Herauszufinden, auf welche Weise Räume bei dem Spiel Pokémon Go (nachfolgend PG) entstehen und wie sie vom Spieler wahrgenommen werden, soll das zentrale Anliegen dieser Arbeit sein. Es geht also weniger um eine rein ludologische Annäherung an das Spiel PG an sich, sondern vielmehr um einen Zugang zum Spiel über die Wahrnehmung des Spielers. Untersucht werden soll dabei zum einen die Wahrnehmung der eigenen Präsenz des Spielers im Spiel. Zum anderen soll herausgearbeitet werden, wie der Spieler den realen Ort wahrnimmt, der mit PG auch gleichzeitig zum Ort des Spiels wird und durch die Technologie des Spiels neue Beschreibungen erhält.
Mit der Veröffentlichung des mobilen Augmented Reality Games Pokémon Go im Juli 2016 ist für einige Monate ein weltweiter Hype um ein Spiel entstanden, das die aus Gameboy- und Videospielen bekannten Taschenmonster über Smartphones und Tablet-PCs in die reale Welt projiziert. Medien berichteten in diesem Zuge nicht nur ausgiebig vom Erfolg der App, sondern auch von besonderen Vorfällen, die im Zusammenhang mit dem Spiel standen. So wurde oftmals berichtet, wie Spieler so sehr in ihre Smartphone-Bildschirme vertieft waren, dass sie die Welt um sich herum zu vergessen schienen und in kuriose oder gefährliche Situationen gerieten. Nicht selten ging es dabei um Situationen, in denen Nutzer auf der Suche nach den Pokémon mehr im Spiel anwesend zu sein schienen als in ihrer realen Umgebung.
In einem Extremfall sind Nutzer der App auf diese Weise sogar in eine Schießübung auf einem Truppenübungsplatz der Bundeswehr in Niedersachsen geraten. Da die Pokémon über die Kamera des Smartphones allerorts eingeblendet werden können, scheint der Raum des Spiels nahezu unbegrenzt. Ferner fordert das Spiel dazu auf, die physische Welt zu erkunden und so viele Taschenmonster wie möglich zu fangen. Somit scheinen sich den Spielern von PG überall Räume zu eröffnen, in die sie sich hineinbegeben und in denen sie nach Pokémon suchen können.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Zur Virtualität im Raum
2.1 Virtual Reality (VR)
2.1.1 Fiktionale Realität nach Niklas Luhmann
2.1.2 Virtuelle Realität nach Jonathan Steuer
2.2 Augmented Reality (AR)
3. Präsenz im virtualisierten Raum
3.1 Präsenzerleben in VR
3.1.1 Telepräsenz nach Marvin Minsky
3.1.2 Telepräsenz nach Steuer
3.1.3 Präsenz nach Matthew Lombard und Theresa Ditton
3.2 Räumliches Präsenzerleben
3.3 Präsenz im Kontext von AR
4. Zwischen VR und Realität - Augmented Reality Games
4.1 Das spielerische Bindeglied zwischen VR und physischem Raum
4.2 Klassifizierung von AR Games nach Knauer und Mütterlein
5. Das Fallbeipiel Pokémon Go
5.1 Ingress
5.2 Pokémon Go: Spielbeschreibung
5.2.1 Herkunft
5.2.2 Inhalt und Funktionsweise
5.2.3 Orte und Items
5.2.4 Ähnlichkeiten und Unterschiede zu Ingress
5.2.5 Kämpfe
5.2.6 PG im Klassifikationsmodell nach Knauer & Mütterlein
6. PG zwischen Game und Gameplay
6.1 Johan Huizinga: Der magische Kreis des Spiels
6.2 Der magische Kreis im Kontext von AR Games
6.2.1 Durchlässige Grenzen
6.2.3 Mobile Games
6.2.4 Ambient Play
7. Der reale Raum im Kontext mobiler AR Games
7.1 Zu Heterotopie und Spiel
7.2 Die Umdeutung des realen Raums durch PG
8. Zwischenfazit
9. Die Wende zum Spielbild
8.1 Digitale Spielbilder
8.2 Zu Interaktivität von digitalen Spielbildern
8.3 Das Spielbild in Pokémon Go
8.3.1 Der Pokémon-Kampf
8.3.2 Die Kartenansicht
8.3.3 Der AR-Modus
8.4 Präsenz und Immersion im digitalen Spielbild
8.5 Präsenz in den Spielbildern von PG
8.5.1 Präsenz in den Spielbildern der Pokémon-Kämpfe
8.5.2 Präsenz im Spielbild der Kartenansicht
8.5.3 Präsenz durch die Spielbilder des AR-Modus
9. Player Involvement Model
9.1 Kinästhetische Involvierung bei PG
9.2 Räumliche Involvierung bei PG
10. Fazit
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Die Spielbilder von PG: Kampfszene, Kartenansicht und AR-Modus (eigene Abbildungen, Screenshots aus der App „Pokémon GO“ Niantic, Inc.)
