Dieser Essay behandelt aus historischer Sicht das Thema Frauenbewegungen und hat das Ziel, folgende Fragestellung zu beantworten: Warum ist die Verbindung von Bewegungskulturen, Bewegungsöffentlichkeiten und Öffentlichkeit beziehungsweise Öffentliche Meinung entscheidend gewesen für den Erfolg der damaligen Frauenbewegung?
Es wird versucht, die Vorgehensweise von Ulla Wischermanns in ihrem Text "Zur öffentlichen Wirksamkeit der deutschen historischen Frauenbewegungen um 1900" darzustellen und einen Ausblick auf gegenwärtige Bewegungen zu geben.
Einleitung
Dieser Essay behandelt aus historischer Sicht das Thema Frauenbewegungen und hat das Ziel, folgende Fragestellung zu beantworten: Warum ist die Verbindung von Bewegungskulturen, Bewegungsöffentlichkeiten und Öffentlichkeit beziehungsweise Öffentliche Meinung entscheidend gewesen für den Erfolg der damaligen Frauenbewegung? Es wird versucht, die Vorgehensweise von Ulla Wischermanns in ihrem Text „Zur öffentlichen Wirksamkeit der deutschen historischen Frauenbewegungen um 1900“ darzustellen und einen Ausblick auf gegenwärtige Bewegungen zu geben.
Hauptteil
Soziale Bewegungen produzieren Kultur (vgl. Wischermann 2017: 65). So auch die Frauenbewegung, die als Gruppenkultur bezeichnet werden kann (vgl. ebd.) „Sie hat einen Bezug zur herrschenden, dominanten Kultur, grenzt sich aber von ihr ab, transformiert sie und wirkt wieder auf sie zurück.“ (Wischermann 2017: 65)
Eine bedeutende Rolle in den Frauenbewegungen von 1900 nehmen dabei die persönlichen Beziehungen mit der Vermischung von Privatem und Politischen ein (vgl. Wischermann 2017: 66). Unter den persönlichen Beziehungen werden sowohl Verwandtschafts- und Bekanntschaftsbeziehungen verstanden, als auch Freundschaften (vgl. ebd.). Sie gelten als Basis für die Frauenbewegungskultur und waren für die Mobilisierung von hoher Wichtigkeit (vgl. ebd.). Im Hinblick auf das Mehr-Ebenen-Modell von Öffentlichkeit befindet sich die Frauenbewegung auf der Ebene der einfachen Öffentlichkeit (vgl. Wischermann 2017: 68). Die interpersonelle, zum Teil auch intime und persönliche Kommunikation bilden dabei das Fundament (vgl. ebd.). „Besonders deutlich zeigt sich in den Freundschaften der Aktiven und in ihren gemeinsamen Alltagsbezügen, wie bedeutend diese einfache Öffentlichkeit für die Aktivitäten der Frauenbewegungen war.“ (Wischermann 2017: 68)
Im Laufe der Frauenbewegungen kann eine Rollendifferenzierung festgestellt werden: Von einer einfachen zu einer mittleren Öffentlichkeit (vgl. Wischermann 2017: 70). Stimmen von Vereinsvorsitzenden, Redakteurinnen oder auch Vortragsreisenden hatten beispielsweise einen höheren Wert, als die der restlichen Aktivistinnen (vgl. ebd.). Die Frauenbewegungen erfüllten zudem eine Übersetzungsfunktion, „indem sie die Unzufriedenheit von Frauen mit ihrer politisch wie familiär rechtlosen Situation aufgriffen, bündelten und verallgemeinerten.“ (Wischermann 2017: 70)
Die Frauenbewegungen setzten vor allem auch auf identitätsstiftende Elemente und Emotionen (vgl. Wischermann 2017: 69). „Diese Bezugnahme auf gemeinsame Symbole und Rituale wurde bewusst eingesetzt, um die emotionale und identitätspolitische Dimension der Bewegung zu stärken.“ (Wischermann 2017: 69) So hat es beispielsweise eigene Abzeichen mit dem Vereinswappen, Postkarten oder Stimmrechtslieder gegeben (vgl. ebd.).
Publikationsorgane wie Flugblätter, Plakate, Bücher oder Bewegungszeitschriften hatten eine entscheidende Aufgabe: Sie wirkten sowohl in die Bewegung hinein als auch aus ihr hinaus und „fungierten als Gegenöffentlichkeiten, die Widerstand gegen die hegemoniale/n Öffentlichkeit/en formierten und gleichzeitig mit ihrem Agenda Setting versuchten, diese zu beeinflussen und zu verändern“ (Wischermann 2017: 70) (vgl. Wischermann 2017: 70f). Der Erfolg der Frauenbewegungen ist nach sozialer Bewegungsforschung auch auf die Entwicklung der Bewegungsöffentlichkeit als mittlerer Öffentlichkeit in die komplexe Öffentlichkeit zurückzuführen (vgl. Wischermann 2017: 71).
