Unter dem Begriff der Rechnungslegung kann die gesetzliche und freiwillige Offenlegung unternehmensbezogener Informationen an aktuelle und potenzielle Bilanzadressaten verstanden werden. Die übermittelten Informationen sollen nachvollziehbar, verlässlich und entscheidungsrelevant sein, weshalb bestimmte Bereiche der Rechnungslegung gesetzlich normiert sind. Innerhalb der Rechnungslegung werden jedoch bilanzpolitische Spielräume gewährt, die es einem Entscheidungsträger ermöglichen, bestimmte finanz-, publizitäts- sowie individualpolitische Ziele zu erreichen.
So kann bei Erstellung von Jahresabschlüssen davon ausgegangen werden, dass ein rationaler Entscheidungsträger stets die Bilanzierungsalternativen wählt, die seinen eigenen Nutzen maximieren. Demnach können nach außen getragene Informationen zu Gunsten des Managements oder des Unternehmens verzerrt werden. Ein Anreiz zu solch einer Handlung könnte sich in einem erstmaligen Börsengang widerspiegeln.
Das Auftreten und die Folgen von Bilanzpolitik im Rahmen von Wertpapieremissionen, speziell der Börsengang zur Ausgabe von Eigenkapitalinstrumenten, wurde in einer Vielzahl von Studien untersucht.
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Symbolverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Gang der Arbeit
2 Bilanzpolitik
2.1 Definition der Bilanzpolitik
2.2 Ziele und Zielkonflikte der Bilanzpolitik
2.3 Bilanzpolitische Instrumente
2.3.1 Reale Bilanzpolitik
2.3.2 Buchmäßige Bilanzpolitik
2.3.3 Auswahlkriterien des bilanzpolitischen Instrumentariums
2.4 Grenzen der Bilanzpolitik
2.5 Anreize zu Bilanzpolitik
2.5.1 Erfolgsmaximierung und Erfolgsminimierung
2.5.2 Ergebnisglättung
2.5.3 Benchmarking
2.6 Messung der Bilanzpolitik
2.6.1 Messung buchmäßiger Bilanzpolitik
2.6.2 Messung realer Bilanzpolitik
2.6.3 Messung Ergebnisglättung
2.6.4 Messung Benchmarking
3 Börseneinführung
3.1 Definition und Motive
3.1.1 Motive für eine Börseneinführung
3.1.2 Motive gegen eine Börseneinführung
3.2 Börsenreifekriterien
3.2.1 Gesetzliche Kriterien
3.2.2 Wirtschaftliche Kriterien
3.2.3 Organisatorische Kriterien
3.3 Prozess der Börseneinführung
4 Analyse der empirischen Literatur
4.1 Bilanzpolitik bei Börseneinführung
4.1.1 Empirische Ergebnisse für Bilanzpolitik vor Börseneinführung
4.1.2 Empirische Ergebnisse für die Langzeitperformance
4.2 Zusammenfassung und Limitation der Forschungsergebnisse
5 Fazit
Verzeichnis der Gesetze, Verordnungen und anderer Rechnungslegungsnormen
Literaturverzeichnis:
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Instrumente der Bilanzpolitik
Abb. 2: Ergebnisglättung als Form der Bilanzpolitik
Abb. 3: Verteilung des Jahresüberschusses von US-amerikanischen Unternehmen
Abb. 4: Entscheidungsmotive für und gegen einen Börseneinführung
Abb. 5: Die Equity Story als wirtschaftliches Kriterium
Abb. 6: Phasen der Börseneinführung
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Symbolverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
Unter dem Begriff der Rechnungslegung kann die gesetzliche und freiwillige Offenle- gung unternehmensbezogener Informationen an aktuelle und potenzielle Bilanzadres- saten verstanden werden. Die übermittelnden Informationen sollen nachvollziehbar, verlässlich und entscheidungsrelevant sein, weshalb bestimmte Bereiche der Rech- nungslegung gesetzlich normiert sind.1 Innerhalb der Rechnungslegung werden jedoch bilanzpolitische Spielräume gewährt, die es einem Entscheidungsträger ermöglichen, bestimmte finanz-, publizitäts- sowie individualpolitische Ziele zu erreichen.2 So kann bei Erstellung von Jahresabschlüssen davon ausgegangen werden, dass ein rationaler Entscheidungsträger stets die Bilanzierungsalternativen wählt, die seinen eigenen Nut- zen maximieren.3 Demnach können nach außen getragene Informationen zu Gunsten des Managements oder des Unternehmens verzerrt werden.4 Ein Anreiz zu solch einer Handlung könnte sich in einem erstmaligen Börsengang widerspiegeln.