1. Einleitung
Mit der Veröffentlichung des mobilen Augmented Reality Games Pokémon Go (nachfolgend PG) im Juli 2016 ist für einige Monate ein weltweiter Hype um ein Spiel entstanden, das die aus Gameboy- und Videospielen bekannten Taschenmonster über Smartphones und Tablet-PCs in die reale Welt projiziert. Medien berichteten in diesem Zuge nicht nur ausgiebig vom Erfolg der App, sondern auch von besonderen Vorfällen, die im Zusammenhang mit dem Spiel standen. So wurde oftmals berichtet, wie Spieler so sehr in ihre Smartphone-Bildschirme vertieft waren, dass sie die Welt um sich herum zu vergessen schienen und in kuriose oder gefährliche Situationen gerieten. Nicht selten ging es dabei um Situationen, in denen Nutzer auf der Suche nach den Pokémon mehr im Spiel anwesend zu sein schienen als in ihrer realen Umgebung. In einem Extremfall sind Nutzer der App auf diese Weise sogar in eine Schießübung auf einem Truppenübungsplatz der Bundeswehr in Niedersachsen geraten.[1] Da die Pokémon über die Kamera des Smartphones allerorts eingeblendet werden können, scheint der Raum des Spiels nahezu unbegrenzt. Ferner fordert das Spiel dazu auf, die physische Welt zu erkunden und so viele Taschenmonster wie möglich zu fangen. Somit scheinen sich den Spielern von PG überall Räume zu eröffnen, in die sie sich hineinbegeben und in denen sie nach Pokémon suchen können.
Herauszufinden, auf welche Weise diese Räume entstehen und wie sie vom Spieler wahrgenommen werden, soll das zentrale Anliegen dieser Arbeit sein. Es geht also weniger um eine rein ludologische Annäherung an das Spiel PG an sich, sondern vielmehr um einen Zugang zum Spiel über die Wahrnehmung des Spielers. Untersucht werden soll dabei zum einen die Wahrnehmung der eigenen Präsenz des Spielers im Spiel. Zum anderen soll herausgearbeitet werden, wie der Spieler den realen Ort wahrnimmt, der mit PG auch gleichzeitig zum Ort des Spiels wird und durch die Technologie des Spiels neue Beschreibungen erhält.
Bedingt durch diese Technologie überlagern sich der physische Raum und der virtuell erzeugte Spielraum. Somit erhält das Spiel die Funktion eines vermittelnden Mediums, das bestimmte Wahrnehmungen ermöglicht. PG erzeugt sowohl virtuelle, als auch virtuell-erweiterte Realitäten, die in unterschiedlichen (medienwissenschaftlichen) Diskursen in Bezug zu dem Erleben von Präsenz gestellt werden. Aus diesem Grund sollen zu Beginn dieser Arbeit die Begriffe der Virtual Reality (VR), Augmented Reality (AR) und Präsenz geklärt werden, um einen übergeordneten Zusammenhang zwischen ihnen und PG herstellen zu können.
Präsenz ist immer räumlich bedingt, das heißt, der Spieler muss sich in einem Raum anwesend fühlen. Daher stellt sich die Frage, welche Räume PG bietet, in die der Spieler eintreten und in denen er möglicherweise Präsenz erfahren kann. Außerdem ist zu klären, welche Implikationen sich für den realen Raum ergeben, in dem sich der Spieler bewegt und der durch neue virtuelle Beschreibungen womöglich auf andere Art und Weise wahrgenommen wird.
Um diese Fragen zu beantworten, werden verschiedene Zugänge zur Räumlichkeit von PG gewählt. Die traditionelle Spieltheorie nach Johan Huizinga besagt, dass der Raum des Spiels entsteht, indem die Regeln des Spiels dieses vom alltäglichen Leben abgrenzen. Mobile Augmented Reality Games wie PG weisen andere Eigenschaften auf als traditionelle Spiele, auf die dieses Theorem ursprünglich ausgerichtet war. Daher soll überprüft werden, wie PG sich zur klassischen Spieltheorie verhält und welche Art von Spielraum sich daraus ergibt.
Als weitere Raumkategorie gilt der physische Raum, der bei PG mit virtuellen Informationen überlagert und dadurch zum Raum des Spiels wird. In diesem Zusammenhang sei die These aufgestellt, dass der reale Ort aufgrund von PG neue Bedeutungen erhält und dadurch von den Spielern auf andere Art und Weise wahrgenommen wird als zuvor. Das, was diese Umdeutung des Ortes von Umdeutungen durch traditionelle, nicht-digitale Spiele unterscheidet, ist die Notwendigkeit der Ubiquität, die das Gameplay von PG auszeichnet. Diese Thesen sollen anhand der Konzepte des Ambient Play sowie der Heterotopien nach Michel Foucault belegt werden.
Darüber hinaus wird der Raum des Spiels von PG über das Interface des Ausgabegerätes in Form von Spielbildern erfahren. Unter Einnahme einer bildwissenschaftlichen Position sei behauptet, dass es die Interaktion des Spielers mit den Spielbildern ist, die das Potenzial für ein Präsenzerleben in PG bedingen. Dies soll anhand dreier ausgewählter Spielbilder von PG überprüft werden.
Schließlich soll unter Zuhilfenahme des „Player Involvement Model“ von Gordon Calleja herausgefunden werden, inwiefern das Gameplay von PG die Voraussetzungen für ein Präsenzerleben erfüllt. In dem Modell werden sechs verschiedene Dimensionen der spielerseitigen Involvierung im Kontext digitaler Spiele untersucht. Involvierung gilt dabei als die Vorstufe von Präsenz. Von den sechs Dimensionen werden zwei, nämlich kinästhetische und räumliche Involvierung, in Bezug auf PG genauer untersucht. Kinästhetische Involvierung gilt als die Dimension, die das Spielerengagement am stärksten beeinflusst und soll daher berücksichtigt werden. Da es in dieser Arbeit außerdem um räumliches Präsenzerleben geht, soll überprüft werden, inwiefern die Spielmechanik bzw. das Gameplay in PG zu räumlicher Involvierung führt.
Den Schluss dieser Arbeit bildet ein zusammenfassendes Fazit.
