dass man von selbst gesteuertem Lernen sprechen kann, wenn der Lernende einzelne Bestandteile, wie z.B. Methoden, Lernziele und Lernstrategien seiner Lerntätigkeit selbst aktiv beeinflussen kann.[38] Selbst gesteuertes Lernen kann als ein Mittelweg zwischen einem unrealistischen Autonomieanspruch und einem Sich-einfach-von-außen-führen-lassen betrachtet werden. Der Lernende steht beim selbst gesteuerten Lernen stets im Mittelpunkt, dennoch ist eine Unterstützung durch Dritte möglich und meist auch notwendig.
Wie die obigen Ausführungen zeigen, ist selbst gesteuertes Lernen eine sehr komplexe und facettenreiche Form des Lernens. Es muss eine Vielzahl von Entscheidungen durch den Lernenden getroffen werden: Welche Lernziele und Inhalte sollen erarbeitet, welche Ressourcen genutzt, wann (Zeitaspekt) und wie (Methodenaspekt) sollen diese Ziele erreicht werden? Darüber hinaus muss nach Abschluss des Lernprozesses über die Art und Weise der Reflexion der durchgeführten Tätigkeiten entschieden und im Anschluss daran reflektiert und Folgerungen für die zukünftige Arbeit geschlossen werden. Zudem müssen die einzelnen Prozesse während der Arbeit dokumentiert werden. Denn nur wenn eine aussagefähige Dokumentation vorliegt, ist eine kritische Analyse und Reflexion des Lernprozesses und damit die Förderung des selbst gesteuerten Lernens möglich.
Auch in anderer Hinsicht ist selbst gesteuertes Lernen eine sehr komplexe Erscheinung. Denn selbst gesteuertes Lernen ist nicht nur Voraussetzung des Lernens, da Lernen, wie oben beschrieben, immer ein gewisses Maß an Selbststeuerung enthält, sondern auch Methode des Lernens mit dem zentralen Merkmal, dem Lernenden Entscheidungsspielräume hinsichtlich wesentlicher Lernaspekte zu überlassen, ebenso wie Ziel des Lernens im Sinne einer persönlichen Kompetenz.[39]
Diese Ausführungen sollen noch einmal zeigen, dass es keineswegs leicht ist, selbst gesteuertes Lernen im Unterricht zu etablieren. Denn die alleinige Öffnung des traditionellen Unterrichts für mehr Selbststeuerung garantiert noch lange nicht, dass diese auch wirklich eintritt. Nur wenn bei den Schülerinnen und Schülern die nötigen Voraussetzungen geschaffen werden, mit den neuen Spielräumen umzugehen, kann ein Einsatz des selbst gesteuerten Lernens im Unterricht dauerhaft erfolgreich sein.[40]
3.3 Kooperatives Lernen (Collaborative Learning)
Neben dem selbst gesteuerten Lernen spielt auch das kooperative Lernen in der heutigen Berufswelt eine wichtige Rolle. Fähigkeiten für den zwischenmenschlichen Umgang werden, besonders im Hinblick auf die steigende Kundenorientierung im Dienstleistungssektor, immer wichtiger.[41]
Es zeigt sich, dass bei der Betrachtung des kooperativen Lernens sowohl der schulische Aspekt (Lernen in Gruppen), als auch die spätere berufliche Tätigkeit (Lernen in Teams) zu beachten ist.[42] Da diese Arbeit sich vornehmlich im Bereich der Schule bewegt, wird im Folgenden nur noch von Gruppenarbeit gesprochen.
Unabhängig davon, ob die Kooperationssituation in der Schule oder im Beruf stattfindet, geht es immer darum, gemeinsam eine bestimmte Aufgabe oder ein Problem zu bewältigen. Die Beteiligten sollten daher ihre Tätigkeiten koordinieren, die Rollen innerhalb der Gruppe verteilen, und die Ziele der Gruppe müssen klar festgelegt werden.
