Die Arbeit setzt sich mit Sigmund Freuds psychoanalytischer Interpretation von Shakespeares Hamlet auseinander. Ziel ist es, die fortwährende Relevanz der These vom Ödipuskomplex Hamlets anhand des Textes aufzuzeigen. Der Fokus der Arbeit liegt auf Hamlets Sexualität. Die angewandte Methodik der Textanalyse verhindert Spekulationen über Shakespeare, ebenso wie die Vermenschlichung der literarischen Figur. Der Textanalyse liegt die These zugrunde, dass sich Hamlets Ödipuskomplex anhand seiner neurotischen Libido beweisen lässt. Die Textanalyse wird daher die sexuell konnotierten Dialoge zwischen Hamlet und den beiden weiblichen Figuren untersuchen. Anhand des Primärtextes soll dabei Hamlets inzestuöses Verlangen nach der Mutter und somit sein Ödipuskomplex belegt werden.
Als Vorbereitung auf die Textanalyse werden Sigmund Freuds Erläuterungen rund um das Thema "ödipales Verlangen" betrachtet. Hierbei wird dargelegt, inwiefern die infantile Sexualentwicklung mit der späteren Neurose zusammenhängt. Es wird deutlich, dass Neurose und Sexualität untrennbar miteinander verbunden sind. Diese freudsche Schlussfolgerung verleiht den hier aufgeführten Betrachtungen die wissenschaftliche Grundlage. Im Anschluss folgt eine Abwägung der psychoanalytischen Hamlet-Deutung gegen die künstlerische Deutung T.S. Eliots und die historische Deutung Carl Schmitts. Damit soll eine abschließende Perspektiverweiterung erlangt und Freuds These anhand ihrer Kritik geprüft werden. Dieser letzte Punkt ist – ebenso wie die gesamte Arbeit – darauf ausgerichtet, den Stand der psychoanalytischen Deutung innerhalb der Hamlet-Forschung zu stärken.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Sigmund Freud: Der Ödipuskomplex und Hamlet
3 Analyse
3.1 Gertrud: Das Objekt der Begierde
3.2 Ophelia: Das Ersatzobjekt
4 Freuds Opposition
5 Schluss
6 Literaturverzeichnis
„Denn viele Menschen sahen auch in Träumen schon
Sich zugestellt der Mutter“
(Jokaste in Sophokles‘ „König Ödipus“)
1 Einleitung
Die vorliegende Arbeit wird sich mit Sigmund Freuds psychoanalytischer Interpretation von Shakespeares Hamlet auseinandersetzen. Im Zentrum des 400 Jahre alten Bühnendramas steht Prinz Hamlet von Dänemark. Sein Vater, der beliebte König, ist zu Tode gekommen. Er wurde heimlich von seinem eigenen Bruder Claudius ermordet. Letzterer besteigt den Thron und heiratet Hamlets Mutter. Die Hochzeit der beiden findet nur einen Monat nach dem Begräbnis des toten Königs statt. Der Geist des Ermordeten erscheint Hamlet und fordert ihn dazu auf, Rache an Claudius zu nehmen. Zornig schwört der junge Prinz Blutrache und verspricht dem Geist seines Vaters Vergeltung. Im Folgenden ist es ihm jedoch nicht möglich, diese Vergeltung zu verüben. Hamlet verzögert seine Rache immer wieder unter diversen Vorwänden.1
Diesen Umstand nutzt Sigmund Freud Anfang des 20. Jahrhunderts für seine psychoanalytische Interpretation des Bühnendramas. Für Freud ist die gesamte Handlung des Stückes auf das Zögern Hamlets gebaut, „die ihm zugeteilte Rache zu erfüllen.“2 Es sei die besondere Natur seiner Aufgabe, die Hamlet scheitern lässt: er schaffe es nicht, den Mann zu töten, „der ihm die Realisierung seiner verdrängten Kinderwünsche zeigt.“3 Denn Freud geht davon aus, dass jedes Kind die ödipale Phase durchleben und überwinden muss, um später eine gesunde Sexualität zu entwickeln.4 Der kleine Junge wünscht sich folglich eine Zeit lang den Vater tot, um die Mutter exklusiv besitzen zu können.5 Hamlet stehe stellvertretend für den Neurotiker, der diese Phase nie überwunden und seine ödipalen Wünsche nur verdrängt habe.6 Claudius erfülle sich Hamlets unterdrückten Wunsch, indem er dessen Vater tötet und die Mutter zur Frau nimmt. Darin erkennt der Psychoanalytiker eine Identifikation Hamlets mit Claudius, die ihn dabei hemmt, seine Rache auszuüben.7 Sigmund Freud zufolge manifestiert sich Hamlets Ödipuskomplex also in dessen Verzögerung bezüglich seiner Racheausübung an Claudius.
Kritiker der freudschen Hamlet -Forschung verweisen darauf, dass Sigmund Freud diese Interpretation im Rahmen seiner Selbstanalyse entwickelt. Es stecke zu viel Freud in dessen Deutung von Hamlet. In diesem Sinne führt T. S. Eliot vor Augen, dass ein Kunstwerk nicht objektiv kritisiert werden kann, solange der Rezipient seine eigene Psyche darin lokalisieren möchte.8 Auch die Parallelen, die Freud zwischen dem fiktiven Hamlet und seinem realen Schöpfer zieht, sind problematisch. Sigmund Freud sieht seine ödipale Deutung durch Rückschlüsse auf das Leben Shakespeares bekräftigt. Später muss sich der Psychoanalytiker eingestehen, dass die Verfasserschaft Shakespeares äußerst umstritten ist.9 Diese Tatsache verwandelt Bezüge auf das Leben des historischen Dichters in reine Spekulation. Aus diesen Gründen gilt die freudsche Hamlet Interpretation für ihre Opponenten als überholt.10 Hauptargument gegen Freuds Ausführungen ist, dass er die literarische Figur Hamlet wie einen Patienten aus Fleisch und Blut behandle. Dies sei jedoch nicht möglich, da man die Dramengestalt nicht auf die psychoanalytische Couch setzen und befragen könne.11 Die einzige Möglichkeit, eine psychoanalytische Deutung aus dem Text zu lesen, sei der Text selbst.12 An dieser Maxime orientiert sich auch die vorliegende Arbeit.
Ziel der Arbeit ist es, die fortwährende Relevanz der These vom Ödipuskomplex Hamlets anhand des Textes aufzuzeigen. Freuds Gegner konzentrieren sich auf die lückenhafte Beweisführung seiner These. Daher wird hier eine alternative Beweisführung angestrebt. Während Freud den Ödipuskomplex verstärkt in Hamlets Zögern erkennt, ist diese Arbeit auf Hamlets Sexualität fokussiert. Die angewandte Methodik der Textanalyse verhindert Spekulationen über Shakespeare, ebenso wie die Vermenschlichung der literarischen Figur. Der Textanalyse liegt die These zugrunde, dass sich Hamlets Ödipuskomplex anhand seiner neurotischen Libido beweisen lässt. Diese These stützt sich darauf, dass Hamlets Neurose aus dem Konflikt zwischen ödipalem Verlangen und kulturellem Inzest- Tabu entspringt. Hamlets gestörtes Verhältnis zur Sexualität kann offen aus dem Text herausgelesen werden. Insbesondere im Umgang mit seiner Freundin und der Mutter kommt Hamlets Sexualabneigung zum Tragen. Die Textanalyse wird daher die sexuell konnotierten Dialoge zwischen Hamlet und den beiden weiblichen Figuren untersuchen. Anhand des Primärtextes soll dabei Hamlets inzestuöses Verlangen nach der Mutter und somit sein Ödipuskomplex belegt werden.
Als Vorbereitung auf die Textanalyse werden Sigmund Freuds Erläuterungen rund um das Thema „ödipales Verlangen“ betrachtet. Hierbei wird dargelegt, inwiefern die infantile Sexualentwicklung mit der späteren Neurose zusammenhängt. Es wird deutlich, dass Neurose und Sexualität untrennbar miteinander verbunden sind. Diese freudsche Schlussfolgerung verleiht den hier aufgeführten Betrachtungen die wissenschaftliche Grundlage. Im Anschluss an die Textanalyse folgt eine Abwägung der psychoanalytischen Hamlet -Deutung gegen die künstlerische Deutung T.S. Eliots und die historische Deutung Carl Schmitts. Damit soll eine abschließende Perspektiverweiterung erlangt und Freuds These anhand ihrer Kritik geprüft werden. Dieser letzte Punkt ist – ebenso wie die gesamte Arbeit – darauf ausgerichtet, den Stand der psychoanalytischen Deutung innerhalb der Hamlet -Forschung zu stärken.
2 Sigmund Freud: Der Ödipuskomplex und Hamlet
„Ich habe die Verliebtheit in die Mutter und die Eifersucht gegen den Vater auch bei mir gefunden und halte sie jetzt für ein allgemeines Ereignis früher Kindheit,“ schreibt Sigmund Freud 1897 an seinen Freund Wilhelm Fliess.13 Immer wieder beschreibt Freud das Kind als höchst egoistisches Wesen, das die grenzenlose Liebe seiner Eltern erlangen möchte.14 Dabei fokussiere es sich auf das gegengeschlechtliche Elternteil. Der kleine Junge möchte also den Vater vertreiben, um seinen Platz bei der Mutter einnehmen zu können. Er sehe im Vater einen Mitbewerber um die Liebe der Mutter, der ausgeschaltet werden muss. Da Kinder den vollen Umfang des Todes noch nicht begriffen hätten und diesen mit reiner Abwesenheit assoziieren, wünschen sie sich das gleichgeschlechtliche Elternteil tot.15 Freud nennt dieses Phänomen „Ödipuskomplex“, nach der Sage vom König Ödipus, der seinen Vater erschlägt und seine Mutter heiratet.16
Für den Begründer der Psychoanalyse stellt der Ödipuskomplex eine Stufe in der Entwicklung des männlichen Kindes dar, welche sich in der phallischen Phase entwickelt, also zwischen dem vierten und sechsten Lebensjahr.17 Diese Entwicklungsperiode steht im Zeichen des Lustgewinns durch die Erregung genitaler Zonen. Das Kind orientiere sich hierbei an seiner Bezugsperson – zumeist der Mutter: „Als die anfänglichste Sexualbefriedigung noch mit der Nahrungsaufnahme verbunden war, hatte der Sexualtrieb ein Sexualobjekt außerhalb des eigenen Körpers in der Mutterbrust.“18 Freud bezeichnet die Mutter als „erste Verführerin ihres Sohnes.“19 Dabei ist er sich durchaus bewusst, dass die Identifikation von mütterlicher mit geschlechtlicher Liebe auf kategorische Ablehnung stoßen wird. Freud betont die Notwendigkeit dieses Entwicklungsprozesses, indem er proklamiert, dass die Mutter nur ihre natürliche Aufgabe erfüllt, „wenn sie das Kind lieben lehrt; es soll ja ein tüchtiger Mensch mit energischem Sexualbedürfnis werden und in seinem Leben all das vollbringen, wozu der Trieb den Menschen drängt.“20
Dieser Trieb muss sich später allerdings auf Objekte außerhalb des familiären Kreises richten. Der Ödipuskomplex ist zwangsläufig dazu bestimmt, überwunden zu werden.21 Trotzdem wird er von seinem Entdecker als „das zentrale Phänomen der frühkindlichen Sexualperiode“ bezeichnet.22 Denn diese Entwicklungsphase des Kindes wird als prägend für das Sexualleben des Herangewachsenen angesehen. Freud geht noch weiter und vertritt die Auffassung, der Mann suche sich eine Partnerin in freier Anlehnung an das Erinnerungsbild der Mutter.23 Diese These wird auch von Otto Rank im Rahmen seines
Buches „Das Inzest-Motiv in Dichtung und Sage“ bestätigt: „[…] die Mutter muß für den verliebten Sohn in erotischer Beziehung zu einer Fremden werden, und der Sohn muß lernen, seine erotischen Gefühle fremden Frauen zuzuwenden, hinter denen allerdings […] das Bild der Mutter steht.“24 Rank bekräftigt diese Aussage innerhalb seiner Monographie über das Inzest-Motiv mit zahlreichen prominenten Beispielen aus der Literatur.
