In dieser Hausarbeit wird die Autorin sich mit den Leitmotiven aus dem "Sandmann" beschäftigen. Zuerst wird sie unter dem Aspekt der Realität und der Einbildungskraft im "Sandmann" den Terminus "Nachtstücke" und den Aufbau der Novelle untersuchen und kurz auf das Werk im Kontext seiner Zeit eingehen.
INHALT
1. Einleitung - Die Forschungsliteratur zu E.T.A. Hoffmanns „Der Sandmann“
2. Realität und Einbildungskraft im „Sandmann“
2.1. Die Nachtstücke
2.2. Der Sandmann – ein typisches Werk der Romantik?
2.3. Der Aufbau des Werkes
2.4. Nathanaels prägendes Kindheitserlebnis als Ausgangspunkt für die weitere Entwicklung im Erwachsenenalter
3. Die zentralen Motive der Novelle „Der Sandmann“
3.1. Das Augenmotiv
3.2. Die Alchimie
3.3. Das Automatenmotiv
3.4. Die Doppelgängermotive
3.5. Das Motiv des Feuers im Schlussteil der Novelle
4. Resümee
5. Literaturverzeichnis
5.1. Primärliteratur
5.2. Sekundärliteratur
1. Einleitung – Die Forschungsliteratur zu E.T.A. Hoffmanns „Der Sandmann“
Wie Ulrich Hohoff in seinem Vorwort seiner Arbeit über den „Sandmann“ erwähnt, ist die Zahl Literaturwissenschaftlicher Arbeiten zu den Werken E.T.A. Hoffmanns in den „vergangenen 15 Jahren“ sprunghaft gestiegen.
Neben dem „Meister Floh“ und den Romanen stehen Erzählungen aus den „Serapionsbrüdern“ und das Nachtstück „Der Sandmann“, auf dessen Leitmotive ich mich in meiner Arbeit konzentrieren werde, im Mittelpunkt der Forschung. Er gehört, wie Hartmut Steinecke in seiner Studie über Hoffmann bemerkt, zu den deutschen Werken des 19. Jahrhunderts, die in den letzten beiden Jahrzehnten am häufigsten übersetzt und interpretiert wurden.
Der „Sandmann“, der von Eckart Kleßmann als „vielleicht radikalstes Erzählexperiment“ und als „Meistererzählung“ gesehen wird, hat Interpreten zu vielfältigen Deutungen verführt. Diese Vielfältigkeit der Interpretationen entspricht für Sabine Hillebrand, die in „Strategien der Verwirrung“ über die Erzählkunst, u.a. bei Hoffmann spricht, der Polyphonie des Textes. Nur die „extreme Offenheit des Hoffmannschen Werkes“ lässt „so verschiedene Lesearten“ überhaupt zu. Marion
Bönnighausen gibt in ihrer Abhandlung über den Sandmann einen „kurzen Überblick über die wichtigsten Deutungen, [...] die seit den siebziger Jahren erschienen sind.“
Der nur kurze Überblick deshalb, weil „die Fülle der Veröffentlichungen zum Sandmann eine vollständige Auseinandersetzung mit der Forschungsliteratur unmöglich macht,...“.
Das Unheimliche und Rätselhafte der Erzählung wird nach Marion Bönnighausen noch unterstützt, da Hoffmann verschiedene Motivstränge zu einem Motivkomplex vereinigt. Durch die Verknüpfung mehrerer Motivkomponenten miteinander, die sich teilweise untereinander sogar widersprechen, kann keine homogene Deutung der Motive entstehen, somit widersetzt sich diese innere Widersprüchlichkeit der Motive einem eindeutigen Aufklärungsversuch. Wohl auch ein Grund für die Masse an Literatur die versucht, die Erzählung begreiflich aufzuschlüsseln. Einen weiteren Grund für die Fülle der Sekundärliteratur sieht sie darin, dass „Der Sandmann“ wie „kaum ein anderes literarisches Werk“ deutlich macht, „dass die Konstituierung eines eigentlichen Gehaltes, einer eigentlichen Bedeutung der inhaltlichen Aussage nicht hinreichend gerecht wird.“
Fast alle Beiträge zur Interpretation beschäftigen sich mit einem oder mehreren optischen Phänomenen des Textes. Sie erörtern vornehmlich die Augenangst Nathanaels, das Motiv des Augenraubs, die Rolle des Perspektivs, Modifikationen des Sehens im „Sandmann“ – das Erkennen, das Geistersehen, die Charakterisierung von Figuren durch deren Blick.
