Gewalt ist seit jeher ein relevantes Thema in unserer Gesellschaft. Das Spiel mit den eigenen und auch den Grenzen anderer Menschen birgt immer eine große Gefahr für das Leben aller Beteiligten.
Dabei sind es nicht selten Kinder und Jugendliche, die gewalttätig und straffällig werden.
Doch warum ist Gewalt bei Kindern und Jugendlichen in unserer Gesellschaft so präsent? Was sind mögliche Ursachen von Delinquenz? Und wie können Sozialarbeiter Delinquenz vorbeugen und den Kindern und Jugendlichen einen Weg in eine straffreie Zukunft weisen?
Die Autorin Jessica Krismann wirft einen Blick auf das Thema Delinquenz, indem sie mögliche Ursachen und die Entwicklung von Strafauffälligkeit bei Kindern und Jugendlichen erläutert. Dabei stellt Krismann auch mögliche Präventionsmaßnahmen für Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter vor.
Aus dem Inhalt:
- Kriminalität;
- Strafunmündige;
- Strafdelikt;
- Präventionsprogramm;
- Coolness-Training
Inhaltsverzeichnis
Abstract
1 Einleitung
2 Begriffsbestimmungen
2.1 Kinderdelinquenz
2.2 Jugenddelinquenz
2.3 Dunkelfelddelinquenz
3 Ursachen
4 Kriminalitätsentwicklungen
4.1 Rechtlich
4.2 Jugend
4.3 Projekt junge Sexualstraftäter
4.4 Relevanz für das Individuum / Ablauf der Jugendgerichtsbarkeit
4.5 Freiheitsentziehung nach § 1631b BGB
5 Mädchen und Jungen
5.1 Kindheit
5.2 Jugend und Pubertät
5.3 Jungen
6 Entwicklung der Gewaltbereitschaft
7 Migration und Jugendkriminalität
7.1 Allgemein
7.2 Studie: Popularisation von Jugenddelinquenz anhand von Migrationstypizität
7.3 Studie: Zürcher Hochschule
8 Vielfach/Intensivtäter
9 Täter/Opfer Ausgleich / Restorative Justice
9.1 Allgemein
9.2 Fallbeispiel
10 Prävention
10.1 Entwicklungen für Delinquenz
10.2 Empfehlungen für die Praxis
10.3 Coolness-Training und Anti-Aggressions-Training
11 Strafrechtliche Einschätzung
11.1 Gewalttätige Jugendliche
11.2 Differenz zwischen Justiz und Jugendhilfe
11.3 Rechtsfolgen der Tat
12 Fazit
Literaturverzeichnis:
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Impressum:
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Abstract
Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Delinquenz bei Kindern und Jugendlichen. Nach einer genauen Begriffsbestimmung und Ursachenforschung wird die Entwicklung dieser genauer betrachtet. Hierbei sind auch die differenzierte Betrachtung der Geschlechter unabdingbar, sowie die besonderen Fälle der Migranten, der Vielfach- bzw. Intensivtäter und des aktuell gern angewandten Restorative Justice. Zuletzt geht es um mögliche Präventionsmaßnahmen, die gerade für die Soziale Arbeit sehr relevant sind, genauso wie die strafrechtlichen Einschätzungen genaue Vorgaben für das Aufgabenfeld der Sozialarbeiter stellen. Die Sozialarbeit untersteht hier einer sehr großen Verantwortung, denn die Lenkung der verhaltensauffälligen Kinder und Jugendlichen in eine straffreie Zukunft ist eine Aufgabe von langfristigem Wert, sofern sie gewissenvoll ausgeübt wird.
1 Einleitung
Das Thema Gewalt ist seit jeher sehr relevant. Die Gewalt an sich ist deshalb so fesselnd und interessant, da sie fast alle Menschen erschüttern kann. Sie ist der krasse Kontrast zur harmoniesüchtigen Gesellschaft in der wir augenscheinlich leben, jedoch ist dem leider in der Realität nicht so, wie diese Arbeit im Nachgang zeigen wird. Das Verherrlichen und Ausüben der Gewalt übt Faszination aus, die Menschen versprechen sich dadurch Anerkennung und auch den begehrten Kick, etwas Verbotenes zu tun.
Hier üben nicht nur die nach außen gerichtete Gewalt und Aggression eine große Faszination aus, sondern auch die, die gegen sich selbst gerichtet ist, also selbstverletzendes Verhalten (auch Autoaggression genannt). Das Spiel mit den eigenen und auch den Grenzen anderer Menschen birgt immer eine große Gefahr für das Leben aller Beteiligten. Vor allem auch der Zuspruch und die Anerkennung von anderen kommt nur durch extreme Taten, die gewaltverherrlichend, beängstigend und immer wieder grenzwertig sind, bzw. diese Grenzen überschreiten, wie folgender Fall zeigt (Struck, S. 121ff, 1995):
Berlin, 11.03.2018, 22:45 Uhr:
Ein 15-Jähriger Junge ersticht ein 14-Jähriges Mädchen aus seinem Bekanntenkreis und gibt dies zu. Als die Rettungskräfte nach dem Anruf der Mutter des Mädchens in deren Wohnung kommen, können sie ihr bereits nicht mehr helfen. Eine Obduktion attestierte, dass der Tod des Mädchens Folge einer starken Gewalteinwirkung war. Schließlich konnte die Polizei den 15-Jährigen Verdächtigen festnehmen, der zuständige Richter möchte ihm eine Untersuchungshaft auferlegen. Die Staatsanwaltschaft Berlin lässt verkünden, dass ein Haftbefehl wegen Totschlags eingereicht wird (Süddeutsche Zeitung online, 2018).
