Der bewusste Umgang mit der Natur wird in Zeiten des Klimawandels immer wichtiger. In Waldkindergärten lernen Kinder schon früh, die Natur zu schätzen und zu beschützen. Was jedoch fehlt, sind flächendeckende Angebote, die auch während der Schulzeit die Naturverbundenheit fördern.
Doch wie genau fördern Waldkindergärten die Naturverbundenheit von Kindern? Wie verändert sich diese in der Regelschule? Und wie können auch Regelschulen die Verbundenheit mit der Umwelt aufrechterhalten? Tobias Dirigl klärt diese Fragen und geht auf entscheidende Entwicklungen im Grundschulalter ein.
Seine Publikation verdeutlicht nicht nur, wie wichtig der Bezug zur Natur bei Kindern ist. Er zeigt auch, wie naturbezogene Betreuungsangebote die Naturverbundenheit von Kindern während der Schulzeit fördern. Dabei gibt Dirigl Tipps für die konkrete Umsetzung im Schulalltag.
Aus dem Inhalt:
- Umweltpädagogik;
- Naturpädagogik;
- Umweltschutz;
- Klimawandel;
- Kinderbetreuung
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Einführung
1 Situationsbeschreibung
1.1 Betreuungsquoten
1.2 Betreuungsformen
2 Naturverbundenheit und seine Bedeutung
2.1 Verständnis von Naturverbundenheit
2.2 Bildung für Nachhaltige Entwicklung
2.3 Wissenschaftliche Erkenntnisse zur Umweltbildung
2.4 Entstehung und Wirksamkeit von Naturverbundenheit
3 Methodologie der Forschung
3.1 Forschungsgegenstand „WALDS“
3.2 Deduktive Hypothesenbildung
3.3 Forschungsfragen und Hypothesen
3.4 Operationalisierung
3.5 Untersuchungsgruppe
4 Auswertung und Ergebnisse der Befragung
4.1 Befragung der Experimental- und Vergleichsgruppe
4.2 Hypothesenüberprüfung und zusammenfassende Ergebnisreflexion
5 Schlussfolgerungen für die pädagogische Praxis
5.1 Kritische Betrachtung der durchgeführten Erhebung
5.2 Ausblick
5.3 Der Kreis schließt sich
Quellenverzeichnis
Anhang
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Impressum:
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Vorwort
Warum über Naturverbundenheit schreiben? Diese Frage stellte ich mir selbst immer wieder. Immerhin war es das Ziel eine empirische Untersuchung vorzunehmen und hierfür ist etwas so Subjektives und Individuelles wie Naturverbundenheit nicht die einfachste Wahl (erst recht nicht mit Kindern).
Während der Recherche begegnete ich zwar auch vielen anderen interessanten Themen die sich im Bereich des Waldkindergartens ansiedelten, aber meist waren diese schon (wenn auch nicht lückenlos) untersucht worden. Einige dieser Studien zeigten auf, welche Unterschiede ein Waldkindergarten gegenüber einem Regelkindergarten für die Entwicklung von Kindern hat. Nachdem mir die umfangreichen Vorteile eines Waldkindergartens bewusstwurden, fragte ich mich >>Ok! Und was passiert dann?<<. Was passiert mit den positiven Entwicklungen des Kindes, wenn es nicht mehr im Waldkindergarten ist? Immerhin sind Waldschulen oder andere alternative Schulformen, die in diese Richtung tendieren, hierzulande eine Seltenheit. Während sich die mir bekannten Studien mit folgenden Fragen beschäftigten,
- Welche Unterschiede gibt es zwischen den Kindergartenformen?
- Wie schultauglich sind Kinder aus dem Waldkindergarten? wollte ich nun die Frage umstellen und erforschen
- Wie beeinflusst die Schule die Kinder, die aus dem Waldkindergarten kommen?
- Und können die positiven Entwicklungen der Waldkindergartenzeit durch eine naturbezogene Betreuung besser aufrechterhalten oder ausgeweitet werden?
Zunächst suchte ich nach dem gemeinsamen Nenner, der für die positiven Entwicklungen der Kinder verantwortlich ist. Die Überlegungen gingen von Methoden, Konzeption, Personal bis hin zu einigen anderen Bereichen. Obwohl selbstverständlich all diese Bereiche Einfluss haben, landete ich letztlich bei der Natur als Haupteinflussfaktor. Mal wirkte sie direkt, mal indirekt. Aber stets hatte ich den Eindruck, dass sie “als Erzieherin“ die Kinder sehr stark prägt. Dadurch kam ich zu der Ansicht, dass zwar Konzepte wie das Freispiel von großer Bedeutung sind, aber nicht das Freispiel selbst, sondern das, was es ermöglicht, die Wirkung erzielt.
Zuletzt galt es noch die Wechselwirkung zwischen Kind und Natur zu konkretisieren. Das Einfachste wäre natürlich gewesen, wenn es ausgereicht hätte, den Wissenstand von Kindern über die Natur zu erfragen. Hier haben aber schon andere Studien gezeigt, dass das Wissen der Menschen nur einen untergeordneten Einfluss auf das jeweilige Handeln hat. Zu nennen ist hier zum Beispiel die erstmals 1957 veröffentlichte >>Theorie der kognitiven Dissonanz<< von Leon Festiger. Dieser Theorie folgten im Anschluss eine Vielzahl an Experimenten, um diese zu bestätigten und seitdem als Meilenstein der Psychologie zu betrachten. Auch der Biologe und Philosoph Andreas Weber ist der festen Überzeugung, dass es nicht an Wissen, sondern an Emotionen fehle (vgl. Weber, 2014). Denn diese Emotionen sind es, die uns bewegen, alltäglich beeinflussen und von denen oftmals unsere Handlungen abhängen.
So also landete ich letztlich bei der Naturverbundenheit. Dem Subjektiven und Individuellen, welches ich im Folgenden genauer beschreiben und untersuchen möchte.
