Laut der alttestamentlichen Sintfluterzählung wollte YHWH die Menschheit wegen ihrer Sündhaftigkeit auslöschen. Er erbarmte sich allerdings Noah und dessen Familie, auf Grund ihrer Frömmigkeit (Gen 65ff). Noah musste eine Arche bauen, auf die er sich mit seiner Familie, sowie reinen und unreinen Tieren, während der Sintflut zurückziehen und der Vernichtung entgehen konnte. Nach Ende der Sintflut baute Noah, als Dank für seine Errettung, einen Altar für YHWH und brachte auf diesem Brandopfer dar. YHWHs Reaktion auf diese Opfer ist für das weitere Verhältnis von Mensch und Erde (und YHWH) von großer Wichtigkeit. Die Einzelexegese, sowie Gesamtinterpretation wird zeigen, weshalb Gen 820-22 für Horst Seebass „unbestritten zu den gewichtigsten [Stellen] der ganzen Bibel [gehört].“ Die biblische Sintfluterzählung weist einige Parallelen zu ähnlichen mythologischen Fluterzählungen anderer Kulturen auf. Eine besonders enge Verwandtschaft lässt sich zu dem viel älteren sumerisch-babylonischen Gilgamesch-Epos erkennen. Für ein besseres Verständnis der biblischen Erzählung sind grundlegende Kenntnisse dieses Epos nötig. Aus diesem Grund wird er unter 5.1 Exkurs Gilgamesch-Epos genauer beschrieben und fließt auch in die Einzelexegese mit ein.
Inhaltsverzeichnis
0. Erläuterungen
1. Einleitung
2. Übersetzung
2.1 Wörtliche Übersetzung
2.2 Arbeitsübersetzung
3. Sprachliche Beschreibung
4. Literarkritik
4.1 Textabgrenzung
4.2 Einheitlichkeit
4.2.1 Exkurs Jahwist
5. Überlieferungskritik und Überlieferungsgeschichte
5.1 Exkurs Gilgamesch-Epos:
6. Traditionskritik und Traditionsgeschichte
7. Einzelexegese und Gesamtinterpretation
8. Eigene Meinung
9. Literaturliste
0. Erläuterungen
In dieser Arbeit werden folgende Bezeichnungen verwendet:
YHWH = Gott
Noah = Noach (außer in der Übersetzung)
1. Einleitung
Laut der alttestamentlichen Sintfluterzählung wollte YHWH die Menschheit wegen ihrer Sündhaftigkeit auslöschen. Er erbarmte sich allerdings Noah und dessen Familie, auf Grund ihrer Frömmigkeit (Gen 65ff). Noah musste eine Arche bauen, auf die er sich mit seiner Familie, sowie reinen und unreinen Tieren, während der Sintflut zurückziehen und der Vernichtung entgehen konnte. Nach Ende der Sintflut baute Noah, als Dank für seine Errettung, einen Altar für YHWH und brachte auf diesem Brandopfer dar. YHWHs Reaktion auf diese Opfer ist für das weitere Verhältnis von Mensch und Erde (und YHWH) von großer Wichtigkeit. Die Einzelexegese, sowie Gesamtinterpretation wird zeigen, weshalb Gen 820-22 für Horst Seebass „unbestritten zu den gewichtigsten [Stellen] der ganzen Bibel [gehört].“[1] Die biblische Sintfluterzählung weist einige Parallelen zu ähnlichen mythologischen Fluterzählungen anderer Kulturen auf. Eine besonders enge Verwandtschaft lässt sich zu dem viel älteren sumerisch-babylonischen Gilgamesch-Epos erkennen.[2] Für ein besseres Verständnis der biblischen Erzählung sind grundlegende Kenntnisse dieses Epos nötig. Aus diesem Grund wird er unter 5.1 Exkurs Gilgamesch-Epos genauer beschrieben und fließt auch in die Einzelexegese mit ein.
2. Übersetzung
Es folgt zunächst eine wörtliche Übersetzung von Gen 820-22. Diese enthält jedoch keine Satzzeichen und liest sich, aufgrund schwer verständlicher Satzkonstruktionen, sehr schwer. Aus diesem Grund biete ich eine zweite, leicht umformulierte und mit Satzzeichen versehene Arbeitsübersetzung an.