Über die Verknüpfung der Augenangst und Genese des Wahnsinns existiert aus psychopathologischer Sicht eine reiche Forschungsliteratur, wie Sigmund Freuds Analyse des „Sandmann“ in seiner Studie „Das Unheimliche“ (1919).
Sabine Hillebrand, die ebenfalls unter anderem das Augenmotiv anspricht, stellt sogar fest, Freud hätte anhand des „Sandmann“ die Grundelemente der Psychoanalyse, wie Traum, Wahnsinn, Angst und Komplexe, entwickelt. Steinecke vertieft diese Aussage indem er sagt, dass seit Freuds Studie, in deren Mittelpunkt „Der Sandmann“ steht, die Kernprobleme des Stückes immer wieder mit Begriffen der Psychoanalyse interpretiert werden: Die Furcht Nathanaels vor dem Augenverlust als Kastrationsangst, die Aufspaltung der Vaterimago in einen guten und schlechten Vater (Coppelius), die Selbstbezüglichkeit Nathanaels als Narzissmus.
In meiner Hausarbeit werde ich mich mit den Leitmotiven aus dem „Sandmann“ beschäftigen, aber zuerst werde ich unter dem Aspekt der Realität und der Einbildungskraft im „Sandmann“ den Terminus „Nachtstücke“ und den Aufbau der Novelle untersuchen und ich werde kurz auf das Werk im Kontext seiner Zeit eingehen.
2. Realität und Einbildungskraft im „Sandmann“
2.1. Die Nachtstücke
Der zweiteilige Zyklus die „Nachtstücke“ erschienen Ende 1816 und waren ein Nachfolger von Hoffmanns „Fantasiestücken“.
Hillebrand sieht die terminologische Herkunft des Titels „Nachtstücke“ in einem Fachausdruck der Malerei, wo „Stück“ soviel wie „Gemälde“ bedeutet. Sie sieht eine Parallele zur Dominanz der dunklen Farbgebung in den Erzählungen zu dem Genre der dunkel gehaltenen Gemälde von beispielsweise Antonio Correggio, Rembrandt oder Pieter Breughels d.J., die nach Hillebrands Aussage alle „Vor-Bilder“ Hoffmanns waren.
Steinecke untersucht den Begriff „Nachtstücke“ in seinem gleichnamigen Aufsatz und entwickelt Bestimmungen, nach denen sich bereits Hoffmanns, in den „Fantasiestücken“ erschienene Erzählung „Der Magnetiseur“, als „Nachtstück“ bezeichnen lässt. Ebenso der 1814 begonnene Roman „Die Elixiere des Teufels“ weisen nach Steinecke zahlreiche Merkmale eines Nachtstückes auf.
Da auch spätere Erzählungen Hoffmanns, wie „Die Berkwerke zu Falun“, „Die Marquise de la Pivardiere“ und „Das Fräulein von Scuderi“ diese Merkmale versammeln, sieht Steinecke das Nachtstück als ein Grundtyp des Hoffmannschen Erzählen, „das Nächtliche in seiner angedeuteten Auffächerung [als] ein Merkmal seines Weltbildes und seines Schreibens.“
Diese Sammlung leitete E.T.A. Hoffmann mit der Erzählung „Der Sandmann“ ein, die, wie bereits erwähnt, schon von Sigmund Freud zum Gegenstand psychoanalytischer Betrachtungen gemacht wurde. Freuds bereits erwähntes Essay „Das Unheimliche“, in dem er das Geschehen im „Sandmann“ als „Kern des Unheimlichen“ erkennt, bildet die Grundlage für eine psychoanalytische Deutungsrichtung.