Solche Fälle machen unsere gesamte Gesellschaft betroffen und jeder frägt sich, wie es zu solch einer brutalen Tat kommen kann. Wieso hat die Gewalt einen so hohen Stellenwert erhalten, vor allem nun auch bei Kindern und Jugendlichen und wie werden diese angemessen bestraft? Mit diesen Fragen setzt sich die vorliegende Arbeit auseinander. Die Delinquenz und Kriminalität von Kindern und Jugendlichen wird in ihren Ursachen, Formen, Entwicklungen und Präventionsmaßnahmen diskutiert.
2 Begriffsbestimmungen
2.1 Kinderdelinquenz
Die Vergehen Strafunmündiger (sprich Kinder die zum Zeitpunkt der Straftat nicht über 13 Jahre alt waren) gegenüber dem Strafgesetzbuch und seinen Nebengesetzen werden als Kinderdelinquenz bezeichnet. Mit Beginn des 14. Lebensjahres beginnt in der Bundesrepublik Deutschland die Strafmündigkeit. Kinder die jünger sind, werden also als schuldunfähig betrachtet und dürfen strafrechtlich nicht verfolgt werden, wie man in § 19 StGB nachlesen kann. Die gesetzgebende Gewalt teilt jungen Menschen erst ab dem Alter von 14 Jahren die Fertigkeit zu, die Konsequenzen ihrer kriminellen Verhaltensweise anzuerkennen und dafür ein Pflichtbewusstsein zu entwickeln. Die Bestimmung dieser Altersgrenze bei Straffälligkeiten (bzw. die Strafunmündigkeit) ist zufällig gewählt. Zwischen 12 und 16 Jahren variiert hier die
Grenze seit 1871 in Deutschland. Seit 1953 gilt die momentane Altersgrenze von 14 Jahren. Zum Vergleich: diese Altersgrenze der Strafunmündigkeit liegt in Irland bei 7 Jahren, in England bei 10 Jahren, in Norwegen und Schweden bei 15 Jahren und sogar 16 Jahren in Russland, Slowenien und Rumänien. Die oberste Grenze sind 18 Jahre in Belgien. Zur Begriffserklärung: das französische „délinquence“ und das englische „delinquency“ meint alles Verhalten, welches die allgemeine Gesellschaftsordnung beeinträchtigt. Dazu gehören also u. a. auch Missbrauch von Alkohol, Lügen, Schulschwänzen und nicht nur die Missachtung der Strafgesetze. Solch sozial unerwünschtes Verhalten wird auch Statusdelikt (status offences) genannt, da dies für Erwachsene keine Straftat darstellt. Dieses Verhalten wird vor allem von jungen Kindern gezeigt, welches nach Bekanntwerden bei den Behörden auch bei den öffentlichen Delinquenzstatistiken berücksichtigt wird. Die Bezeichnung „Kinderkriminalität“ dagegen ist jedoch so nicht mehr zu verwenden, da der Begriff aus entwicklungspsychologischer Sicht nicht passend ist. Die Ableitung von „Kriminalität“ allgemein, also die Missachtung der Gesetze, bei gleichzeitiger Behauptung eines grundsätzlich sozialschädigenden Verhaltens, kann nicht auf Kinder übertragen werden (Remschmidt, Walter, S. 4, 2009).
2.2 Jugenddelinquenz
Auch wird der Begriff „Jugenddelinquenz“ der „Jugendkriminalität“ vorgezogen. Das englische Wort „criminality“ beschreibt die Missachtung des Strafrechts von Seiten strafmündiger Jugendlicher. Dies hat hier jedoch eher einen beschreibenden Charakter und meint nicht die Ursache für das Entstehen einer Krankheit, die solch ein straffälliges Verhalten zwingend nach sich zieht.
In Amerika kann ein Jugendlicher der straffällig geworden ist nach dem dort geltenden Recht nur delinquent, aber nicht kriminell sein. Das Alter muss hierbei beachtet werden. Kriminell sind demnach nur Personen, die mindestens 18 Jahre alt und somit strafmündig sind, wobei die Schwere der Tat hier vernachlässigt werden kann. Deshalb ist ein Jugendlicher ein Ersttäter, wenn er zum Zeitpunkt der aktuellen Tat 18 Jahre alt ist, selbst wenn er in der Zeit davor bereits gesetzesauffällig war (Remschmidt, Walter, S. 4, 2009).
2.3 Dunkelfelddelinquenz
Die vorhandenen Statistiken und Daten zur Kinderdelinquenz (und auch Jugenddelinquenz) beziehen sich auf registrierte Fälle und deren Straftäter, wobei hier natürlich berücksichtigt werden muss, dass die Dunkelziffer viel höher ist. Zudem kommt es oft zu Verfälschungen dieser Daten aufgrund von Fehlern bei der Erstattung von Anzeigen, der Strafverfolgung an sich oder durch Kommunikationsfehler durch die Polizei. Diese Gründe weisen darauf hin, dass die bekannten Statistiken nicht sehr aussagekräftig sind, weil die nicht erfassten Delinquenzfälle miteinbezogen werden müssten. Jedoch kann man behaupten, dass vorwiegend Jungen aus sozial armen Verhältnissen mit familiären Problemen und einem niedrigen Bildungsniveau hier überprädestiniert sind. Die sogenannte Dunkelfeldforschung entwickelte sich, um bereits vorhandene Daten mehr ausweiten zu können, um die Aussagen bzw. die Ergebnisse der Studien nicht nur von den erfassten Straftätern zu deklinieren. Hier wird die empirische Sozialforschung mit einbezogen. Alle Straftaten von denen die Polizei nichts erfahren hat und deshalb auch nicht in die Polizeistatistik mit aufgenommen wurden (genannt absolutes Dunkelfeld) oder Fälle die nicht geklärt werden konnten (genannt relatives Dunkelfeld). Somit befinden sich alle nicht gefundenen Täter und unaufgeklärte Fälle in Dunkelfeldern (Remschmidt, Walter, S. 22, 2009).