Das kooperative Lernen alleine auf das Schlagwort „Gruppenarbeit“ zu beschränken, wäre daher zu kurz gefasst. Kooperatives Lernen ist eine besondere Form des Kleingruppenunterrichts, der neben dem reinen Arbeitsergebnis[43] auch den sozialen Prozessen innerhalb der Gruppen mindestens eine gleiche Bedeutung zumisst.[44] Im Wesentlichen besteht das kooperative Lernen aus fünf Basiselementen[45]:
1. positive Abhängigkeit
2. individuelle Verantwortung und Gruppenverantwortung
3. Bewerten in der Gruppe (Reflexion)
4. Erwerb sozialer Fähigkeiten
5. direkte Interaktion
Das erste und wohl bedeutendste Element des kooperativen Lernens ist die positive Abhängigkeit. Soll kooperatives Lernen richtig eingesetzt werden, ergeben sich für die Lernenden zwei wesentliche Verantwortungsbereiche. Zum einen sind sie dafür zuständig, selbst den vorgegebenen Stoff zu lernen, und zum anderen müssen sie sicher stellen, dass auch die übrigen Gruppenmitglieder ihre Ziele erreichen. Positive Abhängigkeit bedeutet daher nichts anderes, als dass die Schülerinnen und Schüler erkennen, dass ihre eigenen Lernergebnisse derart mit denen der anderen Gruppenmitglieder verknüpft sind, dass sie nur gemeinsam ihre Ziele erreichen können. Anders ausgedrückt: Wer alleine arbeitet und die Ergebnisse der anderen nicht für seine Aufgabe nutzt, wird seine Aufgabe nicht oder nur schwer erfüllen können. Auch Mitläufer kann es so nicht geben. Ohne das Element der positiven Abhängigkeit ist kein kooperatives Lernen möglich, da sich die folgenden Elemente auf dieses Grundelement stützen.
Das zweite Element des kooperativen Lernens ist die individuelle und die Gruppenverantwortlichkeit. Das meint, dass die Lernenden sich sowohl für die Erfüllung ihrer eigenen Aufgaben, die Teil der gesamten Gruppenaufgabe ist, verantwortlich fühlen müssen, darüber hinaus aber auch Verantwortung für das Erreichen des Gruppenziels übernehmen müssen. So muss die Gruppe wissen, welches Gruppenmitglied Unterstützung benötigt und darüber hinaus bereit und in der Lage sein, diese Unterstützung der entsprechenden Person auch anzubieten. Dies zeigt, dass es unabdingbar notwendig ist, dass den Lernenden die Bedeutung der positiven Abhängigkeit zuvor bewusst gemacht werden muss.
Das Element der Bewertung in der Gruppe dient vor allem der Evaluation der Gruppenarbeit und der Prozesse innerhalb der Gruppe.
Unabhängig von einem guten oder schlechten Gruppenergebnis, ist es nötig, dass die Mittel und Wege, die zu diesem Ergebnis geführt haben, kritisch reflektiert werden. Denn nur so kann die Gruppe Schlussfolgerungen für das weitere gemeinsame Arbeiten ziehen. Dabei geht es zum einen darum, welche Handlungen und Arbeitsprozesse effektiv waren und wie diese noch verbessert können, zum anderen muss aber auch das Verhalten der einzelnen Gruppenmitglieder analysiert werden, mit dem Ziel herauszufinden, wie sie in Zukunft besser eingesetzt bzw. motiviert werden können, um die Gruppeneffektivität zu erhöhen.
[...]
[1] Siehe dazu auch Kassner (2005a) S. 3.
[2] Vgl. Sonntag/Stegmaier/Scheper/Friebe (2004), S. 106 f.
[3] Über die Erwartungen der Unternehmen an Schule und Absolventen vgl. Haase (1993), S. 53.
[4] Vgl. Harteis/Bauer/Festner/Gruber (2004), S. 133 f.
[5] Vgl. Dybowski (2001), S. 10.
[6] Vgl. Konrad/Traub (1999), S. 23.
[7] Vgl. Nüesch (2001), S. 3.
[8] Vgl. Wildemann (1994)
[9] Vgl. auch Konrad/Traub (1999), S. 14.
