Einleitung
Die Souveränität des Arbeitgebers ist insofern eingeschränkt, dass er nur nach solchen Tatsachen fragen darf, die mit der in Aussicht genommenen Beschäftigung zusammenhängen. Nur dann hat er ein berechtigtes Interesse daran, in die Individualsphäre der Bewerberin einzudringen. Unproblematisch ist es mit persönlichen Daten wie Verwandschaftsverhältnissen, Freizeitbeschäftigung und Wohnbedingungen der Bewerberin, auch mit ihren Heiratsabsichten oder Kinderwünschen: All das hat den Arbeitgeber nicht zu interessieren.
Besonders umstrittene Fragen an männliche und weibliche Arbeitspersonen sind zum Beispiel die nach Vorstrafen, Lohnpfändungen, nach der letzten Gehaltshöhe, ehrenamtlichen Funktionen, Kirchenzugehörigkeit und die Frage nach dem Bestehen einer Schwangerschaft. Die Mutterschaft einer Arbeitnehmerin bürdet dem Arbeitgeber nicht nur erhebliche finanzielle Lasten auf, sondern erschwert auch in beträchtlichem Umfang durch Beschäftigungsverbote und – einschränkungen sowie Schutzzeiten den betrieblichen Arbeitsablauf.
Der Arbeitgeber hat der Schwangeren einen Zuschuss zum Mutterschaftsgeld bis zur Höhe des entgangenen Nettoarbeitsentgeltes während der in der Regel 14 Wochen dauernden Schutzfrist zu gewähren und muss außerdem für eine Ersatzkraft bis zum Ende des Erziehungsurlaubes sorgen. Diese Nachteile ergeben sich „aus einer staatlichen Regelung über die Arbeitsunfähigkeit, wonach eine mit Schwangerschaft und Entbindung zusammenhängende Verhinderung an der Arbeitsleistung einer Verhinderung wegen Krankheit gleichsteht.“1
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1 Wassmer, FAZ von 03.03.1986; Nr. 52; S.13
Inhaltsverzeichnis
1.Einleitung
2.Die Entwicklung der Rechtsprechung
2.1.Das „Recht zur Lüge“
2.2.§ 611a BGB Geschlechtsbezogene Benachteiligung
2.3.Das Urteil des BAG vom 20.2.1986
2.4.Das Urteil des BAG vom 20.2.1992
3.Arbeitnehmerinnen dürfen Schwangerschaften generell verschweigen
3.1.Das Urteil des BAG vom 06.02.2003.
Über welche Rechtsfrage hat das BAG entschieden?
3.2.Das Urteil des EuGH
4.Sanktionen bei Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot
5.Fazit
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Die Souveränität des Arbeitgebers ist insofern eingeschränkt, dass er nur nach solchen Tatsachen fragen darf, die mit der in Aussicht genommenen Beschäftigung zusammenhängen. Nur dann hat er ein berechtigtes Interesse daran, in die Individualsphäre der Bewerberin einzudringen.
Unproblematisch ist es mit persönlichen Daten wie Verwandschaftsverhältnissen, Freizeitbeschäftigung und Wohnbedingungen der Bewerberin, auch mit ihren Heiratsabsichten oder Kinderwünschen: All das hat den Arbeitgeber nicht zu interessieren.
Besonders umstrittene Fragen an männliche und weibliche Arbeitspersonen sind zum Beispiel die nach Vorstrafen, Lohnpfändungen, nach der letzten Gehaltshöhe, ehrenamtlichen Funktionen, Kirchenzugehörigkeit und die Frage nach dem Bestehen einer Schwangerschaft.
Die Mutterschaft einer Arbeitnehmerin bürdet dem Arbeitgeber nicht nur erhebliche finanzielle Lasten auf, sondern erschwert auch in beträchtlichem Umfang durch Beschäftigungsverbote und – einschränkungen sowie Schutzzeiten den betrieblichen Arbeitsablauf.
Der Arbeitgeber hat der Schwangeren einen Zuschuss zum Mutterschaftsgeld bis zur Höhe des entgangenen Nettoarbeitsentgeltes während der in der Regel 14 Wochen dauernden Schutzfrist zu gewähren und muss außerdem für eine Ersatzkraft bis zum Ende des Erziehungsurlaubes sorgen.
Diese Nachteile ergeben sich „aus einer staatlichen Regelung über die Arbeitsunfähigkeit, wonach eine mit Schwangerschaft und Entbindung zusammenhängende Verhinderung an der Arbeitsleistung einer Verhinderung wegen Krankheit gleichsteht.“[1]
2. Die Entwicklung der Rechtsprechung
Bis 1980 erkannten die Gerichte die Zulässigkeit der Frage nach einer bestehenden Schwangerschaft an.
„Die herrschende Meinung hält die Frage nach dem Bestehen einer Schwangerschaft für zulässig, und zwar ohne Rücksicht darauf, welcher Arbeitsplatz die Bewerberin einnehmen soll."[2] Begründet wird dies mit dem erheblichen wirtschaftlichen Interesse des Arbeitgebers an dem Tatbestand, dass das Mutterschutzgesetz nur die bereits in einem Arbeitsverhältnis stehenden Frauen schützt. Der Erwerb des Arbeitsplatzes durch Eingehung eines Arbeitsvertrages sollte nicht gewährleistet werden.