3 Ursachen
Schon im Kindesalter machen sich bestimmte psychosoziale und biologische Umstände bemerkbar, die Einfluss auf die Delinquenz und damit zusammenhängende antisoziale Verhaltensweisen nehmen. Zu den biologischen Risikofaktoren zählt man Folgende: genetische Vorbelastungen, Abweichungen bei den selbstständigen vegetativen Reflexen, Probleme während bzw. um die Geburtszeit herum, minimale physische Anomalien, neuroendokrinologische Abweichungen, funktionelle und strukturelle Beschränkungen der Funktion des Gehirns und auch einige andere psychische Störungen.
Es folgen die psychosozialen Faktoren: untaugliches soziales Umfeld, gescheiterte Ehe der Eltern (und dadurch auch wenig Kompetenz in der Erziehung), Ausgrenzung des Kindes, sexuelle und physische Misshandlungen, Konsum von Nikotin und Alkohol der Mutter während der Schwangerschaft und geistige Störungen eines oder beider Elternteile.
Ein Großteil der Risikofaktoren ist entwicklungs- und auch altersbezogen und hat daher eine unterschiedliche zeitliche Dauer. Diese biologischen und psychosozialen Faktoren bedingen sich gegenseitig und arbeiten zusammen in einer Wechselwirkung, womit sie Delinquenz verursachen. Es wurde bewiesen, dass das Auftreten beider Faktoren dazu führt, dass die Delinquenzraten um einiges höher ausfallen. Diese sich bedingenden Risikofaktoren treten vor allem in einer bestimmten Gruppe von Individuen auf, die schon im frühen Kindesalter Auffälligkeiten zeigen und diese delinquenten Verhaltensweisen bis in ihr Erwachsenenleben mit übernehmen.
Diese chronisch Delinquenten wurden bereits in vielen Längsschnittstudien erkannt. Sie sind für einen Großteil der verübten Straftaten verantwortlich und das Ausüben präventiver Maßnahmen ist eine enorme gesellschaftliche Problematik. Zudem gibt es jedoch auch vor Delinquenz schützende Faktoren, hier aber nur das Fehlen von Risikofaktoren zu nennen wäre zu einfach und ungenau. Dies sind bestimmte Faktoren die im Individuum selbst, seinem sozialen Umfeld und in seiner Familie gefunden werden können, wie folgende Beispiele zeigen: gute genetische Veranlagung ohne Auffälligkeiten oder Krankheiten in der Familie, ein normales vegetatives Nervensystem, überdurchschnittlicher Intelligenzquotient, Fähigkeit zur Empathie, das Erleben von Erfolg im sozialen Umfeld und auch in der Schule, ein positives Familienzusammenleben mit kompetenten, liebenden Eltern und gute Entwicklungsmöglichkeiten im sozialen und familiären Bereich. Nur aufgrund von diesen protektiven Faktoren und den Risikofaktoren lässt sich jedoch nicht in jedem Fall die Entwicklung von Delinquenz und dissozialem Verhalten erklären. Hier müssen auch individuelle Entscheidungen berücksichtigt werden, die durch die persönliche Lebensgeschichte beeinflusst werden (Remschmidt, Walter, S. 106f, 2009).
Ein weiterer bedeutsamer Faktor beim Entstehen von Gewalt und damit Straffälligkeit ist die Zukunftsangst. Die größte und bedrückendste Zukunftsangst ist die, die eventuell eintreten könnte, im Gegensatz zu der Angst vor der Zukunft, die (sehr) wahrscheinlich eintreten wird. Mit der zuletzt genannten Angst lässt sich leichter umgehen, da sie exakter und wirklichkeitsnäher ist und somit auch besser Hilfsangebote dafür entwickelt werden können, um die Angst abzuschwächen. Die vorgestellte Angst vor der Zukunft dagegen ist vielleicht momentan nicht real, aber deshalb nicht weniger verunsichernd, schwer definierbar und peinigend.
Hier kommt zwei großen Bereichen eine wichtige Verantwortung zu: der Erziehung, wie sie auch in Ausbildung und Schule vermittelt wird und die Bildmedien, die durch ihre ständigen Informationen zur Formung unserer Umwelt und Gesellschaft beitragen. Der Grundgedanke der Erziehung wurde von Pestalozzi folgendermaßen formuliert: „Erziehung ist Vorbild und Liebe“. Wichtig sind für die Zu-Erziehenden also greifbare, lebendige Ideale, mit denen sie sich gleichsetzen und zu denen sie aufblicken können. Eine Person, die einen positiven Einfluss auf den Zu-Erziehenden ausübt. Dies soll mit gegenseitiger Liebe und Respekt geschehen. Gerade in der heutigen Zeit, in der die Kinder immer früher in die Fremdbetreuung (wie Kindertagesstätten und Tagesmütter) abgegeben werden, ist es für sie sehr schwer ein gutes Selbstbewusstsein aufzubauen, das für das Ertragen von Ängsten eine äußerst wichtige Rolle spielt. Die Kinder brauchen in den ersten Lebensjahren dringend feste Bezugspersonen, vor allem eine, nämlich die Mutter. Sie haben oft ein schlechtes Sprach- und Zeitverständnis, wenn sie in fremde Obhut gegeben werden, was ihrer benötigten Grundsicherheit sehr schadet. Daher wird dringend empfohlen, den Kindern und ihren Müttern nach der Geburt viel gemeinsame Zeit zu geben, da dies dem Gemeinwohl dient und spätere negative Folgen dadurch minimiert werden.
