Wer den Tristan Gottfrieds von Straßburg auch nur ein einziges mal gelesen hat, dem wird eines ganz sicher in Erinnerung geblieben sein: Die herausragende, fast schon strahlende Präsens der Tristanfigur, der fast in der gesamten ersten Hälfte des Romans bis zum Beginn der Minnehandlung überall wo sie auftritt Bewunderung und Respekt entgegengebracht wird. Ebenso wird dem geneigten Leser der nahezu blitzartige Aufstieg Tristans am Hof Markes von Cornwall aufgefallen sein, der für einen Jüngling bürgerlicher Abstammung, als der Tristan sich ja anfangs noch ausgibt, nahezu unglaubwürdig erscheint. Schaut man dann etwas genauer hin, welche Gründe uns der Text als Erklärung für diese übermäßige Akzeptanz, die der junge Tristan erfährt, an den entsprechenden Stellen liefert, so wird schnell klar, dass es neben seiner physischen Schönheit und Körpersprache vor allem eines ist das ihn über seine Umwelt erhebt: Seine höfische Bildung. Da auch mir dies beim Lesen schnell klar wurde, entschloss ich mich dem Zusammenhang von Tristans Bildung und der gesellschaftlichen Akzeptanz bzw. dem gesellschaftlichen Aufstieg den diese ihm ermöglicht, genauer nachzugehen und zum Thema meiner Arbeit zu machen.
Am Anfang dieser Arbeit steht im Sinne einer Klärung der Ausgangssituation der Versuch zusammenzufassen, was uns der Text über zeitliche Einordnung, Ablauf, Inhalt und auch Bewertung der Ausbildung Tristans in seinen Kinder und Jugendtagen mitteilt. Im Folgenden sollen dann die Ereignisse betrachtet werden, die Tristan im Zusammenhang mit seiner Bildung nach Cornwall an den Hof Markes bringen. Der gesellschaftliche Aufstieg den Tristan dort, wesentlich durch seine Bildung bewirkt, erfährt, aber auch die Schattenseiten des Ruhmes und des großen Ansehens das ihm eben diese verschafft, stehen dann im Zentrum der Arbeit und bilden den Hauptteil der Betrachtungen. Ziel eines abschließenden Fazits soll es sein, zu resümieren, was sich über die Bedeutung von Tristans Bildung für seine gesellschaftliche Akzeptanz bei Hofe ausmachen lies und zu einer Art Bewertung der Auswirkungen dieser auf die Person Tristans, im positiven wie im negativen Sinne, zu gelangen.
Dem Leser wird hierbei sicherlich die Vorgehensweise bei der Betrachtung der Ereignisse um Tristan auffallen, die sich weitestgehend chronologisch am Text orientiert. Ich hielt dies für sinnvoll, da sich so am besten die Chronologie des Aufstieges am Hof Markes erfassen und aus Tristans Bildung herleiten lässt. [...]
INHALTSVERZEICHNIS
1.) Inhalt, Aufbau und Intention der Arbeit
2.) Die Beschaffenheit der Bildung Tristans
3.) Der Aufstieg Tristans am Hof Markes
3.1) Die Jagd und der Einzug in Tintajol
3.2) Die erste Zeit am Hof
3.3) Die Befreiung des Reiches und die Intrige der Höflinge
4.) Fazit
5.) Bibliographie
1.) Inhalt, Aufbau und Intention der Arbeit
Wer den Tristan Gottfrieds von Straßburg auch nur ein einziges mal gelesen hat, dem wird eines ganz sicher in Erinnerung geblieben sein: Die herausragende, fast schon strahlende Präsens der Tristanfigur, der fast in der gesamten ersten Hälfte des Romans bis zum Beginn der Minnehandlung überall wo sie auftritt Bewunderung und Respekt entgegengebracht wird. Ebenso wird dem geneigten Leser der nahezu blitzartige Aufstieg Tristans am Hof Markes von Cornwall aufgefallen sein, der für einen Jüngling bürgerlicher Abstammung, als der Tristan sich ja anfangs noch ausgibt, nahezu unglaubwürdig erscheint. Schaut man dann etwas genauer hin, welche Gründe uns der Text als Erklärung für diese übermäßige Akzeptanz, die der junge Tristan erfährt, an den entsprechenden Stellen liefert, so wird schnell klar, dass es neben seiner physischen Schönheit und Körpersprache vor allem eines ist das ihn über seine Umwelt erhebt:
Seine höfische Bildung. Da auch mir dies beim Lesen schnell klar wurde, entschloss ich mich dem Zusammenhang von Tristans Bildung und der gesellschaftlichen Akzeptanz bzw. dem gesellschaftlichen Aufstieg den diese ihm ermöglicht, genauer nachzugehen und zum Thema meiner Arbeit zu machen.
