In der empirischen Forschung kommt Zeitreihen eine zentrale Bedeutung zu. Diese entstehen dadurch, dass Daten zu bestimmten wirtschaftlichen Sachverhalten im Zeitablauf regelmäßig erhoben werden, wie etwa Aktienkurse, Wechselkurse oder die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukt. Ziel der Zeitreihenanalyse ist es, ein geeignetes Modell für die Daten zu finden, mit dem die vorgefundenen Eigenschaften bestmöglich erklärt werden können. Hat man ein plausibles Modell gefunden, so können damit z. B. zukünftige Werte prognostiziert werden. Besonders im Bereich von Finanzmarktdaten ist dieses sehr attraktiv.
Ein anderes reizvolles Aufgabenfeld stellt die Untersuchung zweier oder mehrerer Zeitreihen dar. Es können Thesen über Beziehungen zwischen bestimmten ökonomischen Größen aufgestellt und durch die Modelle auf ihre Richtigkeit geprüft werden. So interessiert in der Makroökonomik etwa der Zusammenhang zwischen Einkommen und Konsum. Kann ein solcher Zusammenhang festgestellt werden, bietet sich die Möglichkeit beispielsweise mit Hilfe der Entwicklung des Einkommens die Entwicklung des Konsums zu prognostizieren.
Lange Zeit wurde dabei hauptsächlich auf das Instrumentarium der klassischen linearen Zeitreihenanalyse zurückgegriffen. Diese klassischen Modelle werden in Kapitel 2 vorgestellt.
Zwei Kerneigenschaften von Zeitreihen bereiteten der Wissenschaft jedoch lange Zeit Probleme: Nichtstationarität und schwankende Varianz.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Notationsverzeichnis
1 Einleitung
2 Klassische Modelle der Zeitreihenanalyse
2.1 Unterfamilien der klassischen linearen Modelle
2.2 Erweiterung auf nicht-stationäre Modelle
3 Der Ansatz der Kointegration
3.1 Probleme bei der Untersuchung von nicht- stationären Zeitreihen
3.2 Das Konzept der Kointegration
3.3 Methode zum Testen von Kointegration
3.3.1 Test auf eine Einheitswurzel
3.3.2 Test auf Kointegration
3.4 Das Fehlerkorrekturmodell
3.5 Weitere Entwicklungen auf dem Gebiet der Kointegration .
3.5.1 Erweiterungen
3.5.2 Anwendungsbeispiele
4 Das ARCH-Modell
4.1 Eigenschaften von Finanzmarktdaten und Implikationen schwankender Varianz
4.1.1 Bedeutung der Volatilität
4.1.2 Stochastische Abhängigkeit zwischen Renditen . .
4.2 Das ARCH(p)-Modell
4.2.1 Definition des ARCH(1)-Modells
4.2.2 Eigenschaften des ARCH(p)-Modells
4.2.3 Test auf ARCH
4.3 Erweiterungen und Anwendungsmöglichkeiten des ARCH-Modells
4.3.1 Das GARCH(q,r)-Modell
4.3.2 Das ARCH-M-Modell
5 Schlussbetrachtung
Anhang
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1 Darstellung einer nicht-stationären, integrierten Zeitreihe und ihrer stationären Differenzen S.
Quelle: Selbsterstellte Grafik mit dem Statistikprogramm R
Abbildung 2 Langfristiger Zusammenhang zwischen zwei kointegrierten Variablen. S.
Quelle: Selbsterstellte Grafik mit dem Statistikprogramm R
Abbildung 3 Tägliche DAX-Renditen von Anfang 1985 bis Ende 1994. S.
Quelle: W. Krämer, 2000
Abbildung 4 Beschreibung der Volatilität mit einem ARMA- und einem ARCH-Modell S.