Um das Selbstwertgefühl der Kinder zu stärken, spielt auch der Schulkontext eine entscheidende Rolle, welche jedoch leider nur für einen Teil der Kinder annehmbar bzw. umsetzbar ist. Es geht meist nur darum, die Kinder auf ein Studium an Universitäten vorzubereiten, was mittlerweile wenig mit Bildung an sich, sondern eher mit Auslese gleichzusetzen ist. Genau aus diesem Grund wird auch so vehement an dem Beibehalten der Schulnoten gearbeitet. Das Schulzeugnis, also die Zensuren, unterteilen so in gute und schlechte Schüler, womit automatisch auch eine Bewertung der Persönlichkeit des Kindes erfolgt. Das geistige Leistungsvermögen eines Schülers wird so nur noch subjektiv bewertet. Diese oft aussageschwachen Bewertungen sind für das Kind aber wie eine Stigmatisierung die seinen weiteren Lebensweg bestimmt. Bildung sollte mehr darstellen als eine bloße Sammlung von Faktenwissen. Viel wichtiger sind hier die Komponenten der sozialen Verantwortung und die Befähigung zur Empathie und Mitgefühl. Durch die vorgegebene Rivalität und Wettkämpfe zwischen den Kindern im Schulsystem wird dies aber eher ab- als angewandt.
Durch negative familiäre und soziale Umstände sowie das Versagen des Schulsystems können schnell Zukunftsängste bei Kindern und Jugendlichen auftreten, wenn sie keine Ressourcen besitzen, die durch diese Faktoren eigentlich erst aufgebaut werden sollten, wie Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein. Jedes Individuum sollte in seiner eigenen Persönlichkeit und Entwicklung unterstützt werden, denn nur so entwickeln sich selbstbewusste und unabhängige Personen mit sozialen Werten und Normen, die sich nicht der Kriminalität anschließen (Lempp, S. 133ff, 2009).
4 Kriminalitätsentwicklungen
4.1 Rechtlich
Das Rechtssystem hat die Aufgabe die Kriminalität aufzuhalten, auf keinen Fall jedoch soll sie den Weg dafür bereiten. Hier geht es nicht um Verhaltensweisen des Rechtssubjekts, welche durch das Gesetz bestimmt sind, sondern um die Deliktsumschreibungen der Strafgesetze. Erst diese sind dafür verantwortlich, unter welchen Vorbedingungen ein bestimmtes menschliches Verhalten als ein Verstoß gegen das Strafrecht angesehen wird. So wird das Delikt vom Strafrecht definiert. Hier liegt auch eine große Verantwortung bei den entsprechenden Rechtswissenschaftlern. Dies ist deshalb so wichtig, weil die entsprechenden Definitionen sich ständig verändern bzw. abwandeln. So werden die Grenzen zwischen Straftat und Nicht-Straftat des Öfteren neu definiert (Remschmidt, Walter, S. 19, 2009).
Auch wenn es sich oft um für Jugendliche prädestinierte Straftaten wie Graffitis, Vandalismus auf öffentlichen Plätzen und Sachbeschädigungen handelt, werden sie nur dann als Kriminalität angesehen und erkannt, wenn eine allgemeine Deliktsumschreibung für sie benutzt werden kann.
Die Taten der Sachbeschädigung sind nach §§ 303 f. StGB strafrechtlich bedeutungsvoll, zu einer räuberischen Erpressung nach §§ 253, 255 StGB kann die Tat „Abzocken“ gezählt werden, auch wenn die Definition dieser Taten seinerzeit anderen Umständen bzw. Bedeutungen zugeschrieben gewesen zu sein scheinen (Remschmidt, Walter, S. 20, 2009). Das hier geltende Jugendrecht beinhaltet ein abgeschlossenes System von Sanktionen, wie man in §§ 5 f. JGG nachlesen kann. Das allgemeine Strafrecht ist hier nur vereinzelt widergegeben (§ 7 JGG). Im Gegensatz zum für die Erwachsenen vorhandenem Recht sind die Bestrafungen (wie unter anderem die Freiheitsstrafe) durch das Jugendrecht eher nicht relevant, da primär auf Erziehungsmaßnahmen gesetzt wird (siehe §§ 5 Abs. 1 u. 2; 9 u. 13 JGG). Weil die Strafen nicht so umfangreich und damit nicht mit denen des Erwachsenenstrafrechts gleichzusetzen sind, nennt man dies Jugendkriminalrecht (Remschmidt, Walter, S. 21, 2009).
4.2 Jugend
Heutzutage ist das Phänomen der Jugendkriminalität als Bestandteil der allgemeinen Kriminalität ohne weiteres in der Gesellschaft akzeptiert und angenommen. Die Besonderheit dieses Phänomens liegt hierbei in ihrem speziellen Auftreten, bei dem die jugendliche Aggression auch eine große Rolle einnimmt. Ein weiteres Merkmal ist das unmündige Alter der Delinquenten, wobei man hier mit Präventionsarbeit viel erreichen kann in Bezug auf Kriminalität. Eine wertfreie Kommunikation und eine offene Haltung sind hier unabdingbar. Man muss die individuellen Verhaltensweisen und Merkmale der Jugendlichen so annehmen und verstehen, dass man ihre Beweggründe zur Straftat und auch die Tat an sich besser verstehen, akzeptieren und durchblicken lernt. Das Verständnis und die Bewältigung der Kriminalität sind so als Zusammenhang zu verstehen (Remschmidt, Walter, S. 23, 2009).
Für aktuelle Zahlen wird nun die Polizeiliche Kriminalstatistik des Bundeskriminalamtes Deutschland beschrieben, in der die Vergehen vom 01.01.2016 bis 31.12.2016 und die Tatverdächtigen nach Alter und Geschlecht (vollendete Fälle) dokumentiert wurden. Erstellt wurde diese Statistik am 27.01.2017.