Am Anfang dieser Arbeit steht im Sinne einer Klärung der Ausgangssituation der Versuch zusammenzufassen, was uns der Text über zeitliche Einordnung, Ablauf, Inhalt und auch Bewertung der Ausbildung Tristans in seinen Kinder und Jugendtagen mitteilt. Im Folgenden sollen dann die Ereignisse betrachtet werden, die Tristan im Zusammenhang mit seiner Bildung nach Cornwall an den Hof Markes bringen. Der gesellschaftliche Aufstieg den Tristan dort, wesentlich durch seine Bildung bewirkt, erfährt, aber auch die Schattenseiten des Ruhmes und des großen Ansehens das ihm eben diese verschafft, stehen dann im Zentrum der Arbeit und bilden den Hauptteil der Betrachtungen. Ziel eines abschließenden Fazits soll es sein, zu resümieren, was sich über die Bedeutung von Tristans Bildung für seine gesellschaftliche Akzeptanz bei Hofe ausmachen lies und zu einer Art Bewertung der Auswirkungen dieser auf die Person Tristans, im positiven wie im negativen Sinne, zu gelangen.
Dem Leser wird hierbei sicherlich die Vorgehensweise bei der Betrachtung der Ereignisse um Tristan auffallen, die sich weitestgehend chronologisch am Text orientiert. Ich hielt dies für sinnvoll, da sich so am besten die Chronologie des Aufstieges am Hof Markes erfassen und aus Tristans Bildung herleiten lässt. Außerdem mag es auffallen, dass die Ereignisse am irischen Hof bei Tristans Irlandfahrten, die man sicherlich im selben Kontext betrachten könnte, völlig außen vor bleiben. Auch hierfür hatte ich meine Gründe: Beim Schreiben der Arbeit kam ich zu dem Schluss, dass ich, wenn ich den Aufstieg am Hof von Cornwall in der gebührenden Ausführlichkeit analysieren will, zwangsläufig auf diesen sicher nicht uninteressanten Teil verzichten muss, um den Rahmen nicht völlig zu sprengen.
2.)Die Beschaffenheit der Bildung Tristans
Nach dem Tode Riwalins und Blanscheflurs, der Eltern Tristans, deren Rolle für den Roman mit Ende des 2. Kapitels[1] ausgespielt ist, stellt sich dem Leser natürlicherweise die Frage welches Schicksal dem Vollwaisen Tristan, der unter solch traurigen, schicksalhaften Umständen das Licht der Welt erblickte, nun wiederfahren wird. Aber er wird nicht lange im unklaren gelassen: Der Verlauf der Handlung führt den jungen Tristan (der zu diesem Zeitpunkt noch keinen Namen trägt) in die Obhut Ruals, des ehemaligen Marschalls seines Vaters Riwalin, und dessen Frau Floraete. Beide werden als, von „ganzlîcher triuwe“ (Tr. V. 1807) durchdrungen dargestellt, die sie auch nach Riwalins Tode noch ihrem Herrn gegenüber bewahren. Laut Gottfried verdient wer so handelt „lône“ (Tr. Vv. 1797) und ist „aller triuwe ein crône.“ (Tr. V. 1798)
Eben diese Auszeichnung verdienen Rual und seine Floraete: „mit der selben crône was / gecroenet dô, als ich ez las, / der marschalc und sîn saelec wîp“ (Tr. V. 1799-1801). Sie werden also als ideale Stiefeltern für Tristan dargestellt, denen schon alleine ihre Treue zum verstorbenen Vater verbieten würde irgendetwas zu tun, das Tristan zum Nachteil gereichen könnte. Dementsprechend geht es dem Waisen bei seinen Pflegeeltern wie der Text uns mitteilt auch „daz gevour nâch ungenâden wol“ (Tr. V. 1821). Und nicht nur das: es geht ihm so gut wie einem „der vürbaz komen sol“ (Tr. V. 1822). Neben dem rein existenziellen Wohlbefinden wird hier bereites eine neue Sphäre eröffnet. Tristans Wohlbefinden ist so geartet, dass auf dessen Basis ein Vorwärtskommen erfolgen soll, das, wie im Folgenden deutlich wird, durch den Erhalt einer höfischen Bildung forciert wird. Die Treue seiner Pflegeeltern zeigt sich also nicht nur im Willen ihn als ihr eigenes Kind anzunehmen, sondern auch in dem Vorsatz, der sicherlich in Riwalins Sinne gewesen sein dürfte, ihm eine, seinem Stand angemessene, „ideale Erziehung“[2] zukommen zu lassen, die ihm ein Vorankommen im Leben ermöglicht.