Quelle: Selbsterstellte Grafik mit dem Statistikprogramm R
Notationsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Kapitel 1 Einleitung
In der empirischen Forschung kommt Zeitreihen eine zentrale Bedeutung zu. Diese entstehen dadurch, dass Daten zu bestimmten wirtschaftlichen Sachverhalten im Zeitablauf regelmäßig erhoben werden, wie etwa Aktienkurse, Wechselkurse oder die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukt. Ziel der Zeitreihenanalyse ist es, ein geeignetes Modell für die Daten zu finden, mit dem die vorgefundenen Eigenschaften bestmöglich erklärt werden können. Hat man ein plausibles Modell gefunden, so können damit z. B. zukünftige Werte prognostiziert werden. Besonders im Bereich von Finanzmarktdaten ist dieses sehr attraktiv.
Ein anderes reizvolles Aufgabenfeld stellt die Untersuchung zweier oder mehrerer Zeitreihen dar. Es können Thesen über Beziehungen zwischen bestimmten ökonomischen Größen aufgestellt und durch die Modelle auf ihre Richtigkeit geprüft werden. So interessiert in der Makroökonomik etwa der Zusammenhang zwischen Einkommen und Konsum. Kann ein solcher Zusammenhang festgestellt werden, bietet sich die Möglichkeit beispielsweise mit Hilfe der Entwicklung des Einkommens die Entwicklung des Konsums zu prognostizieren.
Lange Zeit wurde dabei hauptsächlich auf das Instrumentarium der klassischen linea- ren Zeitreihenanalyse zurückgegriffen. Diese klassischen Modelle werden in Kapitel 2 vorgestellt.
Zwei Kerneigenschaften von Zeitreihen bereiteten der Wissenschaft jedoch lange Zeit Probleme: Nichtstationarität und schwankende Varianz.
Nichtstationarität bezeichnet einen Zustand, bei dem eine Zeitreihe einem langfristi- gen Trend folgt und kurzfristige Veränderungen das langfristige Niveau beeinflussen. Derartige Zeitreihen zeigen keine Tendenz zu ihrem Ursprungswert zurückzukehren, doch wurden auch auf diese die Modelle für stationären Zeitreihen in etwas modi- fizierter Form angewandt. Aus der Erkenntnis heraus, dass dies zu erheblichen Da- tenverlusten und unsinnigen Ergebnissen führt, entwickelte Granger in den 1980er Jahren das Konzept der Kointegration. Auf diese können Zeitreihen getestet werden, bei denen man einen langfristigen Gleichgewichtszusammenhang vermutet. Mit der Beschreibung von Nichtstationarität und dem Modell der Kointegration befasst sich Kapitel 3.
Das Phänomen schwankender Varianzen taucht insbesondere bei Finanzzeitreihen auf. Perioden mit hoher werden von Perioden mit niedriger Volatilität abgelöst. Doch gerade die Varianz stellt ein Maß zur Einschätzung des Risikos dar und ist somit sehr wichtig für Finanzakteure. Aus Ermangelung besserer Alternativen arbeiteten Wissenschaftler lange Zeit trotzdem mit den klassischen Modellen, die eine konstan- te Varianz abbilden. Mit Engles Einführung des ARCH-Modells und den daraus hervorgegangenen Erweiterungen hat sich das geändert. Der Darstellung dieser Zu- sammenhänge widmet sich Kapitel 4.
Die Arbeit der beiden Wissenschaftler hat [...] die Art, wie Ökonomen Zeitreihen analysieren, modellieren und vorhersagen, revolutioniert und einen Paradigmenwechsel in der Zeitreihenökonometrie bewirkt (35, S. 1). Eine Zusammenfassung der Ergebnisse dieser Arbeit gibt Kapitel 5 .
Kapitel 2 Klassische Modelle der Zeitreihenanalyse
Zur Analyse von Zeitreihen1 wurden bestimmte Modellfamilien entwickelt, wie etwa die Familie der linearen, der nicht-linearen und der nicht-parametrischen Modelle (vgl. 11, S. 669). Die Familie der linearen Zeitreihen soll im Folgenden erläutert werden. Ein grundlegendes Theorem der Zeitreihenanalyse ist unter „Wold’s Zerle- gung“ bekannt geworden (vgl. 33, S. 108 f.). Es sagt aus, dass jeder stationäre2, stochastische Prozess als lineare Kombination von unkorrelierten Zufallsvariablen (at) dargestellt werden kann.