Insgesamt wurden 2.258.074 Straftaten (männliche und weibliche Personen) im Alter von bis unter 6-Jährige und bis über 60-Jährigen Menschen dokumentiert. Der Anteil der Kinder unter 14 Jahren beträgt hierbei 78.712 Personen, dies macht 3,5 % am Gesamtanteil aus. Bei den 14 bis unter 18 Jährigen sind es 199.712 Personen, dies macht 8,8 % aus.
Eher geringe Beteiligung erfolge bei folgenden Straftaten: Bei Mord nach § 211 StGB gab es bei den 14 bis unter 18 Jährigen nur zwei Personen. Bei den Vergehen Totschlag und Tötung auf Verlangen nach §§ 212, 213, 216 StGB gab es vier Personen bei den unter 14-Jährigen, 11 Personen bei den 14 bis unter 18-Jährigen. Sehr viel höher werden die Zahlen bei den Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung: hier sind es bei den unter 14-Jährigen bereits 1.345 Personen, bei den bis unter 18-Jährigen schon 4.416. Gesteigert werden diese Werte beim einfachen Ladendiebstahl (unter 14: 18.017, unter 18: 34.138) und bei der Sachbeschädigung nach §§ 303-305a StGB (unter 14: 9.046, unter 18: 20.668, dies macht einen Gesamtanteil von 16 % aus). Dies wird nur noch durch die Straftat Körperverletzung (nach §§ 223-227, 229, 231 StGB) getoppt: bei den unter 14-Jährigen sind 13.918 Personen betroffen, bei den unter 18-Jährigen sogar ganze 39.920 Personen. Das macht einen Gesamtanteil von 8,7 % aller Körperverletzungen aus.
Natürlich wird auch durch empirisch-kriminologische Theorien versucht, Klarheit in den Bereich der Jugendkriminalität zu bringen. Dies ist jedoch sehr schwierig, da immer die individuelle Vorgeschichte und Hintergründe berücksichtigt werden müssen. Bei dieser Vielfalt ist es sehr fraglich, welche theoretischen Thematiken bereits in das geltende Jugendrecht aufgenommen bzw. integriert wurden und welche dies in Zukunft noch werden. Hier wird auch immer nur ein bestimmter, selektierter Teil übernommen, oft auch aus einem bestimmten Kontext herausgerissen. Es wird versucht, diese Theorie in eine praxisfreundliche Anwendung umzumodellieren, die also auch praktisch gut umsetzbar ist und trotzdem alle wichtigen theoretischen Merkmale behält und umsetzt. Sehr wichtig ist deshalb eine allgemeine Annahme dieser, sowie eine einfache Anwenderfreundlichkeit, Klarheit und Anschaulichkeit. Jedoch ist es dann oft so, dass das geltende Recht sich im Umkehrschluss durch den Einfluss der Sozialwissenschaft auch seinerseits alterniert. Die Hauptaufgabe dieser Vorgaben und Grund-sätze ist, die Gesellschaft zu stärken und zu unterstützen (Remschmidt, Walter, S. 186, 2009).
4.3 Projekt junge Sexualstraftäter
Minderjährige, die durch sexuell unangepasstes Verhalten auffallen, brauchen externe Hilfe, denn dieses Thema ist eines, welches häufig totgeschwiegen wird. Die Stadt Hamburg entschied sich im Juni 2005 ein Projekt ins Leben zu rufen, das sich mit minderjährigen Sexualstraftätern auseinandersetzen soll, da große Defizite bei den bisherigen Modellen und Maßnahmen erkannt wurden. Dieses Modellprojekt in Hamburg für sexuell auffällige Minderjährige hat die Intention, einen realistischen Ablauf für den Vorgang des sexuellen Übergriffs zu bewerkstelligen und zeitige Interventionen zur Verfügung zu stellen. Dieses Projekt, das auf drei Jahre ausgelegt war, sicherte die Vernetzung aller Beteiligten in einem großen Umfeld, unter anderem Jugendamt, Schulen, Justiz, Behörden.
Im Mittelpunkt stand nach Strafgesetzbuch 13. Abschnitt, §§ 174 bis 184 die polizeiliche Meldung über alle Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung durch Minderjährige. Im sogenannten FIT (Familieninterventionsteam) wurden alle Jugendlichen und ihre Erziehungsberechtigten innerhalb der ersten Tage nach Meldeeingang in ihrem Zuhause besucht und zum Vorfall befragt und je nach Bedarf wurden auch gleich Erziehungsmaßnahmen hinzugezogen bzw. empfohlen. Auch die Schwere der Tat wurde bewertet, sowie eine psychologische Teildiagnostik (nach Zustimmung der Kinder und Jugendlichen) durchgeführt.
Minderjährige, die nur gewalttätig in Erscheinung getreten sind, bildeten hier eine Vergleichsgruppe. Der Vergleich dient der Erforschung der Charakteristik in Gruppen und der Deliktspezifität. Wichtig ist hier, dass die Studie nur über Jungen gehalten wurde, da der Mädchenanteil bei sexuellen Strafdelikten vernachlässigbar war (unter 2 %). Ganze 83 % (47 %) der Jungen ließen ihre Taten evaluieren (von insgesamt 177 Personen) die während des Projekts aufgrund von sexuellen Delikten an das FIT (Familieninterventionsprogramm) weitergeleitet wurden. Leider gibt es unter anderem wegen Absage des Tests oder wegen des Mindestalters für Tests Abweichungen bei der Auswertung dieser (in Klammern kenntlich gemacht). Ein geringer Härtegrad der Tat wurde bei 88 % (50 %) der minderjährigen Jungen festgestellt, sodass die Verantwortlichkeit über diese an den Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD) weitergetragen wurde.