2. Zur Virtualität im Raum
2.1 Virtual Reality (VR)
Der Begriff der Virtual Reality (VR) soll aus zwei verschiedenen Perspektiven beleuchtet werden, um einen übergeordneten Rahmen für eine auf Wahrnehmung ausgerichtete Betrachtungsweise schaffen zu können, nach der Pokémon Go interpretiert wird. Hierzu werden zunächst die konstruktivistisch geprägte Definition von Niklas Luhmann sowie die Definition des Kommunikationswissenschaftlers Jonathan Steuer herangezogen, bevor anschließend das Konzept der Augmented Reality (AR) beleuchtet wird.
2.1.1 Fiktionale Realität nach Niklas Luhmann
In seinen „Schriften zu Kunst und Literatur“ spricht Luhmann von Virtualität als „eine besondere Form von Möglichkeit, die durch einen Zusatzfaktor der Kraft oder des Könnens bestimmt ist“ [2]. Virtuelle Realitäten sind demnach fiktionale, mit einer bestimmten Kraft bzw. einer besonderen „virtus“ [3] ausgestattete Realitäten. Diese Kraft kann beispielsweise im Spiel oder in der Kunst erzeugt werden. Sie sorgt durch Ausblendung der Schnittstelle zwischen Fiktionalität und Realität unter anderem dafür, dass ein virtueller Raum als kybernetischer Raum wahrgenommen werden kann, denn „man weiß zwar, beobachtet aber nicht, dass das Erleben durch eine unsichtbare Maschine gesteuert wird“ [4].
Virtuelle Realitäten sind durch eine in sich stimmige Ordnung gekennzeichnet, von der aus sich die reale Realität oder, wie Luhmann schreibt, die „normale, allen bekannte Wirklichkeit“ [5] betrachten lässt. Der Unterschied zwischen fiktionaler und realer Realität wird in der realen Realität getroffen und ist vom Betrachter abhängig. Die reale Realität wird so zu einer Seite einer Unterscheidung, bei der der Betrachter den Unterschied trifft und bestimmt, was real und was fiktiv ist. In diesem Zusammenhang spricht Luhmann von dem Konzept des Re-entry, womit „das Hineincopieren [sic] einer Unterscheidung als dieselbe in eine andere" [6] gemeint ist. Präziser ausgedrückt meint das Konzept die von einem System ausgeführte Unterscheidung zwischen sich selbst und seiner Umwelt sowie die darauf folgende Wiedereinführung des Unterschiedenen in das System. Gleichzeitig wird die Möglichkeit dieser Unterscheidung überhaupt erst dadurch bedingt, dass man sie ausführen kann.
An dieser Stelle angemerkt, dass Realität für sich genommen in Luhmanns systemtheoretischem Sinne immer eine individuelle Beobachtung darstellt, die selbst stets von etwas anderem unterschieden werden muss. Sowohl die physische als auch die virtuelle Welt können vom Betrachter als real wahrgenommen werden. Daher sollte die physische Welt nicht als Vergleichswert zu virtuellen Phänomenen gebraucht werden, wenn es um die Wahrnehmung des Menschen von Realität geht. Diese Wahrnehmung ist stets individuell ausgeprägt und kann somit keine allgemein gültigen Vergleichswerte liefern. An das Verhältnis zwischen Betrachter und dessen wahrgenommener Umgebung im Kontext virtueller Realitäten schließt die nachfolgende Definition von Jonathan Steuer an.
2.1.2 Virtuelle Realität nach Jonathan Steuer
Jonathan Steuer beschreibt Virtual Reality (VR) als „eine reale oder simulierte Umgebung, in der ein Wahrnehmender Telepräsenz erfährt“ [7]. Im Zentrum seiner Definition stehen sowohl die Beziehung zwischen dem wahrnehmenden Individuum und seiner rezipierten Umwelt als auch die Kommunikation, die innerhalb dieser Beziehung stattfindet. VR impliziert demnach ein neuartiges Modell von Kommunikation, welches die Interaktion des Individuums mit seiner vermittelten Umwelt in den Mittelpunkt rückt. Entgegen des traditionellen Kommunikationsmodells, das auf der gegenseitigen Informationsübertragung zwischen Sender und Empfänger beruht, beschreibt Steuer vermittelte Kommunikation aus der Perspektive der sogenannten „Telepresence View“ [8], in der vermittelte, virtuelle Umgebungen erst geschaffen und dann erfahren werden. Es geht dabei weniger um die Übertragung reiner Information, als vielmehr um die Wahrnehmungsnähe, die der Betrachter durch den vermittelten Inhalt erfährt.
Entscheidend für die Erzeugung von VR ist die individuelle Erfahrung von Präsenz bzw. Telepräsenz, weswegen diese beiden Begriffe an dieser Stelle schon einmal vorweggenommen werden müssen. Eine ausführliche Abhandlung des Präsenzbegriffs erfolgt weiterführend in Kapitel 3.
Begrifflich unterscheidet Steuer zwischen Präsenz als dem „sense of being in an environment“ und Telepräsenz als „the experience of presence in an environment by means of a communication medium“.[9] Während sich Präsenz also auf die natürliche, unvermittelte Wahrnehmung des Betrachters bezieht, steht Telepräsenz für eine vermittelte Wahrnehmung bzw. den Grad, zu dem man sich in der vermittelten Umgebung präsent fühlt. Damit wird zum einen deutlich, dass VR nicht über technische Geräte definiert werden kann. Zum anderen heißt es, dass es bei der Untersuchung des Begriffes nicht primär auf die Hardware oder Technik an sich, sondern auf die individuelle Wahrnehmung und Erfahrung ankommt. Als Beispiele für die Erzeugung von Telepräsenz führt Steuer unter anderem das Lesen eines Briefes oder das Hören von Musik auf. Durch das vermittelte Präsenzerleben rückt das jeweilige Medium in den Hintergrund.