Eine allgemeine lineare Zeitreihe Xt hat folgende Form:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
wobei ψi konstante Gewichte3 mit i = 0, 1, 2, ... und at ein „weißes Rauschen“4,
also unabhängig und identisch verteilte Zufallsvariable mit Erwartungswert Null und Varianz σ 2 darstellt.
Um ein bestimmtes Modell vollständig festzulegen, müssen die einzelnen Modellpa- rameter bestimmt werden (vgl. 56, S. 192). Dieses setzt jedoch die Schätzung eines jeden ψi voraus und erweist sich in der Praxis als kaum möglich (vgl. 47, S. 631). Mit einer endlichen Anzahl von Zufallswerten kann nicht auf unendlich viele Mo- dellparameter geschlossen werden.
Deshalb wurden Unterfamilien entwickelt, die erhebliche Vereinfachungen zulassen und somit praxistauglicher sind. Zwar führen diese zu gewissen Ungenauigkeiten, doch können die meisten Zeitreihen mit diesen Vereinfachungen sehr genau approximiert werden (vgl. 47, S. 632).
2.1 Unterfamilien der klassischen linearen Modelle
Gleitende Durchschnittsmodelle (MA(q)-Modelle) Die vereinfachte Annah- me eines gleitenden Durchschnittmodells (MA(q), aus dem Englischen für: Moving Average) beruht darauf, lediglich eine endliche Anzahl (q + 1) der Modellparameter ψi aus Gleichung (2.0.1) als von Null verschieden anzusehen (vgl. 48, S. 239). Somit hat z. B. ein MA(1)-Modell mit den Parametern θ0,1 folgende, allgemeine Form5:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Das MA(q)-Modell hat einen Erwartungswert von Null und eine konstante Varianz6.
Autoregressive Modelle (AR(p)-Modelle) Eine andere Vereinfachung ist, zwar alle ψi der Gleichung (2.0.1) als von Null verschieden anzusehen, diese jedoch mit einer einfachen Struktur zu versehen (vgl. 65, S. 29 f.). Zu diesem Zweck eignen sich autoregressive Modelle gut.
Das AR(1)-Modell mit dem Parameter φ sieht folgendermaßen aus:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Der Zusammenhang kann auch in Summennotation dargestellt werden:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
und durch Umformung folgt7:
Xt = φ1 Xt−1 + at (2.1.4)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Wie zu erkennen ist, stellt dieser Ausdruck nichts anderes als eine lineare Regres- sion zwischen Xt und Xt−1 dar (vgl. 5, S. 320 f.). Der aktuelle Zeitreihenwert (Xt) entspricht demnach der Summe aus dem mit dem Koeffizienten φ gewichteten Wert der Vorperiode und dem Störterm at. Der Prozess ist autoregressiv. Eine Konsequenz dieser Strukturierung ist, dass die Bedeutung eines anfänglichen Störterms mit einer exponentiellen Rate abklingt und somit das Niveau zum Zeit- punkt t kaum noch beeinflusst. Aufgrund dieser Eigenschaft wird eine derartige Zeitreihe auch als „short-memory-Prozess“ bezeichnet (vgl. 20, S. 2). Der Erwar- tungswert von diesem Modell ist genau wie beim MA(q)-Modell Null und die Varianz ist konstant8.
Autoregressive, gleitende Durchschnitte (ARMA(p,q)-Modelle) Um die Anzahl der zu schätzenden Parameter weiter zu verringern9, können beide Modelle kombiniert werden (vgl. 57, S. 99), so dass ein ARMA(p,q)-Modell entsteht. Da es eine lineare Kombination von AR- und MA-Modell darstellt, gilt auch für dieses ein Erwartungswert von Null und eine konstante Varianz.
2.2 Erweiterung auf nicht-stationäre Modelle
Bisher wurden lediglich Modelle für stationäre Zeitreihen vorgestellt. Die meisten in den Wirtschaftswissenschaften behandelten Variablen scheinen jedoch genau diese Annahme nicht zu erfüllen, sie sind nicht-stationär (vgl. 30, S. 71). Derartige Zeitreihen scheinen nicht wieder zu ihrem Ursprungswert zurückzukehren, vielmehr wird ihr Verlauf durch die Summe vergangener Zufallswerte, die dauerhaf- ter Natur sind, bestimmt10.
