Sehr ausführlicher Unterrichtsbesuch zu dem Drama "Der Besuch der alten Dame", der die Dialoge Ills mit dem Polizisten und Bürgermeister durch produktive Methoden fokussiert.
Thema des Unterrichtsvorhabens:
Die alte Dame verbreitet Freude und Schrecken. Analyse und Interpretation von Friedrich Dürrenmatts "Der Besuch der alten Dame" mittels handlungsorientierter Methoden und analytischer Verfahren.
Thema der Unterrichtsstunde:
Die diskrepanten Botschaften der Güllener Repräsentanten anhand des Gesprächs mit dem Polizisten und dem Bürgermeister im szenischen Vortrag.
Stundenziel:
Die Schülerinnen und Schüler analysieren arbeitsteilig die beiden Dialoge zwischen Ill mit dem Bürgermeister und Ill mit dem Polizisten mittels des Verfahrens der inneren Stimme und bewerten die dialogischen Ausführungen der Funktionäre als widersprüchlich, indem die Lernenden darstellen, dass sie diskrepante Botschaften senden. Sie beteuern beispielsweise, dass keiner die Absicht habe Ill zu töten (verbal), während sie ein Gewehr besitzen (nonverbal) und fassen diese Erkenntnisse in Sprechaktverben zusammen.
INHALTSVERZEICHNIS
1. Darstellung der längerfristigen Unterrichtszusammenhänge
1.1 Tabellarische Auflistung der Stundenthemen
1.2 Curriculare Legitimation
1.3 Erläuterung der Intentionen und der Struktur des Vorhabens
1.4 Überprüfung des Lern- und Kompetenzzuwachses
2. Schriftliche Planung der Unterrichtsstunde
2.1 Beitrag der Stunde zum intendierten Kompetenzzuwachs
2.2 Darstellung der didaktisch-methodischen Schwerpunkte der Stunde
2.3 Sachanalyse
2.4 Verlaufsplan
3. Literatur
THEMA DES UNTERRICHTSVORHABENS:
Die alte Dame verbreitet Freude und Schrecken – Analyse und Interpretation von Friedrich Dürrenmatts „Der Besuch der alten Dame“ mittels handlungsorientierter Methoden und analytischer Verfahren
THEMA DER UNTERRICHTSSTUNDE:
„Reden wir ehrlich miteinander.“ – die „Verschleierung[…]“ (Reinersdorff, 1998, S. 8) und die diskrepanten Botschaften der Güllener Repräsentanten anhand des Gesprächs mit dem Polizisten und dem Bürgermeister im szenischen Vortrag
STUNDENZIEL:
Die Schülerinnen und Schüler analysieren arbeitsteilig die beiden Dialoge zwischen Ill mit dem Bürgermeister und Ill mit dem Polizisten mittels des Verfahrens der inneren Stimme und bewerten die dialogischen Ausführungen der Funktionäre als widersprüchlich, indem die Lernenden darstellen, dass sie diskrepante Botschaften senden – sie beteuern beispielsweise, dass keiner die Absicht habe Ill zu töten (verbal), während sie ein Gewehr besitzen (nonverbal) und fassen diese Erkenntnisse in Sprechaktverben zusammen.
TEILLERNZIELE:
Die Schülerinnen und Schüler sollen...
- … das Eingangszitat („Mit dem Begriff „Double Bind“ bezeichnet man eine Situation, in der jemand in einer Kommunikationssituation zwei widersprüchliche Botschaften erhält und dadurch in eine „Zwickmühle“ gerät“) erläutern, indem sie auf Grundlage ihres Vorwissens zur Kommunikation darstellen, dass unterschiedliche Aspekte einer Botschaft widersprüchlich sein können (beispielsweise: Verbales und Nonverbales).
- … einen Zusammenhang zwischen dem Zitat und den Dialogen mit dem Polizisten und dem Bürgermeister herstellen und das Zitat in den Dramenkontext einordnen, indem sie widersprüchliche Botschaften der Akteure beispielhaft nennen (sie beteuern beispielsweise, dass keiner die Absicht habe Ill zu töten (verbal), während sie ein Gewehr besitzen (nonverbal)).