VR kann sich zudem auf realistische und nicht-realistische Ereignisse beziehen. Entscheidend für den Grad des Erlebens von Telepräsenz ist dabei nicht der Inhalt, sondern die erzeugte Wahrnehmungsnähe: So kann beispielsweise auch ein Dokumentarfilm als VR gelten, wenn er es schafft, beim Betrachter ein Gefühl von Präsenz im gezeigten Geschehen zu erzeugen. Mit Wahrnehmungsnähe ist der wahrgenommene Realismus der vermittelten Inhalte seitens des Betrachters gemeint. Die Unterscheidung zwischen „real“ und „nicht-real“ bzw. „virtuell“ wird dabei nicht anhand der vermittelten Inhalte an sich getroffen, sondern inwieweit der Betrachter die Inhalte als real im Sinne von „wahrhaftig“ wahrnimmt. Die Prozesse, die hierbei entscheidend sind, finden beim Betrachter auf kognitiver Ebene statt. Ein hoher Grad an Wahrnehmungsnähe bzw. an wahrgenommenem Realismus, der sich aus der Kommunikation mit der virtuellen Umgebung ergibt, vermag den Betrachter vergessen lassen, dass es sich um Virtualität handelt. In diesem Sinne können auch virtuelle Objekte aus animierten Filmen oder Videospielen für den Betrachter real wirken, wenn sie über Kommunikation ein hohes Maß an Wahrnehmungsnähe aufweisen.
Problematisch an dieser Stelle ist die mangelhafte Definition des in vielerlei Hinsicht äußerst beladenen Kommunikationsbegriffes. Aus dem Text geht nicht eindeutig hervor, was genau Kommunikation impliziert. Anhand der von Steuer genannten Beispiele zur Erzeugung von Telepräsenz lässt sich jedoch ableiten, dass Handlungen wie das Lesen von Texten, das Hören von Musik oder das Spielen von Videospielen allesamt zu Formen der gemeinten Kommunikation zählen. In Hinblick auf Steuers kommunikationswissenschaftlichen Hintergrund könnte in diesem Zusammenhang zudem gefragt werden, ob das traditionelle Axiom „Man kann nicht nicht kommunizieren“ [10] auch im Umgang mit virtuellen Realitäten Gültigkeit besitzt und Kommunikation somit jegliches Verhalten des Betrachters gegenüber seiner vermittelten Umwelt beinhaltet. Einzige Voraussetzung wäre dann aber zumindest ein gewisses Maß an kognitiver Aufmerksamkeit, das der Betrachter seiner vermittelten Umgebung entgegenbringen müsste. Obwohl der Begriff der Kommunikation hier keinesfalls hinreichend ausdifferenziert wird, soll Steuers Gesamtbeitrag zu VR und Präsenz innerhalb dieser Arbeit dennoch berücksichtigt werden.
2.2 Augmented Reality (AR)
Dem Begriff der Augmented Reality soll sich auf medientheoretischer Ebene zunächst mit Hilfe von Lev Manovichs Definition von „Augmented Space“ angenähert werden. Anschließend werden die Ergebnisse von van Krevelen und Poelman einbezogen, um eine erweiterte Begriffsklärung liefern zu können.
In seinem 2004 erstmals erschienenen Artikel „The poetics of augmented space“ bezeichnet Manovich den „augmented space“ (dt. erweiterten Raum) als den von dynamischen Daten überlagerten Raum.[11] Diese dynamischen Daten bilden verschiedene Informationsschichten, die für den einzelnen Nutzer individuell lokalisiert werden, wie es heutzutage beispielsweise bei der Nutzung von sozialen Netzwerkseiten, die gleichzeitig die GPS-Daten ihrer Nutzer empfangen, der Fall ist.[12] Damit werden dem Nutzer auf der einen Seite Informationen aus dem „Datenraum“ zugetragen, auf der anderen Seite werden von ihm aber auch Informationen extrahiert, was den „augmented space“ gleichzeitig zu einem überwachten Raum werden lässt.[13] Die neue räumliche Logik beruht daher nicht länger auf Sichtbarkeit, sondern auf Funktionen und Signalen, da jeder Punkt im Raum über Digitalisierung und Internet ein ganzes Kontinuum an in Echtzeit berechneten Informationen zu enthalten vermag.[14]
Manovich ordnet diesen Trend einem Paradigmenwechsel zu, der darin besteht, dass Informationen nicht mehr von zweidimensionalen Bildschirmen bezogen werden, sondern von überall her, von jedem Objekt im Raum. In diesem Zusammenhang spricht er von Augmented Reality als einer Technologie von vielen, die zu diesem Paradigmenwechsel führt. Weitere einflussreiche Technologien, die quasi auf gleicher Ebene wie AR eingeordnet werden, sind beispielsweise mobile bzw. ortsbasierte Medien, ubiquitäres Computing und berührbare Interfaces bzw. Schnittstellen.[15] Damit differenziert Manovich terminologisch also zwischen Augmented Space als den um dynamische Daten erweiterten Raum und Augmented Reality als Technologie, die „die Überlagerung des Sichtfeldes eines Nutzers durch dynamische und kontextspezifische Informationen“ [16] impliziert. Der wesentliche Unterschied zwischen AR und VR: Bei AR spielt der physische Ort eine Rolle – bei VR nicht: „In the case of VR, the user works on a virtual simulation; in the case of AR, the user works on actual things in actual space“ [17] .