Einführung
Die Handlungen vieler Menschen stehen oftmals im Widerspruch mit deren Verstand und dem damit verbundene Wissen (vgl. Festinger 2012). Obwohl das Wissen, Bewusstsein und das Streben nach Natur zunehmen, findet dennoch oftmals umweltschädliches Verhalten statt. Während Naturschutzgebiete von immer mehr Menschen besucht werden, welche die intakte Natur genießen möchten, wird diese zugleich von denselben Menschen zunehmend vermüllt und folglich geschädigt (vgl. Weber 2014). Nachdem mangelndes Wissen oder Bewusstsein als Hauptursache ausgeschlossen werden kann, stellt sich die Frage, welche Einflussfaktoren es demnach sind, die unser Handeln bestimmen. Weber (2014) nennt in diesem Zusammenhang die Liebe zur Natur. Er definiert Liebe dabei nicht als ein Begehren, sondern als eine Qualität der Verbundenheit. Während das Begehren weiterhin ein kurzfristig orientiertes Konsumverhalten (wie am Beispiel der Naturschutzgebiete zu erkennen ist) ermöglicht, geht es bei der Liebe zur Natur um die Verbundenheit zu ihr.
Aus Umweltschutzperspektive stellt sich somit die Frage, wie Naturverbundenheit erzeugt, aufrechterhalten und erweitert werden kann.
Ein positives Beispiel hierfür sind die Waldkindergärten. Kaum eine andere institutionelle Form bietet ein vergleichbares Potential um eine intensive Verbundenheit mit der Natur zu entwickeln. Jedoch fehlt es an einem flächendeckenden Angebot für die Zeit nach dem Kindergarten, die sich in vergleichbarer Qualität mit und in der Natur beschäftigt. Der Standard bleibt - wie der Name schon verrät - die Regelgrundschule. Aus diesem Blickwinkel, wird in den folgenden Kapiteln der Frage nachgegangen, wie die Naturverbundenheit (die Kinder innerhalb ihrer Zeit im Waldkindergarten erlangt haben) sich während der ersten Schuljahre einer Regelschule verändert.
Im Rahmen einer qualitativen Untersuchung soll erforscht werden, wie intensiv die Naturverbindung von Kindern ist, die neben der Schule ein naturbezogenes Betreuungsangebot in Anspruch nehmen. Parallel dazu wird eine Vergleichsgruppe mit Kindern untersucht, die an diesem Angebot nicht teilnehmen. Beide Gruppen befanden sich zum Zeitpunkt der Analyse in der zweiten oder dritten Klasse einer Grundschule und haben zuvor den gleichen Waldkindergarten besucht.
1 Situationsbeschreibung
Bevor sich den inhaltlichen Unterschieden der jeweiligen Betreuungsform gewidmet wird, soll an dieser Stelle zunächst aufgezeigt werden, wie hoch der in Anspruch genommene Anteil an öffentlichen Betreuungsangeboten ist, und wie die Verteilung innerhalb der verschiedenen Betreuungsformen sich derzeit gestaltet.
1.1 Betreuungsquoten
Die Form und der Ort der Kinderbetreuung, -Förderung und des Unterrichts ist sehr individuell und unterliegt regionalen sowie zeitlichen Schwankungen. Während aufgrund der in Deutschland herrschenden Schulpflicht die Betreuung der Grundschulkinder klar geregelt ist, bietet die Zeit bis zur Einschulung individuellere Möglichkeiten.
Zur besseren Veranschaulichung werden drei Gruppen gebildet, die sich an die üblichen Altersgruppen der Kinder von Krippe, Kindergarten und Grundschule orientiert.
- Kinder unter 3 Jahren (Krippenalter)
- Kinder zwischen 3 und 5 Jahren (Kindergartenalter)
- Kinder zwischen 6 und 9 Jahren (Grundschulalter)
Gruppe 1:
Am wenigsten wird die öffentliche Betreuungsmöglichkeit für Kinder im Krippenalter in Anspruch genommen. Die zuletzt veröffentlichte Studie des statistischen Bundesamtes legt folgende Betreuungsquoten für Deutschland vor.
- Jährigen von durchschnittlich 2,5%
- 1-2 Jährigen von durchschnittlich 36,1%
- 2-3 Jährigen von durchschnittlich 60,6%
(Statistische Ämter des Bundes und der Länder, 2016, S. 12)
Die oben aufgeführten Zahlen lassen darauf schließen, dass für die Entscheidung eines Krippenplatzes das Alter als Hauptkriterium dient. Jedoch gibt es sehr starke regionale Unterschiede ob, bzw. mit welchem Altern die Kinder in Betreuungseinrichtungen gebracht werden. Die Streuung liegt für Kinder unter 3 Jahren zwischen 25,7% und 57,2% (Statistische Ämter des Bundes und der Länder, 2016, S. 8). Einen Anspruch auf Förderung in einer Tageseinrichtung gibt es laut § 24 Abs. 3 des SGB VIII bisher nur für Kinder die das dritte Lebensjahr vollendet haben (vgl. SGB VIII, 2019). Aufgrund dieser Tatsache liegt die Vermutung nahe, dass die Betreuungsquote nicht nur von dem Willen der Eltern, sondern auch von den in der Region zur Verfügung stehenden Krippenplätzen beeinflusst wird (vgl. BMFSFJ, 2017).
Laut dem Bundesministerium für Familie lag im Jahr 2016 der Bundesweite Betreuungsdurchschnitt von Kindern unter drei Jahren bei 32,7% während der Bedarf bei 46% lag (BMFSFJ, 2017, S. 5). Dies ergibt ein Defizit von 13,3%. Unter Betrachtung der Entwicklung, kann zwar prozentual eine tendenzielle Zunahme an betreuten unter Dreijährigen Kindern in Deutschland festgestellt werden, der tatsächliche Bedarf konnte dadurch aber noch nicht befriedigt werden.