Das konstante Aufkommen eines Motivs in der Literatur verweist auf seine fortwährende Existenz innerhalb der menschlichen Natur. So könnte die Maxime lauten, welcher sich Freud bei der Definition des Ödipuskomplexes bedient. „Die Überschreibung der griechischen Tragödie durch die eigene Theorie vollzieht Freud, indem er die Tragödie wie den Traum als eine Form der verkleideten Wunscherfüllung auslegt.“25 Diesem Gedanken liegt zugrunde, dass die Literatur hierbei „zu einem symbolischen Ort [wird], an dem das gesagt werden kann, was sonst nicht gesagt werden darf.“26 Freud begreift die Literatur folglich als einen tiefenpsychologischen Raum, in dem der Mensch die Phantasien und unbekannten Wünsche auslebt, die aus kulturell-moralischen und ethischen Gründen nicht in das Bewusstsein gelangen dürfen.27 Den Beleg für diese Theorie identifiziert der Analytiker anhand der starken Faszination, die, wie in diesem Fall, die Geschichte des König Ödipus über Jahrhunderte hinweg auf die Menschheit ausübt: „[D]ie griechische Sage greift einen Zwang auf, den jeder anerkennt, weil er dessen Existenz in sich verspürt hat.“28 Durch die Auseinandersetzung mit den abartigen Verbrechen des Ödipus, den Vater zu erschlagen und die Mutter zu heiraten, werden wir mit unseren eigenen verdrängten, infantilen Wünschen konfrontiert.29 Inzestuöse beziehungsweise ödipale Gefühle sind für Freud ein Thema, das jeden Menschen mehr oder weniger durch das Leben begleitet.
Um sich jedoch zu einem „tüchtigen Menschen“ mit „energischem Sexualbedürfnis“ zu entwickeln, sei „jedem menschlichen Neuankömmling […] die Aufgabe gestellt, den Ödipuskomplex zu bewältigen; wer es nicht zustande bringt, ist der Neurose verfallen.“30 Wenn also bereits der „tüchtige Mensch“ in seiner Partnerin die eigene Mutter sucht, wie verhält es sich dann mit Individuen, die „nicht viel mehr als eine Verdrängung des Komplexes“ zustande gebracht haben?31 Sigmund Freuds Antwort auf diese Frage findet sich erneut in der Literatur: Hamlet, der dänische Prinz Shakespeares, stellt für ihn den Prototyp des Neurotikers dar. „Wenn Ödipus in sprichwörtlicher Weise die Norm einer infantilen Orientierung der Libido festlegt, dann wird Hamlet der Prototyp der Anomalie, die darin besteht, daß man die Ödipusphase nicht siegreich überwindet.“32 Hamlet habe die ödipale Phase nur verdrängt, jedoch nie überwunden. Diese unvollständige Verdrängung von Es-Impulsen durch das Ich führe dazu, dass der unterdrückte Impuls seine pathogene Wirkung in Form von hysterischen Anfällen entfalte.33 Laut Freud setzt das Drama Shakespeares an der Stelle im Seelenleben des Helden ein, an der sich seine Neurose entwickelt.34
Der Tod des Vaters stellt die Erfüllung eines lange verdrängten ödipalen Wunsches dar. Hamlet, der die ödipale Phase nie überwunden hat, wird in sein Kinderseelenleben zurückgeworfen. Er nähert sich dem Ziel, die Mutter exklusiv zu besitzen.35 Aus diesem Grund stellt die übereilte Heirat seiner Mutter mit dem Bruder ihres verstorbenen Mannes, Claudius, eine große Enttäuschung für den Prinzen dar. Der neue Mann stellt sich zwischen ihn und seine Mutter. Claudius verwirklicht sich den uralten Wunsch Hamlets: Er tötet den Vater und nimmt die Mutter zur Frau. Für Sigmund Freud ist Hamlet ein moderner Ödipus, eine Aufarbeitung des alten Sagenstoffes: „[I]n der veränderten Behandlung des nämlichen Stoffes offenbart sich der ganze Unterschied im Seelenleben der beiden weit auseinanderliegenden Kulturperioden, das säkulare Fortschreiten der Verdrängung im Gemütsleben der Menschheit.“36 Laut Freud zeigt
Hamlet auf, dass der moderne Mensch gelernt habe, den infantilen Wunsch nach dem Inzest mit der Mutter aus dem Bewusstsein zu verbannen. Parallel dazu vertritt Freud die Position, dass die Verdrängung aufgrund von kulturellen Schranken Neurosen im Menschen hervorbringe.37
Durch die kulturell erworbene Inzestschranke kann Hamlet den Ödipus in sich nicht anerkennen. Für ihn ist es nicht möglich, die ödipale Sehnsucht nach dem Mord am Vater und dem Geschlechtsverkehr mit der Mutter zuzulassen, ohne sich moralisch schuldig zu machen. Daher hemmt Hamlets Ich den ödipalen Es-Impuls, indem es ihn entschieden aus seinem Bewusstsein verdrängt. Allerdings verschafft sich der verdrängte Impuls auf andere Art und Weise einen Zugang zum Bewusstsein. Nach der Zensur tritt er in getarnter Gestalt als hysterisches Symptom auf.38 Laut Freud äußert sich der Ödipuskomplex Hamlets genau hier, in seinen Hemmungswirkungen: seine Unfähigkeit Claudius zu ermorden und seine abgrundtiefe Sexualabneigung.39 Die ödipalen Wünsche verkehren sich krankhaft in ihr Gegenteil: „Die durch Verdrängung pathogen gewordenen Vorstellungen und das Ausbleiben einer Abreaktion der mit ihnen verbundenen Affekte liegen […] der Entstehung der hysterischen Symptome zugrunde.“40 Hamlets Handlungslähmung hinsichtlich des Mordes an Claudius und seine Aversion gegen die Sexualität seiner Mutter können als hysterische Reaktion auf die Unterdrückung des Ödipuskomplexes gewertet werden. Getarnt als Tugendhaftigkeit entwickelt Hamlet einen übermächtigen Sexualekel, der sich sowohl bei seiner Mutter als auch bei seiner Freundin entlädt. Der Psychoanalytiker Freud erkennt hier deutlich den Hysteriker, der zum Vorschein kommt.41
An dieser Stelle definiert sich der Unterschied von Ödipus und Hamlet: Ödipus realisiert den Wunsch, Hamlet wünscht den Wunsch lediglich.
„Wenn Ödipus in Gesetzesübertretung und Bestrafung das universale Gesetz ausdrückt, das bei der Entstehung der Moral den Ausschlag gibt, das Moment, das notwendigerweise erlebt und überwunden werden muß, so offenbart Hamlet dagegen durch seine spezifische Hemmung die mangelnde Überwindung, das angstvolle und verborgene Weiterbestehen des kindlichen Begehrens.“42
Für Ödipus gibt es keinen Grund neurotisch zu werden, er kennt keine Handlungshemmung. Jean Starobinski bringt es auf den Punkt, wenn er proklamiert: „Es steckt nichts hinter Ödipus, denn Ödipus ist schon die Tiefe selbst,“ denn „Ödipus ist der Trieb oder, wenn man so will, dessen Veranschaulichung.“43 Die Figur des König Ödipus‘ besitzt, laut Starobinski, nichts Unbewusstes, da sie in ihrer ganzen Existenz bereits unser Unbewusstes darstellt.44 Dass der Ödipus dem Kulturmenschen Hamlet als Unbewusstes innewohnt, macht den Stoff für Freud so reizvoll. Denn im Gegensatz zum realisierten Wunsch des Ödipus ist Hamlet „als verdrängte Darstellung des Inzestwunsches sogar aufschlussreicher für die Analyse der Neurosen […], auf die es Freud eigentlich ankommt.“45 Daher entdeckt Freud in Shakespeares Drama das gewichtige Gegenstück zum Ödipus-Mythos.46 Mit seiner Analyse des Dramen- Charakters findet der Psychoanalytiker den Vertreter des Neurotikers schlechthin: „[S]ie zeigt, daß jeder Neurotiker selbst ein Ödipus war oder, was auf dasselbe ausgeht, in der Reaktion auf den Komplex ein Hamlet geworden ist.“47
Hamlets unterdrückter Ödipus macht ihn zum Neurotiker und insbesondere Hysteriker. Freud zufolge sei die Hysterie „eine eindeutig definierbare Psychoneurose, die auf einem unlösbar gebliebenen ödipalen Konflikt basiere.“48 Im Speziellen wird die Psychoneurose durch einen chronischen Triebkonflikt ausgelöst.49 Hamlets Neurose ist folglich das Ergebnis einer Störung seiner infantilen, sexuellen Entwicklung und wird durch seinen chronisch gewordenen Triebkonflikt ausgelöst. Dieser chronische Triebkonflikt besteht zwischen der kulturellen Inzestschranke und seinem Urtrieb nach der sexuellen Zuwendung seiner Mutter. Verdrängung und Libido stehen im Widerstreit miteinander. In Hamlet sieht Sigmund Freud seine These repräsentiert und bestätigt: Die Sexualität bildet den Kern aller Neurosen.50 „[D]ie Sexualität spiele als Quelle psychischer Traumen und als Motiv der ‚Abwehr‘, der Verdrängung von Vorstellungen aus dem Bewußtsein, eine Hauptrolle in der Pathogenese der Hysterie.“51 Für Freud stellt die Sexualität des Neurotikers also einen geschlossenen Kreislauf dar. Eine Störung der infantilen Sexualentwicklung diene als Grundstein, die entschiedene Ablehnung der Sexualität als Symptom der Neurose.52 Somit ist die Neurose untrennbar mit der Sexualität verbunden.
3 Analyse
Ziel der folgenden Analyse ist es, Freuds psychoanalytische Deutung von Shakespeares Drama zu bekräftigen und den Ödipuskomplex Hamlets zu belegen. Hierbei wird ein anderer Argumentationsstrang, als der von Freud ursprünglich gewählte, hervorgehoben. Der Ödipuskomplex besteht aus zwei Teilen: dem Wunsch nach der Ermordung des Vaters und dem Wunsch nach dem Geschlechtsverkehr mit der Mutter. Während Sigmund Freud den Vater zum Zentrum des Ödipuskomplexes erhebt, wird hier die Beziehung zur Mutter fokussiert.53 Dabei wird beleuchtet, dass Hamlets Sexualität als Motiv der Abwehr eine bedeutende Rolle im Stück spielt und somit die Hauptrolle in der Pathogenese seiner Hysterie. Der anschließenden Analyse liegt die These zugrunde, dass sich Hamlets Ödipuskomplex anhand seiner entarteten Libido nachweisen lässt. Wenn die Sexualität Kern aller Neurosen ist, muss die entartete Sexualität des späteren Neurotikers auf ihre infantile Entwicklung zurückzuführen sein. Hamlets Einstellung zur Sexualität kommt in seinem Umgang mit Gertrud und Ophelia zum Tragen. Hamlets Mutter und Freundin sind die beiden einzigen weiblichen Figuren im Stück. Sein Umgang mit den Frauen zeichnet sich immer wieder durch heftige Misogynie, Ekel und Sexualabneigung aus. Dieses Verhalten stellt die hysterische Reaktion auf die Verdrängung seines ödipalen Begehrens dar: Geschlechtsverkehr mit der Mutter. Hamlets hysterisches Verhalten gegenüber Gertrud verweist direkt auf seinen Ödipuskomplex, das Verhalten gegenüber Ophelia indirekt. Der Hass auf die eigentlich geliebten Frauen entwickelt sich erst nach der erneuten Hochzeit seiner Mutter. Diese Eheschließung und die damit einhergehende Sexualität Gertruds, werden hier als Auslöser für Hamlets Hysterie gewertet. Dabei überträgt er seine enttäuschten ödipalen Gefühle von der Mutter auf die Freundin. Es liegt eine Objektübertragung vor, die Rückschlüsse auf Hamlets Ödipuskomplex zulassen.54 Vor dem Ausbruch der Neurose sucht er sich Ophelia als Freundin aus – nach dem Erinnerungsbild seiner Mutter. Der Verlauf seiner Hysterie bringt zum Vorschein, dass sich Hamlet bei der Bewertung von Ophelia ausschließlich an Gertrud orientiert. Die Freundin zwanghaft mit der Mutter gleichsetzen zu müssen verweist darauf, dass Hamlet im Grunde die Mutter begehrt und Ophelia nur als Ersatzobjekt einsetzt. Im Folgenden gilt es, diese Thesen zur entarteten Libido Hamlets anhand des Textes zu belegen.