Einen ähnlichen Bezug zwischen Realität und AR sehen Van Krevelen und Poelman, wenn sie – mit Verweis auf Jebara et al. – AR als Technologie bezeichnen, die ein „realitätsbasiertes Interface der nächsten Generation“ [18] erzeugt und die reale Welt um virtuelle bzw. computergenerierte Objekte, die im selben Raum wie die reale Welt zu existieren scheinen, ergänzt. AR stellt demnach „lokale Virtualität“ [19] her und entsteht durch die Interaktion von Mensch und Computer. Ein AR-System kombiniert reale und virtuelle Objekte in einer realen Umgebung, gleicht sie auf dreidimensionaler Ebene aneinander an und arbeitet dabei interaktiv und in Echtzeit.[20] Es beschränkt sich nicht ausschließlich auf bestimmte Bildschirmtechnologien wie dem Head-Mounted-Display[21] oder auf den Sehsinn, da AR auch auf andere Sinne wie Geruch und Gehör einwirken kann. Außerdem gehören sogenannte Diminished-Reality-Systeme, bei denen mittels Technologie real existierende Elemente aus der Sicht des Betrachters entfernt werden, ebenfalls zu AR.[22]
VR und AR bieten eine besondere Art medial vermittelter Erfahrung, die, zumindest in einigen spezifischen Formen, im analogen Zeitalter nicht möglich gewesen ist. In unterschiedlichen Disziplinen wird dieses auf Wahrnehmung beruhende Phänomen als Präsenz bezeichnet und soll im folgenden Kapitel ausführlich behandelt werden.
3. Präsenz im virtualisierten Raum
3.1 Präsenzerleben in VR
Der Präsenzbegriff im Sinne eines Präsenzerlebens ist sowohl innerhalb der Computer- und Ingenieurswissenschaften als auch diverser geisteswissenschaftlicher Disziplinen wie unter anderem in der Literatur-, Kultur-, Medien- und Kommunikationswissenschaft, Philosophie, Psychologie und Soziologie thematisiert und auf unterschiedliche Weisen behandelt worden. Aufgrund der verschiedenen Zugänge kann Präsenz als „Sammelbegriff für unterschiedliche Subkonzepte“ [23] verstanden werden, der sich in seinem Verständnis bis heute durch Komplexität und Ambiguität auszeichnet. In Hinblick auf den Rahmen dieser Arbeit kann nicht auf jede einzelne interdisziplinäre Auslegung en Detail eingegangen werden. Es soll allerdings auch weder darum gehen, jeglicher Auslegung von Präsenz in irgendeiner Form gerecht zu werden, noch darum, eine neue, alle Ansätze umfassende Definition des Begriffes zu erfinden. Vielmehr bedarf es einer übergeordneten Herangehensweise. Daher darf den nachfolgenden Annäherungen an den Präsenzbegriff an dieser Stelle bereits vorweggenommen werden, dass Präsenz innerhalb dieser Arbeit grundsätzlich als phänomenales Erleben verstanden wird, das auf Wahrnehmung basiert. Dieses Erleben bewegt sich in einem Spannungsfeld zwischen Vermittelbarkeit und Unvermittelbarkeit. Wahrnehmungsbasierte Erfahrungen implizieren zweifellos Subjektivität und eine exklusive Innenperspektive, die von außen zugegebenermaßen nur schwer auf systematische Weise durchleuchtet werden kann. Dennoch wird der Versuch unternommen, das subjektive Präsenzerleben und dessen Zustandekommen im Zusammenhang mit dem Augmented Reality Game Pokémon Go auf theoretischer Ebene zu verstehen und zu erklären. Daher wird sich im Folgenden zunächst an den Ursprung und die vorherrschenden Definitionen des Begriffes angenähert, bevor dieser unter Annahme einer medienpsychologischen Perspektive innerhalb einer konkreten, auf Räumlichkeit ausgelegten Forschungslogik verortet werden kann. Dies erscheint in Anbetracht der multiplen Disziplinen, die sich an einer Auseinandersetzung und Theoretisierung des Begriffes versucht haben, vonnöten.
3.1.1 Telepräsenz nach Marvin Minsky
Der Begriff Präsenz im Rahmen virtueller Realitäten geht auf den Terminus der Telepräsenz zurück, den Marvin Minsky 1980 in seinem gleichnamigem Paper prägte. Minsky beschreibt darin, wie die Operation mit ferngesteuerten Maschinen als sogenannte Teleoperation zu einem Gefühl des „being there“ im Sinne eines Anwesenheitsgefühls im entfernten Raum führen kann.[24] Dies geschieht, indem eine Technik verwendet wird, die „Handlungen an Orten erm ö glicht, ohne dass der Medienanwender an eben diesen Orten präsent sein müsste“ [25]. Das Gefühl von Telepräsenz wird durch Synthese der Aktionen des Nutzers und der darauffolgenden visuellen, auditiven und haptischen Reaktionen der Maschinen erzeugt. Es handelt also von der Wahrnehmung und dem Bewusstsein, innerhalb zweier Räume – dem physisch nahen und dem physisch entfernten – gleichzeitig agieren zu können. Zudem wird hier die technikdeterminierte Auslegung von Telepräsenz deutlich, da das Erleben von Präsenz zum einen stets durch Teleoperation mit einer Maschine bedingt ist und zum anderen von der Qualität des „sensorischen Feedbacks“ [26] getragen wird.
Obwohl ein Präsenzerleben im Sinne des „being there“ auch in Werken der Kunst oder Literatur auftreten kann, indem sich der Rezipient beispielsweise im betrachteten Bild anwesend fühlt, hat das Präsenzkonzept als solches erst mit dem Aufkommen virtueller Realitäten an Bedeutung gewonnen. So entstanden mit steigendem wissenschaftlichen Interesse eigene Forschungseinrichtungen wie die 2000 gegründete International Society of for Presence Research (ISPR). Der von Minsky geprägte Begriff der Telepräsenz wurde von Jonathan Steuer im Zusammenhang mit VR weiterführend untersucht und soll aufgrund seines großen Einflusses innerhalb der Präsenzforschung nachfolgend behandelt werden.