Am 4. November 2011 ging der Online-Gutscheinanbieter Groupon Incorporated mit einem Unternehmenswert von ungefähr 13 Milliarden Dollar an die Börse und er- reichte durch den Verkauf von knapp fünf Prozent der Unternehmensanteile einen Emissionserlös von rund 700 Millionen Dollar bei einem Emissionskurs von 20 Dol- lar.5 Nur knapp sechs Monate später lag der Aktienkurs, aufgrund der Mitteilung von wesentlichen Schwächen bei der Beurteilung der Rückerstattungen und einer Neube- wertung der finanziellen Lage an die US-Börsenaufsichtsbehörde, unter drei Dollar. Bis heute konnte das Niveau des Emissionskurses nicht annähernd erreicht werden.6 Zu vermuten ist, dass ein opportunistisches Handeln des Managements mit Hilfe von Bilanzpolitik ursächlich für die Entwicklung war. Zumindest wurden die Gewinne vor dem Börsengang mit Hilfe der entwickelten Kennzahl adjusted consolidated segment operating income (CSOI) stark aufgebläht, was auf ein bilanzpolitisches Handeln hindeutet.7 Das Beispiel Groupon zeigt, dass Bilanzpolitik täuschende und manipula- tive Elemente enthält und sich das bilanzierende Unternehmen in einer Grauzone be- wegen kann.8 Hierbei sollte jedoch die Frage gestellt werden, ob eine solche Bilanz- politik betriebswirtschaftlich, vor allem auf lange Sicht, sinnvoll ist.
Das Auftreten und die Folgen von Bilanzpolitik im Rahmen von Wertpapieremissio- nen, speziell der Börsengang zur Ausgabe von Eigenkapitalinstrumenten, wurde in ei- ner Vielzahl von Studien untersucht. Die meisten empirischen Studien werden auf Grundlage einer US-amerikanischen Datenbasis erhoben. Aber auch vereinzelte Stu- dien aus Europa sowie Asien werden im weiteren Verlauf herangezogen. Vor allem durch die im Jahr 2017 neu erreichte Höchstzahl an weltweiten Börsengängen mit 1.624 Neuemittenten, seit 2007, sollte dieser Thematik verstärkt Beachtung entgegen- gebracht werden. So stieg die Zahl der Börsengänge im Vergleich zum Jahr 2016 sogar um 49 Prozent an.9 Ziel dieser Arbeit ist es folglich, nach einer grundlegenden Be- schreibung der Bilanzpolitik sowie der Börseneinführung, die wesentlichen Ergeb- nisse von empirischen Studien zur Thematik der Bilanzpolitik bei erstmaligen Wert- papieremissionen vorzustellen. So soll gezeigt werden, ob Bilanzpolitik betrieben wird, welche Motivationen bei Anwendung von Bilanzpolitik bestehen und wie die Entwicklung der Langzeitperformance von Unternehmen in den Jahren nach dem Bör- sengang ist.
1.2 Gang der Arbeit
Thema der vorliegenden Masterarbeit ist der Einsatz von Bilanzpolitik im Rahmen von Wertpapieremissionen. Kapitel 2 behandelt die Grundlagen zur Bilanzpolitik. Nach einer einführenden Definition und den Zielen der Bilanzpolitik, werden die bilanzpo- litischen Instrumente ausführlich vorgestellt. Des Weiteren werden Anreize zur An- wendung von Bilanzpolitik sowie Modelle vorgestellt, die innerhalb der empirischen Literatur zur Messung des bilanzpolitischen Einflusses entwickelt wurden.
Kapitel 3 der vorliegenden Arbeit beschäftigt sich mit dem Thema der Börseneinfüh- rung. Das Kapitel beginnt mit einer Definition sowie grundlegenden Motiven für und gegen eine Börseneinführung. Anschließend werden Börsenreifekriterien aufgezeigt, deren Wichtigkeit neben gesetzlichen Kriterien vor allem in wirtschaftlichen und or- ganisatorischen Anforderungen des Marktes zugenommen haben. Den Abschluss des dritten Kapitels bildet der Prozess der Börseneinführung. Hierbei wird kurz auf ein- zelne Schritte innerhalb des Prozesses eingegangen.
Im vierten Kapitel wird schließlich die empirische Literatur zur Thematik analysiert. Hierbei werden zu zwei aufgestellten Hypothesen einzelne Studien und deren Ergeb- nisse aufgezeigt und diskutiert. Zum einen werden Studien betrachtet, die bilanzpoli- tische Maßnahmen sowie deren Motivation vor einer Börseneinführung untersucht ha- ben. Zum anderen aber auch Studien, die die Langzeitperformance von Unternehmen analysiert haben, welche im Rahmen eines Börsengangs Bilanzpolitik betrieben haben. Ebenfalls werden nach Darstellung der Studien die Ergebnisse diskutiert sowie beste- hende Limitationen aufgezeigt, die bei der Beurteilung einzelner Forschungsergeb- nisse berücksichtigt werden sollten. Anschließend an das vierte Kapitel wird ein Fazit der dargestellten Arbeit gezogen.