3.1 Gertrud: Das Objekt der Begierde
Nach dem Tod ihres Mannes heiratet Gertrud innerhalb eines Monats dessen Mörder, Claudius. Mehr erfährt der Rezipient nicht. Ob Gertrud an dem tödlichen Anschlag beteiligt war, bleibt ungeklärt. Selbst als sie in der vierten Szene direkt mit dem Vorwurf konfrontiert wird, ergibt sich keine klare Antwort – und es wird auch keine verlangt. Die Gewichtung der Tatbestände kann hierfür zur Verantwortung gezogen werden. Die Ermordung des alten Königs wird von Hamlet generell in einem Atemzug genannt mit der übereilten Heirat von Gertrud und Claudius. Nicht über den Tod seines Vaters, sondern über die Hochzeit seiner Mutter sagt er: „Ich hätte lieber meinen ärgsten Feind im Himmel angetroffen, als jenen Tag erlebt, […].“55 Es ist nicht der Mord am Vater, der Hamlet so beschäftigt, sondern die Sexualität der Mutter.56 Hierbei legt Hamlet den Schwerpunkt auf Claudius‘ Unwürdigkeit und auf die inzestuöse Artung dieser Verbindung. Über seine Mutter sagt er: „O höchst verruchte Schnelle, mit solcher Behändigkeit in blutschänderische Laken zu eilen!“57 Obwohl nur ein verschwägertes Verwandtschaftsverhältnis zwischen Gertrud und Claudius besteht, verstrickt sich Hamlet in die Idee des Inzests. Hamlet vergleicht Claudius mit einem Moor, an dem Gertrud sich mästet.58 Dieser Vergleich soll die ungesunde und krankhafte Natur ihrer Ehe verdeutlichen. Er vergleicht den „aufgedunsenen König“ mit einer Kröte oder einer Fledermaus.59 Claudius ist in seinen Augen ein „Satyr“, der seine Mutter zu einer Hure macht.60 Anstatt die Schuldfrage des Mordes zu erörtern, fokussiert sich der Sohn auf die Sexualität seiner Mutter. Am Ende der vierten Szene hält Hamlet Gertrud dazu an, den Geschlechtsverkehr mit Claudius einzustellen. Die verzweifelte Bitte lässt Hamlets eigentliches Problem mit der Mutter erfassen: Für ihn stellt die erneute Heirat und damit Gertruds Sexualleben das essentielle Verbrechen dar, nicht der Mord.
Da der Rezipient die Figur der Mutter nur durch Hamlets Sichtweise betrachten kann, definiert sich Gertruds Charakter über die Beziehung zu ihrem Sohn.61 Das Huren-Motiv, welches sich an dieser Mutter abzeichnet, ist durch die krankhafte Sichtweise des ödipalen Sohnes geprägt. Ihre Figur ist daher negativ sexuell konnotiert. Hamlets Obsession für die Sexualität seiner Mutter kanalisiert sich in seiner Aversion. Besonders deutlich kommt diese abgrundtiefe Sexualabneigung in der vierten Szene, der „Closet- Scene“, zum Vorschein. Im Schlafgemach der Königin redet sich der ödipale Sohn in Rage. Dabei geht er ausführlich auf den Sexualakt zwischen ihr und Claudius ein: „[…] im ranzigen Schweiß eines fettverklebten Betts zu leben, in Entartung schmorend honigsüß zu schmusen und sich zu paaren über dem garstigen Saustall…“62 Obwohl Hamlets Rede bereits von tiefer Abscheu geprägt ist, geht er weiter ins Detail: „Euch wollüstig in die Backe kneifen,“ „Euch sein Mäuschen nennen,“ „ein paar übelriechende Küsse,“ und „Euch mit seinen verfluchten Fingern am Hals krault.“63 Hamlet ist ein Sohn, der sich ausführlich mit der Sexualität seiner Mutter auseinandersetzt. Sein Ödipuskomplex wird an dieser Stelle offengelegt. Der Geschlechtsakt seiner Mutter wird zur kranken Obsession, da er Hamlets tiefsten, verbotenen Wunsch darstellt.64 Zur Aversion wird er, da Hamlet diesen Wunsch mit aller Kraft unterdrückt. Somit wird jedes Wort über die Sexualität seiner Mutter mit abgrundtiefem Ekel verkleidet.
Den Ekel rechtfertigt Hamlet, indem er auf den Inzest zwischen Gertrud und Claudius verweist. De facto kann man hier jedoch nicht von Inzest sprechen: Gertrud und Claudius sind nicht verwandt, nur verschwägert. Ernest Jones interpretiert diesen Denkfehler als Identifikation: Hamlet erkenne in Claudius sich selbst. Durch den Tod seines Vaters sah sich Hamlet der Erfüllung seines Ziels, die Mutter zu besitzen, besonders nah. Doch ein anderer Mann nimmt den Platz an ihrer Seite ein: „Ja noch mehr, dieser eine ist ein Glied derselben Familie, so daß die tatsächliche Usurpation mit der bloß eingebildeten die weitere Ähnlichkeit besitzt, eine Blutschänderische zu sein.“65 Es sind nicht Gertrud und Claudius, durch die dasselbe Blut fließt, sondern Hamlet und Claudius. Außerdem lokalisiert Hamlet in Claudius‘ Taten seine eigenen Wünsche. Sollte das ödipale Verlangen Hamlets durch diese Parallelen in sein Bewusstsein drängen, muss es ebenso stark aus dem Bewusstsein verdrängt werden. Denn vor seinen ödipalen Wünschen graust es dem Kulturmenschen Hamlet. Als Neurotiker entwickelt er einen systematischen Abwehrmechanismus diesen gegenüber. Hamlets Abwehrhaltung konzentriert sich in erster Linie auf die Sexualität Gertruds. Die Deutung nach Freud legt nahe, dass sich der Abwehrmechanismus gegen seine eigenen sexuellen Wünsche in dem hysterischen Symptom des Ekels widerspiegelt. Der Hysteriker Hamlet verkehrt das ursprüngliche Gefühl der Lust in sein Gegenteil: Ekel.66 Diese Deutung erklärt, warum sich Hamlet so ausführlich mit dem Sexualakt zwischen Claudius und Gertrud auseinandersetzt. In seinen Ausführungen identifiziert er sich mit dem Geschlechtspartner seiner Mutter. Der Sexualekel soll hierbei das inzestuöse Sexualverlangen überlagern und verschleiern.
Dass seine Mutter ein sexualisiertes Wesen für ihn darstellt, zeigt auch sein Verhalten unmittelbar vor der „Closet-Scene“. Hierbei kann die Örtlichkeit der Aussprache miteinbezogen werden. Die Königin ruft Hamlet in ihre privaten Schlafgemächer: „Sie wünscht, mit Euch in ihrem Gemach zu reden, bevor Ihr zu Bett geht.“ Diese Bitte schließt ein privates Zusammentreffen im Schlafzimmer der Mutter ein, einem Ort, der mit Beischlaf assoziiert werden kann. Hamlet antwortet darauf: „Wir woll’n gehorchen, und wär sie zehnmal unsre Mutter.“67 Hamlet scheint dem Wunsch Gertruds nur zu bereitwillig nachzukommen. Mit der stilistischen Hyperbel „wär sie zehnmal unsre Mutter,“ suggeriert der Prinz, dass er das Schlafgemach gegen jeden Widerstand aufsuchen wird. Rational betrachtet ergibt diese Äußerung keinen Sinn, wird er doch explizit in ihr Gemach gebeten. Lehnt man die Aussage allerdings an die ödipale Deutung an, ergibt sich das Bild eines Sohnes, der es nicht erwarten kann in das Schlafgemach seiner Mutter einzudringen. Ein Sohn, der jeden kulturellen, ethischen und moralischen Widerstand zu überwinden bereit ist – und wäre sie zehnmal seine Mutter.
Auf dem Weg dorthin muss sich der aufgeregte Prinz selbst zur Ruhe ermahnen: „[…] lass nie die Seele Neros in diese feste Brust einziehen, lass mich grausam sein, nicht wider die Natur.“68 Otto Rank sieht in dieser Ermahnung einen unterbewussten Verweis auf den Mutterinzest Neros:
„[E]r will seiner Mutter gegenüber kein zweiter Nero werden, was bewußterweise vor dem Muttermord warnt, unbewußt aber auf den mit Neros Namen untrennbar verknüpften Mutterinzest hinzielt, zu dem ihm jetzt gewissermaßen die Möglichkeit geboten scheint.“69
In erster Linie ermahnt sich der Sohn, nicht gewalttätig gegen seine Mutter zu werden. Gleichzeitig ruft er sich mit dieser Allegorie die kulturelle Inzestschranke ins Bewusstsein, bevor er das Schlafgemach seiner Mutter betritt. Er möchte nicht „wider die Natur“ handeln, möchte sich nicht schuldig machen an einem perversen Verbrechen. Trotz dieses Vorsatzes wird er seiner Mutter gegenüber körperlich. Erst äußert er laut den Wunsch, Gertrud sei nicht seine Mutter, dann packt er sie am Arm.70 Aussage und Handlung des Protagonisten stehen hier in direktem Zusammenhang. Der Umstand des Verwandtschaftsverhältnisses hindert ihn schließlich an seiner Wunscherfüllung: der körperlichen Liebe. Hamlet führt den körperlichen Akt gegen seine Mutter so gewalttätig aus, dass Gertrud kurzzeitig um ihr Leben fürchtet. Für Madelon Gohlke, welche die Sexualität in Shakespeares Werken untersucht, verweist der gewalttätige Ausbruch Hamlets auf seine gewaltigen hysterischen Impulse gegenüber Gertrud. In ihrem Essay “I wooed thee with my sword,“ erkennt sie in Hamlets Verhalten das eines betrogenen Ehemannes.71 Wie bereits oben ausgeführt betrachtet Hamlet die erneute Eheschließung seiner Mutter als das essentielle Verbrechen: Der ödipale Sohn fühlt sich von seiner Mutter betrogen. Es sind seine unerwiderten Gefühle, die in Hamlet sowohl Wut als auch Ekel hervorrufen.