- … sich detailliert mit den Widersprüchlichkeiten eines Akteurs auf Grundlage des Textes auseinandersetzen und diese verbal und nonverbal sichtbar machen, indem sie die inneren Stimmen des Polizisten oder des Bürgermeisters gestalten und damit untersuchen, was, neben den abgedruckten Repliken (verbal) und Regieanweisungen (nonverbal) des Polizisten und des Bürgermeisters, gesagt und was gedacht, beabsichtigt und empfunden wird.1
- … ihre gestaltete innere Stimme den anderen Lernenden im szenischen Vortrag darstellen und sich Notizen zu den anderen Darstellungen und Interpretationen machen, um nach der Präsentation die inneren Stimmen inhaltlich und die Vorträge, im Hinblick auf die verbalen und nonverbalen Elemente der Dialoge, vergleichen zu können.
- … die Widersprüchlichkeiten (im Verbalen und Gedachten bzw. im Nonverbalen und Verbalen) benennen und zusammenfassen und auf dieser Grundlage und durch das Wissen der Intention der Güllener („Verschleierung“) eine Vorbereitung einer schriftlichen Dialoganalyse gestalten, indem sie Sprechaktverben formulieren, die sie bei der Analyse verwenden können (beispielsweise: lügen, heucheln, schauspielern, simulieren, so tun als ob, sich verstellen, vorgaukeln, vorgeben, vormachen, abstreiten, verdrehen, herunterspielen, ironisieren).
- … das herausgearbeitete diskrepante Verhalten der Güllener in Beziehung zu dem Zitat am Anfang setzen, indem sie erläutern, inwiefern Ill in einer Zwickmühle steckt und auf Basis dessen begründen, wie das Drama nun weiter verlaufen könnte – durch das Nichteingreifen der Funktionäre, ist Ill existentiell bedroht (optional).
- … die Methode der inneren Stimme reflektieren können, indem sie darstellen, dass sie dadurch Überlegungen zu möglichen Gedanken der Güllenern formuliert haben und neben der Widersprüche im verbalen und nonverbalen weitere Widersprüche im Gesagten und Gedachten benennen konnten, die als Grundlage für eine Analyse mit Textbelegen dienen können (optional, didaktische Reserve).
1. Darstellung der längerfristigen Unterrichtszusammenhänge
1.1 Tabellarische Auflistung der Stundenthemen
Thema des Unterrichtsvorhabens:
Die alte Dame verbreitet Freude und Schrecken – Analyse und Interpretation von Friedrich Dürrenmatts „Der Besuch der alten Dame“ mittels handlungsorientierter Methoden und analytischer Verfahren2
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1.2 Curriculare Legitimation
Das Unterrichtsvorhaben „Die alte Dame verbreitet Freude und Schrecken – Analyse und Interpretation von Friedrich Dürrenmatts „Der Besuch der alten Dame“ mittels handlungsorientierter Methoden und analytischer Verfahren“ gehört zu einem der obligatorischen Themen im Fach Deutsch desKernlehrplansderSekundarstufeIunddesschulinternenCurriculums. Im schulinternen Curriculum ist die Arbeit mit einzelnen Szenen aus klassischen Dramen nur optional im Vorhaben der Jahrgangsstufe 7/8 „Wir untersuchen ein Drama“ festgelegt, weshalb das Drama in diesen beiden Jahrgangsstufen keine schwerpunktmäßige Behandlung erfährt. Umso wichtiger ist es, dieses in dem vorliegenden Unterrichtsvorhaben, das sich thematisch in das Vorhaben der Jahrgangsstufe 9 des schulinternen Curriculums „Wir bearbeiten Konflikte in Bühnenstücken“ einordnen lässt und obligatorisch die Behandlung eines kompletten Dramas vorgibt, aufzuarbeiten (vgl. ESG, 2015, S. 3 ff.). Deshalb werden, neben den zu erreichenden Kompetenzen am Ende der Jahrgangsstufe 9, auch jene des Kernlehrplan s fokussiert, deren Erwerb am Ende der Jahrgangsstufe 7/8 vorgesehen sind (beispielsweise: „Sie erschließen sich literarische Texte