Die Komödie „Non ti pago!“ geschrieben von Eduardo de Filipo im Jahre 1940 hat das Phänomen der Lottomanie in Neapel zum Gegenstand. Die Komödie in drei Akten gehört zur Sammlung der „Cantata dei giorni pari“. Um Eduardos Komödien vollständig greifen zu können, ist es wichtig, sein Theater in zwei prägnante Phasen zu unterteilen: Das Theater vor dem Krieg, „ Cantata dei giorni pari“ als glückliche, unbeschwerte Tage mit Komödien, die in erster Linie dem Unterhaltungszweck dienen sollen. Nach dem Krieg konnte das eduardische Theater nicht mehr dasselbe sein. „Cantata dei giorni dispari“ beinhalten Eduardos Komödien nach einem alles verändernden Krieg, der Italien als Land und Gesellschaft in Trümmern zurückgelassen hat. Eduardo nutzt das Theater mit der Familie als Nukleus, um der Gesellschaft den Spiegel vorzuhalten, zu reflektieren und einen fortschreitenden Individualismus anzuprangern. Es wird deutlich, dass Non ti pago!, geschrieben während der Kriegsphase, bereits Elemente dieser Reflexion und Analyse einer sich zusehends verändernden Gesellschaft enthält.
Inhalt
1. Im Traum zum Millionär – die Zelebration des Lottospieles in Non ti pago!
2. Das Lottospiel als sublime Interpretation der Kriegsereignisse in Non ti pago!
Bibliografie
Internetquellen
1. Im Traum zum Millionär – die Zelebration des Lottospieles in Non ti pago!
Die Komödie „ Non ti pago! “ geschrieben von Eduardo de Filipo im Jahre 1940 hat das Phänomen der Lottomanie in Neapel zum Gegenstand. Die Komödie in drei Akten gehört zur Sammlung der „ Cantata dei giorni pari“. Um Eduardos Komödien vollständig greifen zu können, ist es wichtig, sein Theater in zwei prägnante Phasen zu unterteilen: Das Theater vor dem Krieg, „ Cantata de i giorni pari “ als glückliche, unbeschwerte Tage mit Komödien, die in erster Linie dem Unterhaltungszweck dienen sollen. Nach dem Krieg konnte das eduardische Theater nicht mehr dasselbe sein. „Cantata dei giorni dispari“ beinhalten Eduardos Komödien nach einem alles verändernden Krieg, der Italien als Land und Gesellschaft in Trümmern zurückgelassen hat. Eduardo nutzt das Theater mit der Familie als Nukleus, um der Gesellschaft den Spiegel vorzuhalten, zu reflektieren und einen fortschreitenden Individualismus anzuprangern. Es wird deutlich, dass Non ti pago!, geschrieben während der Kriegsphase, bereits Elemente dieser Reflexion und Analyse einer sich zusehends verändernden Gesellschaft enthält.1
Non ti pago! erzählt anhand der Figur des Ferdinando Quagliolo das Phänomen Lotto, dem in Neapel mit größter Leidenschaft nachgegangen wird; in der Hoffnung, dass sich das Rad der fortuna früher oder später zu den eigenen Gunsten drehen wird. Ferdinando Quagliolo, Besitzer einer Lottospielstätte und selbst leidenschaftlicher, jedoch nicht vom Glück verfolgter Spieler, wartet seit Jahren vergeblich auf einen Gewinn. Als Betreiber des Banco Lotto, zahlt er wöchentlich genügsam Gewinne aus, ohne selbst jemals die richtigen Gewinnzahlen zu spielen. Obwohl er als Besitzer der Lottostelle geradezu prädestiniert für einen Gewinn wäre und einen Großteil seiner Einnahmen wieder in das Lotto investiert, bleibt das lang ersehnte Erfolgserlebnis aus. Anders ergeht es seinem jungen Angestellten Mario Bertolini, der Woche für Woche gewinnt. Mario Bertolini markiert in seinen Mittzwanzigern markiert die nachfolgende Generation. Die Leichtigkeit und Unbeschwertheit mit der wieder und wieder die richtigen Nummern tippt, schürt bei dem etwa doppelt so alten Ferdinando zunehmend Neid und Missgunst: „ Non lo posso vedere. È troppo