3.1.2 Telepräsenz nach Steuer
Wie in Kapitel 2.1.2 bereits dargelegt, trifft Steuer eine begriffliche Unterscheidung zwischen Präsenz und Telepräsenz. Während sich Präsenz auf das Gefühl der Anwesenheit innerhalb einer Umgebung und damit auf die unvermittelte Wahrnehmung des Betrachters bezieht, meint Telepräsenz die Erfahrung von Anwesenheit innerhalb einer Umgebung mittels eines Kommunikationsmediums. Telepräsenz impliziert somit stets eine über das Medium vermittelte Wahrnehmung.
Steuer führt die Erzeugung von Telepräsenz dabei auf unterschiedliche Faktoren zurück. Dazu zählen die Kombination aus sensorischen Stimuli der Umgebung, die auf das Individuum einwirken, sowie die Art und Weise, wie das Individuum mit seiner Umwelt interagieren kann.[27] Zudem wird die Wahrnehmung des Einzelnen von seiner Umwelt durch dessen individuelle Charakteristika bedingt. Telepräsenz ist demnach eine gemeinsame Funktion von Technologie und Individuum und dabei als wahrnehmungspsychologischer Zustand von der individuellen Wahrnehmung abhängig. Auf Technologieseite wird die Erzeugung von Telepräsenz durch die Eigenschaften Lebendigkeit („vividness“) und Interaktivität („interactivity“) bestimmt, das heißt, dass von der Technologie erzeugte Stimuli mit diesen Eigenschaften bei den Betrachtern ein Gefühl des Präsenzerlebens hervorzurufen vermögen[28] - wenn auch natürlich bei jedem Betrachter unterschiedlich stark ausgeprägt. Mit Lebendigkeit ist die Fähigkeit der Technologie gemeint, eine an sensorischen Stimuli reichhaltige vermittelte Umwelt zu erzeugen. Sie entsteht durch sensorische Breite, die sich auf die „Anzahl der sensorischen Dimensionen, die gleichzeitig präsentiert werden“ bezieht, und sensorische Tiefe, womit die „Aufl ö sung innerhalb jeder dieser wahrnehmbaren Kanäle“ gemeint ist[29]. Sensorische Tiefe meint also die Qualität der Daten, die in einer Interaktion zwischen virtueller Umgebung und Rezipient von letzterem über die Sinne[30] empfangen werden und kann beispielsweise die Auflösung des Displays, der Grafik oder der verwendeten Audiodateien bedeuten. Wenn möglichst viele Sinne gleichzeitig eingebunden werden, ist die Wahrscheinlichkeit für eine besonders effektive Erzeugung von Präsenz besonders hoch, selbst wenn einzelne Stimuli dabei eine niedrige Tiefe haben.[31]
Interaktivität, als zweite Determinante von Telepräsenz, wird, ähnlich wie der Faktor Lebendigkeit, ebenfalls von der technologischen Struktur des Mediums bestimmt. Gemeint ist damit der Grad, zu dem Nutzer die Form und den Inhalt einer vermittelten Umgebung in Echtzeit verändern können.[32]
Innerhalb der Präsenzforschung wurde der Begriff Telepräsenz durch den abgekürzten Ausdruck Präsenz ersetzt, um auf Erfahrungen in sowohl virtuellen als auch unmittelbaren bzw. realen Umwelten zu verweisen. Insofern wird die Unterscheidung zwischen virtuellen und realen Umgebungen hinfällig, da Präsenz in beiden erzeugt und erfahren werden kann. In diesem Zusammenhang hebt Steuer die semantische Bedeutung von Tele- präsenz hervor, um auf die technischen Merkmale dieser Erfahrung einzugehen: Es bedarf, unabhängig von der Art der Umgebung, immer eines Kommunikationsmediums, um Telepräsenz zu erleben. Um begriffliche Unklarheiten zu vermeiden, soll im weiteren Verlauf alleinig von Präsenz (im Bedeutungssinn der Telepräsenz nach Steuer) die Rede sein. Nachfolgend wird der Begriff allerdings noch weitergehend ausdifferenziert.
3.1.3 Präsenz nach Matthew Lombard und Theresa Ditton
In ihrem 1997 erschienenen Aufsatz „At the Heart of It All: The Concept of Presence“ nehmen Matthew Lombard und Theresa Ditton eine Systematisierung unterschiedlicher Definitionen von Präsenz vor und nennen dazu sechs Konzepte, nach denen Präsenz verstanden werden kann: „presence as social richness“, „presence as realism“, „presence as transportation“, „presence as immersion“, „presence as social actor within medium“ und „presence as medium as social actor“ [33]. Allen Konzepten liegt die Idee zugrunde, dass es sich bei Präsenz um eine durch ein Medium vermittelte Erfahrung handelt, die dabei aber nicht als vermittelt wahrgenommen wird. Von diesen unterschiedlichen Zugängen sollen innerhalb dieser Arbeit besonders die präsenzimplizierenden Aspekte der Transportation, der Immersion und des sozialen Akteurs innerhalb eines Mediums hervorgehoben werden.
Hinsichtlich der Form von Präsenz als Transportation nennen Lombard und Ditton drei verschiedene Arten: Erstens das Konzept des „You are there“, bei dem der Rezipient an einen anderen, vermittelten Ort transportiert wird[34]. Zweitens das Konzept des „It is here“, bei dem Objekte eines anderen Ortes in die Umgebung des Rezipienten befördert werden. Drittens das Konzept des „We are together“, bei dem zwei oder mehr Rezipienten gemeinsam zu einem vermittelten Ort transportiert werden[35] und das heutzutage im Rahmen von Videokonferenzen und Multi-User-Games auch als Ko-Präsenz bezeichnet wird.