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Abb. 1: Betreuung von Kindern unter drei Jahren. Bundesweiter Durschnitt 2016 in %
(Quelle: Eigene Grafik auf Datengrundlage von BMFSFJ, 2017 S. 4,6)
Gruppe 2:
Bei der Gruppe 2, den drei bis fünfjährigen Kindern, existiert durchschnittlich eine deutlich höhere Betreuungsquote. Auch hier gibt es regionale Unterschiede, diese fallen im Vergleich jedoch unverkennbar niedriger aus (vgl. Statistische Ämter des Bundes und der Länder, 2016).
Auch wenn die Differenz von 2,5% zwischen dem Ziel (einer Betreuungsquote von 96,5%) und den zu diesem Zeitpunkt erreichten Quote (von 94%) deutlich niedriger ist wie bei den unter dreijährigen Kindern, konnte das Ziel dennoch noch nicht vollständig erreicht werden (BMFSFJ, 2017, S. 16).
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Abb. 2: Entwicklung der Betreuung von Kindern unter drei Jahren von 2006 bis 2016 in Deutschland (Quelle: BMFSFJ, 2017, S.4)
Die Kinderstudie des deutschen Jugendinstituts zeigt neben den Schwankungen der Kinderzahlen auch die jeweilige Betreuungsquote an. Während sich die Anzahl der Kinder zwischen 2006 und 2016 zuerst verringert hat und anschließend wieder zunahm, konnte die Betreuungsquote von 87,6% im Jahr 2006 auf 94% im Jahr 2016 kontinuierlich gesteigert werden (Deutsches Jugendinstitut, 2017, S. 15).
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Abb. 3: Entwicklung der Betreuung von Kindern über drei Jahren bis zum bis zum Schuleintritt von 2006 bis 2017 in Deutschland. (Quelle: BMFSFJ, 2017, S.15)
Gruppe 3:
Sofern keine besondere Situation bei einem Kind existiert, besteht bei der Altersgruppe der Sechs- bis Neunjährigen Kindern Schulpflicht. Während sich die Erziehungsberechtigten zuvor noch entscheiden konnten, ob sie ihr Kind in eine Einrichtung geben wollen, bleibt den Eltern von Kindern im Schulalter nur noch die Wahl der Schule/Schulform. Und selbst diese ist aufgrund von regionalen Angeboten, Kosten (bzw. der zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln) und den verfügbaren Plätzen sehr eingeschränkt. Eine freie Schulwahl an staatlichen Schulen existiert zudem nicht. Stattdessen existiert im Schulrecht eine Sprengelpflicht die besagt, dass das jeweilige Kind der am Wohnort ansässigen Schule zuzuordnen sei. Diese Pflicht ist zwar sehr umstritten, wurde aber 2009 in einen Urteil vom Bundesverfassungsgericht als Verfassungskonform gewertet (Bundesver-fassungsgericht, 2009). Grundsätzlich besteht die Möglichkeit einen Antrag auf Befreiung dieser Pflicht bei der ansässigen Schule zu stellen. Betrachtet man jedoch die Urteile solcher Anträge ist festzustellen, dass diese in den wenigsten Fällen stattgegeben werden. In Zeiten von sinkenden Schülerzahlen kann zudem davon ausgegangen werden, dass sich diese Praxis (zumindest solange die Pflicht weiter existiert und von der betroffenen Schule selbst anstatt von einer unabhängigen Stelle geprüft und entschieden wird) unverändert fortsetzt. Es ist anzunehmen, dass bei einer freien Schulwahl, neben dem pädagogischen Konzept der Schule ein weiteres Entscheidungskriterium der Eltern sicherlich auch die Betreuungszeit wäre.
Während für die Vier- bis Fünfjährigen Kindern noch ein Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung besteht (für den, oder gegen den sich die Erziehungsberechtigten theoretisch frei entscheiden könnten) existiert bei den Grundschülern nun die Schulpflicht. Die tägliche Schulzeit dauert jedoch oftmals nur bis mittags. Die Nachmittagsbetreuungen an den Schulen nehmen zwar stetig zu, jedoch besteht bisher kein ausreichendes Angebot sowie kein Rechtsanspruch für eine Ganztagsbetreuung. Faktisch haben Eltern von Grundschulkindern somit weniger Wahlmöglichkeiten. Dies wirkt sich auch auf die durchschnittliche Betreuungszeit aus, die mit der Einschulung der Kinder erstmals wieder rückläufig ist.
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Abb. 4: Grundschulinder bis unter elf Jahren, die eine Tageseinrichtung (zumeist Hort) besuchen von 2006 bis 2016 in Deutschland. (Quelle: BMFSFJ, 2017 S.24
Werden die verschiedenen Gruppen miteinander verglichen, kann festgesellt werden, dass die Betreuungsquote (Schulunterricht ausgeschlossen) im Kindergartenalter mit Abstand am größten ist. Mit einer Steigerung von 152% (BMFSFJ, 2017, S. 4) konnte die erste Gruppe am stärksten zunehmen. Die Gruppe 2 sank um 1,2% (BMFSFJ, 2017, S.15). Dieses Phänomen dürfte durch die Kombination einer bereits im Vorfeld hohen Betreuungsquote und der anschließenden sinkenden Geburtenrate zu erklären sein. Die Gruppe 3 konnte einen spürbaren aber für den langen Zeitraum und des vergleichsweise hohen Potenzials dennoch recht geringen Anstieg von 36,68% erlangen (BMFSFJ, 2017, S. 24)
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Abb. 5: Entwicklung der Betreuungszahlen der Gruppe eins, zwei und drei von 2006 bis 2016 in Deutschland.
(Quelle: Eigene Grafik auf Datengrundlage von BMFSFJ, 2017, S. 4, 15, 24)
Neben den Betreuungsquoten und Betreuungsdauer ist die Betreuungsform mindestens ebenso entscheidend. In dieser Arbeit wird der Betreuungsform sogar eine ganz besondere Bedeutung zugeschreiben und soll daher im Folgenden näher beschrieben werden.