in szenischem Spiel (Inszenierung einfacher dramatischer Texte) und setzen dabei verbale und nonverbale Ausdrucksformen ein“ (Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen, 2007, S. 28)). Dieser mehr handlungs- und produktionsorientierte Zugriff auf dramatische Texte wird auch in den Kompetenzerwartungen zum Ende der Jahrgangsstufe 9 grundgelegt: „ Sie erarbeiten mithilfe gestaltenden Sprechens literarischer Texte und szenischer Verfahren Ansätze für eigene Textinterpretationen“ (ebd.). Jedoch ist am Ende der Jahrgangsstufe 9 ebenfalls ein analytisch geprägter Zugriff intendiert, der sich unter anderem in folgender Kompetenzerwartung widerspiegelt: „ S ie verstehen und erschließen dramatische Texte unter Berücksichtigung struktureller, sprachlicher und inhaltlicher Merkmale“ (ebd., S. 44). Hier spiegelt sich die curriculare Legitimation des Unterrichtsvorhabens wider, das handlungsorientierte Methoden und analytische Verfahren kombiniert. Diese werden auch explizit als Aufgabe und Ziel des Deutschunterrichts genannt, denn Lernende sollen demnach „über unterschiedliche Schreibformen verfügen, deren Funktion kennen und mit ihrer Hilfe ihre Argumentations- und Analysefähigkeiten entwickeln. Es ist aber ebenso wichtig, Schreibformen kennen zu lernen, die die kreativen Anlagen entwickeln“ (ebd., S. 11).
1.3 Erläuterung der Intentionen und der Struktur des Vorhabens
Neben dieser curricular basierten Legitimation lässt sich die Bedeutsamkeit des UnterrichtsvorhabensimHinblickaufdieAuswahldesDramasundderMethodenbegründen. Bei der Auswahl des Dramas wurde sich an Payrhuber (1994) orientiert, nach dem das wichtigste Auswahlkriterium für ein Drama im Deutschunterricht in der „thematischen Bedeutsamkeit, die ein Drama für den einzelnen Schüler gewährleisten kann“, liegt (S. 633). In dem Drama „Der Besuch der alten Dame“ werden beispielsweise Begriffe wie Schuld, Gerechtigkeit, Rache und Versuchung aufgegriffen, die auch in der Lebenswelt der Lernenden eine Rolle spielen. Lernende sind als Individuen beispielsweise in Peer-Groups oder durch Klassenverbände in der Schule sozial eingebunden, in denen sie auch in Konfliktsituationen geraten. Jeder wird dadurch schon einmal Situationen erlebt haben, in denen Diskussionen über Schuld oder Gerechtigkeit (gerade in schulischen Situationen findet das Thema der Gerechtigkeit besonders Anklang) stattgefunden haben oder solche, in denen er vielleicht sogar Rache nehmen wollte oder in Versuchung geraten ist, sich über unmoralische Mittel einen Vorteil zu verschaffen. Hier bietet das Drama viele Anlässe, um die Lernenden zur Selbstreflexion3 über diese Thematiken anzuregen, (moralische) Urteilsfähigkeit und eine eigene Identität auszubilden. Auch Spinner (2010) hebt hervor, dass „die Auseinandersetzung mit Texten als Arbeit an den Norm- und Wertproblemen und damit zugleich als Arbeit an der eigenen, gesellschaftlich vermittelten Identität“ angesehen werden kann (S. 26), was mit dem ErziehungsauftragderSchule(Schulgesetz,2019,§2)übereinstimmt. Neben der Thematik ist auch der Autor als Grund für die Werkauswahl zu sehen, denn Waldmann (2013) bezeichnet Dürrenmatt als „Weltautor“ (S. 157), da seine Stücke aufgrund „inhaltliche[r] wie formale[r] Gründ[e]“ auf der ganzen Welt gespielt werden, weshalb es sich lohnt, sich mit seinen Werken zu befassen. Dieses deckt sich mit der Forderung des Kernlehrplans, dass Lernende zum Ende der 9. Jahrgangsstufe ein „ Spektrum altersangemessener Werke bedeutender Autorinnen und Autoren kennen“ sollten ( Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen, 2007, S. 40).