Das Konzept von Präsenz als wahrnehmbare und psychologische Immersion beinhaltet auf Ebene der Wahrnehmung „das Ausmaß, bis zu welchem eine virtuelle Umgebung in das Wahrnehmungssystem des Nutzers eintaucht“ [36]. Damit sind die Auswirkungen der Hardware auf die Sinne des Rezipienten gemeint. Außerdem wird die psychologische Komponente des Individuums eingebunden, die bei jedem Rezipienten individuell variiert und sich dadurch ausdrückt, inwiefern sich der Rezipient in die vermittelte Umgebung aufgenommen und eingebunden fühlt.
An die zuvor genannten Präsenzkonzepte anknüpfend, kann Präsenz durch vermittelte Entitäten innerhalb eines Mediums, die vom Rezipienten als soziale Akteure wahrgenommen werden, erzeugt werden.[37] Der Rezipient übersieht dabei die vermittelte Natur des Mediums und versucht, mit diesem in Interaktion zu treten. Als Beispiele dienen hier der Nachrichtensprecher im Fernsehen, auf dessen Aussagen der Zuschauer mit Kommentaren reagiert sowie die aus Japan stammenden Tamagotchis, die als virtuelle Haustiere in Schlüsselanhänger-Größe die regelmäßige Zuwendung ihrer Besitzer einfordern.[38]
Diese und weitere Konzeptionalisierungen von Präsenz zusammenfassend, definieren Lombard und Ditton den Präsenzbegriff als wahrnehmbare Illusion von Nicht-Vermittlung („perceptual illusion of nonmediation“), die dadurch erzeugt wird, dass der Rezipient das Medium in seiner Kommunikationsumgebung als solches nicht wahrnimmt und dabei genauso reagiert, wie er reagieren würde, wenn das Medium nicht da wäre.[39]
Die ‚Illusion von Nicht-Vermittlung' kann auf zwei Arten entstehen: Entweder wird das Medium unsichtbar bzw. transparent, wobei sich Rezipient und Medieninhalt in derselben physischen Umgebung befinden, oder das Medium verwandelt sich in der Wahrnehmung des Rezipienten in eine soziale Entität.[40] In diesem Sinne entsteht Präsenz oder sie entsteht nicht, es gibt keine Abstufungen im Sinne von „mehr“ oder „weniger“. Es gibt lediglich mehr oder weniger Momente, in denen sie möglicherweise entsteht. Präsenz als Illusion innerhalb der Wahrnehmung eines Nutzers ist somit immer auch und vor allem personengebunden und entsteht aus der Interaktion zwischen den formalen und inhaltlichen Eigenschaften eines Mediums und den individuellen Eigenschaften des Nutzers.[41] Aus diesem Grund variiert die Wahrnehmung von Präsenz unter Nutzern und vermag sich überdies hinaus auch im Laufe der Zeit beim selben Nutzer zu verändern, wenn er sich beispielsweise an die Nutzung eines Mediums gewöhnt hat. Weiterhin beziehen sich Lombard und Ditton bei Präsenz auf ein Phänomen, dass Bolter und Grusin die „ Logik der transparenten Unmittelbarkeit“ [42] genannt haben. Gemeint ist dabei die Transparenz des Interface, welches unsichtbar bzw. durchsichtig wird, sodass der Nutzer den repräsentierten Raum so direkt wie möglich erfahren kann.
3.2 Räumliches Präsenzerleben
Unter medienpsychologischen Gesichtspunkten ist Präsenz „eine bestimmte Art und Weise, eine Rezeptionssituation zu erleben“ [43] – in diesem Fall das Gefühl der räumlichen Anwesenheit in einem mediatisierten Raum. Räumliche Präsenz stellt die Basis für andere Arten von Präsenz dar und wirkt dabei auf zwei Dimensionen als Rezeptionsmodalität, bei der sich die Rezipienten „a) physisch in der medialen Umgebung anwesend fühlen und bei der sie b) Handlungsmöglichkeiten in der medialen Umgebung erkennen und auf sich selbst beziehen“[44].
Die präsenzbeeinflussenden Eigenschaften von Lebendigkeit und Interaktivität auf technologischer Seite sind in Kapitel 3.1.2 bereits verhandelt worden. An dieser Stelle geht es nun um die mentalen Aspekte des Rezipienten. Räumliches Präsenzerleben hängt auf psychologischer Ebene von der „Konstruktion eines mentalen Modells der medial vermittelten Situation“ [45] ab. Der medial vermittelte Inhalt wird auf kognitiver Ebene des Rezipienten repräsentiert und beinhaltet unter anderem räumliche Informationen, zum Beispiel über die räumliche Aufstellung der vermittelten Umgebung oder die Position der in ihr befindlichen Objekte.[46] Räumliches Präsenzerleben entsteht nun, wenn der Rezipient dieses mental entstandene Situationsmodell als zeitweiligen kognitiven Referenzrahmen verwendet und sich selbst „innerhalb der Medienbotschaft“ [47] verortet.
[...]
[1] Hannoversche Allgemeine (2016): Pokemon-Spieler geraten in Schießübung. Verfügbar unter: http://www.haz.de/Nachrichten/Der-Norden/Uebersicht/Pokemon-Spieler-geraten-in-Schiessuebung [aufgerufen am 12.11.2016].
[2] Luhmann, N. (2008): Schriften zu Kunst und Literatur. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 280, Fußnote 9.