2.1 Wörtliche Übersetzung
20 Und Noach erbaute einen Altar für YHWH und er nahm einen Teil von allen den Tieren den reinen und von allen den Vögeln den reinen und er opferte Brandopfer auf dem Altar[3]
21 Und YHWH roch den angenehmen Geruch und YHWH sprach zu seinem Herzen: Nicht fortfahren werde ich zu verfluchen den Erdboden wegen der Menschheit weil das Sinnen der Herzen der Menschheit schlecht ist von Jugend auf und nicht fortfahren werde ich zu schlagen alles Lebendige wie ich getan habe
22 Fortan solange die Erde besteht sollen nicht aufhören Aussaat und Ernte und Kälte und Hitze und Sommer und Winter und Tag und Nacht
2.2 Arbeitsübersetzung
20 Und Noach baute einen Altar für YHWH; und er nahm einen Teil von allen reinen Tieren und von allen reinen Vögeln und opferte Brandopfer auf dem Altar.
21 Und YHWH roch den angenehmen Geruch, und YHWH sprach zu seinem Herzen: „Nicht fortfahren werde ich, den Erdboden wegen der Menschheit zu verfluchen, weil das Sinnen der Herzen der Menschheit von Jugend auf böse ist. Und nicht fortfahren werde ich, alles Lebendige zu schlagen, wie ich getan habe.
22 Fortan, solange die Erde besteht, sollen nicht aufhören Aussaat und Ernte, Kälte und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.“
3. Sprachliche Beschreibung
In Gen 820-22 kommen Noah und YHWH als Akteure vor. Zuerst agiert Noah, indem er einen Altar baut und darauf Brandopfer darbringt. Es folgt, YHWHs Reaktion; eine Rede, die mit zwei parallelen Satzreihen beginnt. Diese nimmt den Hauptteil von Gen 820-22 ein. Es ist auffällig, dass es keinen konkreten Adressaten für YHWHs Worte gibt. Nach Westermann sind sie deshalb keine Verheißung, sondern „Aufhebung des Vernichtungsbeschlusses von 66-7.“[4]
Kommen wir nun zu den Anfangssätzen der Rede YHWHs zurück:
Nicht fortfahren werde ich, den Erdboden wegen der Menschheit zu verfluchen, weil das Sinnen der Herzen der Menschheit von Jugend auf böse ist.
Und nicht fortfahren werde ich, alles Lebendige zu schlagen, wie ich getan habe
Seine Worte sind zweiteilig, einmal negativ und einmal positiv formuliert. Der negativ formulierte Rückblick bezieht sich auf die Erde (somit ebenfalls auf sämtliche darauf befindlichen Lebewesen) und schließt mit der redaktionellen Einfügung „denn das Sinnen des Menschenherzens ist böse von seiner Jugend an.“ Dieser Einschub unterbricht die beiden parallel gebauten Sätze erheblich.
Bemerkenswert ist, dass YHWH mit der gleichen Begründung das Flutgericht über die Erde kommen ließ (Gen 65). Somit wird ein Bogen vom Ende, zum Anfang des Flutgeschehens gespannt. Der positive Ausblick „Und nicht fortfahren werde ich, alles Lebendige zu schlagen, wie ich getan habe.“ lässt schon Gottes Liebe zur Schöpfung erkennen, da er ankündigt, keine weiteren Katastrophen über die Erde kommen zu lassen.
Gen 822 enthält vier Gegensatzpaare, die sämtlich auf der Linie des Naturhaften liegen:
Fortan, solange die Erde besteht, sollen nicht aufhören Aussaat und Ernte, Kälte und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht
Unverkennbar ist, dass Zweierrhythmen vorhanden sind und dass jedes der vier Wortpaare eine Ganzheit kennzeichnet.[5] Es wird ein neuer Rhythmus im Leben der Menschen eingeführt. Existierte in den Schöpfungsberichten nur der Rhythmus von Tag und Nacht, so beginnt mit diesem Vers der Jahresrhythmus.[6]
Den Punkt der Sprachlichen Beschreibung abschließend lässt sich noch sagen, dass Gen 820-22 einen guten Einblick auf die Produzenten und Rezipienten des Textes liefert. Es sind Menschen die vom Ackerbau leben und diese Arbeit als mühselig empfinden.[7] Wird die Erde von Katastrophen heimgesucht, sind auch sie und ihr Leben betroffen. Für ihren Lebensunterhalt benötigen sie den kontinuierlichen Wechsel in der Natur. Dieser ist gesichert, wenn die Abfolge von Aussaat und Ernte gesichert ist. Das geschieht durch den Wechsel von Sommer und Winter, Tag und Nacht und Kälte und Hitze, wie YHWH es in V22 ankündigt.[8]
4. Literarkritik