Der ödipale Sohn nimmt eine extrem zwiegespaltene Position gegenüber der Sexualität seiner Mutter ein. Für Hamlet ist Gertrud eine lüsterne Dirne. Das sexuelle Verhältnis zwischen seiner Mutter und Claudius enttäuscht den ödipalen Sohn und erniedrigt die Mutter in seiner Sicht zu einer Hure.72 Auf der anderen Seite versucht der erfolglos liebende Sohn diesen Aspekt zu verdrängen und die Mutter in keuscher Reinheit zu betrachten, als Heilige.73 Ein deutlicher Fall dieser Verdrängung kommt in der „Closet- Scene“ zum Tragen. Obwohl Hamlet Gertruds florierende Sexualität zur Genüge ausführt, versucht er das Gegenteil zu beschwören. In diesem Sinne kommentiert er ihr Verhältnis zu Claudius: „[I]n Eurem Alter ist die Siedeglut im Blut zahm, `s ist demütig und folgt dem Urteil des Verstands, […].“74 Diese Aussage steht in klarem Kontrast zu Hamlets sonstigen Äußerungen. Kurz vorher bezeichnet er Gertruds Verhalten als „die Anmut und Erröten der Sittsamkeit beschmutz[end].“75 Kurz danach geht er auf den detailreich beschriebenen Sexualakt zwischen Claudius und Gertrud ein. Eingebettet in dieses nymphomanisch geprägte Bild seiner Mutter, kann man den scheinbar irrationalen Satz als Wunschdenken deklarieren. Gegen Ende der „Closet-Scene“ äußert Hamlet dann ganz klar den Wunsch, seine Mutter möge ihre Tugend zurückerlangen.76 Er bittet sie: „Seid heute nacht enthaltsam, und das wird dann die folgende Enthaltung in gewisser Weise leichter machen, die darauffolgende noch leichter.“77 Um seine eigene Sexualität unterbinden zu können, muss er auch die offensichtliche Sexualität seiner Mutter unterbinden, denn sie sind untrennbar miteinander verwoben. In Hamlet wohnt ein Ödipus, doch er ist ebenso Kulturmensch: seinen inzestuösen Wunsch kann er sich nicht erfüllen. Stattdessen versucht der Neurotiker, seine lebhafte Mutter in ein keusches, reines und treues Ideal der Frau und Mutter zu pressen.
Hamlets Idealbild einer Frau wird besonders durch zwei Allegorien im Text deutlich: Hamlet sehnt sich nach einer Hecuba oder Niobe in Gertrud. Die beiden Mythenfiguren eint, dass sie Mütter und Ehefrauen sind. Beide erleben großes Unglück: sie werden gewaltsam ihrer Männer und Kinder beraubt. Sowohl Niobe als auch Hecuba verfallen in heftige und andauernde Trauer. Über ihrem Verlust erstarrt Niobe zu einem Marmorfelsen, der nicht aufhören kann zu weinen.78 Ein außerordentlicher Ausdruck der Trauer und der Treue, welchen Hamlet auch in seiner Mutter verortet: „[W]ie Niobe ganz in Tränen, wahrhaft sie, […].“79 Bevor Gertrud Claudius heiratet, erfüllt sie offensichtlich Hamlets Idealvorstellung der liebenden und treuen Ehefrau. Für Hamlet bricht diese Idealvorstellung seiner Mutter nach dem Tod seines Vaters zusammen, da er mit ihrer Sexualität konfrontiert wird. „[E]in Tier, das der Begabung der Vernunft entbehrt, hätte länger getrauert,“ resümiert der enttäuschte Sohn.80 In Gertruds Verhalten konstatiert Hamlet lüsterne Sprunghaftigkeit. Anders als bei Niobe und Hecuba währt die Liebe Gertruds nicht lange.81 Über Hecuba heißt es im Stück: „[D]er Ausbruch ihres Wehgeschreis, das augenblicklich sie erhob, der hätte, es sei denn, sterbliches Geschehen rührt sie überhaupt nicht, die brennend heißen Himmelsaugen feucht gemacht und mitleidsvoll die Götter.“82 Auch Hecuba stellt das Ideal der Frau dar, die ihrem Mann über den Tod hinaus treu ergeben ist. Gertrud, die kurz nach dem Tod ihres Mannes einen neuen Partner wählt, kann antithetisch zu Hecuba betrachtet werden. Im Gegensatz zu Hecuba legt sich Gertrud schnellstmöglich in ein neues Ehebett. Hamlet wird somit geradezu gewalttätig mit ihrer Sexualität konfrontiert. Es ist diese Sexualität, die Hamlets infantilen Inzestwunsch zu Tage bringt – im Rahmen seiner Hysterie. Ein bisschen mehr Hecuba in Gertrud hätte folglich den Ödipus in Hamlet geschont. Mit seinem tugendhaften Ideal der Frau möchte sich der Neurotiker Hamlet die Auseinandersetzung mit der Sexualität seiner Mutter und somit seiner eigenen Libido ersparen.
3.2 Ophelia: Das Ersatzobjekt
Für Hamlet erfüllt seine Mutter das Ideal der treuen und tugendhaften Frau bis zu dem Zeitpunkt, an dem sie Claudius heiratet. Hamlets Vorstellung von Gertrud verdreht sich in das genaue Gegenteil. Der ödipale Sohn ist zutiefst enttäuscht, fühlt sich betrogen und seine Mutter wird zur Hure degradiert. Hamlet verallgemeinert die Enttäuschung über das Verhalten der Mutter, indem er ausruft: „Schwachheit, dein Name ist Weib.“83 Zeitgleich zu diesem Prozess wendet sich Hamlet von seiner Freundin Ophelia ab.84 Und das, obwohl die jungfräulich naive Ophelia Hamlets Anforderungen an eine Frau vollkommen erfüllt: Ophelia könnte nicht tugendhafter sein. Trotzdem entladen sich Hamlets Sexualabneigung und Enttäuschung insbesondere bei ihr. Hierbei kann man von einer Objektübertragung ausgehen: Hamlet überträgt seine Gefühle für Gertrud auf Ophelia. Für ihn verschwimmen die Grenzen zwischen den beiden Frauen, obwohl Ophelia und Gertrud antithetisch zueinander aufgestellt sind.
Im Gegensatz zu Gertruds Figur definiert sich der Charakter Ophelias nicht über Hamlets Blickwinkel auf sie. Ophelias Person ist wiederholt Gegenstand der Debatte. Zudem kommt ihre Persönlichkeit an einigen Stellen im Text zum Tragen. Ophelia ist die Tochter des Polonius und Schwester des Laertes. Ihrem Vater und Bruder ist sie treu ergeben, ebenso Hamlet, den sie offensichtlich liebt. Es ist der verzweifelte Versuch, eben diesen drei Männern die Treue zu halten, welcher sie in einen Gewissenskonflikt stürzt. Polonius und Laertes pochen darauf, dass sie Hamlets Liebesbekundungen nicht nachgeben und ihren „keuschen Schatz“ bewahren soll.85 Es wird also gleich zu Anfang geklärt, dass Ophelia Jungfrau ist und dies auch bleiben soll. Laertes rät ihr: „Die wirklich scheue Jungfrau ist schon freizügig, wenn ihre Schönheit sie dem Mond enthüllt.“ Ophelia wird dazu angehalten, tugendhafter als die Tugend selbst zu sein, unsichtbar für das männliche Geschlecht. Ganz die treue Schwester antwortet sie: „Ich will den Sinn dieser guten Lektion als Wächter bei meinem Herzen halten.“ Ophelia wird ihr Wort halten und als Jungfrau sterben. Ganz im Gegensatz zu Gertrud verkörpert die Figur der Ophelia die reinste Form der Unschuld.
Als Polonius Hamlets Liebesbekundungen als „Anerbieten, die keine echte Währung sind“ diffamiert, verteidigt Ophelia den Prinzen entschieden: „[E]r hat mich auf ehrbare Manier mit Liebe bedrängt.“86 Diesen Charakterzug behält sie entschieden bei: Ophelia verteidigt das Verhalten Hamlets bis zu ihrem Tod gegen jeden Widerstand. Obwohl der Neurotiker sie respektlos behandelt, beleidigt und geradezu grausam von sich stößt, malt sie Hamlets Charakter in den schillerndsten Farben. Ophelia entschuldigt seinen Ausbruch mit der angeblichen Geisteskrankheit: „Oh, welch ein edler Geist ist hier zerrüttet! Des Hofmannes, des Kriegers, des Gelehrten Auge, Zunge, Schwert, […] der Spiegel guter Sitten und das Muster höfischen Betragens […].“87 Mit ihrer Beschreibung zeichnet Ophelia ein Bild der Perfektion: Sie erkennt in Hamlet einen gebildeten Gentleman ebenso wie einen Heerführer, der für sein Land in den Krieg ziehen würde. Sie sieht einen mutigen Mann der Moral, der sich auszudrücken weiß und durch sein formvollendetes Betragen glänzt. Ophelias Treue gegenüber Hamlet zeichnet sich dadurch aus, dass sie trotz aller Schmähungen nie an seinem Charakter zweifelt, höchstens an seiner geistigen Gesundheit. Vater und Bruder hält sie die Treue, indem sie ihre Jungfräulichkeit und damit Tugendhaftigkeit bewahrt. Seinen Gipfel erreicht dieser Drahtseilakt an Treue mit dem Selbstmord Ophelias und ihrem vorangehenden Wahnsinn. Laut Otto Rank soll Ophelia „als das keusche Gegenstück zu Gertrude die über den Tod hinausgehende Treue des Weibes vertreten, das eher dem Wahnsinn verfällt als den Geliebten (Vater oder Mann) zu verraten.“88
Vor dem Ausbruch seiner Neurosen kann Hamlet diese Eigenschaften bei Ophelia erkennen und schätzen. Seine Liebe zu ihr bekräftigt er zu diesem Zeitpunkt noch mit „allen heiligen Schwüren des Himmels.“89 Seine Worte beeindrucken Ophelia so nachhaltig, dass sie bis in den Tod an ihnen festhält:
„An die himmlische, und meiner Seele Idol, die höchst verschönte Ophelia […].
Bezweifle, dass in Sternen Feuer sei, Bezweifle, dass die Sonne sich bewege, Befürchte in der Wahrheit Lügerei, Doch niemals zweifle, dass ich Liebe hege.
O teure Ophelia, ich bin schlecht im Verseschmieden, ich habe die Kunst nicht, meine Seufzer abzuzählen; doch dass ich dich über alles liebe, oh, weit über alles, das glaube.“90
Seine Worte beweisen, dass Hamlet sich seiner Liebe für Ophelia zu diesem Zeitpunkt sicher ist. Mit dem einleitenden Satz ergibt sich gleichzeitig ein versteckter Hinweis darauf, dass seine Objektwahl mit der Übertragung von gewissen Eigenschaften zusammenhängt. Polonius, der den Brief als Beweis für Hamlets Liebe aufführt, hält sich mit dem Ausdruck „verschönt“ auf: „[D]as ist ein schlechter Ausdruck, ein miserabler Ausdruck, ‚verschönte‘ ist ein miserabler Ausdruck.“91 Tatsächlich mutet dieser Begriff innerhalb eines Liebesbriefes seltsam an. Vor dem Ausbruch seiner Neurosen wird Ophelia von Hamlet verschönt. Hier kann man interpretieren, dass sie bereits schön ist, Hamlet sie in seiner Vorstellung jedoch noch weiter verschönert bis sie zum Idol seiner Seele wird. Er bezeichnet Ophelia als „himmlisch“ – ein Wort das zur Beschreibung nicht real existierender Glaubensbilder dient. Folglich ist es die Idee von Ophelia, welche Hamlet liebt. Betrachtet man diese „Verschönerung“ der Objektwahl nach Freud, muss auf das Ideal der Mutter eingegangen werden. In Ophelia scheint er eine Frau gefunden zu haben, „nach dem Erinnerungsbild der Mutter, wie es ihn seit den Anfängen der Kindheit beherrscht.“92 Wobei dieser Umstand nach Sigmund Freud einen natürlichen Aspekt der Partnerwahl darstellt. Denn Freud proklamiert, dass die Objektwahl allgemein in freier Anlehnung an das Vorbild des gegengeschlechtlichen Elternteils vonstattengeht.93 Die Tugend und Treue, die er lange in seiner Mutter verortet glaubt, verkörpert Ophelia zur Genüge. Dass Hamlet sie darüber hinaus noch „verschönt“, spricht allerdings dafür, dass er sie weiter an das Bild seiner Mutter anpassen möchte. „Für Hamlet ist Ophelia ein deutlicher Ersatz der Mutter […],“ stellt Otto Rank fest.94 Für Hamlet verspricht Ophelia, das Abbild seiner Mutter, die Wunscherfüllung in Form der Überwindung der Inzestschranke. Je mehr sie in seiner Vorstellung zu Gertrud wird, desto größer die Ersatzbefriedigung. In Hamlets Gefühlswelt nimmt Ophelia also den Platz ein, den das ödipale Kind mit der Mutter besetzt. Durch diesen Umstand besteht für ihn eine starke Verbindung zwischen Gertrud und Ophelia.