Das einfachste Beispiel dafür stellt eine sogenannte „Irrfahrt“11 dar. Durch Einsetzen von φ = 1 in der obigen Gleichung (2.1.3) kann eine solche dargestellt werden
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Bei der Betrachtung der Formel wird deutlich, dass jeder Störterm at unabhängig vom Zeitpunkt denselben Einfluss auf das aktuelle Xt hat. Deshalb wird ein solcher Prozess auch als „long-memory-Prozess“ bezeichnet (vgl. 20, S. 2). Um trotzdem mit derartigen Zeitreihen arbeiten zu können, bietet es sich an, die einzelne Zeitreihe X1, X2, ..., Xn zu differenzieren. Auch wenn die ursprüngliche Zeitreihe nicht-stationär ist, sind es häufig dessen Differenzen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Oftmals reicht eine einmalige Differenzierung, doch ist die Zeitreihe der Differen- zen (Dt) ebenfalls nicht-stationär, so muss derselbe Schritt zweimal oder mehrmals durchgeführt werden. Bedarf es nun einer d-maligen Differenzierung, um zu Statio- narität zu gelangen, wird die Zeitreihe als integriert der Ordnung d (∽ I(d)) bezeich- net. Kann die differenzierte Zeitreihe Dt durch ein ARMA(p, q)-Modell beschrieben werden, so liegt ein so genanntes ARIMA(p,d,q)-Modell vor (autoregressiver, inte- grierter, gleitender Durchschnitt, aus dem Englischen für: Autoregressive Integrated Moving Average). Mit Hilfe dieser Modellfamilie lassen sich die meisten Zeitreihe unter Verwendung möglichst weniger Parameter hinreichend genau approximieren (vgl. 58, S. 473). Die meisten in den Wirtschaftswissenschaften behandelten Varia- blen scheinen dabei ∽ I(1) zu sein (vgl. 30, S. 71).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Darstellung einer nicht-stationären, integrierten Zeitreihe und ihrer stationären Differenzen
Quelle: Selbsterstellte Grafik mit dem Statistikprogramm R.
Kapitel 3 Zur Behandlung nicht-stationärer Zeitreihen: Der Ansatz der Kointegration
Wie in Abschnitt 2.2 beschrieben, scheinen die meisten in den Wirtschaftswissenschaften behandelten Variablen nicht-stationär zu sein. Derartige Zeitreihen bereiteten der Wissenschaft lange Zeit Probleme. Die Gründe dafür werden im Nachfolgenden beschrieben.
3.1 Probleme bei der Untersuchung von nicht- stationären Zeitreihen
Um Beziehungen zwischen zwei Zeitreihen nachzuweisen, wird das Verfahren der li- nearen Regression angewandt (vgl. 56, S. 187). Das bedeutet, dass die eine Zeitreihe (Xt) auf einer anderen (Yt) modelliert wird. Mathematisch stellt sich dies folgendermaßen dar:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
dabei dient α als ein lineares Glied, β als Koeffizient einer guten Anpassung und ϵt stellt die Residuen dar. Unter Anwendung der Methode der kleinsten Quadrate wird der Schätzer β ausgewählt, der zu den geringst möglichen quadrierten Residuen (ϵ2 t) führt und somit die beste Anpassung ermöglicht.
Vor den Erkenntnissen Grangers und Newbolds 1974 wurde diese Methode auch auf integrierte Zeitreihen angewendet, doch deren nicht-stationärer Charakter führte zu erheblichen Verfälschungen der Ergebnisse. So stellten die beiden Wissenschaftler fest, dass zwei voneinander vollkommen unabhängige, integrierte Zeitreihen in einer sehr hohen Anzahl von Fällen fälschlich als statistisch signifikant korreliert erkannt werden (vgl. 29, S. 114). Gleichzeitig zeichnen sich die so entstandenen Residuen durch eine starke, positive Autokorrelation aus (vgl. 29, S. 117).