1.2 Betreuungsformen
An dieser Stelle werden verschiedene Betreuungsformen genannt, die wieder in Bezug auf das Kindesalter kategorisiert dargestellt werden.
Gruppe 1:
Neben der geringeren Betreuungsquote findet im Falle einer Fremdbetreuung diese auch aufgrund des geringeren Alters im Durchschnitt kürzer statt als z.B. bei den älteren Kindern im Kindergarten. Zudem variieren die angebotenen Betreuungsformen für Kinder der Gruppe 1 (meist Kinderkrippen) geringfügiger als bei den älteren Kindern der Gruppe 2zwei und drei. Dies ist dadurch erklärbar, da die Entwicklung der Kinder (motorisch wie geistig) noch weniger intensiv ausgebildet sind und sich somit auch die Arbeit mit ihnen sich stärker auf die elementaren Bereiche fokussiert.
Da sich die vorliegende Arbeit auf die Grundschulzeit und die zuvor durchlaufene Kindergartenphase richtet, wird auf eine Auflistung der Betreuungsformen für Kinder der Gruppe 1 verzichtet.
Gruppe 2:
Die Kinder aus der Gruppe zwei werden im Vergleich zur Gruppe 1 prozentual häufiger Fremdbetreut. Zudem steigt die durchschnittliche Betreuungsdauer deutlich an. Auch die Betreuungsformen variieren in dieser Altersgruppe stark. Während es weiterhin Kinder gibt, die von Eltern, Großeltern, sogenannten Ersatzgroßeltern, Tagesmutter/-vater, Au-pair oder anderen selbst organisierten Personen betreut werden, wird der Großteil der Kinder in Kindergärten oder Kindertagesstätten betreut (vgl. Deutsches Jugendinstitut, 2017).
Aufgrund dessen, dass die institutionelle Betreuung mit ca. 94% (BMFSFJ, 2017, S. 15) in dieser Altersgruppe die eindeutige Mehrheit betrifft, wird im Folgenden auf diese Betreuungsform weiter eingegangen, während auf eine Vertiefung der privaten Betreuungsarten aufgrund der geringen Quote verzichtet wird.
Die Betreuungsformen für die rund 94% der Gruppe 2 zugehörigen Kindern gliedert sich grundsätzlich in folgende zwei Bereiche:
a) den Kindergärten
b) den Kindertagesstätten.
Der Kindergarten unterscheidet sich von der Kindertagesstätte in der Betreuungsdauer. Während der Kindergarten als Teilzeitbetreuung betrachtet wird, die eine Betreuung von maximal sechs Stunden gewährleisten, erstreckt sich die Betreuungszeit bei einer Kindertagesstätte auf bis zu zehn Stunden je Werktag. Der Rechtsanspruch für Kinder zwischen drei und sechs Jahren beinhaltet einen Betreuungsplatz mit mindestens vier Stunden pro Werktag und ist auf keine bestimmte Betreuungsform festgeschrieben. Somit besteht grundsätzlich bei der Auswahl zwischen Kindergarten oder Kindertagesstätte eine Wahlfreiheit die jedoch durch die Verfügbarkeit eingeschränkt sein kann.
Innerhalb dieser zwei Betreuungsrubriken gibt es eine Vielzahl an weiteren Betreuungsformen die sich in erster Linie in ihrer pädagogischen Ausrichtung unterscheiden. Zu den häufigsten Formen gehören unter anderem:
- Regelkindergarten /-tagesstätte
- Integrativer Kindergarten /-tagesstätte
- Waldorfkindergarten /-tagesstätte
- Montessori Kindergarten /-tagesstätte
- Natur- und Waldkindergarten /-tagesstätte
- Betrieblicher Kindergarten /-tagesstätte
Jedoch ist zu beachten, dass die Grenzen oftmals nicht eindeutig sind. So gibt es z.B. Regelkindergärten, die eine Waldgruppe oder einen Waldtag pro Woche haben. Zudem könnte beispielsweise ein Waldorfkindergarten zugleich ein integrativer Kindergarten sein. Die Trägerschaft ist prinzipiell von der pädagogischen Ausrichtung unabhängig. In der Praxis ist es jedoch häufig der Fall, dass staatliche Kindergärten /-tagesstätten zumeist Regelkindergärten /-tagesstätten sind, während Waldorf-, Montessori- oder Waldkindergärten überwiegend von privaten Trägern betrieben werden.
Bundesweite Auswertungen über die prozentuale Verteilung zwischen Kindergärten und Tagesstätten sowie eine Häufigkeitsverteilung der verschiedenen Betreuungsformen scheint es bisher leider nicht zu geben und können daher an dieser Stelle auch nicht dargestellt werden. Aufgrund der zunehmenden Verschmelzung diverser Konzepte wären diese auch zunehmend schlechter zu kategorisieren. Tendenziell kann aber ein Trend zu einer längeren Betreuungsdauer festgestellt werden. Diese fällt jedoch historisch bedingt regional (Ost/West) sehr unterschiedlich aus (vgl. BMFSFJ, 2017). Zudem unterliegen die verschiedenen pädagogischen Ausrichtungen auch zeitlichen Schwankungen. Während manche pädagogischen Strömungen in der Vergangenheit einen Zulauf erfahren oder sich neu gegründet haben, nahm die Bedeutung anderer Formen im Laufe der Zeit wieder ab oder sind gar nicht mehr aufzufinden.
Auch wenn es keine statistischen Zahlen gibt, die den prozentualen Anteil von Waldkindergärten nennen, soll an dieser Stelle aufgrund der besonderen Rolle, die diese Betreuungsform in dieser Arbeit einnimmt, zumindest die Entstehung und Entwicklung der Waldkindergärten, sowie deren pädagogisches Konzept in Kurzform aufgezeigt werden.