Nachdem sich Hamlets Idealbild seiner Mutter in das Gegenteil verwandelt hat, passen sich auch seine Gefühle für Ophelia an. Dieser Prozess vollzieht sich, als er sie in ihrem Gemach aufsucht. Ophelia berichtet von einer Zusammenkunft, die einige Parallelen zur späteren „Closet-Scene“ zwischen Hamlet und Gertrud aufweist. „[M]it ganz aufgeknöpftem Wams“ tritt er vor sie, „keinen Hut auf dem Kopf, die Strümpfe verschmutzt, ohne Knieband, […].“ Hamlet ist offensichtlich aufgebracht und halbnackt. So wie die „Closet-Scene“ durch ihre Verortung in Gertruds Schlafgemach sexuell aufgeladen ist, sorgt hier das Fehlen von ordentlicher Kleidung für sexuelle Spannung. Bei Ophelia entladen sich seine hysterischen Impulse lange bevor er seiner Mutter gegenüber körperlich wird. Wie Gertrud packt er Ophelia schmerzhaft am Arm und hält sie fest.95 Während Gertrud allerdings um ihr Leben fürchtet, ist Ophelia nur sehr erschrocken.96 Zu diesem Zeitpunkt vermeidet Ophelia bereits die Gesellschaft Hamlets – auf Geheiß ihres Vaters. Polonius fürchtet um die Jungfräulichkeit seiner Tochter, da diese mit seinem Ruf einhergeht. Hamlet interpretiert die Abweisung Ophelias, indem er sich am Verhalten seiner Mutter orientiert. Den eigentlichen Grund für ihr Handeln, nämlich Tugendhaftigkeit, verdreht der enttäuschte Hamlet in sein Gegenteil, Lasterhaftigkeit. Dies kommt zum Ausdruck, wenn er ihr später einen Liebhaber unterstellt oder ihr die mangelnde Beständigkeit von „Frauenliebe“ vorwirft.97 Die beiden Frauen verschmelzen in Hamlets Vorstellung zu einem einzigen Trugbild. In ihrem Gemach betrachtet Hamlet Ophelia lange und eingehend, dann stößt „er einen so erbarmungswürdigen und tiefen Seufzer aus, dass es seinen ganzen Leib zu sprengen und sein Leben zu beenden“ scheint.98 Hamlet betrachtet Ophelia als sehe er sie zum ersten Mal richtig. Das verursacht ihm offensichtlich unheimliche Schmerzen, die in dem erbarmungswürdigen Seufzer zum Ausdruck gebracht werden. Als Freundin wählt er sie nach dem Vorbild seiner Mutter. Doch sobald das Vorbild nicht mehr existiert, geraten Hamlets Glaubenssätze aus den Fugen. Da er Ophelia von Beginn an als Mutterersatz nutzt, registriert er in ihr das Verbrechen seiner Mutter: den Betrug an ihm. Wo er zuvor „seiner Seele Idol“ nach dem Ideal der Mutter in Ophelia erkennt, projiziert er nun seine ödipale Enttäuschung auf sie.
Ihrer Tugendhaftigkeit zum Trotz macht Hamlet Ophelia Vorwürfe, welche sich allesamt auf Gertrud beziehen lassen. Dieser Umstand wird durch die Wortwahl Hamlets bekräftigt. Sowohl Ophelia als auch seiner Mutter predigt Hamlet Keuschheit. Während er für Ophelia einen Vergleich mit „Eis“ und „Schnee“ findet, wählt er für Gertrud das Paradoxon „brennender Frost.“99 Eine weitere Analogie findet sich in seinem Vorwurf der Kuppelei. Bei Gertrud leiste „der Verstand dem Willen Kupplerdienste.“100 Bei Ophelia sei es die Schönheit, welche ihren Verstand in eine Kupplerin umwandle. Direkt nach dem „Sein oder nicht sein“-Monolog stellt er Ophelias Tugendhaftigkeit in Frage. Er deutet an, sie habe sich verändert, da ihre Schönheit die Tugend nur verderben könne: „[D]enn die Macht der Schönheit wird eher die Tugend aus dem, was sie ist, in eine Kupplerin umbilden, als die Kraft der Tugend die Schönheit in ihresgleichen verwandeln kann.“101 Da der Tatbestand der Kuppelei dem der Prostitution nahesteht, kann man den Vorwurf herauslesen: Ophelias Tugend sei nur vorgespielt, sie selbst eine Hure wie Gertrud. Diese Beschuldigung wiederholt Hamlet deutlicher, als er Ophelia sagt, sie solle in ein Nonnenhaus gehen. Er unterstellt: „[I]hr missbenennt Gottes Schöpfungen und gebt eure Lüsternheit für Unwissenheit aus.“102 Trotz Ophelias außerordentlicher Keuschheit, enerviert sich Hamlet über ihr angeblich liederliches Verhalten: „Auch über eure Anmalerei bin ich unterrichtet, mehr als genug. Gott gab euch ein Gesicht, und ihr macht euch ein andres, ihr wippt, ihr tänzelt, und ihr lispelt, […].“103 Die „Anmalerei“ steht hierbei als Metapher für das Übertünchen des wahren Charakters. Wie eine Hure ihr Gesicht durch Puder in vornehme Blässe hüllt, übermale Ophelia ihre Lüsternheit mit gespielter Naivität. Das habe er endlich erkannt, denn „die Gegenwart erbringt dafür jetzt den Beweis.“104 Es wird deutlich, dass er sein Bild von Ophelia aufgrund der jüngsten Ereignisse revidiert und negativ sexualisiert. Vordergründig ein paradoxes Verfahren, da die jüngste Vergangenheit im Stück gerade ihre Keuschheit hervorhebt. Es ist lediglich Gertrud, die Hamlet in dieser Hinsicht enttäuscht und damit seinen Glauben an die Liebe und Treue Ophelias zerstört.105 Da Letztere für Hamlet das Ersatzobjekt seiner Mutter darstellt, hat das Verhalten Gertruds eine direkte Wirkung auf sein Verhältnis zu Ophelia. Auch die Reflexion „Ich hab Euch einst geliebt“ und die folgende Revision „Ich liebte Euch nicht,“ fällt in dieses Raster.106 Hamlet liebt Ophelia aufgrund ihrer Verkörperung des Idealbildes seiner Mutter. Sobald dieses Ideal nicht mehr existiert, hat auch seine Idee von Ophelia keinen Bestand mehr. Er fühlt sich wiederholt getäuscht und betrogen. Diese Interpretation wird durch Hamlets Rede in der späteren „Closet-Scene“ bekräftigt. Seiner Mutter wirft er vor, eine Tat begangen zu haben, welche „die Rose von der schönen Stirn einer unschuldigen Liebe nimmt und ihr ein Brandmal aufdrückt […] und das innige, geheiligte Versprechen zu einem leeren Wortschwall macht.“107 Diese expliziten Anschuldigungen verweisen unbewusst auf Hamlets Verhalten bezüglich Ophelia. Vor Gertruds Hochzeit mit Claudius teilten die beiden eine „unschuldige Liebe.“ Diese wird für Hamlet sozusagen zu einem schmerzhaften „Brandmal“, da er nicht mehr an die Substanz dieser Liebe glauben kann. Der Schmerz, den er bei dieser Erkenntnis verspürt, äußert sich, als er Ophelia verstört aufsucht. Sie beschreibt seinen Seufzer als markerschütternd und Leben beendend.108 Daraufhin bricht Hamlet seine „geheiligte[n] Versprechen“ Ophelia gegenüber, welche er einmal mit „allen heiligen Schwüren des Himmels bekräftigt[e].“109 Hamlets Liebesbekundungen verwandeln sich somit in „einen leeren Wortschwall.“ Hamlet resümiert, „Ich liebte Euch nicht,“ da diese Liebe scheinbar auf einem Trugbild basiert. Indirekt macht der Prinz seine Mutter an dieser Stelle für das Scheitern seiner Beziehung verantwortlich. Hamlets Rede lässt somit konstatieren, dass das Verhalten Gertruds seine Gefühle für Ophelia beeinflusst.
Die vorangehende Analyse konnte anhand ausgewählter Textstellen belegen, dass Ophelia nur das Ersatzobjekt für Gertrud darstellt. Die Mutter ist für den ödipalen Hamlet das eigentliche Objekt der Begierde. Die unterbewusst sexuellen und bewusst gewalttätigen Gefühle gegenüber seiner Mutter verdrängt Hamlet so lange er kann. Bevor sich seine Wut auf Gertrud in der „Closet-Scene“ entlädt, benutzt der Neurotiker sein
Ersatzobjekt Ophelia, um die hysterischen Impulse zu entladen. Hamlets vordergründig irrationales Verhalten gegenüber Ophelia erhält durch den Gesichtspunkt der Objektübertragung einen Sinn. Der Schock, den Hamlet durch die schnelle Heirat seiner Mutter erlitten hat, kann für das Auftreten seiner Neurosen verantwortlich gemacht werden. Das kontinuierliche Zurückdrängen seiner ödipalen Schübe führt zu dem hysterischen Symptom des Sexualekels. Sobald das Idealbild seiner Mutter zerstört ist, wendet er sich von seiner Freundin ab. Dabei überträgt er seine Gefühle gegenüber Gertrud auf sein Surrogat, Ophelia. Das anfänglich positive Auswahlkriterium für die Objektwahl Hamlets wird zu Unrecht in sein Negativ umgekehrt. Das beweist, dass Hamlet seine Freundin mit seiner Mutter identifiziert. Hamlets erotische Gefühle konzentrieren sich also nach infantil-ödipaler Manier auf seine Mutter. Mit dem Beleg für Hamlets Begehren nach der Mutter konnte auch Sigmund Freuds These vom Ödipus in Hamlet bekräftigt werden. Hamlets neurotische Objektübertragung und die hysterischen Anfälle von Sexualekel bestätigen die These, er sei ein Psychoneurotiker und Hysteriker. Sigmund Freuds Psychoanalytische Deutung konnte anhand der Analyse von Hamlets entarteter Libido bestärkt werden.