Bei der Strukturierung des Unterrichtsvorhabens wurde sich an den chronologischen Geschehnissen des Dramas orientiert, sodass Leseprozess und Behandlung Hand in Hand erfolgen. Das Drama wurde nicht als Hausaufgabe vollständig vor der Reihe, sondern wird unterrichtsbegleitend gelesen. Dadurch sind die Inhalte in der Stunde präsenter, da sich die Lernenden kurz davor mit der im Unterricht behandelten Szene auseinandergesetzt haben. Am Anfang des Unterrichtsvorhabens kannten die Lernenden das Drama demnach also nicht, was den Vorteil hat, dass vor dem Lesen eine Erwartungshaltung und eine gewisse Neugier aufgebaut werden kann. Hierdurch soll die „Fundierung der Lesebereitschaft und die Ausbildung von Leselust“ erreicht werden, die somit als Grundlage für alle weiteren Aktivitäten in Bezug auf die Behandlung des Dramas angesehen werden kann (Haas et al., 1994, S. 18). Diese Intention liegt vor allem der ersten Sequenz zugrunde (siehe 1.1). Neben dem Aufbau von Lesemotivation wird der inhaltliche Zugang zum Drama in dieser Sequenz über die Figuren, die laut Hurrelmann (2003) „Türöffner zu fiktionalen Welten“ sind (S. 6), aber auch durch die Einstimmung in den Handlungsort durch eine Fantasiereise, die emotional und affektive Erlebniswelten anspricht, erreicht. Da die Lernenden im Hinblick auf die Gattung des Dramas, wie schon in 1.2. erwähnt, wenig Vorwissen besitzen, lediglich durch eine Balladenreihe in der 7. Jahrgangsstufe, die sich mit diesem „Urei der Dichtung“ beschäftigt hat, wurde die wörtliche Rede als ein Element des Dramatischen behandelt, wird den Lernenden in der ersten Sequenz außerdem die textspezifischen Gattungsmerkmale des Dramas nähergebracht, damit die Lernenden das Drama als besondere Gattung verstehen.
Die auf die erste Sequenz folgenden Sequenzen (2-3) wurden inhaltlich, durch die Akte des Dramas, eingeteilt. Neben dieser grundsätzlichen inhaltlichen Struktur werden hier vor allem die Förderung und die Progression von fünf grundlegenden Kompetenzen intendiert (siehe 1.1), die die Lernenden befähigen „Einsicht[en] in den dialogischen Vorgang einer Szene“ zu erhalten (Waldmann, 2013, S. 167) und damit einen Zugang zu dem Text zu eröffnen, um ihn zu verstehen, welches laut Kernlehrplan eine wichtige Aufgabe des Deutschunterrichts ist (vgl. Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen, 2014, S. 11) und nicht nur im Kontext von Schule essentiell, sondern auch im Alltag der Lernenden (Gegenwartsbedeutung) und in ihrer Zukunft von großer Bedeutung ist (Zukunftsbedeutung) (vgl. Hannappel, 1988, S. 113 ff.). Ohne das Verständnis von Texten können Lernende nicht dazu befähigt werden „verantwortlich am sozialen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, beruflichen, kulturellen und politischen Leben teilzunehmen und ihr eigenes Leben zu gestalten“ (Schulgesetz, 2019, §2). Um den Lernenden das Textverständnis zu erleichtern, werden analytische und handlungsorientierte Methoden 4 im Wechselspiel verwendet. Nicht zuletzt, da ein Drama eigentlich kein Lesetext, sondern ein Spielentwurf ist, „eine Anweisung für seine aktive und produktive szenische Umsetzung“ (Waldmann, 2013, S. 2), wodurch das Drama im Unterricht auch aktiv und produktiv erschlossen werden sollte. Auch der Konstruktivismus, der Lernen als aktiven Vorgang ansieht (vgl. Mattes, 2011, S. 39) und rezeptionsästhetische Überlegungen passen zu diesem Vorgehen, da der Leser nach der Rezeptionsästhetik aus dem Text „erst das konkrete literarische Werk macht“ (ebd.), indem er die „Unbestimmtheitsstellen“ (ebd., S. 140) eines literarischen Werkes „auf Grundlage situativer und subjektiv-individueller Erfahrungen“ ausfüllt (Haas, 1997, S. 7) (Lebensweltbezug), wodurch verschiedene Deutungen ermöglich werden5. Völlig beliebig wird die Interpretation jedoch nicht, da der Text neben seinen Leerstellen auch unumstößliche Tatsachen enthält (vgl. Scheller, 1996, S. 22). Produktionsorientierung ermöglicht demnach einen motivierenden, kreativen Umgang mit Texten, der dennoch bei entsprechender Objektivierung im Anschluss Textnähe und objektivierende Distanz gewährleistet (vgl. Kreft, 1977, S. 379). Den Lernenden sollte also immer die Funktion der produktionsorientierten Methode präsent sein und danach darüber gesprochen werden, was die produktive Arbeit für das Verständnis gebracht hat (vgl. Beste, 2015a, S. 43), denn das Ziel der handlungsorientieren Methoden bleibt das Verstehen des Textes. Dieses Verständnis wurde jedoch „nicht gelehrt und zur Kenntnis genommen, sondern selbst erlebt“ (Haas et al., 1994, S. 17). Diese affektiv-emotionale Komponente ergänzt diejenige kognitive Komponente des analytischen Zugriffs. Literaturunterricht sollte deshalb analytische und handlungsorientierte Methoden kombinieren, um die jeweiligen Vorteile zu ergänzen (vgl. Beste, 2015a, S. 43). Handlungsorientierte Methoden werden in dem hier vorliegenden Unterrichtsvorhaben als Sensibilisierung für und Anbahnung zu verstärkt analytischen Zugriffsweisen verwendet, denn „[a]nalytische Prozesse […] wachsen […] immer wieder aus jedem handelnden Umgang mit Texten auf ganz natürliche Weise heraus“ (Haas, 1997, S. 47). Handlungsorientierte Verfahren können die Vorbereitung der Textanalyse anbahnen (vgl. Spinner, 1999, S. 34), die aber durch individuelle und sinnliche Erfahrung und Motivation angetrieben wird (vgl. Haas, 1997, S. 21). Ein Beispiel hierfür findet sich in der zweiten Sequenz: Die Szene zwischen Claire und Ill im Konradsweilerwald I wird durch eine handlungsorientierte Methode vorbereitet und die Ergebnisse danach fragengeleitet und stichwortartig nach dem Aufbau einer Dialoganalyse gesichert. Nachdem die Lernenden diese analytische Methode (stichwortartig) kennengelernt haben, wird in der dritten Sequenz zum ersten Mal eine Dialoganalyse ausformuliert. Durch die Schreibkonferenz, die Teil der dritten Sequenz ist, werden hier, neben den fünf grundlegenden Kompetenzen dieser Reihe auch Kompetenzen im Zusammenhang der Überprüfung und Überarbeitung der Texte gefördert: „Aufbau, Inhalt und Formulierungen eigener Texte hinsichtlich der Aufgabenstellung überprüfen“ (Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen, 2014, S. 16) und „Grundregeln der Rechtschreibung und Zeichensetzung sicher beherrschen […]“ (ebd., S. 20). Die Schreibkonferenz verfolgt darüber hinaus Binnendifferenzierung. Stärkere Lernende erklären schwächeren, was diese verbessern können und gelangen so zu einem tieferen Verständnis, während schwächere Lernende von den Tipps der anderen profitieren. In der vierten Sequenz wird den Schülerinnen und Schülern die Wahl gelassen, zu welcher der drei Stunden sie eine Analyse verfassen und auf den schulinternen Server laden wollen (siehe 1.4). Das Unterrichtsvorhaben bereitet demnach auf die Anforderungen der Oberstufe vor, wie im Kernlehrplan gefordert, indem die Lernenden „vertiefte methodische Kompetenzen im Umgang mit Texten und Medien erwerben“ (Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen, 2014, S. 13).