Als eine Art Grundstein seiner Ausbildung und seiner künftigen Existenz empfängt der wenige Wochen alte Tristan zunächst die Taufe, um sein Christentum „in gotes namen“ (Tr. V. 1971) zu erhalten. Wie wichtig dieser göttliche Segen und der Stand eines Christen im Kontext des Romans ist und in der damaligen Zeit war, zeigt die unmittelbar folgende Aussage über die Motivation zur Taufe: „swie`z ime dar nâch ergienge, / daz es doch cristen waere.“ (Tr. V. 1972-1973) Christ zu sein scheint die elementarste und wichtigste Voraussetzung für die menschliche Existenz zu sein. Alles weitere kann sich nur auf dieser Grundlage entwickeln.
Schon in den frühen Kinderjahren lässt Rual dem Waisen eine Erziehung zukommen, die so ausgezeichnet ist „daz ime diu werlt ze lône / der gotes genâden wünschen sol.“ (Tr. V. 2040-2041) Bereits hier werden der besondere Status und die Vortrefflichkeit der Erziehung Tristans deutlich, die in weiten Teilen des Romans eine entscheidende Handlungsgrundlage bildet, wie sich im weiteren Verlauf der Arbeit noch zeigen wird. Ab seinem siebenten Lebensjahr wird Tristan dann auf Ruals Wunsch „von einem gelehrten Mann ausgebildet [...], wie dies üblich war“[3]. Dieser Mann ist sein Lehrer Kurvenal, der ihn fortan in allen wichtigen Disziplinen der höfischen Bildung unterrichten soll. An vorderster Stelle des Bildungskanons steht hier das Erlernen von Fremdsprachen. Dies geschieht bei Tristan durch Bildungsreisen ins Ausland, die im historischen Kontext der realen Erziehungspraxis entsprechen und den Vorteil haben, dass neue Sprachen nicht nur theoretisch, sondern auch unmittelbar in ihrer praktischen Anwendung erlernt werden. „Aus den späteren Sprachkenntnissen Tristans können wir indes erschließen, daß seine Reisen vor allem dem nordwestlichen Europa galten“[4]. Von diesem Zentrum ausgehend beginnt Tristan „al zehant“(Tr. V. 2064) mit dem Bücherstudium, um sich Allgemein- bzw. Weltwissen anzueignen. Dieses Studium soll er, wohl auf Ruals Wunsch hin, intensiver betreiben als alle anderen Studien. Überhaupt erscheint in diesem Abschnitt des Textes (Tr. V. 2056-2073) die Ausbildung Tristans als eine durch Rual auferlegte und nicht als etwas, für das er sich freiwillig entschieden hätte. So wird auch erstmals die negative Seite der Bildung ins Licht der Betrachtung gerückt: Das „neben dem Spracherwerb vorrangige Studium mit Büchern“[5] wird negativ als Verlust der Freiheit und Beginn von Tristans Kümmernissen charakterisiert. Die Bildung erscheint hier als eine Bürde, die, die Freiheit des Menschen einschränkt, ja eine Abkehr von dieser bedeutet. Auch der Eindruck das Tristan diese Bürde nicht selbst gewählt hat wird bestätigt, wenn von „auferlegten Mühen“ (Tr. V. 2071) die Rede ist. In dieser Weise dargestellt könnte die Aneignung von Bildung seitens Tristan als ein erzwungener Ausbau der rationalen Ebene gesehen werden, der, der sinnlich-emotionalen Seite des Menschen, die vor allem bei einem siebenjährigen Kind noch sehr stark ausgeprägt ist, zuwiderläuft und diesen in gewisser Weise in der Entwicklung seiner Persönlichkeit beschneidet, indem sie ihn in eine vorgegebene Richtung lenkt. So betont auch Gottfried im Folgenden, das die Bildung durch ihre Sorge der „jugent schaden tuot“ (Tr. V. 2081) und speziell auf Tristan bezogen verwendet er die Formulierung „darte im sîner vröuden bluot.