4 Freuds Opposition
Shakespeares Hamlet taucht erstmals zu Beginn des 17. Jahrhunderts auf. In den 400 Jahren der öffentlichen Rezeption ist Sigmund Freud nicht der einzige Interpret des Stückes. Lange vor Freuds psychoanalytischer Interpretation versteht man Shakespeares Bühnendrama als philosophisches Meisterwerk. Für August Wilhelm Schlegel, der das Stück zu Beginn des 19. Jahrhunderts ins Deutsche übersetzt, stellt Hamlet das „Musterbeispiel einer philosophischen Tragödie“ dar.110 Schlegel sieht in der Figur des Hamlet einen „mit höchstem Verstand begabte[n], geniale[n] Geistesmensch, [der] nicht mehr Held sein kann, nachdem er das Wesen des menschlichen Seins in seiner ganzen Abgründigkeit erfasst hat.“111 Laut Schlegel sei Hamlet nicht unfähig zu handeln, er habe lediglich die Wertlosigkeit der heldenhaften Tat erkannt. Ganz anders deutet Johann Wolfgang von Goethe Hamlets Handlungshemmung. Für Goethe sei Hamlet seiner Aufgabe schlicht nicht gewachsen. Zu melancholisch, zu schwermütig, edel und insbesondere zu schöngeistig sei der verhinderte Held.112 Im Laufe seiner andauernden Rezeption unterliegt Hamlet den unterschiedlichsten Auslegungen: philosophisch, realistisch, historisch, künstlerisch und eben auch psychologisch. Die Bestrebung der vorliegenden Arbeit liegt darin, die psychoanalytische Interpretation nach Sigmund Freud zu stärken und somit den Ödipuskomplex Hamlets nachzuweisen. Denn „der psychoanalytische Ansatz gilt für viele als überholt […].“113 Kritiker verweisen darauf, dass es nicht möglich sei, eine literarische Figur wie Hamlet auf die Couch des Psychoanalytikers zu legen, da er nicht außerhalb seines fiktiven Diskurses existiere. Außerdem sind Freuds Spekulationen über das Seelenleben Shakespeares problematisch, da man Schöpfer und Werk nicht gleichsetzen kann. Im Folgenden werden also zwei Opponenten Freuds betrachtet. Damit soll eine Perspektiverweiterung erlangt und Freuds These anhand ihrer Kritik geprüft werden. Nachstehend werden die historische Auslegung nach Carl Schmitt und die künstlerische Deutung nach T. S. Eliot beleuchtet.
T. S. Eliot hält nichts davon, das Bühnendrama am Charakter des Protagonisten zu messen. In „Hamlet and His Problems“ proklamiert er, dass man dem Geheimnis der dramatischen Kunst näherkomme, sobald man das Werk als Gesamtposition betrachte. 114 Damit kritisiert er die Konzentration auf den Hauptcharakter. In ihrem Bestreben, den Charakter Hamlets zu entschlüsseln, würden die Rezipienten zu viel Persönliches in ihre Interpretation hineinlegen.115 Diese Art von Kritikern erforsche laut Eliot eher die eigene Psyche, als das Kunstwerk sachgerecht zu bewerten.116 Offen kritisiert er dabei Goethe, indirekt kann diese Kritik auch auf Freud bezogen werden. Denn Freud entdeckt den Ödipus in Hamlet im Rahmen seiner Selbstanalyse.
Eliot geht sogar so weit zu behaupten, man könne ein Kunstwerk gar nicht interpretieren, sondern höchstens kritisieren.117 Es sei nicht möglich, ein Kunstwerk gänzlich zu verstehen, da zu viele Komponenten bei seiner Entstehung involviert seien. Laut Eliot müsse man alle Fakten rund um den Entstehungsprozess von Hamlet kennen – und mehr noch, man müsse dasselbe Wissen über die Interpretationsquellen Shakespeares anhäufen.118 Denn es war nicht Shakespeare, der Hamlet vollkommen neu erschuf: Hamlet sei Schichtenbildung.119 Saxo Grammaticus‘ Amleth, The Spanish Tragedy und ein Märchen von Belleforest – Shakespeare habe sich zu stark an diesen Vorbildern orientiert.120 Für Eliot ist die Reproduktion Shakespeares stümperhaft. Er habe überflüssige und widersprüchliche Szenen seiner Inspirationsquellen einfach übernommen. Dies führe dazu, dass Hamlet voller Absurditäten bestehe, die sich schlicht nicht in Kunst verwandeln lassen.121 Um Hamlet also interpretieren zu wollen, müsse man Dinge verstehen, die selbst Shakespeare nicht verstanden habe.122 Eliot wird noch expliziter in seiner strengen Kritik, indem er Hamlet als das künstlerische Scheitern Shakespeares bezeichnet.123 Das Hauptaugenmerk lenkt der Kritiker hierbei auf das Fehlen eines „objective correlative“ innerhalb des Dramas. Dieses stellt für ihn die einzige Möglichkeit dar, Emotionen anhand von Kunst auszudrücken.124 Das Korrelativ sei die Formel für Kunst, die spezifische Hülle für das unspezifische Innere. Es stelle den äußeren Bezug zur inneren Gefühlswelt dar. Die Erschaffung eines solchen Korrelativs sieht Eliot als Bedingung für künstlerisches Schaffen an. Für Hamlets Gefühle bestehe jedoch kein äußeres Äquivalent. Shakespeare sei an seiner Aufgabe gescheitert, Kunst zu erschaffen. Daher vertritt Eliot die provokante These, Shakespeares bekanntes Drama könne keine Kunst sein.125
Dagegen wirft Carl Schmitt die Frage, ob dies Kunst sei, gar nicht erst auf. Im Gegensatz zu Eliot vertritt er einen klaren Interpretationsansatz, der sich auf den Protagonisten konzentriert. In Hamlet entdeckt er die historische Figur des König Jakob, Sohn der Maria Stuart.126 „Auch wir vermögen diese andere Gestalt heute noch zu erkennen, falls uns nicht die Dogmen einer bestimmten Kunstphilosophie die Augen verbinden.“127 Diese Aussage Schmitts kann als direkte Antwort auf Eliots Ausführungen betrachtet werden. Konträr zu dessen Kunstkritik plädiert Schmitt für die historische Deutung von Shakespeares Hamlet. An Eliots Ausführungen kritisiert er, dass sie die objektiven Umstände der Entstehung eines Werks nicht würdigen.128
„Jedenfalls neigen die Philosophen der Kunst und die Lehrer der Ästhetik dazu, das Kunstwerk als eine in sich geschlossene, […] autonome Schöpfung zu betrachten und nur aus sich selbst heraus zu verstehen. […] Wir stoßen also auf scharfe Unterscheidungen und grundsätzliche Trennungen, auf Barrieren und Schranken entgegengesetzter Betrachtungsweisen, auf ausgebaute Wertsysteme, die nur ihre eigenen Pässe und Bescheinigungen anerkennen, […].“129
Schmitt macht deutlich, dass er diese Art der Hermeneutik als elitäre Einschränkung betrachtet. In „Hamlet oder Hekuba“ ist er daher bemüht, geschichtliche Belege für seine historische Interpretation darzulegen. Kernpunkt der Betrachtung sei hierbei die historische Situation. William Shakespeare wirkt unter König Jakob als königlicher Kammerdiener und führte den Titel „King‘s Man.“130 Shakespeares Protagonist Hamlet und die historische Figur Jakob befinden sich in derselben Ausgangssituation: Söhne von Königinnen, die Väter ermordet. Hierbei geht Schmitt auf die ungeklärte Schuldfrage der Mutter ein. Über Hamlet stellt er fest: „In dem ganzen Stück bleibt dunkel, ob die Mutter an dem Mord mitschuldig war oder nicht.“131 Auch die Schuld der Maria Stuart bleibt umstritten.132 Laut Schmitt verweist die ungeklärte Schuldfrage auf die Brisanz des Themas. Im protestantischen England war „das Publikum des Hamlet-Dramas […] und insbesondere natürlich London, von der Schuld Maria Stuarts überzeugt.“133 Aus Rücksicht auf König Jakob konnte Shakespeare die Schuld der Mutter jedoch nicht offenlegen. Gertruds ungeklärte Mittäterschaft beweist für Schmitt somit das historische Tabu.
Auch in Hamlets Charakter registriert er die historische Figur Jakob. Hamlets Reden zeichnen sich überwiegend durch Intelligenz und Doppeldeutigkeit aus – Eigenschaften, die ebenso Jakob zugeschrieben werden. Dass „[Jakob] schlau und doppelzüngig wurde und seine Freunde täuschen lernte,“ erklärt Schmitt anhand der Zerrissenheit seiner Zeit. In politische Unruhen hineingeboren und dem Konflikt zwischen Katholiken und Protestanten ausgesetzt, sei Jakob ein Produkt seiner instabilen Umwelt. Somit unterstellt Schmitt: „Ein König, der in seinem Schicksal und Charakter das Produkt der Zerrissenheit seines Zeitalters selbst war, stand dem Verfasser der Tragödie in dessen eigener Existenz vor Augen.“134 Damit erklärt sich für ihn auch die rätselhafte Handlungshemmung Hamlets. Seine ständige Verzögerung der Rache beschreibt Schmitt ähnlich wie Goethe als „Schwäche durch Reflexion.“135 Anders als Goethe verortet Schmitt diese innere Zerrissenheit Hamlets jedoch in der historischen Zerrissenheit Jakobs.
Denn obwohl Carl Schmitt in der Kunstkritik Eliots eine elitäre Einschränkung sieht, stimmt er Eliot in der Ablehnung des philosophischen Deutungsansatzes zu. Auch der psychoanalytischen Interpretation steht Schmitt ablehnend gegenüber. Er bezeichnet diese sogar als „Todeskrampf“ des psychologischen Stadiums der Hamlet -Deutung.136 Das Rätsel Hamlets lasse sich laut Schmitt nur anhand der objektiv geschichtlichen Wirklichkeit lösen.137 Hierbei trifft man allerdings auf das Kernproblem der historischen Interpretation. Es ist nicht möglich, eine objektiv geschichtliche Wirklichkeit nach über 400 Jahren zu belegen. Vor allem die historischen Bezüge auf Shakespeare sind problematisch. Das gesteht sich schon Sigmund Freud ein: „An der […] Voraussetzung, daß der Autor der Werke Shakespeares der Mann aus Stratford war, bin ich seither allerdings irre geworden.“138 Die Unklarheit über die Verfasserschaft Shakespeares verwandeln jeglichen Bezug auf dessen historisches Leben in reine Spekulation. Schmitt ignoriert diesen Aspekt zugunsten seiner Auslegung. Er präsentiert seine Vermutungen über den Verfasser des Hamlet -Dramas als objektive geschichtliche Wirklichkeit.139 Die Kritik, die Freud aufgrund seiner Shakespeare-Spekulationen zuteilwurde, gilt ebenso für Schmitts historische Interpretation. Auch für die andauernde Popularität des historischen Fingerzeigs, den er in Hamlet sieht, hat Schmitt keine Erklärung. Er stellt lediglich fest, dass sich Hamlet auch „ohne jeden geschichtlichen, philosophischen oder allegorischen
Nebensinn und ohne jeden Seitenblick als reines Spiel aufführen [lässt].“140 Die meisten Szenen seien eben doch reine Spielszenen. Bevor der Rezipient also einen anderen als den historischen Ansatz verfolgt, sei er besser beraten, das Stück gar nicht zu interpretieren: „Immerhin ergibt selbst das unbedenkliche Spiel eine bessere und innerlich freiere Darstellung als die Weiterführung der Versuche, die beiden Einbrüche mit philosophischen oder psychologischen Introduzierungen auszustopfen.“ Von alternativen Interpretationsansätzen rät Carl Schmitt dringend ab.