2 Bilanzpolitik
2.1 Definition der Bilanzpolitik
In der Literatur werden mit dem Begriff Bilanzpolitik10 sowohl neutrale als auch ne- gative Werthaltungen assoziiert. Eine gängige deutsche Definition findet sich bei PFLEGER (1991) wieder, der Bilanzpolitik als „die bewußte und im Hinblick auf die Unternehmensziele zweckorientierte Beeinflussung des Jahresabschlusses im Rahmen des rechtlich Zulässigen“ darstellt.11 Unter der Beeinflussung kann das zielgerichtete Handeln und Gestalten des Managements, mit Hilfe der zur Verfügung stehenden In- strumenten12 innerhalb bestimmter Grenzen13 und unter Berücksichtigung der Persön- lichkeitsmerkmale des Managements, verstanden werden.14 Mittels dieser Maßnah- men sollen Informationsempfänger beeinflusst und zu Handlungen motiviert werden, die dem Bilanzersteller von Nutzen sind.15 Betrachtet man Definitionen im internatio- nalen Raum, so wird die Bilanzpolitik, gerade in der US-amerikanischen Literatur, vermehrt als negativ und opportunistisch dargestellt. In Anlehnung an WATTS/ZIM- MERMAN (1990) sprechen FIELDS u. a. (2001) von earnings management „ when ma- nagers excercise their discretion over the accounting numbers with or without restri- citions. Such discretion can be either firm value maximizing or opportunistic. “16 HEALY/WAHLEN (1999) definieren earnings management wie folgt: „ Earnings ma- nagement occurs when managers use judgment in financial reporting and in struc- turing transactions to alter financial reports to either mislead some stakeholders about the underlying economic performance of the company or to infiuence contractual out- comes that depend on reported accounting numbers.“17 Die beiden letztgenannten De- finitionen stellen die Bilanzpolitik als ein opportunistisches Instrument zur Irreführung von Stakeholdern dar, was einer, im Gegensatz zur deutschen Definition, betrügeri- schen Sichtweise nahekommt.
Grundsätzlich verdeutlichen die oben genannten Definitionen, dass Bilanzpolitik le- gale Handlungen innehält. Werden in Abgrenzung dazu aber rechtliche Vorschriften missachtet, spricht man von Bilanzfälschung oder Bilanzbetrug.18
2.2 Ziele und Zielkonflikte der Bilanzpolitik
Die Bilanzpolitik ist aufgrund der zweckorientierten Beeinflussung stets auf ein ange- strebtes Ziel ausgerichtet.19 Abgeleitet werden die Ziele der Bilanzpolitik von Unter- nehmenszielen sowie individuellen Zielen des Managements.20 Mit den in Kapitel 2.1 genannten Definitionen lassen sich die bilanzpolitischen Ziele in zwei Dimensionen aufteilen. Zum einen in finanzpolitische Zielsetzungen und zum anderen in publizi- tätspolitische Zielsetzungen.
Allgemein ist die Aufgabe der Finanzpolitik, die Zahlungsfähigkeit sicherzustellen und einen positiven Periodenerfolg zu generieren.21 Im Rahmen der finanzpolitischen Ziele können zudem alle möglichen Mittelabflüsse subsumiert werden. Hierunter fal- len neben der Beeinflussung der Ansprüche von Unternehmenseigentümer und der Geschäftsleitung, wie bspw. Dividendenausschüttungen, Tantiemen oder Bonuszah- lungen, auch die Beeinflussung von öffentlich-rechtlichen Ansprüchen wie Steuerzah- lungen.22 Als zentrale Ziele lassen sich vier Bereiche herauskristallisieren. Erstens die Sicherung von Kapital- und Substanzerhaltung durch gezielte Bewahrung der Ge- winne vor Ausschüttungen durch Bildung offener Rücklagen sowie das Verbuchen der Aufwendungen von verbrauchten Gütern zu Wiederbeschaffungskosten. Zweitens eine Gewinn- und Ausschüttungsregulierung durch den Versuch der Verstetigung des Ergebnisses mit Hilfe der Bildung und Auflösung von Rücklagen. Drittens die Pflege der Kreditwürdigkeit und Investorenattraktivität durch Darstellung einer guten Er- tragslage und langfristigen Ertragskraft sowie viertens eine Steuerlastminimierung durch die optimale Positionierung steuerpflichtiger Gewinne im Laufe der Zeit.23