Desweiteren verschlechtert sich die Prognosegenauigkeit noch deutlich, wenn mit logarithmierten Daten gearbeitet wird (vgl. 44, S. 5). Doch diese Transformation der Daten ist oft notwendig1. Das beschriebene Phänomen ist als Scheinregression bekannt geworden.
Eine Möglichkeit dieser Fehlerquelle zu entgehen besteht darin, die einzelnen Zeitrei- hen in einem ersten Schritt jeweils zu differenzieren und die Regressionsanalyse mit den differenzierten Zeitreihen durchzuführen2. Mit den Variablen Vt = Xt − Xt−1 und Wt = Yt −Yt−1 testen man somit den Zusammenhang zwischen Xt und Yt durch:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Begegnet man allerdings nicht-stationären Zeitreihen derart, so werden bestehende Beziehungen zwischen den Daten oft nicht erkannt und wichtige Eigenschaften ge- hen verloren (vgl. 27, S. 121 f.). Gerade einmal kurzfristige Effekte können analysiert werden, nicht aber langfristige Beziehungen. Das beruht darauf, dass in diesem Fall nicht mehr Niveaus, wie etwa das Preisniveau, betrachtet werden, sondern lediglich dessen Wachstumsraten. Besteht nun ein langfristiger Zusammenhang zwischen den Variablen, wie etwa zwischen der Höhe des Konsums und der Höhe des Einkommens (vgl. 62, S. 364 f.), so kann diese Eigenschaft durch die Differenzierung nicht mehr erkannt werden, denn die Niveaus können sich beliebig weit voneinander wegbewe- gen. Einen Ausweg bietet die von Granger Anfang der 1980er Jahre entwickelte Kointegration (vgl. 27, S. 122 ff.).
3.2 Das Konzept der Kointegration
Allgemein wird von Kointegration gesprochen, wenn durch eine lineare Kombination zweier integrierter Zeitreihen3, möglicherweise in dieser Form:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
wobei Xt und Yt beide ∽ I(1), a und b Koeffizienten sind und m ein lineares Glied darstellt,
eine stationäre Zeitreihe mit E(Zt) = 0 modelliert werden kann4. Dies stellt jedoch eine Ausnahme dar, denn generell führt eine lineare Kombination zweier Zeitreihen Xt ∽ I(f) und Yt ∽ I(g) dazu, dass das Zt integriert vom Grad I(max(f,g)) ist (vgl. 27, S. 122).
Doch gibt es Fälle, in denen genau diese Ausnahme eintritt. Ein anschauliches Modell wird hier dargestellt:
Gegeben seien zwei Zeitreihen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
und
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Dabei wird davon ausgegangen, dass xt und yt beide ∽ I(0) mit einem Erwartungswert von 0 sind und Wt eine Zeitreihe ∽ I(1) ist. Somit sind auch Xt und Yt jeweils ∽ I(1). Man erkennt jedoch, dass beide Variablen aus der gleichen Zeitreihe Wt erzeugt sind, somit kann eine lineare Kombination dazu führen, dass
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
stationär ist.
Wie zu erkennen ist, wurde der nicht-stationäre Teil Wt eliminiert und Zt ist ledig- lich abhängig von der Differenz zweier ∽ I(0) Variablen, die wiederum ∽ I(0) ist. Somit sind Xt und Yt kointegriert mit dem Kointegrationsvektor a = [1, A]. Eine solche Zerlegung wie in (3.2.2) und (3.2.3) ist bei allen kointegrierten Zeitreihen möglich (vgl. 30, S. 72).
Hiermit können langfristige Gleichgewichtsbeziehungen beschrieben werden, wie z. B. das Verhalten von kurz- und langfristigem Zinssatz oder z. B. der Preis eines glei- chen Gutes auf zwei räumlich voneinander getrennten Märkten. So ist anzunehmen, dass dieser auf kurzfristige Sicht in beiden Teilen eines Landes zwar voneinander abweichen kann, sich auf langfristige Sicht jedoch immer wieder annähert (vgl. 20, S. 1).