Die fünfte und letzte Sequenz reiht sich hinter der Klausur ein, bildet einen Rückbezug zu der ersten Sequenz und folgt einer weiteren Forderung Payrhubers im Hinblick auf die Auswahl von Literatur: dem Kriterium der Exemplarität. Literatur im Unterricht sollte nach ihm Beispielcharakter ausweisen (vgl. Payrhuber, 1994, S. 634). Durch das Drama „Der Besuch der alten Dame“ kann dieser Forderung entsprochen werden, denn die besondere Gattung („Tragische Komödie“) bietet die Möglichkeit, sich mit der Machart klassischer Komödien und Tragödien (siehe Sequenz 1) und damit mit Elementen des Brechtschen Theaters auseinanderzusetzen, um von diesem Standpunkt aus, das Neue des Dürrenmattschen Theaters zu verstehen (Sequenz 5). Durch die exemplarische und beispielhafte Behandlung des Dramas der Gattung „Tragische Komödie“ können Lernende grundlegende Einsichten über die Intention des Theaters und seiner Abhängigkeit von der jeweiligen Zeit bekommen: „Zusammenhänge zwischen Text, Entstehungszeit und Leben des Autors/der Autorin bei der Arbeit an Texten aus Gegenwart und Vergangenheit herstellen“ (Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen, 2014, S. 18).
1.4ÜberprüfungdesLern-undKompetenzzuwachses
Laut Schulgesetz (2019) § 48 bilden die beiden Bereiche „Schriftliche Arbeiten“ und „Sonstige Leistungen im Unterricht“ die Grundlage der Leistungsbewertung, die auch zur Überprüfung des Lern- und Kompetenzzuwachs grundgelegt werden können. Dieses geschieht in der hier vorliegenden Unterrichtsreihe über die Klassenarbeit des Aufgabentyps 5 sowie der sonstigen Mitarbeit im Unterricht. Die in den Bereich der sonstigen Mitarbeit fallende mündliche Mitarbeit bei Unterrichtsgesprächen wird während des Unterrichtsvorhabens standardmäßig in qualitativer und quantitativer Hinsicht bewertet (vgl. Beste, 2015b, S. 259). Diese Vorgehensweise evaluiert auch die Kompetenzen des Sprechens und des Zuhörens des Kernlehrplans. Haas (1997) gibt in diesem Kontext jedoch zu bedenken, dass in Gesprächen oft die weniger stillen Lernenden dominieren, die es verstehen, rasch und eloquent verbal zu reagieren (vgl. S. 48). Jedoch sollten auch „langsame Lerner und sprachgehemmte oder leise, stille Naturen“ die Möglichkeit bekommen, „sich in den Unterricht einzubringen“ (ebd., S. 49). Produktive und handlungsorientierte Methoden, die vor allem in der Sozialform der Gruppenarbeit bedingen, erlauben es, bei der Notengebung auch das Engagement während der schülerzentrierten Arbeitsphasen zu berücksichtigen (vgl. Wengert, 2017, S. 341). Auch Mattes (2011) hebt Gruppenarbeiten und kooperative Lernformen als „wirksamste Maßnahme zur Individualisierung“ hervor, da alle Lernende in das Unterrichtsgeschehen integriert und aktiv tätig sind (S. 8). Im Hinblick auf Individualisierung und Differenzierung bietet die Unterrichtsreihe mit Ausrichtung auf handlungsorientierte Methoden und analytische Verfahren unterschiedliche Möglichkeiten, sich im Bereich der „Sonstigen Mitarbeit“ einzubringen6. Lernende, die im schriftlichen Bereich Defizite aufweisen, können dies durch Engagement und schauspielerisch – interpretatorische Leistungen in szenischen Verfahren auffangen. Andererseits können sich introvertierte Lernende, die etwa im szenischen Spiel oder wie erwähnt, im Unterrichtsgespräch, gehemmt sein können, durch (schriftliche) analytische Verfahren in den Unterricht einbringen. Für alle Lernenden bieten sich durch den schulinternen Server des ESG weitere Möglichkeiten der Einbringung von Leistungen im Bereich der „Sonstigen Mitarbeit“, da Lernende hier ihre Produkte hochladen können. Der Server erlaubt es der Lehrkraft darüber hinaus, jederzeit einen Einblick über den derzeitigen Lern- und Kompetenzzuwachs zu erlangen, da Produkte der Schülerinnen und Schüler für die Lehrkraft einsehbar sind und zur Diagnose und damit individuellen Förderung oder Bewertung dienen können. Ebenfalls wird den Lernenden an verschiedenen Stellen freigestellt, ob sie ihre Übungs- und Hausaufgaben einreichen und Feedback zu Lern- und Kompetenzzuwachs von der Lehrkraft erhalten wollen, welches der Lehrkraft bei der Überprüfung von Lern- und Kompetenzzuwachs darüber hinaus hilfreich sein kann.