fortunato! “Non ti pago! behandelt anhand des Lottospieles die Generationsfrage als eine Frage von Respekt und Gerechtigkeit. Müsste die fortuna nicht einen seit Jahren stets fleißig arbeitenden Betreiber eines Lottogeschäftes eher belohnen als einen jungen, unerfahrenen Angestellten, der zudem mit Ferdinandos Tochter Stella liiert ist?2 Der Anreiz des Lottospieles, die Aussicht auf eine hohe Gewinnsumme bei niedrigem Einsatz als eine Chance, an der ein jeder teilhaben kann, verführt zu irrationalem Denken und Handeln in der Illusion, die fortuna individuell beeinflussen zu können.3
Die despotischen Charakterzüge Ferdinandos erreichen ihren Höhepunkt als Bertolini vier richtige im Wert von vier Millionen Lire spielt. Als sei die Gewinnsumme allein nicht genug des Übels verkündet Bertolini Ferdinando, dass Fernandos verstorbener Vater, Betreiber des Lottogeschäftes, diesem im Traum erschienen sei und ihm die gewinnbringenden Zahlen verraten hätte. Ferdinando, platzend vor Neid und Wut, übt Selbstjustiz, stiehlt das Gewinnerlos und versteckt es vor Bertolini. Seiner Meinung nach liegt eine Verwechslung des Empfängers vor: Tatsächlich lebt Bertolini in der früheren Wohnung der Familie Quagliolo direkt über dem Lottoladen. Ferdinando ist mit Frau und Tochter umgezogen und hat die Wohnung seinem Angestellten vermietet. Für Ferdinando liegt es deshalb auf der Hand, dass sein Vater, im Unklaren über den Umzug seines Sohnes, gedacht habe, Ferdinando in der Wohnung anzutreffen und die Gewinnzahlen deshalb für ihn bestimmt seien. Ferdinando zufolge bestehe kein Zweifel am Irrtum des Vaters, da er Bertolini im Traum mit „Piccirì“ angesprochen habe, dem Spitznamen Ferdinandos, den ihm sein Vater gegeben hat. Ferdinando verweigert Bertolini den Gewinn und beansprucht das Los für sich. Nahezu manisch setzt er alles daran, als rechtmäßiger Besitzer des Traumes anerkannt zu werden, streitet sowohl mit Bertolini als auch mit seiner Frau und Tochter. Es scheint kein Zufall zu sein, dass die italienische Expression „ dare i numeri “ verrückt werden; durchdrehen bedeutet. Ferdinando ist jegliche Ratio abhanden gekommen, das vermeintliche Spiel ist für ihn bitterer Ernst geworden. Der familiäre Konflikt rund um das Lotto verdeutlicht, dass die Familie in Italien nicht mehr „heilig“ und unantastbar ist, die kriegsbedingte Umwälzung des Lebens, das man kannte, hat am Wertesystem der Gesellschaft gerüttelt und die Familie als geschlossene Einheit erheblich geschwächt. In Non ti pago! bekommt der Zuschauer den Eindruck, dass das Lottospiel die neue Religion sei, die mit großer Passion verfolgt wird und in die man umgeben von Verwüstung, Bombardierung, Hunger und Tod seine Hoffnung setzt. Ferdinando sucht in seinem Wahn sowohl den Beistand des Geistlichen Don Raffaele als auch den Rat eines Anwalts auf, um seinen Anspruch auf den Traum, die Zahlen seines Vaters und den somit ihm zustehenden Gewinn geltend zu machen. Als beide Autoritäten ihm die Irrationalität seiner Argumentation konstatieren und unter dem immer stärker werdenden Druck seiner Familie, händigt Ferdinando Bertolini schließlich das Gewinnerlos aus. Zuvor wendet er sich jedoch an seinen Vater und spricht einen Fluch aus. Sollten die Traumerscheinung seines Vaters und die Lottozahlen für Ferdinando bestimmt gewesen sein, solle Mario Bertolini sich niemals seines Gewinnes erfreuen können. Jedes Mal, wenn er versuche, den Lottoschein einzulösen, sollen ihm Unglück, Unheil, Schmerzen, Krankheiten, Armut und andere Schicksalsschläge widerfahren bis hin zur siebten Generation.