Eine ökonomische Erklärung dafür ist, dass eine zu große Preisdifferenz zu Güterarbitrage führt, wodurch letztendlich beide Preise wieder aneinander angeglichen werden. Die Wirtschaftswissenschaften gehen von einer Reihe derartiger Zusammenhänge aus (vgl. 63, S. 2 ff.). Als Erklärungsfaktor dienen auch wirtschaftspolitische Eingriffe des Staates (vgl. 20, S. 1).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Langfristiger Zusammenhang zwischen zwei kointegrierten Variablen. Quelle: Selbsterstellte Grafik mit dem Statistikprogramm R.
Überträgt man diese Gleichgewichtsbeziehungen auf ein mathematisches Modell, so kann das langfristige Gleichgewicht etwa als eine Gerade verstanden werden. Diese wird durch die Beziehung X − A ∗ Y = 0 bestimmt.
In der Realität wird sich dieses jedoch nie einstellen, da ständig neue Informationen das Gleichgewicht erschüttern. In einem solchen Fall gibt die Variable Zt aus (3.2.4) das Ausmaß der Abweichung vom langfristigen Gleichgewicht an. Neue Informationen können somit zwar vom Gleichgewichtszustand wegführen, doch wegen des stationären Charakters von Zt werden die einzelnen Werte Zt tendenziell um diese erdachte Gerade schwanken. Aus diesem Grund kann die Gerade auch als Attraktor verstanden werden5 (vgl. 41, S. 468).
Eine erkannte Kointegrationsbeziehung zwischen zwei oder mehr Variablen versetzt einen in die Lage, die Qualität von Prognosen der einen durch Einbeziehung der bekannten, anderen Variablen zu verbessern.
3.3 Methode zum Testen von Kointegration
Im Folgenden wird eine einfache Lösung zum Testen und Schätzen von Kointegration dargestellt, die auf die Arbeit von Engle und Granger aus dem Jahr 1987 zurückgeht.
3.3.1 Test auf eine Einheitswurzel
Möchte man herausfinden, ob zwei Variable kointegriert sind, so muss in einem ersten Schritt sichergestellt werden, dass die zu untersuchenden Zeitreihen Xt und Yt jeweils ∽ I(1) sind, d.h. eine Einheitswurzel6 haben7. Zu diesem Zweck gibt es viele bekannte Standardverfahren, ein geeignetes Beispiel ist der Dickey-Fuller-Test (vgl. 25, S. 80 f.). Bei diesem werden folgende Hypothesen gegeneinander getestet:
H0 : Stationarität gegen H1 : Nichtstationarität. (3.3.1)
Ein Verwerfen der Nullhypothese gilt als Beweis für Nichtstationarität. Die Grundlage dieses Tests bildet der schon in Teil 2.2 dargestellte Unterschied zwischen einer ∽ I(0) und einer ∽ I(1) Gleichung. Bei stationären Reihen muss α < 1 gelten, während bei nicht-stationären Reihen α ≥ 1 angenommen wird. Für die Durchführung dieses Tests wird die bekannte Gleichung8
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
durch Differenzenbildung in folgende umgeformt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Wird (α − 1) = δ definiert, so kann mit Hilfe der Methode der kleinsten Quadrate der Wert von δ bestimmt werden. Für die Hypothesen gilt nun:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Zur Prüfung wird für beide, Xt und Yt, ein t -test angewandt (vgl. 52, S. 43 f.). Die Hypothese H0 auf Stationarität kann verworfen werden, wenn der ermittelte t -Wert der Koeffizientenregression kleiner als der kritische Wert ist. Zu beachten ist dabei allerdings, dass die kritischen Werte, bei denen H0 verworfen würde, nicht der normalen t -Statistik entnommen werden können9. Wurde die Hypothese auf ∽ I(1) für beide Zeitreihen angenommen, so folgt der eigentliche Test auf Kointegration.
3.3.2 Test auf Kointegration
Im Folgendem müssen zwei Fälle bezüglich des Kointegrationsvektors unterschieden werden:
- die Kointegrationsvektor ist bekannt
- der Kointegrationsvektor ist nicht bekannt.
