In diesem Essay wird der Fragestellung, inwieweit sich die sogenannte identitäre Bewegung mit Ansätzen der Forschung zu sozialen Bewegungen untersuchen lässt, auf den Grund gegangen. Dies wird anhand einiger Funktionen von Bewegungen (wie etwa dem kulturellen Kontext, den Aktionsrepertoires) sowie der Frames (Deutungsrahmen) versucht, darzustellen. Es wird dabei Bezug auf die aktuelle Medienberichterstattung zu den Identitären wie in der Österreichischen Tageszeitung Der Standard genommen.
Soziale Bewegungen zeichnen sich durch ihre Heterogenität sowie Kontinuität aus. Einheit ist demnach das Ergebnis kollektiven Handelns und die Zugehörigkeit nicht formal geregelt. Diese Zugehörigkeit drückt sich durch die Identifizierung und Teilhabe an einer gemeinsamen Idee aus.
Alexander Friedl
In diesem Essay wird der folgenden Fragestellung auf den Grund gegangen: Inwieweit lässt sich die sogenannte Identitäre Bewegung mit Ansätzen der Forschung zu sozialen Bewegungen untersuchen? Dies wird anhand einiger Funktionen von Bewegungen (wie etwa dem kulturellen Kontext, den Aktionsrepertoires) sowie der Frames (Deutungsrahmen) versucht, darzustellen. Es wird dabei Bezug auf die aktuelle Medienberichterstattung zu den Identitären wie im Standard genommen.
„Eine Analyse der extremen Rechten der Gegenwart zeigt, dass es sich hier analog um eine Vielzahl unterschiedlicher Akteure handelt, die in einer netzwerkartigen, horizontalen Struktur relativ autonom voneinander agieren […]“ (Schendler 2016: 293) und ideologische Kernüberzeugungen teilen (vgl. Schendler 2016: 293). Eine einheitliche vorgegebene Ideologie oder ein Programm gibt es nicht, jedoch verbindet sie eine gemeinsame Zuschreibung von außen (vgl. ebd.).
Soziale Bewegungen zeichnen sich durch ihre Heterogenität sowie Kontinuität aus. Einheit ist demnach das Ergebnis kollektiven Handelns und die Zugehörigkeit nicht formal geregelt (vgl. ebd). Diese Zugehörigkeit drückt sich durch die Identifizierung und Teilhabe an einer gemeinsamen Idee aus (vgl. ebd.).
Sebastian Haunss und Darcy Leach haben den Begriff der „social movement scenes“ geprägt (vgl. Schendler 2016: 304). Dieser bedeutet so viel wie, dass sich bewegungsnahe Netzwerke besonders ausgeprägt über kulturelle Muster und Stile definiert und dabei wenig oder kaum organisatorisch strukturiert sind (vgl. ebd.). Man kann es auch als besonderen „Lifestyle“ umschreiben. „In der extremen Rechten sind es vor allem extrem rechte Jugendkulturen, in denen spezifische subkulturelle Codes, Kleidungsstile und vor allem Musik als Sozialisationspromotoren die Integration Jugendlicher in die Bewegung unterstützen.“ (Schendler 2016: 304) Besonders beim Neonazismus spielt der Faktor Musik eine entscheidende Rolle (vgl. Schendler 2016: 305). Viele junge AktivistInnen sind nur aufgrund dieser Musik in Berührung mit der politischen Bewegung gekommen, angetrieben durch den Drang der persönlichen Selbstverwirklichung (vgl. ebd.). So ist es den jungen Menschen leichter möglich, sich einer Bewegung anzuschließen, denn die ideologische Festung erfolgt erst nach und nach (vgl. Schendler 2016: 305f). Hier ist der entscheidende Unterschied zur klassischen Partei (vgl. Schendler 2016: 305). Auch einer der Gründe dafür, warum die Identitären einen so großen Zuspruch bekommen.
Im Text wird angemerkt, dass die neonazistischen Gruppen mittlerweile die „Symbolsprache des 21. Jahrhunderts“ verstehen und die Jugendlichen dadurch besser erreichen. Es wird von Seiten der Rechten versucht, Freizeitaktivitäten mit Politik zu verbinden (vgl. Schendler 2016: 305). Demnach wird eine „Erlebniswelt Rechtsextremismus“ geschaffen, in der Lebensgefühl gepaart mit Freizeit- und Unterhaltungsangeboten mit politischen Inhalten kombiniert wird (vgl. Schendler 2016: 305). Wie bei anderen sozialen Bewegungen werden Inhalte nicht mehr nur über Publikationen und Veranstaltungen weitervermittelt, sondern „ebenso reproduziert und verinnerlicht durch einen von einer Melange aus Kleidung, Symbolik und Musik gekennzeichneten“ (Schendler 2016: 305) Lifestyle. Für die extremen Rechten ist dieser Zusammenschluss von politischen Inhalten und Freizeitaktivitäten der Schlüssel für eine erfolgreiche Mobilisierung (vgl. Schendler 2016: 306).
Die Identitäre Bewegung Österreich bietet auf ihrer Homepage Stammtische in verschiedenen Regionen an. Beispielsweise am 10. Mai 2019 in Ried, am 17. Mai 2019 in Mödling und am 18. Mai 2019 in Voitsberg. Ziel ist es, über die aktuell politischen Themen zu diskutieren und eine schöne gemeinsame Zeit zu verbringen. Ein weiteres Beispiel ist die „IB-Zone“, die groß auf der Website beworben wird. Sie soll offensichtlich eine junge Zielgruppe ansprechen. „Die ‚Identitäre Zone‘ zieht durchs ganze Land. Wir schlagen unser gelbes Zelt auf, klappen gemütliche Liegen auf und kommen bei Radler und Musik mit Kritikern und Unterstützern gleichermaßen ins Gespräch. Denn Österreich braucht Debatte und Dialog.“ (o. V. 2019: o. S.) Hier wird gezielt versucht, Freizeitaktivitäten mit Politik zu verbinden, um neue Gruppen für die Bewegung zu begeistern.