Der wesentlichste Unterschied zwischen Wald- bzw. Naturkindergärten und anderen pädagogischen Formen liegt darin, dass die Kinder jeden Tag im Freien verbringen. Lediglich bei extremen Wettersituationen, bei denen der Aufenthalt im Freien nicht verantwortet werden kann, wird der jeweilige Schutzraum aufgesucht. Der Fokus des pädagogischen Konzepts basiert auf dem Erleben der Natur mit allen Sinnen sowie der Vermittlung eines respektvollen Umgangs mit ihr. Selbstverständlich unterscheiden sich die jeweiligen Einrichtungen voneinander, weshalb jede Beschreibung lediglich eine Tendenz aufzeigt. Eine dieser Tendenzen liegt darin, dass Waldkindergärten deutlich weniger Spielzeug im herkömmlichen Sinn besitzen. Die Kinder werden dadurch ermuntert ihr Umfeld (und somit die Natur) mit einzubeziehen bzw. zu nutzen (vgl. Miklitz, 2015). Während das übliche Spielzeug für einen beschränkten Einsatzbereich beim Spielen ermöglicht, findet beispielsweise der Ast vielerlei Einsatzmöglichkeiten und fördert dadurch die Kreativität. Ob er nun als Schwert, Hammer, Stock oder Sonstiges gelten soll, muss den jeweiligen anderen Kindern verbalisiert werden (vgl. Häfner, 2002). Dies wiederum fördert das Sprachvermögen, wie die Studie von Häfner (2002) gezeigt hat.
Seinen Ursprung hat dieses Konzept in Schweden. Bereits seit 1892 gibt es hier eine Organisation die naturpädagogische Aktivitäten für alle Altersstufen ganzjährig anbieten. Seit den fünfziger Jahren gibt es in Schweden sowie in Dänemark Kindergärten, die als reiner Wald bzw. Naturkindergarten oder als integrative Form (einem Hauskindergarten angeschlossen) existieren (vgl. Miklitz, 2015).
Der Waldkindergarten in Wiesbaden erhielt 1968 als erster in Deutschland die amtliche Genehmigung und entstand ohne Wissen der Bewegung in Skandinavien. Aufgrund dessen, dass die Gründerin Ursula Sube keine Ausbildung zur Erzieherin besaß, gab es jedoch keine öffentlichen Gelder. Erst gegen Ende der achtziger Jahre erhielt ihre Waldgruppe eine offizielle Betriebsgenehmigung (vgl. edb., 2015).
Der erste deutsche staatliche anerkannte Waldkindergarten wurde 1993 in Flensburg gegründet und basierte auf dem Konzept aus Dänemark. Dank der intensiven Öffentlichkeitsarbeit des Flensburgers Waldkindergartens wurde die Idee weitergetragen und es entstanden in den darauffolgenden Jahren weitere Waldkindergärten in Deutschland (vgl. ebd., 2015).
Während der Existenz der Waldkindergärten schwank deren Bedeutung national sowie international. Heute wird von ca. 1500 Waldkindergärten ausgegangen, die sich teilweise einem Verband angeschlossen haben (vgl. edb., 2015).
Gruppe 3:
Die Diversität der Betreuungsformen ist in der Gruppe 3 zwar noch in abgeschwächter Form vorhanden, jedoch ist diese in der Schule deutlich seltener anzutreffen als noch bei den Kindergärten/Tagesstätten. Dies lässt sich durch folgende Umstände erklären:
Viele Kindergärten mit spezifischer pädagogischer Ausrichtung, wie z.B. die Waldkindergärten, werden meist von Elterninitiativen gegründet und betrieben. Wenn auch dies viel Engagement und Durchhaltevermögen benötigt, ist es für manche Eltern, denen meist ein solches Angebot im regionalen Umkreis fehlt und ein solches aber von großer Bedeutung ist, umsetzbar. Hierzu gehören bereits eine Vielzahl an Kompetenzen sowie Fachwissen, wovon der Großteil oftmals erst noch angeeignet werden muss. Noch vor der offiziellen Gründung müssen Aufgaben verteilt, organisiert und umgesetzt werden. Allein einen geeigneten Platz zu finden kann bereits schwierig werden. Anschließend kommen noch gesetzliche Vorschriften, das Verfassen eines pädagogischen Konzeptes, Buchführung, Personalverwaltung, Finanzführung sowie die Finanzierungsfrage hinzu. Trotz all diesen Herausforderungen existieren dennoch eine Vielzahl an diversen Angeboten für Kinder der Gruppe 2 die den Jugendämtern unterstellt sind.
Eine andere Stufe der Herausforderungen stellt sich jedoch bei der Gründung einer Schule, die dem Kultusministerium unterstellt ist. Zudem klagen jene Betreiber solcher privaten Schulen über die finanzielle Benachteiligung gegenüber staatlichen Schulen (vgl. Erziehungskunst.de, 2011). Bei Betrachtung des folgenden Diagramms wird ersichtlich, dass unter den insgesamt 32.995 Schulen im Schuljahr 2016/2017 lediglich 226 freie Waldorfschulen zu finden sind. Selbst unter Berücksichtigung der 513 Schulen, die keiner Schulart zuzuordnen waren, machen diese zusammen nur einen Anteil von 2,24% der deutschen Schulen aus (Statista.de, 2018).
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Abb. 6: Anzahl der allgemeinbildenden Schulen in Deutschland im Schuljahr 2017/2018. (Quelle: Statista.de, 2018)
Es hat demnach den Anschein, dass für die Kindererziehung private Träger erwünscht sind und die dadurch entstehende Vielfalt als Bereicherung angesehen wird, während die von privaten Trägern angebotene Alternativen bei der Schulbildung eher als Konkurrenz betrachtet werden.