Die Bereitwilligkeit zum persönlichen Einsatz an der Auswertung der Tests war in den Gruppen mit hohem und mittlerem Risikopotential um einiges höher, als dies in den Gruppen mit geringem Risikopotential war. Dies muss als Stichprobenverzerrung (weil unterschiedliche Teilnahmeverteilung unter den verschiedenen Gruppen) mit einbezogen werden. Die Polizei nannte bei den vermuteten Delikten unter anderem sexuellen Missbrauch von Kindern (nach § 176, 33 %) und Vergewaltigung oder sexuelle Nötigung (nach § 177, 43 %) als die häufigsten Fälle. Eher seltenere Fälle stellen dabei folgende Vorfälle dar: Erregung öffentlichen Ärgernisses (also sexualbezogene oder sexuelle Handlungen nach § 183a, 12 %), sexueller Missbrauch widerstandsunfähiger Personen (nach § 179, 6 %), schwerer sexueller Missbrauch von Kindern (nach § 176a, 5 %), exhibitionistische Handlungen (nach § 183, 2 %) und auch die Verteilung pornographischer Schriften (nach § 184, 1 %). Am häufigsten kam es laut Polizei zu einem Übergriff mit Körperkontakt (85 %), beim Großteil jedoch ohne Penetration (63 %). Ohne die Tat zu planen (67 %) und vorwiegend alleine (65 %) begangen die minderjährigen Jungen die Straftaten. Nachfolgend zwei Beispiele aus den Meldungen der Polizei, die zur Veranschaulichung der Taten genannt werden:
„Der Beschuldigte (12 J.) habe auf dem Spielplatz Kindern vorgeschlagen, er zeige sich nackt, was ihm die Kinder nachmachen sollten. Er und ein 5-jähriges Mädchen hätten sich ausgezogen. Bei einem 7-jährigen Mädchen, das sich geweigert habe, habe er versucht von hinten ihre Hose herunter zu ziehen.“
„Der Beschuldigte (17 J.) habe zusammen mit einem Mitbeschuldigten und der Geschädigten eine DVD gesehen. Die beiden Jungen hätten sie zum Oralverkehr und ‚einen runter holen‘ aufgefordert. Aus Angst habe sie die Beschuldigten mit der Hand befriedigt, was mit einem Handy gefilmt und in der Schule verbreitet worden sei.“
80 % der Opfer waren weiblichen Geschlechts und zwischen 3 und 46 Jahre alt, der Durchschnitt lag bei 12,66 Jahren. 55 % der Betroffenen waren unter 14 Jahre alt, über 17 Jahre waren jedoch nur 4 %. Opfer und Täter kannten sich in den meisten Fällen, bei 45 % handelte es sich um Bekannte und FreundInnen, bei 36 % um MitschülerInnen, bei je 2 % Bekanntschaften aus dem Internet oder Geschwister. Nur bei 16 % waren die Beteiligten Fremde und kannten sich somit nicht.
Nimmt man die vorherige (vor diesen sexuellen Taten) Straffälligkeit der Jungen in Augenschein erkennt man, dass es bei 17 % von ihnen bereits früher Vorwürfe gab, eine Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung anderer begangen zu haben, jedoch wurde nie eine Verurteilung vollstreckt. Aber auch andere Straftaten wurden diesbezüglich verzeichnet. Vor allem Anklagen von Gewalttaten waren sehr präsent, wie 46 % bei Körperverletzung, 22 % bei Drohung, Erpressung und Nötigung und 45 % bei Eigentumsdelikten, hier wurden jedoch auch nur 4 Einzelfälle verurteilt. Es wird vermutet, dass die Dunkelziffer von Vorfällen der sexuellen Grenzüberschreitung viel höher ist. Bei den Befragungen gaben weitere 17 % der Jungen zu, früher bereits sexuelle Übergriff(e) ausgeführt zu haben, die nirgendwo verzeichnet wurden und somit nicht offiziell geworden sind.
Noch Kinder (also unter 14 Jahre) waren ca. 33 % der Täter zum mutmaßlichen Tatzeitpunkt, im Durchschnitt bei genau 14,0 Jahren, zwischen 8 und 17 Jahren alt. Migrationshintergrund (also wenn das Kind selbst, die Eltern oder Großeltern nicht in Deutschland geboren wurden) bestand bei 64 % der Betroffenen. Die meisten (38 %) kamen aus der Türkei oder dem ehemaligen Jugoslawien (11 %), wenige (9 %) aus Ghana. Das Niveau der Bildung der Täter ist eher gering, da ca. 33 % auf die Förder- oder Sonderschule gingen, mehr als 25 % besuchten die Hauptschule. Die wenigsten (5 %) waren Gymnasiasten oder Realschüler (10 %) oder beruflich Auszubildende (8 %), der ermittelte durchschnittliche Intelligenzquotient lag bei 92, 8. Nur für 52 Jungen lagen Daten über die Berufsausbildung der Eltern vor, welche jedoch auch nicht positiv ausfallen. Einen un- bzw. angelernten Beruf haben hier 60 % der Erziehungsberechtigten, 28 % waren sogar erwerbslos. Die Atmosphäre und das Miteinander in den Familien wurde bei 37 % als gestört beschrieben, viele Eltern hatten sich scheiden lassen oder es war bereits in der Liebesbeziehung der Eltern zu Gewalttaten gekommen. Ca. 33 % der Jungen mussten körperliche Gewalt in der Familie erleben, sowie eigene körperliche Vernachlässigung (12 %), Misshandlungen und körperliche Gewalt (27 %) und emotionale Misshandlung oder Vernachlässigung (12 %), es wurden jedoch nur 5 % als Vorfälle sexuellen Missbrauchs verzeichnet. Hyperaktivität, Unruhezustände, Schwänzen der Schule und auffallende aggressive Verhaltensweisen konnten bei ca. 33 % der Minderjährigen festgestellt werden.