“ (Tr. V. 2082) Ähnlich negative Aspekte der Bildung werden uns auch später noch beschäftigen. Nichtsdestotrotz zeigt sich Tristan in seiner Ausbildung außergewöhnlich fleißig und legt einen solchen Eifer und eine Konzentration an den Tag, dass er innerhalb der ihm zur Verfügung stehenden Zeit mehr Bücher studiert als jemals ein anderes Kind. Auffällig ist hier die Formulierung „danne ie kein kint ê oder sît.“ (Tr. V. 2092) Tristan erscheint als so außergewöhnlich im Fortschritt seiner Ausbildung, dass es in der gesamten Geschichte der Menschheit niemals etwas vergleichbares gab und, viel entscheidender, auch nach ihm nicht mehr geben wird. Durch die Absolutheit der Formulierung wird Tristan in einen fast schon übermenschlichen Stand erhoben. Nichts ist ihm vergleichbar. Der Status des über alle Maßen begabten, der ihm fast im gesamten Verlauf der Handlung anhaftet, wird hier erstmals beschrieben. Trotzdem fliegt ihm die Bildung nicht zu. Wie wir bereits wissen, ist sie durch den Verlust der Freiheit teuer erkauft. Außerdem ist sie, wie wir erfahren durch den „vlîz“ (Tr. V. 2089) geprägt, der als Voraussetzung für den Erwerb von Bildung erscheint.
Nach den beiden zentralen Bildungsmerkmalen der Sprachen und der Literatur, werden Tristan dann die besonderen Aspekte der höfischen Bildung vermittelt:
So lernt er „ im Rahmen des ritterlich höfischen Bildungsprogramms“[6] alle Arten von Saitenspiel und erhält eine musikalische Ausbildung. Wieder ist es seine „emezekeit“ (Tr. V. 2098), die ihm schnelle Fortschritte ermöglicht und ihn zügig zu einer vorzüglichen Fähigkeit in diesem Bereich bringt. Auch an der Vermittlung der nötigen Kenntnisse der Reitkunst unter Waffen lässt Kurvenal es nicht fehlen: Tristan lernt neben dem Reiten mit Schild und Speer das Anspornen, Galoppieren und Wenden des Pferdes. Zudem lernt er das Pferd zu „leisieren“ und „mit schenkeln sambelieren“ (Tr. V. 2109/2110), womit der sogenannte ‚freie Gang’ gemeint ist, bei dem der Reiter das Pferd mit den Schenkeln und ohne Benutzung der Zügel lenkt. Ebenfalls wichtig ist das trainieren der körperlichen Fähigkeiten für den Infanteriekampf, den Kampf zu Fuß. Der junge Tristan wird im parieren, kämpfen, laufen, springen und dem Speerwurf unterrichtet. Diese Betätigungen werden im Text durch Adjektive verstärkt: „wol“, „starke“ und „sêre“ (Tr. V. 2113/14) sind die Auszeichnungen die diese Handlungen, von Tristan ausgeführt, erhalten. Wieder ist es kein bloßes Erlernen das bei Tristan stattfindet, sondern ein außergewöhnlich gutes. Genauso verhält es sich mit der Jagd und der Pirsch: „ezn gelernete birsen unde jagen / nie kein man sô wol sô er“ (Tr. V. 2118-2119). Auch höfische Gesellschaftsspiele lernt Tristan gut zu spielen.
[...]
[1] Gottfried von Straßburg: Tristan [zit. Tr.]
[2] Werner: Fremdspr. S.170
[3] Werner: Fremdspr. S.170
[4] Werner: Fremdspr. S.170
[5] Werner: Fremdspr. S.171
[6] Kästner: Harfe S.30
- Citar trabajo
- Benedikt Fuchs (Autor), 2004, Höfische Bildung und gesellschaftliche Akzeptanz der Tristanfigur in Gottfried von Straßburgs "Tristan", Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/50891
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