Ursprünglich stammt der Begriff „Nachtstück“ aus „der bildenden Kunst des 16. Jahrhunderts“ und wurde in Deutschland seit der Mitte des 18. Jahrhunderts gelegentlich auf die Literatur übertragen, wie auch von Jean Paul. Neben in der Nacht spielenden Szenen werden mit dem Begriff ebenso im übertragenden Sinne „nächtliche“, geheimnisvolle und grausame Geschehen bezeichnet.
Hoffmann verband die verschiedenen Bedeutungsmöglichkeiten des Begriffes „Nachtstücke“, der zwar schon bekannt, aber nicht allzu deutlich festgelegt war, unter starker Betonung der übertragenen Bedeutung und machte daraus eine literarische Gattungsbezeichnung. Wie Steinecke in seinem Aufsatz bemerkt, kommt Hoffmann somit eine zentrale Rolle in der Geschichte dieser Erzählgattung zu.
Die inhaltliche Bedeutung des Begriffes „Nachtstücke“ versteht Steinecke deutlich auf mehreren Ebenen der Erzählungen:
Eine erste, äußere Schicht bilden Nachtszenen, die meist in einer von Fackeln oder Feuer bestimmten unheimlichen Beleuchtung spielen – nach Steinecke bekannt aus der bildenen Kunst.
Hinzu kommt der Stoff der Schauer-, Räuber- und Gespensterliteratur, aus der Hoffmann schöpft. Racheakte, Unglücksfälle und Schicksalsschläge, die gleich ganze Familien treffen, ebenso Verbrecher, die rückhaltlos zuschlagen, vereint Hoffmann in seinen Erzählungen.
Eine zweite Schicht beinhaltet die Kräfte, die hinter alledem verborgen sind, die verantwortlich sind für die Irreführung, Bedrohung, Verfolgung und die psychische und physische Zerstörung der Menschen. Obgleich Geheimnisse auch enthüllt werden, werden sie nicht vollständig aufgedeckt und es ergeben sich immer wieder neue Rätsel. Somit kann der Mensch diese unheimlichen Kräfte, die ihn umgeben und sein Leben auf das Schrecklichste beeinflussen, nicht durchschauen und erklären.
Mit der Frage, ob Traum oder Wirklichkeit, spielt Hoffmann in der Novelle sehr oft, nur selten wird klar, ob ein Sachverhalt nur geträumt oder wirklich passiert ist. Die Vorstellungen von Nathanael verschmelzen mit der Wirklichkeit. Der Ich-Erzähler verstärkt diesen Eindruck noch, behauptet er doch, dass sich alles so zugetragen hat, wie er berichtet.
Hier wird auch deutlich, das es zwei Geschichten in dieser Novelle gibt: Geschehnisse, die Nathanael wirklich erlebt hat, sind nicht unbedingt die, welche der Erzähler und Hoffmann in der Geschichte beschreiben. Diese Unsicherheit ist eines der Stilmittel Hoffmanns. Steinicke sieht in einer letzten und dritten Schicht, was Freud bereits als „Kern des Unheimlichen“ bei Hoffmann erkannt hat: Der Mensch kann sich diese Kräfte oft nicht ausreichend erklären, sich mit ihnen auseinandersetzen und weiß somit nicht, ob sie nur Wahngebilde, Zeichen seiner Bewusstseinsspaltung und seines Irrsinns sind, oder ob sie wirklich existieren.
Obgleich in den „Nachtstücken“ Phänomene erklärt werden, naturwissenschaftlich, psychologisch oder medizinisch, weiß selbst der Leser nicht, ob diese Erklärungen ausreichen oder vielleicht sogar nicht eher in die Irre führen, als helfen.
Somit ist das Thema, dass sich wie ein roter Faden durch die gesamten Erzählungen der „Nachtstücke“ zieht, die Unfreiheit des Menschen, die durch die Bedrohung durch das Unbegreifliche resultiert.