Neben der Frage der Schulart stellt sich die Frage der Nachmittagsbetreuung. Mehr als die Hälfte aller Grundschüler in Deutschland nehmen an einem Betreuungsangebot nach dem Unterricht teil. Die wesentlichen Formen sind Hort, Ganztagsschule oder eine Übermittagsbetreuung, die im Vergleich zu den zwei zuerst genannten eine geringere Betreuungsdauer beinhaltet. Auch hier gibt es wieder deutliche Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland, die sich in der Verteilung sowie im Umfang der in Anspruch genommenen Betreuung zeigen (vgl. BMFSFJ, 2017).
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Abb. 7: Betreuungssituation von Grundschulkindern in %.
(Quelle: DJI Kinderbetreuungsreport, 2017, S. 39)
Lediglich rund 1% der Grundschüler in Deutschland nutzt eine andere institutionelle Form der Nachmittagsbetreuung (vgl. DJI Kinderbetreuungsreport, 2017, S. 39). Hierbei können praktische Gründe wie der Standort eine Rolle spielen. Während bei einem Hort oder einer Ganztagsschule die Betreuung unmittelbar im Schulumfeld stattfindet, ist dies bei anderen Betreuungsformen nicht garantiert und stellt die betroffenen Personen vor eine logistische Herausforderung. Eine spezifische Form der Nachmittagsbetreuung die zu jener Minderheit der 1% Gruppe gehört, soll im Zuge der empirischen Untersuchung im Kapitel 3.1 genauer dargestellt werden.
Zusammenfassend kann für die Gruppe drei festgestellt werden, dass zunehmend mehr Nachmittagsbetreuung angeboten wird, aber diese dennoch nicht den Bedürfnissen der Eltern gerecht werden. Zudem fällt die Angebotsauswahl von verschiedenen Schulformen sowie Nachmittagsbetreuungen deutlich geringer aus als im Vergleich zur Gruppe 2. Neben der grundsätzlich geringeren Auswahl sind es Faktoren wie die regionale Verfügbarkeit von alternativen Angeboten, sowie der finanzielle Aspekt die eine Teilnahme an solchen Angeboten zusätzlich erschweren.
Ob eine institutionelle Fremdbetreuung grundsätzlich förderlich ist, wird kontrovers diskutiert. Hierbei dürften eine Vielzahl an Variablen eine Rolle spielen. In diesem Kapitel sollte durch die Nennung der Betreuungsquoten, Formen sowie Verteilungen lediglich ein Einblick in die derzeitige Betreuungslandschaft ermöglicht werden. Auf eine grundsätzliche Befürwortung oder Ablehnung von institutioneller Fremdbetreuung wird verzichtet. Stattdessen wird sich im nächsten Kapitel dem Thema Naturverbundenheit und seine Bedeutung gewidmet und tauchen somit in das Herzstück der Arbeit ein.
„Die Alten wussten dass das Herz eines Menschen, der sich der Natur entfremdet, hart wird. Sie wussten, dass mangelnde Ehrfurcht, Wertschätzung von allem Lebendigen und allem, was wächst, bald auch die Ehrfurcht und Wertschätzung vor den Menschen absterben lässt. Deshalb war der Einfluss der Natur, der die jungen Menschen feinfühlig machte, ein wichtiger Bestandteil ihrer Erziehung“
(Bear in Naturakademie.at, 2019)
2 Naturverbundenheit und seine Bedeutung
Naturverbundenheit ist ein relativ vertrauter Begriff, der in der Wissenschaft jedoch nur recht selten anzufinden ist. Wird eine Arbeit verfasst, die sich mit den Menschen und der Natur beschäftigt, werden meist Begriffe wie Naturerfahrung, Naturzugang, Natureffekt oder Ähnliches verwendet. Auch wenn diese Begriffe zwar jeweils Nähe zueinander aufzeigen, so ist ihre Bedeutung doch immer eine ganz eigene. Aus diesem Grund soll zunächst der Begriff Naturverbundenheit näher definiert werden, bevor anschließend seine Bedeutung aufgezeigt wird.
2.1 Verständnis von Naturverbundenheit
Dank umfangreicher Recherche konnten zwar einige Eindrücke zum Verständnis von Naturverbundenheit des jeweiligen Autors gesammelt werden, aber eine allgemeine, konkrete oder gar einheitliche Definition war nicht zu finden. Aus diesem Grund soll an dieser Stelle der Versuch gewagt werden den Begriff zu definieren.
Auf eine recht allgemeine Art lässt sich Naturverbundenheit noch sehr leicht beschreiben >>Naturverbundenheit bezeichnet eine Verbindung zwischen Mensch(en) und der Natur! <<. Aber welche Art von (Natur-) Verbundenheit wäre damit gemeint? Oder gibt es verschiedene Arten von Verbundenheit zur Natur? An dieser Stelle wird es interessant und genau hier wird auch der Unterschied zu den Begriffen deutlich, die in der Literatur Verwendung finden. Während Begriffe wie >>Naturzugang<< ein getrenntes Verständnis von Mensch und Natur aufzeigen (wie findet der Mensch Zugang zur Natur) ermöglicht der Begriff >>Naturverbundenheit<< eine Einheit von Mensch und Natur (der Mensch als Teil der Natur). Dennoch stellt sich noch immer die Frage, auf welche Art wir mit der Natur verbunden sein sollen. Hier gibt es mehrere in Frage kommenden Formen der Verbundenheit, die im Folgenden genannt werden sollen.
- „Biologische Verbundenheit à Der Menschliche Körper als Teil der Natur (vgl. Weber, 2014)
- Emotionale Verbundenheit à Die gefühlte Verbundenheit zur restlichen Natur (vgl. Weber, 2014)
- Geistige Verbundenheit à Eine geistige Verbindung mit allen anderen“ (vgl. Brown, 1992)
Am wenigsten Erklärungsbedarf dürfte bei der biologischen Verbundenheit vorhanden sein. Auch wenn kritisch angemerkt werden kann, dass durch die fortschreitende Forschung immer mehr möglich ist (und teilweise auch umgesetzt wird). So kann z.B. bereits heute organisches Material “hergestellt“ werden. Dennoch bleibt das “Material“ aus physikalischer Sicht immer noch ein Bestandteil der Natur, das lediglich (aufgrund von menschlichem Einfluss) einen Wandel vollzogen hat.