Nur bei 10-15 % der Betroffenen waren auch Alkohol- und Drogenmissbrauch, Auffälligkeiten im Sozialverhalten oder die ADHS-Diagnose mit im Spiel. Vor diesem Projekt kam es eher selten zu Eingriffen bzw. Besprechungen zu diesen sozial unangepassten Verhaltensweisen, nur ca. 33 % hatten bereits Gespräche mit dem Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD) oder dem Jugendamt, ca. 20 % waren in andere Maßnahmen integriert (wie u. a. Psychotherapie). Auffällige sexuelle Verhaltensweisen waren hier jedoch nie Bestandteil der verschiedenen Therapie-Maßnahmen. Bei Betrachtung des aggressiv-dissozialen Verhaltens, Ärgerkontrollproblemen, Depressivität / Ängstlichkeit und Selbstwertproblemen der Jungen als psychische Störungen gab es im Durchschnitt jedoch keine Auffälligkeiten, in diesen Punkten galten sie weitestgehend als psychisch gesund. Besonders starke Störungen waren jedoch beim aggressiv-dissozialen Verhalten (14 %) und bei den Ängsten / Depressionen (7 %) auffällig.
Bei Befragung nach Erfahrungen im sexuellen und beziehungstechnischem Bereich geben ca. 33 % an, dass sie sexuell erfahren sind, über 33 % sagen jedoch, dass das Thema Sex für sie momentan keine wichtige Bedeutung hat. Sehr viele der Minderjährigen (80 %) können sich auch die eigene Gründung einer Familie und sogar Heirat vorstellen. Jedoch zeigt die Befragung, dass entgegen der Meinung der Jungen noch ein großes Erfordernis an sexueller Aufklärung besteht. Die Ergebnisse der Befragungen bezüglich der psychosexuellen Entwicklung der Kinder und Jugendlichen wurden bei 17 % als bedenklich eingestuft.
Nachfolgend die Ergebnisse der Vergleichsgruppe (minderjährige Jungen mit mutmaßlicher, nicht-sexueller Gewalttat) mit der Indexgruppe (minderjährige Jungen mit putativer Sexualstraftat).
Vorgeworfen wurde diesen folgendes: 40 % begangen gefährliche Körperverletzungen, 38 % Körperverletzungen, 24 % Raub, 12 % schwerer Raub, 8 % räuberische Erpressung, 2 % räuberischer Diebstahl und 6 % begangen Bedrohungen, laut Aussagen der Polizei.
Bei der Vergleichsgruppe waren die Opfer jedoch hauptsächlich männlichen Geschlechts (96 %) und die Opfer eher Fremde (84 %) als Bekannte oder Freunde. Zudem betrug das Durchschnittsalter bei der Tat 15,5 Jahre (im Vergleich zu 14,0 Jahren) und bedeutend weniger waren noch im Kindesalter (6 % zu 33 %). Auch betrug das Alter der mutmaßlichen Straftäter zwischen 12 und 17 Jahren. Im Hinblick auf das Bildungsniveau gibt es jedoch keine bedeutenden Verschiedenheiten, im Gegensatz zu den persönlichen Erfahrungen mit physischer Gewalt. Die Täter in der Vergleichsgruppe waren öfter selbst Opfer von körperlicher Gewalt und Misshandlungen (68 % zu 27 %), und auch öfter Anwesende bei familiärer Gewalt (46 % zu 28 %), gewalttätige Konfliktlösungen der Erziehungsberechtigten (45 % zu 35 %) und auch selbst Opfer sexuellen Missbrauchs (14 % zu 5 %).
Im Hinblick auf strafrechtliche Verurteilungen der Eltern fällt folgendes auf: sowohl die Väter (38 % zu 12 %) als auch die Mütter (10 % zu 2 %) wurden öfter schuldig gesprochen als die Eltern der Indexgruppe.
Die Jungen der Vergleichsgruppe haben früher fast doppelt so viele Straftaten in fast allen Bereichen begangen. Auch frühere Verurteilungen aufgrund von Gewalttaten kamen ziemlich häufig (44 %) vor. Bei den nach-außen-verlagernden Störungen (wie Ärgerkontrollprobleme und aggressiv-dissoziale Verhaltensweisen) sind im Durchschnitt jedoch beide Gruppen nicht besonders auffällig.
Die minderjährigen Jungen, die sich an den Auswertungen des Hamburger Modellprojekts beteiligten, weisen einige psychosoziale Beschränkungen auf. Die meisten von ihnen stammen aus ärmlichen Verhältnissen, haben ein niedriges Bildungsniveau und befinden sich in einem gestörten Familiensystem. Ca. 33 % der Jungen machten bereits Erfahrungen mit Gewalt, fast 50 % von ihnen haben sich bereits selbst durch aggressive Verhaltensweisen und Gewalttaten gezeigt, oft auch in Kombination mit Schulschwänzen und Hyperaktivität. Die Wenigsten haben früher psychotherapeutische Hilfen angenommen oder es wurden psychiatrische Diagnosen über diese erstellt. Die Jungen hatten gewisse Erfahrungen mit der Sexualität, jedoch gingen sie mit ihren persönlichen sexuellen Neigungen eher verdrängend um. Der Vergleich zur Vergleichsgruppe zeigt, dass die mutmaßlichen Sexualstraftäter viel größere Verhaltensauffälligkeiten zeigen.
Bei Betrachtung der Untersuchungsergebnisse müssen immer auch die Selektionseffekte berücksichtigt werden. Es muss angenommen werden, dass eher die härteren Fälle befragt und ausgewertet wurden, da viele der Jungen an den ASD (Allgemeiner Sozial Dienst) weitergeleitet wurden. Auch aufgrund der Unterschiede beim Unterschreiben der Einverständniserklärung kann man davon ausgehen, dass einige Fälle nicht bewertet werden konnten.