Pap à ecco il biglietto...Io glielo do. Però se i soldi non gli spettano, se il sogno era mio, tu sei nel mondo della verità ...Non si deve vedere bene... gli devi fare avere 4 milioni di guai. Ogni lira una disgrazia, comprese malattie insignificanti, malattie mortali, rotture e perdite di arti inferiori e superiori , peste, colera, freddo e miseria, povertà e fame nella casa di Bertolini sino alla settima generazione . 4
Um den Zusammenhang des Lottospieles mit abergläubischen Ritualen, Traumdeutungen, persönlichen Glückskombinationen und der Bedeutung der Verstorbenen zu verstehen, ist es wichtig, sich vor Augen zu halten, dass Italien als hochkatholisches Land mit Sitz der katholischen Kirche und des Papstes, weitaus empfänglicher für den Glauben an übernatürliche Kräfte in bestimmten Menschen – tot oder lebendig - und Dingen ist. Die Popularität und Zelebration des Lottospieles in Italien und vor allem in Neapel hängt mit der neapolitanischen Traumdeutung, der Smorfia zusammen.
Die Smorfia, ein weit verbreiteter, populärer Volksglaube unter den Neapolitanern, ist ein System der Traumdeutung. Sie beruht auf der Konvertibilität eines jeglichen Traumes in Zahlen und hat in Neapel den Status einer „heiligen Schrift“.5 Zurückzuführen ist die Smorfia auf Morfeo, die Göttin des Schlafes und der Träume. Das Verb „ smorfiare “ wird benutzt, um die Übersetzung eines Ereignisses oder einer Handlung in Zahlen anzuzeigen. Es gibt keinen Traum, kein Wort und keine materielle Realität, die keine mysteriöse, mystische Bedeutung in sich trage.6 So steht beispielsweise die eins für Italien, die vier für das Schwein und die acht für die Madonna.7 Dem Volksglauben nach kann der sogenannte l’assistito, oftmals ein Mönch, als spirituelles Medium zwischen Diesseits und Jenseits mit den Toten kommunizieren, die ihm die gewinnbringenden Zahlen voraussagen. 8 Die Verstorbenen konnten im Traum auch direkt zu Ihren Angehörigen sprechen.9 Es handelt sich bei der Traumdeutung somit um Dekodierung und Enträtselung. Die Smorfia geht auf die jüdische Tradition der Kabbalah, „die Lehre des Geheimen“ zurück. Sie entstammt demnach der Hochkultur und wurde von den Neapolitanern adaptiert und popularisiert. Die neapolitanische Smorfia basiert ähnlich wie Legenden oder Fabeln auf dem Prinzip der Mündlichkeit. Jeder Analphabet in Neapel kennt die Smorfia. Die Zahlensprache der Smorfia ist allgemeingültig und derartig verbreitet, dass Zahlen als Redewendungen und Ausdrucksweisen in den Alltagsgebrauch übertragen wurden und sich dort etablierten. Die Smorfia hat eine starke Verwurzelung in der neapolitanischen Kultur und Tradition.10
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1 DONATELLA FISCHER, Il teatro di Eduardo De Filippo: la crisi della famiglia patriarcale, Italian perspectives 17, Maney Publishinh, London, 1 dicembre 2007, p. XII.
2 No n t i pago!., c. 69 min. Ripley’s Home Video, 2005 [19:30-20:11].
3 MARK LUTTER, Märkte für Träume: Die Soziologie des Lottospiels, Campus Verlag, Frankfurt a.M./New York, 2010, S.41.
4 No n t i pago!. [50:05-50:40].
5 http://www.huffingtonpost.it/2016/01/25/otto-cose-che-non-sai-sul-gioco-del-lotto_n_9038686.html (28.02.2016).
6 PAOLA DE SANCTIS RICCIARDONE, Il tipografo celeste: Il gioco del lotto tra letteratura e demologia nell’Italia dell’ottocento e oltre, Edizione dedalo, Bari 1987, SS.121-122.
7 e bd ., S.107.
8 e bd ., S. 59.
9 e bd ., S. 125.
10 e bd ., SS.58-60.
- Quote paper
- Marielle Kreienborg (Author), 2016, Lotto für Träumer. Die Zelebration des Lottospieles und seine kriegsbedingte dramaturgische Modifikation in Eduardo de Filippos Theaterstück "Non ti pago!", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/508550
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