[10] So sind Schülerinnen und Schüler, häufig dermaßen unmotiviert, dass es schwer fällt sie zu einer produktiven Gruppenarbeit zu bewegen („Können wir das nicht alleine machen?“; „Können Sie uns das nicht direkt erklären?“).
[11] Siehe dazu auch: Amtliches Schulblatt Juli 2004, S. 53-59; Didaktische Jahresplanung für die Höhere Handelsschule des Berufskollegs Borken.
[12] Zu den einzelnen Lehrerfunktionen siehe auch Bundesministerium für Schule, Jugend und Kinder (2004), S. 4 ff.
[13] Im Folgenden zur Vereinfachung als Höhere Handelsschule bezeichnet.
[14] Vgl. APO-BK, Anlage C, § 12, Abs. 8.
[15] Zur Bedeutung von Motivation siehe Ott (2000), S. 69 ff.; Spitzer (2002), S. 175 ff.; Hoidn (2005), S. 43 ff.; Harteis/Bauer/Festner/Gruber (2004), S. 130.
[16] Ausführlich zum aktuellen Gründerboom und der steigenden Zahl von Existenzgründern siehe Kahlen/Langenberg/Mayerhöfer/Schlesiger/Ullrich (2005), S. 62 ff.; Zur zunehmenden Bedeutung von Junior- und Übungsfirmen siehe Becker/Manfraß (2005), S. 180 f.
[17] Siehe Kapital 3.1.
[18] Vgl. Kassner (2005b), S. 55.
[19] Zum Beispiel durch fächerübergreifendes Arbeiten.
[20] So wurde bereits zu Beginn des Differenzierungskurses ein Vertreter der IHK eingeladen und die Existenzgründermesse START in Essen besucht. Siehe auch Anlage 1.
[21] Vgl. Reichel (1998), http://pz.bildung-rp.de/pn/pn2_98/s08-10.htm (Stand 21.12.05).
[22] Siehe dazu auch Nüesch (2001), S. 3.
[23] Zu den wesentlichen Inhalten eines Businessplans siehe Anlage 2.
[24] Ausführliche Hilfen für Existenzgründer bieten die Broschüre „Starthilfe“ und das Arbeitsheft „Früherkennung“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit. Viele Tipps und Informationsmaterial finden sich auf www.existenzgruender.de. (Stand 21.12.05)
[25] Über diese Ausnahmefälle wird entschieden, wenn sich konkrete Probleme ergeben.
[26] Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (2005), S. 4.
[27] Vgl. Dohmen (1999), S.18.
[28] Vgl. Pätzold/Lang (2004), S. 3.
[29] Vgl. Dohmen (1999), S.16.
[30] Vgl. Deitering (1996), S.155.
[31] Vgl. Deitering (2001), S. 45.
[32] Quelle: http://www.die-bonn.de/segel/lernen/lernen_02.html (Stand 21.12.05).
[33] Vgl. Friedrich/Mandel (1997), S. 238.
[34] Störfaktoren wie Lärm wirken sich negativ auf das Lernergebnis aus. Lob hingegen wirkt positiv und kann daher positiven Einfluss auf das Lernergebnis haben.
[35] Intern = durch den Lernenden selbst.
[36] Vgl. Dohmen (1999), S. 28 f.
[37] Vgl. Dohmen (1999), S. 30.
[38] Vgl. Pätzold, Lang (1999), S. 78 f.
[39] Vgl. Weinert (1982), S. 99 f.
[40] Vgl. Dubs (1993), S. 113 ff.
[41] Vgl. Walzik (2004), S. 2.
[42] Anlage 3 verdeutlicht noch einmal diese Aussage.
[43] Der traditionelle Gruppenuntericht beschränkt sich alleine auf das gemeinsame Erreichen eines Gruppenproduktes.
[44] Vgl. Weidner (2003), S. 29.
[45] Vgl. Druyen (2005), http://www.learn‑line.nrw.de/angebote/greenline/lernen/ downloads/basiselemente.pdf (Stand 21.12.05).
- Arbeit zitieren
- Patrick Ketelaer (Autor:in), 2005, Planung einer Existenzgründung zur Förderung selbst gesteuerten und kooperativen Lernens, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/51375
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