In dieser Hausarbeit wird betrachtet, inwiefern die Dichotomie zwischen Natur und Gesellschaft die Entwicklung der wissenschaftlichen Geographie vom Gründungsprozess bis heute beeinflusste und inwieweit der aktuelle Forschungsstand Einklang in die wissenschaftliche Ausrichtung des Faches fand. Hierzu soll in einem vorangestellten Exkurs zunächst der Frage nachgegangen werden, warum in der Wissenschaft überhaupt häufig in Dualismen gedacht wird. Im Folgenden werden in einem geschichtlichen Abriss die dichotomen, wissenschaftlichen Ansätze des Natur-Kultur-Verhältnisses und ihre Einflüsse auf die fachgeschichtliche Entwicklung der Geographie betrachtet. Über die kritische Betrachtung einer strikten Trennung von Kultur und Natur soll anschließend die Brücke zu aktuellen hybriden geographischen Forschungsansätzen geschlagen werden.
Mit dem Beginn der Auswanderung des anatomisch modernen Menschen aus Afrika und seiner Ausbreitung über die gesamte Erde wurde vor circa 120.000 Jahren der Startpunkt einer globalen Transformation festgelegt, welche bis heute durch kontinuierliches Fortschreiten gekennzeichnet ist und ihren zumindest vorläufigen, keinesfalls allein linguistischen Höhepunkt in der Benennung des Anthropozäns als eigens der Dominanz des Menschen zugesprochenen Zeitalters erreicht. Die diesbezüglich mit der Verbreitung des Menschen notwendigerweise verflochtene Ausbreitung seiner Einflusssphäre wurde schon frühzeitig begrifflich von der vom Menschen unabhängigen Umwelt abgegrenzt.
So ist der, wissenschaftlich wie alltagssprachlich, vielschichtige Ausdruck der "Kultur" als Gesamtheit aller vom Menschen geschaffenen Dinge auf das lateinische Vokabular "cultura" zurückführbar, was übersetzt "Bearbeitung, Bebauung" meint. Damit grenzt sich der Kulturbegriff in langer Tradition von der Natur und mit der ihr gedanklich verflochtenen "Gesamtheit aller vom Menschen unabhängigen Gegebenheiten ab. Das sich aus diesen Definitionen ergebene dichotome Verhältnis von Natur und Kultur spiegelt sich in der Etablierung der wissenschaftlichen Geographie im 19. Jahrhundert mit ihrer in dieser Zeit konstituierten zweigliedrigen Aufstellung wider. So ist die Geographie, welche sich gemäß der ursprünglichen Wortherkunft die Erdbeschreibung zu Eigen gemacht hat, seit jeher von der Interdisziplinarität zwischen physischer, die naturwissenschaftliche Sphäre umfassende, Geographie auf der einen und Humangeographie auf der anderen Seite geprägt.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Denken in Dualismen: Ein erkenntnistheoretischer Exkurs
- Natur-Kultur-Dichotomie des 19. Jahrhunderts und ihr Einfluss auf den Gründungsprozess der wissenschaftlichen Geographie
- Wissenschaftliche Ansätze des „Natur-Machens“ unter Beibehaltung der Dichotomie
- Grenzen dualistischer Sichtweisen auf das Spannungsfeld zwischen Natur und Kultur
- Lösungsansätze zur Überwindung der Dichotomie-Falle: Hybride Geographien
- Humanökologie
- Akteur-Netzwerk-Theorie
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Hausarbeit untersucht die Bedeutung der Dichotomie zwischen Natur und Kultur für die Entwicklung der wissenschaftlichen Geographie. Die Arbeit beleuchtet die Entstehung dieser Dualität, ihren Einfluss auf den Gründungsprozess der Geographie im 19. Jahrhundert und analysiert, inwieweit aktuelle Forschungsansätze diese Trennung hinterfragen und alternative, hybride Sichtweisen anbieten.
- Die Dichotomie von Natur und Kultur als zentrales Denkmodell der Geographie
- Entwicklungslinien der Geographie im Spannungsfeld zwischen Natur und Kultur
- Kritische Analyse dualistischer Sichtweisen auf das Natur-Kultur-Verhältnis
- Hybride Forschungsansätze in der Geographie: Humanökologie und Akteur-Netzwerk-Theorie
- Die Relevanz von hybriden Ansätzen für ein umfassendes Verständnis des Verhältnisses von Natur und Kultur in der Geographie
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Diese Einleitung führt in das Thema der Hausarbeit ein und beschreibt die Bedeutung des Verhältnisses von Natur und Kultur für die Geographie. Sie stellt die Forschungsfrage und skizziert den Aufbau der Arbeit.
- Denken in Dualismen: Ein erkenntnistheoretischer Exkurs: Dieser Abschnitt beleuchtet die Entstehung dichotomer Denkweisen in der Philosophie und deren Einfluss auf wissenschaftliche Disziplinen, insbesondere die Geographie.
- Natur-Kultur-Dichotomie des 19. Jahrhunderts und ihr Einfluss auf den Gründungsprozess der wissenschaftlichen Geographie: Dieser Teil befasst sich mit der Etablierung des Natur-Kultur-Dualismus im 19. Jahrhundert und dessen Einfluss auf die Konstituierung der wissenschaftlichen Geographie.
- Wissenschaftliche Ansätze des „Natur-Machens“ unter Beibehaltung der Dichotomie: Dieser Abschnitt analysiert verschiedene wissenschaftliche Ansätze, die sich mit dem Verhältnis von Natur und Kultur beschäftigen und die Dichotomie zwischen Natur und Kultur beibehalten.
- Grenzen dualistischer Sichtweisen auf das Spannungsfeld zwischen Natur und Kultur: In diesem Kapitel werden die Grenzen und Schwächen dualistischer Sichtweisen im Hinblick auf die Erforschung des Verhältnisses von Natur und Kultur aufgezeigt.
- Lösungsansätze zur Überwindung der Dichotomie-Falle: Hybride Geographien: Hier werden zwei aktuelle hybride Forschungsansätze vorgestellt: die Humanökologie und die Akteur-Netzwerk-Theorie. Beide Ansätze bieten alternative Perspektiven auf das Verhältnis von Natur und Kultur und fordern die Überwindung der Dichotomie-Falle.
Schlüsselwörter
Die vorliegende Hausarbeit beschäftigt sich mit zentralen Themen der Geographie, darunter Natur-Kultur-Dichotomie, Humanökologie, Akteur-Netzwerk-Theorie, hybride Geographie, erkenntnistheoretische Grundlagen, Disziplingeschichte, wissenschaftliche Ansätze und das Verhältnis von Natur und Kultur.
- Quote paper
- Lucas Heine (Author), 2016, Das Verhältnis von Natur und Kultur. Einfluss auf die Entwicklung der wissenschaftlichen Geographie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/508534