Bei bekanntem Kointegrationsvektor Der erste Fall tritt auf, wenn der Kointegrationsvektor schon durch das theoretische Modell vorgegeben wird10. In dem in Abschnitt 3.2 beschriebenen Modell würde dieser Vektor a = [1, A] mit einem bestimmten Wert für A bekannt sein. Die weitaus beste Methode ist in diesem Fall, diesen Wert bei dem Test direkt mit einzubeziehen (vgl. 33, S. 582 ff.). Somit kann die aus Abschnitt 3.2 bekannte Gleichung aufgestellt werden:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Stellt nun a tatsächlich den Kointegrationsvektor dar, so folgt, dass Zt definitionsgemäß stationär (∽ I(0)) ist. Anders verhält es sich, wenn a nicht der Kointegrationsvektor ist. In diesem Fall ist Zt nicht-stationär.
Um den genannten Unterschied zu prüfen, wird abermals der Dickey-Fuller-Test auf eine Einheitswurzel angewandt. Es werden folgende Hypothesen gegeneinander getestet:
H0 : Zt ∽ I(1) gegen H1 : Zt ∽ I(0) (3.3.6)
Kann H0 verworfen werden, so wird daraus geschlossen, dass eine Kointegrations- beziehung zwischen den betrachteten Zeitreihen mit dem Kointegrationsvektor a vorliegt.
Bei Unkenntnis des Kointegrationsvektors Unter diesen Umständen muss der Kointegrationsvektor zuerst geschätzt werden.
[...]
1 Zeitreihen werden dabei als Realisationen so genannter stochastischer Prozesse aufgefasst, aus diesem Grund können Befunde aus einer Stichprobe auf die unbekannte Grundgesamtheit übertragen werden (vgl. 31, Seite 55 f.).
2 Hier die schwache Form von Stationarität gemeint, siehe im Anhang Abschnitt 1.
3 Die quadrierten Gewichte müssen summierbar sein:∑∞−∞ ψi <∞.Diesesistdiesogenannte Stationaritätsbedingung.
4 Deutsche Bezeichnung für „white noise“ (vgl. 40, S. 1083).
5 Der Parameter θ0 kann durch einfache Division immer auf 1 normiert werden.
6 Siehe dazu und zu weiteren Besonderheiten des MA(q)-Modells im Anhang Abschnitt 2 und 3.
7 Siehe im Anhang Abschnitt 4.
8 Siehe im Anhang Abschnitt 5.
9 Je höher die Anzahl der zu schätzenden Parameter, desto größer ist die Gefahr von Schätzfehlern (vgl. 10, S. 310).
10 Deshalb folgen nicht-stationäre Zeitreihen einem stochastischen Trend und können nicht durch eine deterministische Komponente beschrieben werden.
11 Deutsche Bezeichnung für einen „Random Walk“ (vgl. 59, S. 108).
1 Siehe im Anhang Abschnitt 6.
2 Dieses Verfahren wurde bereits in Abschnitt 2.2 vorgestellt.
3 Im Folgenden wird der Einfachheit halber lediglich der bivariate Fall betrachtet.
4 Allgemein gilt: Zwei integrierte Zeitreihen der Ordnung d sind kointegriert der Ordnung b, wenn es eine Linearkombination gibt, die integriert der Ordnung d − b, b > 0 ist (vgl. 27, S. 121 ff.).
5 Die Idee dieses Attraktors wird im Anhang Abschnitt 7 anhand einer Grafik verdeutlicht.
6 Deutscher Ausdruck für „unit root“.
7 Andererseits würden etwa ∽ I(0)-Variable betrachtet werden, und die Resultate wären unsinnig (vgl. 33, S. 582 ff.).
8 Vgl. mit Gleichung (2.1.4).
9 Dies wird im Anhang Abschnitt 8 näher erläutert.
10 Als Beispiel kann etwa die Hypothese, dass Konsum ein stabiles Verhältnis von Einkommen darstellt, gesehen werden. Hier gilt: a = [−1, 1] (vgl. 13, S. 662)
- Quote paper
- Janina Bartje (Author), 2004, Methoden zur Analyse ökonomischer Zeitreihen mit zeitlicher Volatilität (ARCH) und Kointegration - Robert F. Engle und Clive W.J. Granger, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/50720
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