Wie im Text erwähnt, kann die neonazistische Bewegung oder die Identitären Versandhäuser, wie den Merchandising-Shop „Phalanx“ nutzen, um sich diverse T-Shirts, Buttons oder ähnliches zu bestellen – auch dem Internet kommt hierbei eine besondere Rolle zu (vgl. Schendler 2016: 305f; Schmid/Schmidt 2019: o. S.). Durch die Digitalisierung und die Vernetzung gibt es nun ganze neue Möglichkeiten mit der Bewegung in Kontakt zu treten (vgl. Schendler 2016: 306).
Aktionsrepertoires: Soziale Bewegungen setzen öffentliche Protestaktionen gezielt ein (vgl. Schendler 2016: 306). Sie sind besondere Ausdrücke der Bewegung (vgl. ebd.). Es geht hierbei um gezielte Demonstrationspolitik, die eingesetzt wird, um Ideologien zu verbreiten und die eigene Bewegung zu stärken (vgl. Schendler 2016: 307).
Neben den öffentlichen Protestaktionen sind den rechten Bewegungen auch die nach innen gerichteten Aktionen von Bedeutung, die allen Personen ein Gefühl von Zugehörigkeit geben. So gibt es bei der Identitären Bewegung die Pflicht Sport zu machen (vgl. Schmid/Schmidt 2019: o. S.). Hierbei ist die Rede von einmal in der Woche an Trainings teilzunehmen, beispielsweise beim Boxen oder Demotraining (vgl. ebd.). Auch hier kann das von vorhin erwähnte Beispiel mit den Stammtischen herangezogen werden. Es handelt sich um nach innen gerichtete Aktionen, bei denen es Vorranging um Zugehörigkeit und ein Gemeinschaftsgefühl geht.
Eine weitere wichtige Rolle spielt das Framing. „›Diagnosticframing‹ ermöglicht es, ein Phänomen in ein soziales Problem zu verwandeln, das zumindest potenziell zum Objekt kollektiver Aktion werden kann und impliziert das Benennen von Verursachern.“ (Schendler 2016: 312) Im Text wird erwähnt, dass meist ethisch-kulturell aufgeladene Szenarien von rechten Bewegungen verwendet werden (vgl. Schendler 2016: 312). Die Globalisierung und Einwanderung werden als Bedrohung gesehen (vgl. ebd.). Die Verantwortlichen beziehungsweise die GegnerInnen sind MigrantInnen, Kulturschaffende, Eliten, JüdInnen sowie JournalistInnen (vgl. ebd.).
Eine Pressemitteilung der Identitären zu einer Demonstration im April 2019 auf ihrer Website bestätigt dieses Bild. Die Presse wird als verleumderisch dargestellt und die Justiz sowie der Staat mit Häme übersehen (vgl. o. V. 2019: o. S.). Zahlreiche weitere Beispiele lassen sich dazu im Internet finden.
Drei Punkte sind essenziell damit Frames erfolgreich sind: Es muss eine glaubwürdige Problemdiagnose geben, eine Handlungsmotivation vorgeschlagen und einen Lösungsweg präsentiert werden (vgl. Schendler 2016: 313). Alle drei Punkte werden vor der Identitären Bewegung erfüllt. Einwanderung in Verknüpfung mit Kriminalität sowie Überfremdung werden von der Identitären Bewegung als Abschreckung verwendet (vgl. Schendler 2016: 314). Gleichzeitig gerät die Anti-Globalisierungskampagne in den Vordergrund und so werden „beispielsweise nationalistische und völkische Ideologieelemente mit der sozialen Frage verknüpft“ (Schendler 2016: 314) (vgl. ebd.).
Es wird stetig versucht, auf aktuelle Ereignisse oder Probleme Bezug zu nehmen und so bereits vorhandene Frames zu verstärken (vgl. ebd.). Dieses Vorgehen wird als „frame amplification“ bezeichnet (vgl. ebd.). Laut dem Standard-Artikel sind die Identitären bereits auf spezielle Anlässe beziehungsweise Vorkommnisse wie Terroranschläge, Massenvergewaltigungen oder Morde vorbereitet, um dann im entscheidenden Moment eine Kampagne zu diesem Thema auszuspielen (vgl. Schmid/Schmidt 2019: o. S.). Ein klares Beispiel von „frame amplification“.
Zusammenfassend kann man feststellen, dass die Identitäre Bewegung sich mit Ansätzen der Forschung zu sozialen Bewegung durchaus untersuchen lässt. Es gibt sehr viele Gemeinsamkeiten, die darauf hindeuten: Der eigene geschaffene Lifstyle zusätzlicher zu der verfolgten Ideologie, gemeinsame Protestaktionen, nach innen gerichtete Events mit Freizeitcharakter sowie klar definierte Frames. Die Identitäre Bewegung zeichnet sich ebenfalls mit Kontinuität aus und Einheit ist das Ergebnis kollektiven Handelns. Und auch die Zugehörigkeit drückt sich durch die Identifizierung und Teilhabe an einer gemeinsamen Idee aus.
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- Arbeit zitieren
- Alexander Friedl (Autor:in), 2019, Inwieweit lässt sich die sogenannte Identitäre Bewegung mit Ansätzen der Forschung zu sozialen Bewegungen untersuchen?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/512852
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