[...]
1 Die ersten drei Teillernziele sind kleiner gedruckt, da sie sich auf die erste Stunde der Doppelstunde beziehen, die nicht Teil der Besuchsstunde sind.
2 Die Seitenangaben der Kompetenzen beziehen sich auf den Kernlehrplan des Gymnasiums im Fach Deutsch der Sekundarstufe I (vgl. Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen, 2007).
3 Neben der Selbstreflexion kann an Stellen des Dramas auch die Reflexion über Sprache angeregt werden, da das Werk sprachlich für die 9. Jahrgangsstufe eine Herausforderung darstellt, die jedoch effektiv genutzt werden kann.
4 In der Dramendidaktik haben sich drei Ansätze herauskristallisiert: Ein „gattungstheoretischer Ansatz“, der sich mit den zentralen Strukturelementen auf analytischer Ebene beschäftigt, ein „theaterpädagogischer Ansatz“, der etwa über szenische Interpretation ein Einfühlen in Figuren ermöglichen soll sowie der „produktionsorientierte Ansatz“, bei dem es eher um „das Herstellen neuer Texte und Textvarianten geht“ (Kreft, 1977, S. 379 ff.). Vor allem die beiden letztgenannten Ansätze sind oft nicht genau voneinander zu trennen und darüber hinaus gibt es weitere Konzeptionen wie die der „Handlungsorientierung“ und der „Textransformation“, die sich auch „an vielen Stellen berühren, die aber konzeptionell nicht völlig identisch sind“ (Haas, 1997, S. 44). Da durch die vorliegende schriftliche Arbeit jedoch keine Begriffsbestimmung der unterschiedlichen Ansätze intendiert ist, werden alle letztgenannten Konzeptionen, unter Betonung der Gemeinsamkeit, dass sie den Lernenden „aus der Passivität des ‚normalen‘ Schullebens“ (ebd., S. 43) holen, fruchtbar für den Unterricht angesehen und gemeinsam verwendet.
5 Das stellt besondere Anforderungen an „heutige mediensozialisierte Kinder und Jugendliche“ (Spinner, 1999, S. 34), denn ihre Vorstellungskraft ist bei einem geschriebenen Text weitaus stärker gefordert als bei anderen Medien. Neben der Förderung der Vorstellungsfähigkeit, einer höheren Ich-Beteiligung des Lesenden und der Möglichkeit Lesen, Schreiben und Sprechen miteinander zu verbinden, halten produktive Verfahren zur Identitätsfindung, zu Fremdverstehen und zu Perspektivenübernahme an (vgl. ebd., S. 34 f.).
6 Denn ein „nur analysierender und interpretierender Unterricht [wird] vielen Schülerinnen und Schülern nicht gerecht“(Haas et al., 1994, S. 17).
- Arbeit zitieren
- Anna Baer (Autor:in), 2019, Unterrichtsentwurf im Fach Deutsch. Dürrenmatts "Der Besuch der alten Dame", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/510932
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