Im Vergleich zur Finanzpolitik kann die Aufgabe der Publizitätspolitik allgemein als Aufbau und Erhaltung des Images eines Unternehmens verstanden werden.24 Insge- samt zielt die Publizitätspolitik darauf ab, „die aktuellen und potenziellen Koalitions- teilnehmer über den Stand und die Entwicklung der Unternehmung in Bezug auf ihre Wirtschaftskraft, Vermögens- und Kapitalstruktur, Liquidität, Rentabilität, Auftrags- höhe und ihre sozialen und ökologischen Leistungen zu informieren.“25 Innerhalb der publizitätspolitischen Ziele sind gemäß der Definition ökonomische als auch außer- ökonomische Aspekte von Bedeutung. Bei außerökonomischen Aspekten handelt es sich um eine Imagepflege durch soziale oder ökologische Handlungen. Soziale Hand- lungen definieren sich hierbei als gesundheitsverträgliche Arbeitsbedingungen, si- chere Arbeitsplätze oder auch zufriedenstellende Aus- und Weiterbildungsmöglich- keiten. Bei ökologischen Handlungen wird der Umgang mit knappen Ressourcen so- wie der Einsatz umweltverträglicher Fertigungstechniken bewertet. Diese außeröko- nomischen Aspekte werden mittels Sozial- und Umweltberichten im Lagebericht pu- bliziert.26 Unter der ökonomischen Berichterstattung wird die Darstellung der Vermö- gens-, Finanz- und Ertragslage sowie von wichtigen Kennzahlen verstanden. Entspre- chend werden Unternehmen innerhalb ihres Publizitätsspielraumes versuchen, alle ihr vorteilhaften Positionen mittels offensiver Publizitätspolitik zu verstärken und bestimmte andere Informationen durch eine defensive Publizitätspolitik zu verheimli- chen.27
Wie aus den Erläuterungen zu den finanzpolitischen und publizitätspolitischen Zielen ersichtlich, gibt es zahlreiche verschiedene Zielvorstellungen. Diese Zielvorstellungen gilt es hinsichtlich eines definierten Oberziels aufeinander abzustimmen. Jedoch kann es hierbei zu Konfliktsituationen kommen, wenn das Erreichen eines Zieles die Um- setzung anderer Ziele erschwert oder gänzlich ausschließt. Beispielsweise stellen der Ausweis eines möglichst hohen Jahresüberschusses bei gleichzeitiger Ertragssteuer- minimierung konfliktäre Ziele dar.28 Um derartige Konflikte und ein damit einherge- hendes unerwünschtes Bilanzbild sowie nachteilig beeinflusste Bilanzadressatenmei- nungen zu vermeiden, sollten konkurrierende Ziele früh analysiert und strategische Entscheidungen getroffen werden. Abhilfe hierfür kann zum einen eine Präferenzbil- dung der Ziele nach Wichtigkeit bzw. Dringlichkeit schaffen. Zum anderen kann über eine Durchschnittsbildung von konfliktären Zielen zumindest versucht werden, den Interessen der Bilanzadressaten jeweils zum Teil zu entsprechen.29
2.3 Bilanzpolitische Instrumente
In diesem Kapitelabschnitt geht es um die Verdeutlichung der bilanzpolitischen In- strumente. Bevor die reale und buchmäßige Bilanzpolitik näher erläutert werden, gibt die nachfolgende Abbildung einen anschaulichen Überblick über die bilanzpolitischen Instrumente.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Instrumente der Bilanzpolitik (in Anlehnung an: Wagenhofer, A./Ewert, R. (2015), S. 267)
Wie in Abbildung (Abb.) 1 dargestellt, kann innerhalb der bilanzpolitischen Instru- mente zwischen der realen und buchmäßigen Bilanzpolitik unterschieden werden. Während sich die reale Bilanzpolitik mit sachverhaltsgestaltenden Maßnahmen im Hinblick auf das Jahresergebnis beschäftigt, befasst sich die buchmäßige Bilanzpolitik mit sachverhaltsdarstellenden Maßnahmen bei der Abbildung von Jahres- und Kon- zernabschlüssen, unterteilt in materielle und formelle Bilanzpolitik.30 Im Vordergrund des Einsatzes bilanzpolitischer Instrumente steht immer eine bestimmte Zielsetzung. Von einer progressiven Bilanzpolitik wird dann gesprochen, wenn das Unternehmen eine möglichst positive wirtschaftliche Situation darstellen möchte. Umgekehrt findet der Begriff der konservativen Bilanzpolitik Verwendung.31
2.3.1 Reale Bilanzpolitik
Unter der realen Bilanzpolitik wird das Eingreifen auf unternehmerische Handlungen und Entscheidungen während des Geschäftsjahres verstanden. Ziel hierbei ist es, vor dem Bilanzstichtag eine bestimmte wirtschaftliche Situation durch das Gestalten von Sachverhalten, auch Window Dressing 32 genannt, zu erreichen und das zugrundelie- gende Mengengerüst zu beeinflussen.33 Während Sachverhaltsgestaltungen in Hoch- konjunkturzeiten meist zur Bildung stiller Reserven benutzt werden, dienen sie in Zei- ten von Rezession oder Depression der Kaschierung von Verlusten. Die Sachverhalts- gestaltungen der realen Bilanzpolitik lassen sich in die Kategorien der zeitlichen Vor- oder Nachlagerung von Geschäftsvorfällen sowie Handlungen, die nach dem Bilanz- stichtag umkehrbar bzw. nicht umkehrbar sind, einteilen.34