4.1 Textabgrenzung
Die Genesis lässt sich zunächst einmal grob in folgende Hauptabschnitte gliedern:[9]
1. Die Urgeschichte 11 - 1126
2. Überleitung von der Ur- zur Vätergeschichte 1127-32
3. Die Vätergeschichte 12 - 50
Abraham-Kreis (Isaak) 12 - 25
Jakob-Kreis: (Isaak) Jakob/Esau; Jakob/Laban 26 – 36
Josephgeschichte 37 – 50
Anhand dieser Unterteilung lässt sich ablesen, dass Gen 820-22 einen kleinen Teil der Urgeschichte bildet. Um zu verdeutlichen in welchem exakten Kontext der zu untersuchende Abschnitt steht, muss die Urgeschichte feiner eingeteilt werden:[10]
1. Schöpfungsdarstellung 11 – 24a
2. Schöpfung und der Einbruch der Schuld 24b - 324
3. Kain und Abel 41-16
4. Die Kainiten 417-26
5. Stammbaum von Adam bis Noah 5
6. Sintflut 6 - 9
7. Völkertafel 10
8. Turmbau zu Babel 111-9
9. Stammbaum von Noah bis Abraham 1110-26
Nun ist deutlich, dass Gen 820-22 zur Sintflutgeschichte gehört. Diese Stelle bildet dort den Abschluss dieser Erzählung beim Jahwisten (siehe Exkurs Jahwist).[11] Im Pentateuch wurden zwei größere Erzählwerke zusammengearbeitet,[12] zum einen die Priesterschrift (P) und zum anderen der oben erwähnte Jahwist (J).[13] In unserem Kontext, dem Sintflutbericht, wird diese Synthese an Wiederholungen, Gegensätzen sowie dem besonders auffälligen Wechsel des Gottesnamens (Jahwe – Elohim) deutlich.[14] Es folgen einige Beispiele, die diese Zusammenfügung veranschaulichen:
Wechsel des Gottesnamens:
- 622 Elohim ~yhiÞl{a/
- 75 Jahwe hw")hy>
Gegensätze:
- 619f von allen Tieren je ein Paar
- 72f von allen reinen Tieren je sieben, von den unreinen aber je ein Paar
- 86-12 Aussendung eines Raben und danach dreimal einer Taube, um festzustellen ob die Erde wieder trocken ist
- 815-17 Noah erhält von Gott den Befehl die Arche zu verlassen
Wiederholungen:
- 618 Gottes Worte an Noah, in die Arche zu gehen
- 71 Gottes Worte an Noah, in die Arche zu gehen
Anhand dieser und anderer Merkmale (die aus Platzgründen keinen Eingang in diese Arbeit finden) lassen sich die zwei Linien J & P erkennen und von einander differenzieren. Westermann tat dies und gibt für die Synthese der Fluterzählung die zwei Erzählstränge wie folgt wieder:[15]
[...]
[1] Seebass: Genesis I. Urgeschichte, S. 220
[2] vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Noach Datum: 17.08.2005; Uhrzeit: 14:42
[3] Biblia Hebraica Stuttgartensia, anhand Gesenius: Hebräisches und Aramäisches Handwörterbuch
[4] Westermann: Genesis. I.Teilband Genesis 1-11, S. 610
[5] vgl. ebd, S. 613
[6] vgl. Wintermann: Das Geheimnis der Erhaltungsordnung, S. 283
[7] vgl. Rentdorff: Das Alte Testament. Eine Einführung, S. 142
[8] vgl. Baumgart: Die Umkehr des Schöpfergottes, S. 170
[9] vgl. Riwar: Einführung in wissenschaftliches Arbeiten und Bibelkunde, S. 69
[10] vgl. Westermann/Ahuis: Calwer Bibelkunde, S. 24ff
[11] vgl. Westermann: Genesis. I.Teilband Genesis 1-11, S. 606
[12] Stöger: Gott und der Anfang. Eine Auslegung von Genesis 1-11, S. 138 Die altorientalische Geschichtsschreibung stellt Dokumente, Berichte und Überlieferungen nebeneinander, wie sie gefunden wurden. Sie glich sie nicht aus und untersuchte nicht kritisch, was hinter den Berichten als geschichtliches Ereignis liegt. Sie werden aneinandergereiht oder ineinander verwoben, auch wenn sie nicht ganz zueinander passen, um eine heilsgeschichtliche Wahrheit auszusagen: Gott richtet die Sünde; im Gericht bewahrt er einen Rest, dem er Gnade schenkt. Die altorientalische Geschichtsschreibung will lehren und nicht genauen Bericht erstatten.
[13] vgl. Löning/Zenger: Als Anfang schuf Gott. Biblische Schöpfungstheologien, S. 163
[14] vgl. Schwegler: Die biblische Urgeschichte, S. 151
[15] vgl. Westermann: Kurze Bibelkunde des Alten Testaments, S. 18
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- Dirk Piche (Author), 2005, Übersetzung und Exegese von Genesis 8, 20-22, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/50796
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