„Nirgendwo findet man bei Shakespeare eine Erklärung für die sonderbare Untätigkeit Hamlets,“ räumt Schmitt ein.141 Er selbst füllt diese Leerstelle mit historischen Bezügen aus, T. S. Eliot erkennt in ihr das künstlerische Scheitern Shakespeares und Sigmund Freud eben den Ödipuskomplex. Offensichtlich finden sich Belege für jede dieser Versionen – keine kann kategorisch ausgeschlossen werden. Gleichzeitig finden sich innerhalb jeder Deutung Lücken, die von ihren Opponenten als Kritikpunkte aufgeführt werden. Die Kritiker der freudschen Hamlet -Deutung finden ihre Berechtigung ebenso wie ihre Befürworter. Anstatt das Monopol auf die „richtige“ Interpretation zu beanspruchen, muss anerkannt werden, dass Hamlet seinen Rezipienten diesen Interpretationsspielraum lässt. Im Gegensatz zu anderen Hamlet -Forschern konnte Sigmund Freud diese Tatsache eingestehen: „[J]ede echte dichterische Schöpfung [wird] aus mehr als aus einem Motiv und einer Anregung in der Seele des Dichters hervorgegangen sein und mehr als eine Deutung zulassen.“142
5 Schluss
Wie bereits im vorangehenden Kapitel ausgeführt wurde, ist Sigmund Freuds psychoanalytische Hamlet -Interpretation umstritten. Zu viel Selbstanalyse stecke in Freuds Deutung, zu wenig „objektive geschichtliche Wirklichkeit.“ Besonders problematisch: Freud verwandle die literarische Figur in einen Patienten aus Fleisch und Blut. Außerdem spekuliert der Psychoanalytiker über das Seelenleben des Schöpfers Shakespeare anhand der Verfassung der Figur Hamlet. Gerade Freuds Beweisführung für seine These ist umstritten und viel kritisiert. Die Argumente der Opponenten Freuds sind berechtigt. Ihre Strategie, den eigenen Interpretationsansatz monopolisieren zu wollen, jedoch nicht. Wie oben veranschaulicht, weisen auch alternative Auslegungen ihre Lücken auf. Außerdem lässt sich der Kern von Freuds Ausführungen nicht widerlegen, im Gegenteil. Die vorliegende Analyse beweist, dass sich der Ödipuskomplex innerhalb des Textes aufspüren lässt. Durch die ausschließliche Textanalyse kommt die Beweisführung auch ohne Spekulationen über die Person „Shakespeare“ aus. Hamlets Psyche wird nur anhand seiner Rede gemessen. Die Konzentration auf den Text verhindert damit auch die Vermenschlichung des literarischen Charakters. Die psychoanalytische Interpretation des Dramas kann somit durchgeführt werden, ohne den Protagonisten auf die psychoanalytische Couch zu verfrachten und ihn als Patient zu betrachten.
Abweichend zu Freud konzentriert sich die hier gewählte Beweisführung auf Hamlets Sexualität – die Sexualität des Neurotikers. Seine neurotische Libido kann direkt aus dem Text entnommen werden. Seine Obsession für die Sexualität der Mutter, die Objektübertragung auf Ophelia und der hysterische Affekt des Sexualekels definieren Hamlets entartete Libido. Aus dem Text geht hervor, dass Hamlets Dialoge mit Gertrud und Ophelia gravierende Parallelen aufweisen. Die Verschmelzung der usuell sexuell konnotierten Partnerin mit der Mutter beweist Hamlets inzestuöses Verlangen. Dieses kommt auch durch seine obsessive Auseinandersetzung mit dem Sexualleben Gertruds zum Vorschein. Der ödipale Sohn sehnt sich nach dem Geschlechtsverkehr mit der Mutter, der Kulturmensch ekelt sich jedoch vor diesem Tabu. Über dem Konflikt zwischen Libido und Inzestschranke wird Hamlet hysterisch. In der Analyse wird diese Hysterie anhand seines Sexualekels belegt. Durch die Konzentration auf Hamlets Sexualität konnte Freuds These vom ödipalen Neurotiker belegt werden. Ohne alternative Deutungsansätze von Shakespeares Hamlet auszuschließen, konnte die Position der psychoanalytischen Interpretation innerhalb der Hamlet -Forschung gestärkt werden.
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[...]
1 Vgl. Shakespeare, William: Hamlet, (Hg.) Holger Klein, Stuttgart: Reclam 2014.
2 Freud, Sigmund: „Die Traumdeutung“ in Die Traumdeutung und andere Schriften, Frankfurt: Dörfler Verlag 2013, S. 220.
3 Ebd.
4 Vgl. Freud, Sigmund: „Der Untergang des Ödipuskomplexes“ in Kleine Schriften II, Projekt Gutenberg. Web.
5 Ebd.
6 Vgl. Starobinski, Jean: Psychoanalyse und Literatur, Frankfurt: Suhrkamp Verlag 1973, S. 135.
7 Vgl. Freud, Sigmund:„Die Traumdeutung“ in Die Traumdeutung und andere Schriften, Frankfurt: Dörfler Verlag 2013, S. 220.
8 Vgl. Eliot, T. S.: „Hamlet and His Problems,” in The Sacred Wood – Essays on Poetry and Criticism, London: Faber and Faber Limited 1997, S. 81.
9 Daran, „daß der Autor der Werke Shakespeares der Mann aus Stratford war, bin ich seither allerdings irre geworden.“ (Freud, Sigmund: „Die Traumdeutung“ in Die Traumdeutung und andere Schriften, Frankfurt: Dörfler Verlag 2013, S. 221.)
10 Vgl. Williams, Andrew: Lektüreschlüssel: William Shakespeare – Hamlet, Stuttgart: Reclam Verlag 2009, S. 78.
11 Vgl. Flint, Kate: „Madness and melancholy in Hamlet,” in (Hg.) Linda Cookson, Brian Loughrey, Critical Essays; Hamlet – William Shakespeare, Essex: Longman 1988, S. 64.
12 Vgl. Selden, Raman: „Hamlet’s word-play and the Oedipus complex,” in (Hg.) Linda Cookson, Brian Loughrey, Critical Essays; Hamlet – William Shakespeare, Essex: Longman 1988, S. 89.
13 Freud, Sigmund: Aus den Anfängen der Psychoanalyse, London: IMAGO Publishing LTD, 1950, S. 238.
14 Vgl. Freud, Sigmund: „Die Traumdeutung“ in Die Traumdeutung und andere Schriften, Frankfurt: Dörfler Verlag 2013, S. 213.
15 Ebd.
16 „Ich meine die Sage vom König Ödipus und das gleichnamige Drama des Sophokles. Ödipus, der Sohn des Laïos, König von Theben, und der Jokaste, wird als Säugling ausgesetzt, weil ein Orakel dem Vater verkündet hatte, der noch ungeborene Sohn werde sein Mörder sein. Er wird gerettet und wächst als Königssohn an einem fremden Hofe auf, bis er, seiner Herkunft unsicher, selbst das Orakel befragt und von ihm den Rat erhält, die Heimat zu meiden, weil er der Mörder seines Vaters und der Ehegemahl seiner Mutter werden müßte. Auf dem Wege von seiner vermeintlichen Heimat weg trifft er mit König Laïos zusammen und erschlägt ihn in rasch entbranntem Streit. Dann kommt er vor Theben, wo er die Rätsel der den Weg versperrenden Sphinx löst und zum Dank dafür von den Thebanern zum König gewählt und mit Jokastes Hand beschenkt wird. Er regiert lange Zeit in Frieden und Würde und zeugt mit der ihm unbekannten Mutter zwei Söhne und zwei Töchter, bis eine Pest ausbricht, welche eine neuerliche Befragung des Orakels von seiten der Thebaner veranlaßt. Hier setzt die Tragödie des Sophokles ein. Die Boten bringen den Bescheid, daß die Pest aufhören werde, wenn der Mörder des Laïos aus dem Lande getrieben sei. Aber wo weilt der? […] Die Handlung des Stückes besteht nun in nichts anderem als in der schrittweise gesteigerten und kunstvoll verzögerten Enthüllung – der Arbeit einer Psychoanalyse vergleichbar – daß Ödipus selbst der Mörder des Laïos, aber auch der Sohn des Ermordeten und der Jokaste ist. Durch seine unwissentlich verübten Greuel erschüttert, blendet sich Ödipus und verläßt die Heimat. Der Orakelspruch ist erfüllt.“ (Freud, Sigmund: „Die Traumdeutung“ in Die Traumdeutung und andere Schriften, Frankfurt: Dörfler Verlag 2013, S. 217.)
17 Vgl. Freud, Sigmund: „Der Untergang des Ödipuskomplexes“ in Kleine Schriften II, Projekt Gutenberg. Web.
18 Freud, Sigmund: Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie, Projekt Gutenberg. Web.
19 Jones, Ernest: Das Problem des Hamlet und der Ödipuskomplex, Leipzig: Franz Deuticke 1911, S. 38.
20 Freud, Sigmund: Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie, Projekt Gutenberg. Web.
21 Vgl. Ebd.
22 Freud, Sigmund: „Der Untergang des Ödipuskomplexes“ in Kleine Schriften II, Projekt Gutenberg. Web.
23 Vgl. Freud, Sigmund: Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie, Projekt Gutenberg. Web.
24 Rank, Otto: Das Inzest-Motiv in Dichtung und Sage. Grundzüge einer Psychologie des dichterischen Schaffens, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1974, S. 61.
25 Geisenhanslüke, Achim: Das Schibboleth der Psychoanalyse. Freuds Passagen der Schrift, Bielefeld: transcript Verlag 2008, S. 58.
26 Ebd.
27 Sigmund Freud geht davon aus, dass Denker und Literaten lange vor ihm ein ganz besonderes Verständnis der menschlichen Natur und ihrer komplexen Psyche aufwiesen. Er, Sigmund Freud, erörtere lediglich die wissenschaftlichen Parameter um scheinbar irrationale Regungen in der menschlichen Natur beziehungsweise Literatur, aufschlüsseln zu können. (Vgl. Brown, Carolyn: Shakespeare and Psychoanalytic Theory, London: Bloomsbury 2015, S. 16.)
28 Freud, Sigmund: Aus den Anfängen der Psychoanalyse, London: IMAGO Publishing LTD, 1950, S. 238.
29 Vgl. Freud, Sigmund: „Die Traumdeutung“ in Die Traumdeutung und andere Schriften, Frankfurt: Dörfler Verlag 2013, S. 218; Vgl. Starobinski, Jean: Psychoanalyse und Literatur, Frankfurt: Suhrkamp Verlag 1973, S. 112.
30 Freud, Sigmund: Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie, Projekt Gutenberg, Web.
31 Vgl. Freud, Sigmund: „Der Untergang des Ödipuskomplexes“ in Kleine Schriften II, Projekt Gutenberg. Web.
32 Starobinski, Jean: Psychoanalyse und Literatur, Frankfurt: Suhrkamp Verlag 1973, S. 135.
33 Vgl. Freud, Sigmund: „Der Untergang des Ödipuskomplexes“ in Kleine Schriften II, Projekt Gutenberg. Web.
34 Vgl. Freud, Sigmund: „Psychopathische Personen auf der Bühne“ in Kleine Schriften I, Projekt Gutenberg. Web.
35 Jones, Ernest: Das Problem des Hamlet und der Ödipuskomplex, Leipzig: Franz Deuticke 1911, S. 34,42.
36 Freud, Sigmund: „Die Traumdeutung“ in Die Traumdeutung und andere Schriften, Frankfurt: Dörfler Verlag 2013, S. 219.
37 Vgl. Freud, Sigmund: „Die „kulturelle“ Sexualmoral und die moderne Nervosität“ in Gesammelte Werke Bd. VII, Frankfurt: Fischer 1999, S. 141-167.