Bilanzpolitische Potenziale gibt es vor allem bei der zeitlichen Vor- oder Nachlage- rung von Geschäftsvorfällen, die ohnehin stattgefunden hätten. Als Beispiele können hier die Ertragsrealisierung durch Beeinflussen des Realisationszeitpunkts sowie das Anschaffen von Vermögensgegenständen mit Abschreibungspotenzial genannt wer- den. Des Weiteren kann das Jahresergebnis durch das Vor- oder Nachlagern von Aufwendungen für Marketingmaßnahmen, Forschung und Entwicklung sowie Wei- terbildungsmöglichkeiten für Mitarbeiter beeinflusst werden.35 Handlungen, die nach dem Bilanzstichtag nicht umkehrbar sind, zeigen sich bspw. bei der Einbringung von Anlagevermögen, wie Immobilien oder Produktionsanlagen gegen Geschäftsanteile in eine Beteiligungsgesellschaft, wodurch stille Reserven realisiert werden können.36 Umkehrbar bilanzpolitisch motivierte Handlungen zeigen sich in der Rückzahlung von Bankdarlehen vor dem Bilanzstichtag und die Wiederaufnahme im neuen Geschäfts- jahr, um eine Verbesserung der Eigenkapitalquote zu erreichen.37 All die innerhalb der realen Bilanzpolitik durchgeführten Maßnahmen haben in den Folgejahren gegenläu- fige Wirkungen und gehen zu Lasten oder zu Gunsten des Jahresergebnisses.38 Da aber Maßnahmen innerhalb der realen Bilanzpolitik nur schwer für den Bilanzleser erkenn- bar sind und auch im Gegensatz zur buchmäßigen Bilanzpolitik nicht dem Stetigkeits- gebot unterliegen, ist diese Art der Bilanzpolitik ein wichtiges Gestaltungsinstrument für Unternehmen.39
Als Beispiel für den Beweis der Existenz von realer Bilanzpolitik hat GUNNY (2010) in den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) zwischen den Jahren 1988 und 2002 eine Studie mit mehr als 4.028 Unternehmen durchgeführt.40 Ein Ziel dieser Studie war es herauszufinden, ob Unternehmen mittels ungewöhnlicher Änderungen in den Bereichen Forschung und Entwicklung, selling, general, and administrative expen- ses 41 , Fertigungskosten sowie dem Verkauf von Vermögensgegenständen versuchen, bestimmte Benchmarking-Ziele zu erreichen.42 GUNNY (2010) fand heraus, dass Un- ternehmen die ihr Benchmarking-Ziel, das letztjährige Jahresergebnis zu erreichen, reale bilanzpolitische Instrumente eingesetzt haben. Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen zum einen für die drei Variablen Forschung und Entwicklung, Vertriebs- und Verwaltungsgemeinkosten sowie Fertigungsgemeinkosten einen separaten signifikan- ten Zusammenhang mit dem Benchmarking-Ziel. Zum anderen zeigen alle vier be- trachteten Variablen im Verbund als gemeinsame Variable mit der Bezeichnung reale Bilanzpolitik, ebenfalls einen signifikanten Zusammenhang. Lediglich die Variable Verkauf von Vermögensgegenständen konnte separat betrachtet keinen signifikanten Zusammenhang aufweisen.43
2.3.2 Buchmäßige Bilanzpolitik
Im Rahmen der buchmäßigen Bilanzpolitik geht es um sachverhaltsdarstellende Maß- nahmen, die nach dem Bilanzstichtag bei der Aufstellung des Jahresabschlusses durch- geführt werden und von einem festliegenden Mengengerüst der einzelnen Posten aus- gehen müssen.44
Innerhalb der materiellen Bilanzpolitik geht es um die zielgerichtete Ausnutzung von Wahlrechten und Ermessensspielräumen bei Ansatz und Bewertung von Sachverhal- ten.45 Hierbei muss jedoch berücksichtigt werden, dass diese Maßnahmen durch die anzuwendenden Rechnungslegungsvorschriften begrenzt sind.46 Ein Wahlrecht exis- tiert dann, wenn dem Unternehmen bei der Bilanzierung eines Sachverhalts mehrere Möglichkeiten zur Wahl stehen. Dieses Wahlrecht kann zum einen gesetzlich festge- legt sein, zum anderen auch faktisch erfolgen, wenn die gesetzliche Regelung nicht ausreichend spezifiziert ist. Ein Ansatzwahlrecht wäre nach dem deutschen Handels- gesetzbuch (HGB) das Wahlrecht zur Aufnahme eines immateriellen Vermögensge- genstandes nach § 248 Abs. 2 HGB. Bezüglich eines Bewertungswahlrechtes kann der § 255 Abs. 2 HGB herangezogen werden, der dem Bilanzersteller ein Wahlrecht bei der Bewertung von Herstellungskosten bietet.47 In den International Financial Repor- ting Standards (IFRS) wäre als Ansatzwahlrecht die Neubewertungsmethode im Rah- men der Folgebewertung von Sachanlagen nach International Accounting Standards (IAS) 16.29 ff. zu nennen. Ein Bewertungswahlrecht stellt die fair value option bei Finanzinstrumenten nach IFRS 9.5.2.1 dar. Ermessensspielräume entstehen dann, wenn zwar explizite Regelungen durch die Rechnungslegung in Bezug auf Ansatz oder Bewertung von Vermögensgegenständen oder Schulden existieren, die dahinter ste- hende Methodik zur Bestimmung von Ansatz und Bewertung jedoch undefiniert bleibt.48 Beispielhaft hierfür können die Bemessung von außerplanmäßigen Abschreibungen bei Anlagegütern, die Bewertung von Rückstellungen sowie die Be- stimmung der Nutzungsdauern von Anlagevermögen genannt werden.49