[3] Ebd, 280
[4] Ebd., 277, Fußnote 2
[5] Ebd., 281
[6] Luhmann, N. (1997): Die Gesellschaft der Gesellschaft (2 Bd.). Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 796.
[7] Steuer, J. (1992): Defining Virtual Reality: Dimensions Determining Telepresence, S. 7. Verfügbar unter: http://www.cybertherapy.info/pages/telepresence.pdf [aufgerufen am 8.02.2017].
[8] Ebd., 8
[9] Ebd., 9
[10] Vgl. weiterführend unter anderem: Watzlawick, P., Beavin, J. H., Jackson, D. D. (2007): Menschliche Kommunikation: Formen, Störungen, Paradoxien. Bern: H. Huber.
[11] Manovich, L. (2006): The poetics of augmented space, S. 223. Verfügbar unter: http://journals.sagepub.com/doi/abs/10.1177/1470357206065527 [aufgerufen am 12.01.2017].
[12] Ein prominentes Beispiel an dieser Stelle wäre wohl die Nutzung der sozialen Netzwerkseite Facebook über das Smartphone.
[13] Vgl. Manovich 2006, 223
[14] Ebd., 224
[15] Für eine vollständige Auflistung der Technologien siehe Manovich 2006, 221 ff.
[16] Ebd., 222
[17] Ebd., 224
[18] Jebara et al. (1997) zitiert nach van Krevelen, D.W.F., Poelman, R. (2010): A survey of augmented reality technologies, applications and limitations. In: International Journal of Virtual Reality, Bd. 9, Ausg. 2, S. 1.
[19] Vgl. van Krevelen & Poelman 2010, 1
[20] Ebd.
[21] Das von Ivan Sutherland im Jahr 1968 entwickelte Head-Mounted-Display gilt als wegweisende Entwicklung im Bereich von VR und aus heutiger Sicht als erste AR-Technologie. Es handelt sich dabei um einen Helm, der dem Nutzer durch komplette Bedeckung seines Sichtfeldes ein Eintauchen in simulierte 3D-Umgebungen ermöglicht. Seine theoretischen Grundlagen zu VR veröffentlichte Sutherland zuvor bereits 1965 unter dem Titel "The Ultimate Display". Vgl. weiterführend: Sutherland, I. (1965): The Ultimate Display. In: Information Processing 1965: Proceedings of IFIP Congress 65, New York. Verfügbar unter: http://worrydream.com/refs/Sutherland%20-%20The%20Ultimate%20Display.pdf [aufgerufen am 12.01.2017].
[22] Vgl. weiterführend zu Diminished Reality: Herling, J. (2014): Advanced real-time manipulation of video streams. Wiesbaden: Springer Vieweg, S. 42 ff.
[23] Schweiger, W., Fahr, A. (2013): Handbuch Medienwirkungsforschung. Wiesbaden: Springer VS, S. 281.
[24] Minsky, M. (1980): Telepresence. Verfügbar unter: http://web.media.mit.edu/~minsky/papers/Telepresence.html [aufgerufen am 10.01.2017].
[25] Kosfeld, C. (2003): Eintauchen in mediale Welten: Immersionsstrategien im World Wide Web. Wiesbaden: Deutscher Universitätsverlag, S. 13.
[26] Vgl. Minsky 1980
[27] Vgl. Steuer 1993, 10
[28] Ebd., 11
[29] Vgl. Steuer 1993, 11
[30] Steuer verweist hier auf die sensorischen Dimensionen bzw. „perceptual systems“ nach Gibson (1966), zu denen auditive, visuelle, haptische, vestibuläre sowie olfaktorische Systeme zählen.
[31] Ebd., 14
[32] Ebd., 14
[33] Lombard, M., & Ditton, T. B. (1997): At the heart of it all: The concept of presence. Journal of Computer-Mediated Communication, 3 (2). Verfügbar unter: http://jcmc.indiana.edu/vol3/issue2/lombard.html [aufgerufen am 12.01.2017].
[34] In Anlehnung an Minsky übernahm Reeves 1991 den Begriff des „being there“, um zu beschreiben, wie TV-Zuschauer die im Fernsehen gezeigte Umgebung erfahren. Es ging dabei um den Grad, zu dem Mediennutzer an eine eindeutige vermittelte Umgebung transportiert werden. Vgl. weiterführend Reeves, B. (1991): „Being there“: Television as symbolic versus natural experience. Unveröffentlichtes Manuskript. Stanford, CA: Universität Stanford, Forschungsinstitut für Kommunikation.
[35] Vgl. Lombard & Ditton 1997
[36] Biocca & Delaney (1995) zitiert nach Lombard & Ditton 1997
[37] Vgl. Lombard & Ditton 1997
[38] Ebd.
[39] Ebd.
[40] Ebd.
[41] Ebd.
[42] Bolter, J. D., & Grusin, R. (2003). Remediation: Understanding new media. Cambridge, Mass.: MIT Press, S. 55.
[43] Wirth, W. & Hofer, M. (2009): Präsenzerleben. Eine medienpsychologische Modellierung. In: Montage AV 17 (2). Marburg: Schüren Verlag, S. 161.
[44] Hartmann et al. 2005 zitiert nach Wirth & Hofer 2009, 163
[45] Trepte, S., Reinecke, L. (2013): Medienpsychologie. Stuttgart: Kohlhammer, S. 108.
[46] Ebd.
[47] Ebd.
- Citation du texte
- Zinaida Ebden (Auteur), 2017, Zur Vermittlung von (Erfahrungs-)Räumen in Augmented Reality Games am Fallbeispiel Pokémon Go, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/511303
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