Der zweite Bereich emotionale Verbundenheit hingegen ist zumindest in der Intensität variabel und soll im Anschluss noch mehr Aufmerksamkeit erhalten.
Der dritte Punkt geistige Verbundenheit ist z.B. in Schriften zu finden, die sich mit indigenen Völker befassen. Teilweise existieren in deren Sprache Begriffe wie Natur gar nicht, da es in der Entwicklung derer Sprache nichts existierte was nicht als Teil der Natur betrachtet wurde (vgl. Abram, 2015). Diese Stämme oder Völker werden aus westlicher Sicht meist als spirituell betrachtet. Aus diesen Grund wurde hierfür der Begriff >>geistige Verbundenheit<< verwendet, der hier als Überbegriff dienen soll und damit die (geistige) Verdingung mit allen anderen meint.
Wie bereits angemerkt, wird dem zweiten Punkt die größte Relevanz für diese Arbeit zugeschrieben. Bevor sich diesem Teilbereich gewidmet wird, steht noch der Versuch aus eine allgemeine Definition von Naturverbundenheit zu finden.
Eine allgemeine Variante, die dem Verständnis Teil der Natur zu sein gerecht werden könnte und zugleich andere Wesen nicht ausschließt, könnte wie folgt lauten. >>Naturverbindung beinhaltet eine Verbundenheit eines Naturmitgliedes (zumeist Mensch) mit der restlichen Natur auf biologischer oder einer anderen Art und Weise<< Eine spezifischere Version hingegen könnte es wie an dieser Stelle aufgeführt etwas konkreter fassen. >>Naturverbundenheit meint eine Verbindung eines Menschen zur restlichen Natur auf emotionale, körperliche oder geistige Art und Weise<< Die Bezeichnung körperliche Art und Weise müsste dabei im Verständnis nicht auf die biologische Abstammung beschränkt werden, sondern erhält eine Doppelbedeutung indem es auch durch den Körper in Verbindung treten zur restlichen Natur meint.
Um diese Doppeldeutigkeit zu vermeiden, sowie das eine nicht durch das andere auszuschließen, könnte die Definition wie folgt ergänzt werden. >>Naturverbundenheit meint eine oder mehrere Verbindung(en) eines/der Menschen zur restlichen Natur auf emotionale, biologische, physikalische oder geistige Art und Weise<< Nachdem die Frage was es ist? behandelt wurde, stellt sich zudem die Frage wohin dies führt? und somit auch zur Frage nach dem warum. Die Frage nach der Bedeutung von Naturverbundenheit wird im Kapitel 2.4 näher betrachtet. Zunächst soll noch kurz auf die Frage wohin dies führt? eingegangen werden.
Wie bereits in der Einführung angemerkt wurde, ist die Frage nach Naturverbundenheit u.a. auch eine Frage des Naturschutzes. Folgt man der Ansicht, dass Naturverbundenheit zu einem Verständnis und Gefühl von Teil der Natur zu sein führt, so kann daraus die Hypothese abgeleitet werden, dass dieses eins sein mit der Natur zu einem Bedürfnis von im Einklang mit der Natur leben wollen führt. Einen wesentlichen Einfluss dürfte hier das vorhandene Wohlbefinden in der Natur und der Respekt gegenüber der Natur besitzen, die Gebhard (2011) als wesentliche Indikatoren in der Bindungstheorie nennt. Um die Frage wohin dies führt? nochmal aufzugreifen, könnte unter diesen Gesichtspunkt davon ausgegangen werden, dass Naturverbundenheit zu einem wertschätzenden und verantwortungsvollen Umgang mit der Natur führt und somit unter anderen auch als Umweltbildung betrachtet werden kann. Im folgenden Kapitel soll aufgezeigt werden, welche Formen der Umweltbildung im Kindesalter derzeit in nennenswerten Ausmaß Anwendung finden.
2.2 Bildung für Nachhaltige Entwicklung
Die Umweltbildung basiert auf der 1970 entstandenen Umweltbewegung, die als Reaktion auf die zunehmenden Umweltkrisen verstanden wird. Aus dieser Bewegung heraus sind auch einige der namhaften Umweltverbände entstanden, die heute noch existieren (vgl. schuetzer-der-erde, 2015). Weniger bekannt, wenn auch nicht weniger relevant, ist der Begriff Mitweltbildung. Hier wird die Trennung zwischen dem Menschen und der Umwelt aufgehoben, indem man sich als Teil des Ganzen betrachtet. Die mit der Mitweltbildung in Verbindung bringende konsequentere Sichtweise weist eine höhere Übereinstimmung zum Verständnis von Naturverbundenheit auf als die der Umweltbildung (vgl. uni-bremen.de, 1996). Demnach wäre der Begriff Mitweltbildung inhaltlich am besten für diese Arbeit geeignet, jedoch findet er wie bereits erwähnt zu selten Anwendung. Aus diesem Grund wird im Folgenden mehrfach auf wissenschaftliche Texte zurückgegriffen werden müssen, welche die etablierten Begriffe verwenden.
Der bedeutsamste Begriff in der Gegenwart ist Bildung für Nachhaltige Entwicklung kurz BNE. Der Begriff etablierte sich im Zuge der Agenda 21 die im Jahr 1992 von 172 Staaten in Rio de Janeiro beschlossen wurde (vgl. schuetzer-der-erde, 2015). Rost (2002) kommentierte die Wahl der Bezeichnung kritisch, indem er sie als schillernd und vage beschreibt, wie sie damals schon scheinbar sein musste, um die Zustimmung möglichst vieler Staaten zu erlangen. An dieser Stelle stellt sich die Frage, welches Verständnis Deutschland aus dieser unpräzisen Beschreibung gewählt hat und wie dieses Verständnis in das alltägliche Leben der Menschen und in unseren Fall insbesondere in das Leben der Schüler finden soll?