Mittels formeller Bilanzpolitik versucht der Bilanzersteller die Gestaltung von Aus- weis, Struktur und Darstellung in Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung, Anhang so- wie Lagebericht durch bestimmte Wahlrechte zu beeinflussen. Diese Wahlrechte die- nen allein der Informationspolitik und sind ohne jeglichen Einfluss auf das Jahreser- gebnis.50 Die formelle Bilanzpolitik umfasst die Bereiche der Ausweis-, Gliederungs- sowie Erläuterungswahlrechte.51 Als besonders wichtige Darstellungsparameter wer- den die Ausweiswahlrechte im Jahresabschluss sowie die Erläuterungswahlrechte im Anhang und Lagebericht angesehen. Durch diese Wahlrechte kann sowohl der Um- fang als auch die Qualität der nach außen publizierten Informationen zieladäquat ge- steuert werden. Im Rahmen der Ausweiswahlrechte werden verschiedene Möglichkei- ten der Zusammenfassung und/oder weitergehenden Untergliederung bestimmter Po- sitionen in Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung, Kapitalflussrechnung sowie in der Eigenkapitalveränderungsrechnung verstanden. Diese Anpassungen können zwar ei- nen Einfluss auf die Höhe der Bilanzsumme haben, jedoch nicht auf das Ergebnis der Gewinn- und Verlustrechnung.52 Mithilfe der erläuterungsbezogenen Wahlrechte kann der Detailierungsgrad sowie die Darstellungsweise der Informationen im Anhang und Lagebericht bestimmt werden. Hierunter fallen z.B. Erläuterungen zu Änderungen von Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden sowie Erläuterungen zu nicht unerheblichen sonstigen Rückstellungen, die nicht gesondert ausgewiesen sind.53 Trotz der vielen verfügbaren Instrumente, um eine gezielte formelle Bilanzpolitik zu betreiben, zeigen jedoch die Erfahrungen, dass die Maßnahmen der formellen Bilanzpolitik denen der materiellen und realen Bilanzpolitik in deren Wirkung meist deutlich nachstehen.54
Im Vergleich zur realen Bilanzpolitik stellt die buchmäßige Bilanzpolitik trotz der ge- ringeren Wirkung aber oftmals die ansprechendere Variante für das bilanzierende Un- ternehmen dar. Gründe hierfür sind das bereits vorliegende Mengengerüst und der da- mit geringer verbundene Abstimmungs- und Umsetzungsaufwand.55
2.3.3 Auswahlkriterien des bilanzpolitischen Instrumentariums
Um die unternehmerischen Ziele zu erreichen, sollten die bilanzpolitischen Instru- mente nicht nur gekannt, sondern auch zielführend eingesetzt werden. Hierzu bedarf es einer Wirkungsanalyse der einzelnen Instrumente. Eine derartige Analyse ist umso wichtiger, je heterogener der Adressatenkreis und je schwieriger die Prognostizierbar- keit der wirtschaftlichen Entwicklung ist.56 In der Literatur gibt es eine Vielzahl von Kriterien als Beurteilungsmaßstab zum Einsatz von bilanzpolitischen Instrumenten. Nachfolgend wird, im Hinblick auf die Untersuchung einzelner Studien zum bilanz- politischen Einsatz bei Börsengängen sowie die Auswirkung auf die Langzeitperfor- mance, nur auf die Kriterien Erkennbarkeit, Wirtschaftlichkeit und Wirkungsdauer eingegangen.57
Ein wichtiges Kriterium bei der Beurteilung einer bilanzpolitischen Maßnahme stellt die Erkennbarkeit dar. Diese kann unterteilt werden in betragsmäßig erkennbare Maß- nahmen, tendenziell erkennbare Maßnahmen sowie nicht erkennbare Maßnahmen.58 Aus Sicht des Bilanzerstellers sollte das eingesetzte Instrument nicht durch den Ad- ressaten identifiziert werden, da dieser sonst z.B. eine versuchte Verschleierung der wirtschaftlichen Lage durchschaut und folglich negative Schlüsse ziehen könnte.59 Das Kriterium der Wirkungsdauer ist deshalb stets zu prüfen, weil sich der Einsatz eines Instrumentes zu einem späteren Zeitpunkt gegenläufig auswirken könnte und folglich auch eine Umkehrung der Gewinnwirkung möglich ist. Diese mögliche Um- kehrung führt zum letzten Kriterium, der Wirtschaftlichkeit bilanzpolitischer Maßnah- men. So sollte vor jedem Einsatz eines bilanzpolitischen Instrumentes eine ausführli- che Kosten-Nutzen Abwägung getroffen werden. Die Ausführlichkeit spiegelt sich hierbei nicht nur in den unmittelbar mit dem Nutzen in Verbindung gebrachten Aus- zahlungen und Aufwendungen wider, sondern vor allem in langzeitlichen Folgewir- kungen wie z.B. einem Reputationsverlust.60 Folglich können sich bereits bei Beurtei- lung einzelner Kriterien Grenzen aufgrund künftiger Wirkungen durch einen bilanz- politischen Einsatz aufzeigen, die im nachfolgenden Abschnitt durch die rechtlichen und faktischen Grenzen vervollständigt werden.