Das Hauptergebnis dieser Befragungen ist, dass es sich um eine sehr uneinheitliche Gruppe von Jungen handelt. Nur bei einem bestimmten Teil der minderjährigen mutmaßlichen Sexualstraftäter haben psychopathologische, sozioökonomische und psychosoziale Faktoren ihren Einfluss, aber wenn, dann mit sehr großem Potential.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es wenig Hinweise auf Paraphilie oder andere psychiatrische Potentiale bei den Jungen gibt. Vor allem fällt auf, dass die Vergleichsgruppe sich sexuell weniger auffällig und dissozialer verhält, zudem waren die früheren Straftaten hier markanter (bzw. kamen öfter vor). Ein grundsätzlich antisozialer Entwicklungsprozess ist hier bei beiden Gruppen ausschlaggebend für die Straftaten. Aufgrund dieses Projekts (und der dazugehörigen vorzeitigen Diagnostik) konnte man auch die Jugendlichen erreichen, die wohl kein besonderes Hilfsengagement benötigen ((Driemeyer, Briken, S. 93f, 2012).
4.4 Relevanz für das Individuum / Ablauf der Jugendgerichtsbarkeit
Bei Beobachtung der verschiedenen Delikte ist auffallend, dass die aktuellen Lebensabschnitte stark beeinflusst werden vom individuellen Hintergrund des Kriminellen, sodass diese sind also sehr variabel. Das bedeutet, dass hier eine Perspektive gewählt werden muss, die sich auf die unterschiedlichen Phasen des Lebens bezieht und diese gesondert betrachtet und bewertet werden müssen. Gerade die Straftaten von Jugendlichen werden oft in Cliquen und Gruppen angerichtet, aus einem gemeinsamen Beweggrund heraus, wie beispielsweise Wut. Männer zwischen 20 und 29 Jahren dagegen sind eher Einzeltäter, die rein auf Erfolg und Einkünfte aus sind. Wichtig ist hier, dass diese Abweichungen innerhalb des Menschen (also seiner Gefühlswelt) und auch in seinem alltäglichen Umfeld ablaufen. So ist einem Jugendlichen Wertschätzung und Achtung der Gleichaltrigen wahrscheinlich wichtiger als einem Erwachsenen, der hier rationaler denkt (Remschmidt, Walter, S. 85, 2009).
Negatives, unerwünschtes Verhalten von Kindern und Jugendlichen kann durch viele Faktoren verhindert werden, die das Risiko dafür drastisch senken. Leider werden diese Faktoren oft vernachlässigt, da das Hauptaugenmerk eher auf die risikoerhöhenden Faktoren gelegt wird. Dazu zählen folgende: Fürsorge der Eltern / gute Eltern-Kind-Beziehung, gefestigte Bindung, soziale Kompetenzen, gefestigtes soziales Umfeld mit Unterstützung, gute Leistungen in der Schule, hoher bis mittlerer Intelligenzquotient, ausgeglichenes Gemüt, die Entwicklung von sozialen Werten, Kompetenzen der Problemlösung, hohe Selbstwirksamkeitserwartung, allgemeine gute Beziehung zu Erwachsenen. Zudem muss man bedenken, dass sich die risikoerhöhenden Faktoren je nach Entwicklung und Alter der Kinder und Jugendlichen differenzieren lassen. Bestimmte Bedingungen können je nach Alter wichtig oder unwichtig sein (der Bereich Schule ist für einen 5-Jährigen unwichtiger als für einen 15-Jährigen) und unterstehen einem ständigen Wandel (Schreitauer, Rosenbach, Niebank, S. 59f, 2012).
Für straffällige Kinder und Jugendliche wird daher meist keine Bestrafung beantragt, sondern eher das Finden der passendsten Hilfsmaßnahme, die durch erzieherisches Handeln eine weitere Straffälligkeit abwenden soll. Wenn das JGG keine Sondervorschriften beinhaltet, die auf die Straffälligkeit von Jugendlichen, die zum Tatzeitpunkt nicht über 21 Jahre alt waren eingehen, gilt das allgemeine Straf- und Strafprozessrecht. Strafrechtlich nicht zur Verantwortung zu ziehen sind dagegen Kinder unter 14 Jahren (nach § 19 StGB). Betroffene, die zum Tatzeitpunkt zwischen 14 und 17 Jahre alt waren, sind nur dann zur Verantwortung zu ziehen, wenn ein Jugendlicher oder ein Heranwachsender eine Verfehlung begeht, die nach den allgemeinen Vorschriften mit Strafe bedroht ist (§ 1 JGG).
Ein Jugendlicher ist strafrechtlich verantwortlich, wenn er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung reif genug ist, das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Zur Erziehung eines Jugendlichen, der mangels Reife strafrechtlich nicht verantwortlich ist, kann der Richter dieselben Maßnahmen anordnen wie das Familiengericht (§ 3 JGG).
Täter die zwischen 18 und unter 21 Jahre alt sind, sind auf jeden Fall zur Verantwortung zu ziehen. Bei Jugendlichen wird das gnädigere Jugendstrafrecht angewandt, bei den jungen Erwachsenen jedoch entscheidet das Gericht selbst individuell, ob der Täter in seiner Reife und seiner Art der Straftat eher als Erwachsener behandelt und demnach auch bestraft werden kann oder eher als Jugendlicher und somit nach dem Jugendgerichtsgesetz verurteilt wird (nach § 105 JGG). Bereits vor dem eigentlichen Verfahren fertigt die Jugendgerichtshilfe (Jugendämter sind deren Träger) eine Sozialanamnese des Täters aus, um seine Persönlichkeit und Lebensumstände zu erfassen, welches beim Gerichtsverfahren als Entscheidungshilfe und zur besseren Einschätzung der Tat verwendet werden kann. Die Aufgabe der Jugendgerichtshilfe ist also die Darbietung aller erzieherischen Fakten unter gleichzeitiger Empfehlung geeigneter Hilfs- und Strafmaßnahmen während des gesamten Verfahrens.
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