Nachdem die gängigen Bezeichnungen dargestellt worden sind, soll als nächstes der Frage nachgegangen werden, in welcher Weise die BNE (wenn wir diese Bezeichnung als Überbegriff übernehmen möchten) bedeutsame Anwendung für Kinder im Grundschulalter findet und somit möglicherweise zur Naturverbundenheit beitragen könnten. Hierzu sollen zunächst Bereiche von Kindern im Grundschulalter genannt werden, die als potenzielle Einflussfaktoren betrachtet werden können.
- Soziales Umfeld (Prägung von Werten, Alltagsverhalten, Routinen, etc.)
- Räumliche Umgebung (Wie leicht ist ein Aufenthalt in der Natur möglich?)
- Schule (Wissensvermittlung über Natur und deren Zusammenhänge)
- Vereine (Pfadfinder und Co. ermöglichen Kontakt mit und in der Natur)
Es macht den Eindruck, dass es sich im Bereich der BNE überwiegend um Konzepte handelt, die im Rahmen von Bildungs- oder Arbeitseinrichtungen behandelt werden. Bemerkenswerter Weise schreibt das BNE-Portal auf ihrer Homepage selbst, dass aber 60-70% aller menschlichen Lernprozesse im nonformalen Umfeld stattfinden. Und selbst im nonformalen Bereich des BNE bleibt die Strategie der Multiplikatoren, sodass das Konzept auf ausschließlich institutioneller Form basiert (vgl. BNE-Portal, 2018).
Die institutionellen Formen der Umweltbildung haben garantiert ihre Berechtigung, jedoch soll an dieser Stelle darauf aufmerksam gemacht werden, dass dies jedoch nur eine Ergänzung sein sollte. Aus dem historischen Lebensstil von indigenen Völkern, könnte abgeleitet werden, dass es keine institutionellen Formen gab, aber deren Verständnis und Handeln deutlich mehr im Einklang mit der Natur war als das westliche (vgl. Abram, 2015).
Mit diesem kontrastreichen Vergleich soll die Frage gestellt werden, ob wir mit den institutionellen und oftmals auf Wissensvermittlung basierenden Konzepten den richtigen Fokus gesetzt haben. Kann eine solche BNE den Erfolg haben, den ihr Name eigentlich verspricht? Die derzeitige Entwicklung in Deutschland tendiert hin zu zunehmenden Flächenverbrauch und somit immer weniger Naturflächen und einer Zunahme der Städte und dies trotz sinkender Anzahl an Menschen im Land (vgl. Statistische Ämter des Bundes und der Länder, 2019). So gesehen demnach keine nachhaltige Entwicklung. Folgt man der Ansicht von Autoren wie Weber (2011), Gebhard (2011), Louv (2011) und weiteren, ist der freie und von Erwachsenen unkontrollierte Aufenthalt von Kindern in der Natur entscheidend, um zu dieser eine persönliche Verbindung aufbauen zu können. Dies würde aber jedoch nur dann im bedeutsamen Umfang stattfinden, wenn hierfür geeignete Flächen im unmittelbaren Umfeld vorhanden sind und die Kinder diese auch selbstbestimmt nutzen können/dürfen (vgl. Louv, 2011). Neben den bereits erwähnten Faktoren wie soziales Umfeld, Schule, Vereine oder Ähnliches, wäre also auch der Bereich des räumlichen Umfelds ein wesentlicher und vermutlich bisher unterschätzter -im jeden Fall zu gering beachteter- Faktor für die Entwicklung von Naturverbundenheit. Um diesen zu würdigen wären jedoch ganz andere Ansätze notwendig als sie bisher stattfinden. Anstatt z.B. “einfach“ den Lernplan zu wechseln, wie es im formalen Bereich möglich wäre den BNE zu integrieren, fordert der räumliche Aspekt viel komplexere Maßnahmen. Betroffen wären hier nicht nur Städte- und Landschaftsplaner, sondern es wäre vielmehr eine politische Angelegenheit, die auch die Frage aufwirft, welche Anreize geschaffen werden (z.B. für die Wahl von Wohn- und Arbeitsplatz / Brachflächen / Grünlandschaften / usw.). Hier dürften jedoch noch viel größere Widerstände (aufgrund der Komplexität und der höheren ökonomischen Auswirkungen) zu erwarten sein, als sie bereits in den anderen Bereichen vorzufinden sind.
Der vorangegangene Text sollte aufgezeigt haben, welche Bedeutung das räumliche Umfeld für die Entwicklung von Naturverbundenheit in sich trägt. Da sich der Inhalt dieser Arbeit aber mehr mit dem pädagogischen Teil der Naturverbundenheit beschäftigt, wird im Folgenden der Fokus wieder auf die institutionellen Konzepte gelegt. Es soll aber nochmals deutlich gemacht werden, dass die Bedeutung dieses Bereichs nicht in Konkurrenz zu dem eben genannten Bereich oder auch den des sozialen/familiären Umfeld stehen soll. Im Gegenteil. Vielmehr soll es als eine Ergänzung zu den anderen Bereichen betrachtet werden - und eben nicht mehr, da dies alleine nicht die Lösung darstellt, wie es leider zu oft den Anschein macht.
Im nächsten Kapitel werden Beispiele aus der Studienlandschaft aufgezeigt, die sich mit dem pädagogischen Bezug von Naturverbundenheit/BNE beschäftigen.
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- Arbeit zitieren
- Tobias Dirigl (Autor:in), 2020, Naturverbundenheit bei Kindern im Grundschulalter. Wie naturbezogene Betreuungsangebote den bewussten Umgang mit der Natur fördern, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/511972
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