2.4 Grenzen der Bilanzpolitik
Unternehmen können bilanzpolitische Instrumente nicht uneingeschränkt nutzen, da die Bilanzpolitik rechtlichen und faktischen Grenzen unterliegt. Die rechtlichen Gren- zen ergeben sich aus dem zugrunde liegenden Normensystem. Je ausführlicher die Normen und je weniger Wahlrechte sowie Ermessensspielräume gewährt werden, desto geringer ist der Gestaltungsspielraum innerhalb der buchmäßigen Bilanzpoli- tik.61 Zudem muss innerhalb der buchmäßigen Bilanzpolitik dem Stetigkeitsprinzip gefolgt werden. Dieses Prinzip findet bei Bilanzierungsmethoden, Bewertungsmetho- den sowie Darstellung und Gliederung der Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung Anwendung. Das Stetigkeitsprinzip fordert eine Beibehaltung der Methoden und der Darstellung bzw. Gliederung im Zeitablauf ein und dient außerdem dem Zweck der Vergleichbarkeit von Jahresabschlüssen.62 Ein weiterer wichtiger Punkt ist die ver- mehrte Transparenz durch einen steigenden Umfang sowie Detailierungsgrad der An- hangangaben. So könnte es zu einer Unterlassung bilanzpolitischen Handelns auf- grund einer gezwungenen Veröffentlichung im Anhang kommen.63
Neben den rechtlichen Grenzen befassen sich die faktischen Grenzen mit der Abwä- gung von Kosten und Nutzen durch bilanzpolitische Handlungen sowie ethischen Grundsätzen. Innerhalb solch einer Abwägung ist eine bilanzpolitische Maßnahme nur dann von Vorteil, wenn der Nutzen größer ist als die Kosten. Kosten in diesem Sinne stellen zum einen die bilanziellen Folgewirkungen in späteren Perioden dar, zum an- deren aber auch einen möglichen Reputationsverlust des Unternehmens.64 Ethische Grundsätze spiegeln sich in den Werten Loyalität, Fairness, Ehrlichkeit und Offenheit gegenüber den Bilanzadressaten wider. Hierbei geht es darum, inwieweit auch das Ma- nagement deren Handlungen innerhalb einer Börseneinführung ethisch und moralisch vertreten können und was sie sich unter der Zielmaximierung vorstellen.65
2.5 Anreize zu Bilanzpolitik
Die Anreize von Unternehmen oder deren Management definieren die jeweiligen Ziele, die mittels Bilanzpolitik versucht werden zu verwirklichen.66 Hierbei gilt es, wie in Kapitel 2.2 gezeigt, eine sorgfältige Abwägung der Ziele nach Wichtigkeit und Dringlichkeit durchzuführen, da zwischen den einzelnen Anreizen ein hohes Konflikt- potential herrschen kann. DICHEV u. a. (2013) haben im Jahr 2011 eine Studie zum Thema Bilanzpolitik durchgeführt. Hierzu wurden 169 Chief Financial Officer (CFO) börsennotierter US-Unternehmen gefragt, ob Bilanzpolitik angewendet wird und wenn ja, welche Anreize dahinterstehen.67 Die Ergebnisse zeigen, dass nach Aussagen der CFOs ungefähr 20 Prozent der Unternehmen Bilanzpolitik betreiben. Davon werden rund 60 Prozent zu einer Ergebniserhöhung und 40 Prozent zu einer Ergebnisvermin- derung eingesetzt.68 Als Hauptanreizpunkte lassen sich die Beeinflussung des Aktien- preises, das Erreichen kritischer Benchmark-Werte, die Beeinflussung der Manage- mententlohnung sowie die Ergebnisglättung identifizieren.69 Nachfolgend werden ne- ben dem Benchmarking und der Ergebnisglättung auch die Erfolgsmaximierung und Erfolgsminimierung als Anreizmöglichkeiten dargestellt, da vor allem der Ausgabe- preis von Aktien sowie die Entlohnung des Managements auch von den zwei letztge- nannten Anreizen abhängt.
2.5.1 Erfolgsmaximierung und Erfolgsminimierung
Innerhalb der Beeinflussung des Unternehmenserfolgs wird zwischen einer Erfolgs- maximierung und -minimierung unterschieden. Der Anreiz einer Erfolgsmaximierung wird dann angestrebt, wenn das Unternehmen oder auch das Management möglichst gut dargestellt werden soll.70 Ein Grund hierfür kann ein Gang an die Börse sein, indem mittels progressiver Bilanzpolitik versucht wird, den ausgewiesenen Gewinn zu maxi- mieren, um einen möglichst hohen Ausgabepreis der Aktien zu erzielen.71 Weiterhin kann das Management von Bonusplänen zur einer Erfolgsmaximierung getrieben wer- den. Solche Bonuspläne können aus monetären Größen, wie der Entlohnung oder aus nicht-monetären Größen wie Sachleistungen, Arbeitsplatzsicherheit oder Reputation bestehen.72 Weitere Gründe für die Darstellung einer positiven wirtschaftlichen Lage können eine Kaufpreissteigerung bei möglichem Unternehmensverkauf, die Neuge- winnung von Anteilseignern oder auch die Verbesserung der Kreditwürdigkeit sein.73
Um dem Anreiz der Erfolgsmaximierung gerecht zu werden, sollten bspw. mittels ma- terieller Bilanzpolitik alle Aktivierungswahlrechte extensiv ausgenutzt werden, Rück- stellungsbildungen, sofern keine Passivierungspflicht besteht, unterlassen werden so- wie Gewinne ausgewiesen und nicht in Rücklagenkonten verbucht werden.74