2.1. Das „Recht zur Lüge“
Wichtig ist, wie sich die Bewerberin bei unzulässigen Fragen verhalten sollte. Eine Möglichkeit ist, auf die Rechtsprechung des BAG hinzuweisen und die Antwort zu verweigern. Allerdings würde eine Bewerberin, die so handelt, ihre Chance auf Einstellung nicht unbedingt erhöhen. Das hat auch das BAG erkannt und räumt dem Bewerber in ständiger Rechtsprechung das Recht ein, eine unrichtige Antwort zu geben.[3] Obwohl also darin eine Täuschung des Arbeitgebers liegt, ist dieser nicht nach § 123 BGB zur Anfechtung berechtigt, denn die Täuschung ist nicht widerrechtlich.[4]
Andererseits ist zu beachten:
Wenn eine zulässige Frage wahrheitswidrig beantwortet wird, kann der Arbeitgeber zur Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen arglistiger Täuschung gemäß § 123 BGB[5] berechtigt sein, was zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führt. Da die Anfechtung keine Kündigung im Sinne des § 9 MuSchG ist, kann das Kündigungsverbot wegen bestehender Schwangerschaft nicht greifen.
Freiwillig erteilte Auskünfte an den Arbeitgeber müssen wahr sein.
2.2. § 611a BGB Geschlechtsbezogene Benachteiligung
Die Regelungen der §§ 611a ff BGB gelten für alle Arbeiter/innen, Angestellte, Auszubildende, Praktikanten/innen, Umschuler/innen - gleich ob in der Privatwirtschaft oder im öffentlichen Dienst. Nach § 611a BGB ordnet die Geltung des Gleichberechtigungsgebotes des Art.3 Abs.2 GG auch für den Arbeitsvertrag an.
Nach § 611a BGB ist bei einer Vereinbarung oder Maßnahme, insbesondere bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses ... eine unterschiedliche Behandlung wegen des Geschlechts grundsätzlich unzulässig.
Seit Inkrafttreten des Gleichbehandlungsgesetzes von 1980 sind verschiedene Arbeitsgerichte von dieser gefestigten Rechtsprechung unter Berufung auf § 611a BGB abgegangen und erachten die Frage nach der Schwangerschaft grundsätzlich als unzulässig.
Der Arbeitsgericht Frankfurt sah dann im Nichtbestehen einer Schwangerschaft eine unverzichtbare Voraussetzung im Sinne des § 611a Abs.1 S.2 BGB, wenn für die in Aussicht genommene Tätigkeit mutterschutzrechtliche Vorschriften bestehen, nach denen die Beschäftigung schwangerer Frauen ausgeschlossen ist.[6] Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn Beschäftigungsverbote der §§ 4 und 8 MuSchG gelten, nach denen werdende Mütter nicht mit schweren körperlichen Arbeiten beschäftigt werden dürfen, nicht schwer heben oder tragen dürfen und keine Akkord-, Fließband- oder Nachtarbeit leisten dürfen. Hier dürfte der Arbeitgeber von Anfang an die vertraglich vereinbarte Arbeitsleistung nicht abverlangen.
[...]
[1] Wassmer, FAZ von 03.03.1986; Nr. 52; S.13
[2] Vgl. Bellgardt, Prof. Dr. Peter; Betriebsberater; Die Zulässigkeit der Frage nach der Schwangerschaft und das Benachteiligungsverbot des § 611a BGB; Heft 34; 1983; S.2187
[3] BAG DB 1994, S.939;
Vgl. Däubler, Wolfgang; Arbeitsrecht: Ratgeber für Beruf, Praxis und Studium; Frankfurt am Mein; Bund-Verlag; 1998;
Vgl. Zöllner, Wolfgang; Loritz, Karl-Georg; Arbeitsrecht: Ein Studienbuch; München; Beck; 1998; (=Juristische Kurzlehrbücher); § 11 I 3a; S.149
[4] Vgl. Zöllner, Wolfgang; Loritz, Karl-Georg; Arbeitsrecht: Ein Studienbuch; München; Beck; 1998; (=Juristische Kurzlehrbücher); § 11 I 3a; S.149
[5] § 123 BGB Anfechtbarkeit wegen Täuschung oder Drohung
[6] Vgl. Bellgardt, Prof. Dr. Peter; Betriebsberater; Die Zulässigkeit der Frage nach der Schwangerschaft und das Benachteiligungsverbot des § 611a BGB; (Fn. 11); Heft 34; 1983; S.2188
Urteil des Arbeitsgerichtes Frankfurt v. 05.08.1982-5CA 634/81
- Citar trabajo
- Iryna Spektor (Autor), 2005, Die Zulässigkeit der Frage nach der Schwangerschaft bei der Einstellung, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/51352
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