Die eben vorgestellten Bewegungskulturen und Bewegungsöffentlichkeiten waren für die Frauenbewegungen essentielle Erfolgsfaktoren und nicht wegzudenkende Ressourcen (vgl. Wischermann 2017: 71). Aber auch die öffentliche Wirksamkeit und Wahrnehmung spielten eine wichtige Rolle.
„Die Mobilisierung der öffentlichen Meinung durch die Frauenbewegungen der Jahrhundertwende fand nicht spontan statt, sondern war das Ergebnis guter und mühevoller Vorbereitung durch die Propaganda-Ausschüsse und Agitationskommissionen der jeweiligen Teilbewegungen.“ (Wischermann 2017: 75)
Für die Durchführung der Proteste der Frauenbewegungen waren drei Komponenten von elementarer Bedeutung: Das Persönliche (Beziehungs-)Netzwerke wie Freunde, Bekannte oder auch Verwandte, bereits vorhandene organisatorische und kommunikative Infrastrukturen sowie formelle und informelle Kontakte wie JournalistInnen und PolitikerInnen (vgl. ebd.). Mit Demonstrationen, Protesten und Massenkundgebungen verfolgte man das Ziel, Aufmerksamkeit in mediatisierten Öffentlichkeiten zu gewinnen (vgl. Wischermann 2017: 72). Gleichzeitig versuchte man, einen Einfluss auf die Politik zu bekommen (vgl. ebd.).
Als Erfolgsgarant für die Frauenbewegungen darf rückblickend die Öffentlichkeitsarbeit betrachtet werden (vgl. ebd.). Das kurzfristige Ereignismanagement gepaart mit einer längerfristigen Einbettung in diskursive Meinungsbildung und Politisierung gilt als gelungenes Zusammenspiel (vgl. ebd.).
Fazit
Der Erfolg der Frauenbewegungen um 1900 ist eine Zusammenfügung verschiedener Faktoren im privat-öffentlichem Raum – also die die Verbindung von Bewegungskulturen, Bewegungsöffentlichkeiten und Öffentlicher Meinung – oder kurz zusammengefasst (vgl. Wischermann 2017: 76):
„Das Ineinandergreifen von persönlichen Beziehungen und organisatorischer Vernetzung, die Schaffung gegenkultureller Millieus sowie das Agieren in Versammlungsöffentlichkeiten und die Gründung eigener Bewegungsmedien stellen die unentbehrlichen Ressourcen dar, mit deren Hilfe es nach und nach gelang, Bewegungsziele und –forderungen in Politik, Medien und Öffentlichkeit zu platzieren und somit auf die politischen Agenda des Kaiserreich zu bringen.“ (Wischermann 2017: 76)
Die Frauenbewegungen fanden auf allen Ebenen der Öffentlichkeit – der einfachen, mittleren und komplexen – statt (vgl. ebd.).
Heutzutage ist es schwierig, Bewegungen mit ähnlichem Charakter zu finden, da sie sich zu großen Teilen auch in den sozialen Netzwerken abspielen und nicht mehr nur offline. Allerdings gibt es beispielsweise Gemeinsamkeiten mit der Identitären Bewegung. Auch hier kommt es zur Vermischung von Privatem und Politischen. Bei beiden Bewegungen geht es um eine gemeinsame Freizeitgestaltung in Form von Veranstaltungen, Vorträgen, Festen oder Ausflügen. Das „Wir-Gefühl“ soll damit gestärkt werden. Gemeinsame Symbole und Rituale wie personalisierte T-Shirts, Buttons oder ähnliches, haben auch bei den Identitären ihren Platz. Beide Bewegungen fungierten zudem als Gegenöffentlichkeiten, die Widerstand gegen die hegemoniale Öffentlichkeit formieren und gleichzeitig mit ihrem Agenda Setting versuchen, diese zu beeinflussen und zu verändern.
Quellen- und Literaturverzeichnis
Wischermann, Ulla (2017): Zur öffentlichen Wirksamkeit der deutschen historischen Frauenbewegungen um 1900 – Die Interaktion von Öffentlichkeiten. In: Klaus, Elisabeth/Drüeke, Ricarda (Hg.): Öffentlichkeiten und gesellschaftliche Aushandlungsprozesse. Theoretische Perspektiven und empirische Befunde. Bielefeld: transcript, S. 63-78.
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- Citar trabajo
- Alexander Friedl (Autor), 2019, Frauenbewegungen aus historischer Sicht, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/512853