38 Vgl. Stangl, Werner: Online-Enzyklopädie für Psychologie und Pädagogik, Word Press 2016, Web.
39 Vgl. Freud, Sigmund: „Die Traumdeutung“ in Die Traumdeutung und andere Schriften, Frankfurt: Dörfler Verlag 2013, S. 219.
40 Breuer, Josef; Sigmund Freud: Studien über Hysterie, Frankfurt: Fischer Taschenbuch 2011, S. 8.
41 Freud, Sigmund: Die Traumdeutung und andere Schriften, Frankfurt: Dörfler Verlag 2013, S. 220.
42 Starobinski, Jean: Psychoanalyse und Literatur, Frankfurt: Suhrkamp Verlag 1973, S. 132.
43 Starobinski, Jean: Psychoanalyse und Literatur, Frankfurt: Suhrkamp Verlag 1973, S. 122, 127.
44 Ebd. S. 121.
45 Geisenhanslüke, Achim: Das Schibboleth der Psychoanalyse. Freuds Passagen der Schrift, Bielefeld: transcript Verlag 2008, S. 73.
46 Vgl. Starobinski, Jean: Psychoanalyse und Literatur, Frankfurt: Suhrkamp Verlag 1973, S. 119.
47 Freud, Sigmund in Jean Starobinski: Psychoanalyse und Literatur, Frankfurt: Suhrkamp Verlag 1973, S. 119f.
48 Breuer, Josef; Sigmund Freud: Studien über Hysterie, Frankfurt: Fischer Taschenbuch 2011, S. 12.
49 Vgl. Online-Enzyklopädie für Psychologie und Pädagogik, Word Press 2016. Web.
50 Vgl. Breuer, Josef; Sigmund Freud: Studien über Hysterie, Frankfurt: Fischer Taschenbuch 2011, S. 12.
51 Ebd. S. 23.
52 Vgl. Freud, Sigmund: Aus den Anfängen der Psychoanalyse, London: IMAGO Publishing LTD, 1950, S. 239.
53 Vgl. Freud, Sigmund: Totem und Tabu, Projekt Gutenberg, Web.
54 Vgl. Ebd.
55 Shakespeare, William: Hamlet, (Hg.) Holger Klein, Stuttgart: Reclam 2014, S. 117.
56 “What bothers Hamlet the most is not the murder of his father but the lust of his mother.“ (Brown, Carolyn: Shakespeare and Psychoanalytic Theory, London: Bloomsbury 2015, S. 18.)
57 Shakespeare, William: Hamlet, (Hg.) Holger Klein, Stuttgart: Reclam 2014, S. 115.
58 Vgl. Ebd. S. 289.
59 Vgl. Ebd. S. 297f.
60 Ebd. S. 393.
61 Vgl. Reinhard Lupton, Julia; Kenneth Reinhard: After Oedipus – Shakespeare in Psychoanalysis, Ithaka und London: The Davies Group Publishers 1993, S. 112.
62 Shakespeare, William: Hamlet, (Hg.) Holger Klein, Stuttgart: Reclam 2014, S. 291.
63 Ebd. S. 297ff.
64 Vgl. Cunningham, John: „Is Hamlet a Problem Play?“ in (Hg.) Linda Cookson, Bryan Loughrey: Hamlet – William Shakespeare, Essex: Longman 1988, S. 21.
65 Jones, Ernest: Das Problem des Hamlet und der Ödipuskomplex, Leipzig: Franz Deuticke 1911, S. 42.
66 Vgl. Rank, Otto: Das Inzest-Motiv in Dichtung und Sage. Grundzüge einer Psychologie des dichterischen Schaffens, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1974, S. 58.
67 Shakespeare, William: Hamlet, (Hg.) Holger Klein, Stuttgart: Reclam 2014, S. 269.
68 Ebd. S. 273.
69 Rank, Otto: Psychoanalytische Beiträge zur Mythenforschung – Gesammelte Studien aus den Jahren 1912 bis 1914; Leipzig und Wien: Internationaler Psychoanalytischer Verlag 1919, S. 77.
70 Shakespeare, William: Hamlet, (Hg.) Holger Klein, Stuttgart: Reclam 2014, S. 285.
71 Gohlke, Madelon: “I wooed thee with my sword”, in (Hg.) Coppélia Kahn, Murray M. Schwartz, Representing Shakespeare – New Political Essays, Baltimore und London: The John Hopkins University Press 1980, S. 173.
72 Vgl. Shakespeare, William: Hamlet, (Hg.) Holger Klein, Stuttgart: Reclam 2014, S. 393.
73 Vgl. Rank, Otto: Das Inzest-Motiv in Dichtung und Sage. Grundzüge einer Psychologie des dichterischen Schaffens, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1974, S. 71.
74 Shakespeare, William: Hamlet, (Hg.) Holger Klein, Stuttgart: Reclam 2014, S. 289.
75 Shakespeare, William: Hamlet, (Hg.) Holger Klein, Stuttgart: Reclam 2014, S. 287.
76 Vgl. Ebd. S. 297.
77 Ebd.
78 Vgl . Schwab, Gustav : Die schönsten Sagen des klassischen Altertums: Niobe, in (Hg.) Wolfgang Morscher. Web.
79 Shakespeare, William: Hamlet, (Hg.) Holger Klein, Stuttgart: Reclam 2014, S. 113.
80 Ebd.
81 Ebd. S. 253.
82 Shakespeare, William: Hamlet, (Hg.) Holger Klein, Stuttgart: Reclam 2014, S. 213.
83 Ebd. S. 113.
84 Vgl. Jones, Ernest: Das Problem des Hamlet und der Ödipuskomplex, Leipzig: Franz Deuticke 1911, S. 44.
85 Vgl. Shakespeare, William: Hamlet, (Hg.) Holger Klein, Stuttgart: Reclam 2014, S. 127.
86 Vgl. Ebd. S. 133.
87 Ebd. S. 235.
88 Rank, Otto: Psychonanalytische Beiträge zur Mythenforschung – Gesammelte Studien aus den Jahren 1912 bis 1914; Leipzig und Wien: Internationaler Psychoanalytischer Verlag 1919, S. 81.
89 Shakespeare, William: Hamlet, (Hg.) Holger Klein, Stuttgart: Reclam 2014, S. 133.
90 Ebd. S. 181.
91 Ebd.
92 Freud, Sigmund: Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie, Projekt Gutenberg, Web.
93 Vgl. Ebd.
94 Rank, Otto: Psychonanalytische Beiträge zur Mythenforschung – Gesammelte Studien aus den Jahren 1912 bis 1914; Leipzig und Wien: Internationaler Psychoanalytischer Verlag 1919, S. 81.
95 Vgl. Shakespeare, William: Hamlet, (Hg.) Holger Klein, Stuttgart: Reclam 2014, S. 167.
96 Ebd.
97 Vgl. Ebd. S. 253, 261.
98 Ebd. S. 169.
99 Vgl. Shakespeare, William: Hamlet, (Hg.) Holger Klein, Stuttgart: Reclam 2014, S. 233, 291.
100 Vgl. Ebd. S. 291.
101 Ebd. S. 231.
102 Ebd. S. 235
103 Ebd. S. 235
104 Ebd. S. 231
105 Vgl. Kitto, H. D. F.: Form and Meaning in Drama – A Study of Six Greek Plays and of Hamlet, London: Methuen Co. 1956, S. 285.
106 Shakespeare, William: Hamlet, (Hg.) Holger Klein, Stuttgart: Reclam 2014, S. 231, 233.
107 Ebd. S. 287.
108 Vgl. Ebd. S. 169.
109 Ebd. S. 133.
110 Lüthi, Hans Jürg: Das deutsche Hamletbild seit Goethe, Bern: Paul Haupt Verlag 1951, S. 27.
111 Ebd. S. 28.
112 Vgl. Lüthi, Hans Jürg: Das deutsche Hamletbild seit Goethe, Bern: Paul Haupt Verlag 1951, S. 42.
113 Williams, Andrew: Lektüreschlüssel: William Shakespeare – Hamlet, Stuttgart: Reclam Verlag 2009, S. 78.
114 Vgl. Eliot, T. S.: „Hamlet and His Problems,” in The Sacred Wood – Essays on Poetry and Criticism, London: Faber and Faber Limited 1997, S. 82.
115 Vgl. Ebd. S. 81.
116 “[…] neither of these men in writing about Hamlet remembered that his first business was to study a work of art.” (Eliot, T. S.: „Hamlet and His Problems,” S. 81)
117 Vgl. Eliot, T. S.: „Hamlet and His Problems,” in The Sacred Wood – Essays on Poetry and Criticism, London: Faber and Faber Limited 1997, S. 82.
118 “We should have to understand thigs which Shakespeare did not understand himself.“ (Eliot, T. S.: „Hamlet and His Problems,” S. 87)
119 “Hamlet is a stratification.” (Eliot, T. S.: „Hamlet and His Problems,” S. 82.)
120 Vgl. T. S. Eliot, „Hamlet and His Problems,” in The Sacred Wood – Essays on Poetry and Criticism, London: Faber and Faber Limited 1997, S. 84.
121 Vgl. Ebd. S. 85.
122 Vgl. Ebd. S. 87.
123 “So far from being Shakespeare’s masterpiece, the play is most certainly an artistic failure.” (Eliot, T. S.: „Hamlet and His Problems,” S. 84.)
124 Vgl. Eliot, T. S.: „Hamlet and His Problems,” in The Sacred Wood – Essays on Poetry and Criticism,London: Faber and Faber Limited 1997, S. 85f.
125 “And probably more people have thought Hamlet a work of art because they found it interesting, than have found it interesting because it is a work of art.” (Eliot, T. S.: „Hamlet and His Problems,” S. 84f.)
126 Maria Stuart, Königin von Schottland, erhebt Ansprüche auf den Thron Englands, da Königin Elisabeth I. aufgrund der ungültigen Ehe ihres Vaters als illegitime Thronfolgerin gilt. Schlussendlich wird ihr Sohn, Jakob I. als legitimer Urenkel von Heinrich VII. zum König von England und Schottland gekrönt.(Vgl. Carl Schmitt, Hamlet oder Hekuba – Der Einbruch der Zeit in das Spiel, Stuttgart: Klett-Cotta 1985, S. 7).
127 Schmitt, Carl: Hamlet oder Hekuba – Der Einbruch der Zeit in das Spiel, Stuttgart: Klett-Cotta 1985, S.24.
128 Vgl. Ebd. S. 23.
129 Ebd. S. 34.
130 Vgl. Ebd. S. 20.
131 Ebd. S. 14.
132 Ebd. S. 19.
133 Ebd. S. 21.1985, S. 31f.
134 Vgl. Schmitt, Carl: Hamlet oder Hekuba – Der Einbruch der Zeit in das Spiel, Stuttgart: Klett-Cotta
135 Ebd. S. 25.
136 Ebd. S. 52.
137 Vgl. Ebd. S. 52.
138 Freud, Sigmund: „Die Traumdeutung“ in Die Traumdeutung und andere Schriften, Frankfurt: Dörfler Verlag 2013, S. 221.
139 Vgl. Schmitt, Carl: Hamlet oder Hekuba – Der Einbruch der Zeit in das Spiel, Stuttgart: Klett-Cotta 1985, S. 22.
140 Schmitt, Carl: Hamlet oder Hekuba – Der Einbruch der Zeit in das Spiel, Stuttgart: Klett-Cotta 1985, S. 39f.
141 Ebd. S. 22.
142 Freud, Sigmund: „Die Traumdeutung“ in Die Traumdeutung und andere Schriften, Frankfurt: Dörfler Verlag 2013, S. 221.
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- Lucca Czesla (Author), 2016, Über William Shakespeares "Hamlet". Die Sexualität des Neurotikers, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/508666
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