Womit nach Steinecke auf den weltanschaulichen Hintergrund verwiesen wird, da der Optimismus der Aufklärer, dass die Wissenschaft die Welt und den Menschen erklären könne, in der Romantik der Skepsis gewichen war, dass es auch Dinge gäbe, die der Verstand des Menschen eben nicht erklären kann.
2.2. Der Sandmann – ein typisches Werk der Romantik?
Hoffmann war einer der bedeutendsten Autoren der Romantik und ist auch heute noch für seine Kunstmärchen bekannt. Oft zeigt er in seinen Geschichten „Menschen im Einflussbereich dunkler Mächte“.
In seiner Novelle „Der Sandmann“ setzt sich der Student Nathanael mit den Ängsten aus seiner Kindheit und den Gefahren der Gegenwart auseinander. Die Figur Coppelius aus seinem Albtraum, der ihn seit dem gewaltsamen Tod seines Vaters begleitet, taucht in der Gestalt des Linsenschleifers Coppola wieder auf und verführt ihn mit der Hilfe von Spalanzanis mechanischen Menschen Olimpia. Sein Leiden endet mit einem Sprung von einem Turm.
Durch eine geschickte Erzähltechnik lässt die Novelle mehrere Deutungen zu. Als Hauptvertreter der Romantik zeigt Hoffmann die Diskrepanz zwischen romantischer Verblendung und bürgerlicher Naivität kritisch auf. Zum einen verfällt der Romantiker Nathanael angesichts der Holzpuppe Olimpia in übertriebene Schwärmerei, zum anderen merken die gefühllosen Bürger zuerst ebenfalls nicht, dass sie von Spalanzani mit einer Holzpuppe getäuscht werden. Daneben kritisiert Hoffmann auch das klassische Schönheitsideal und den Machbarkeitsglauben der Aufklärung.
Die Thematik des Unheimlichen als innere oder äußere Macht, die die Ambivalenz von Realität und Fantasie, von Bürgerlichkeit und Künstlerdasein, im weitesten Sinne von Aufklärung und Romantik miteinschließt, wird in der Erzählung von dem Paar Nathanael und Clara personifiziert. Sie repräsentieren die unterschiedlichen Bewusstseinszustände, die in der Erzählung aufeinander prallen: Den Zustand des Wahnsinn und der psychischen Normalität.
Wie es bei Romantikern üblich war, versuchte auch Hoffmann eine Welt zu erschaffen, in der Dinge möglich sind, die normalerweise unvorstellbar währen. Es ist bis zum Ende des Buches unklar, ob Nathanael unter Wahnvorstellungen leidet, oder ob Coppelius und/oder Coppola ihn mit raffinierten Tricks zu einem Selbstmord treiben. Diese Unwissenheit zieht sich, wie bereits erwähnt, durch den gesamten Erzählzyklus der „Nachtstücke“.
Nathanael, die Hauptperson der Novelle, ist von tiefer Unsicherheit zerrissen und wankt zwischen der dunklen Welt von Coppelius und der klaren Welt von Clara. Im Verlauf der Novelle setzt er sich mit Coppolas und Spalanzanis Geschöpf Olimpia auseinander, verliebt sich in sie und wird erneut in ein seelisches Tief gestürzt, als er ihre wahre Natur erkennt.
Die Stilepoche der Romantik ist besonders geprägt von der Flucht aus dem Alltäglichen. Die künstliche Welt der Phantasie erlaubte es den Menschen, sich von den Fesseln des Alltags zu lösen und seine Grenzen aufzulösen. Die Vollendung wird nur noch im Imaginären möglich.
In der eher philosophisch geprägten Frühromantik wurde versucht, das Dasein durch die Poesie neu zu gestalten. Das Diesseitige und das Jenseitige sollten nach Novalis vereint alle Lebensbereiche durchdringen.
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- Citar trabajo
- Charlotte Diez (Autor), 2004, Die zentralen Motive in E.T.A. Hoffmanns Werk 'Der Sandmann' unter dem Aspekt der Realität und Einbildungskraft, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/50873
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