Auch für den Fall erfolgsmindernder Anreize gibt es verschiedene Gründe. Ein be- kannter Grund ist hierbei das Ziel einer Steuerbelastungsminimierung.75 Ein weiterer Grund einer eher konservativen Bilanzpolitik stellen die Chancen auf Einführung von wettbewerbsbeschränkenden Maßnahmen wie Schutzzöllen dar. Diese Hypothese tes- tete JONES (1991) mit einem sehr kleinen Sample von 23 US-amerikanischen Unter- nehmen aus unterschiedlichen Branchen.76 Die Studie zeigt signifikante Ergebnisse, dass Unternehmen im Entscheidungsjahr über die Einführung von Wettbewerbsbe- schränkungen, mit Hilfe konservativer Bilanzpolitik ihre Gewinne verringert haben. Die vermeintlich schlechte Ergebnislage soll hierbei einen Wettbewerbsnachteil dar- stellen, welcher die Chance einer Einführung von wettbewerbsbeschränkenden Maß- nahmen für ausländische Unternehmen erhöhen soll.77 Mittel zur Ergebnisminimie- rung können das extensive Ausnutzen von Rückstellungsbildungen, Überführung von Gewinnen in Rücklagenkonten sowie die Aktivierung von Vermögensgegenständen zum niedrigsten Ansatz sein.78
2.5.2 Ergebnisglättung
Neben den Anreizen einer Ergebnismaximierung oder Ergebnisminimierung kann ebenfalls ein Anreiz zur Glättung des Ergebnisses (income smoothing oder earnings smoothing) bestehen. Nach BEIDLEMAN (1973) lässt sich die Ergebnisglättung als eine absichtliche Verringerung der Varianz des Jahresergebnisses auf eine beabsichtigte und normal eingestufte Ergebnisgröße definieren.79 Aus finanzpolitischer Sicht gehört z.B. die Dividendenglättung sowie die Steuerbarwertminimierung zu den Motiven der Ergebnisglättung. Aus publizitätsorientierter Sichtweise soll vor allem die Risiko- wahrnehmung der Eigen- und Fremdkapitalgeber beeinflusst werden.80 Mit Hilfe der Ergebnisglättung sollen insgesamt konstante oder konstant wachsende Gewinne erzielt werden.81
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Ergebnisglättung als Form der Bilanzpolitik (in Anlehnung an: Kaiser, S. (2013), S. 23)
Abb. 2 stellt die Ergebnisglättung mit den Zielen von konstanten sowie konstant wach- senden Gewinnen graphisch dar. Für die Erreichung der Ziele bilden Unternehmen in wirtschaftlich sehr erfolgreichen Jahren Rücklagen, um diese in wirtschaftlich schwa- chen Jahren als Kompensationsinstrument zu nutzen.82 Zielgrößen für eine Ergebnis- glättung können verschiedener Natur sein. Zum einen kann der eigene Vorjahresge- winn oder ein Gewinnwachstum angestrebt werden, zum anderen aber auch das bran- chendurchschnittliche Ergebnis oder der Gewinn des Branchenführers.83
Unternehmen oder auch das Management besitzen verschiedene Anreize eine Ergeb- nisglättung anzustreben. Ein Anreiz des Managements ist die Arbeitsplatzsicherung und das Ansehen, da ein schlecht ausgewiesenes Ergebnis den Druck und die damit verbundene Gefahr erhöht, den Arbeitsplatz sowie eine gute Reputation zu verlieren.84 Auch in Bezug auf die Budgetplanung und die damit einhergehenden Entscheidungen über Kapitalbeschaffungsmaßnahmen können konstante Gewinne von Vorteil sein. Je geringer die Volatilität der Gewinne, desto niedriger wird auch der Abzinsungssatz des Kapitalgebers für künftige Cashflows gewählt und umso geringer fallen die Kosten einer Fremdfinanzierung aus.85 Des Weiteren nimmt die Zufriedenheit von Anteilseig- nern durch stabile Gewinne zu, da konstante und teils höhere Ausschüttungsmöglich- keiten erreicht werden können. Zudem werden gleichbleibende Ausschüttungen posi- tiver als volatile Ausschüttungen angesehen, da ein geringeres Risiko der Aktie asso- ziiert wird.86 Mit konstanten Gewinnen kann ebenfalls die Steuerbelastung kontrolliert werden, was für Unternehmen ein wichtiges Motiv darstellt. Dies zeigt sich nach HEPWORTH (1953) vor allem bei progressiven Steuersätzen, der Änderung von Steu- ersätzen sowie dem Hinzufügen neuer Steuerarten.87
Nachfolgend werden drei Studien vorgestellt, die mittels einer empirischen Untersu- chung versucht haben, die Existenz der Ergebnisglättung zu beweisen. RONEN/SA- DAN (1975) haben in ihrer Studie 62 Unternehmen aus vier Branchen88 im Zeitraum von 1951 bis 1970 zum Thema der Ergebnisglättung untersucht.89 Mittels Regressions- und Korrelationsrechnungen wurde die Hypothese, ob eine Glättung des ordentlichen Gewinns90 durch den Ausweis außerordentlicher Erträge und Aufwendungen ange- strebt wird, getestet.91 Hierzu wurden jährliche Abweichungen des ordentlichen Ge- winns vom Normalgewinn92 sowie Abweichungen der außerordentlichen Posten von erwarteten Werten ermittelt.93 Die Ergebnisse verdeutlichen und bestätigen die Hypo- these, dass Unternehmen außerordentliche Posten überwiegend so ausweisen, dass Schwankungen des ordentlichen Gewinns über die Jahre hinweg geglättet werden.94
MYERS/SKINNER (1999) untersuchten die Korrelation der Änderung von accruals 95 mit der Änderung des Cashflows aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit, um Ergebnis- glättung zu messen.96 Hierzu analysierten sie Quartalsdaten von 399 US- amerikanischen Unternehmen, deren Ergebnis je Aktie in mindestens 17 Quartalen in Folge ab dem Jahr 1987 nicht gesunken ist.97 Die Ergebnisse zeigen, im Vergleich zu einer Kontrollgruppe mit ähnlichem Gewinnwachstum, einen stark negativ signifikan- ten Zusammenhang von Periodenabgrenzungen und Cashflows und bestätigen somit den Einsatz von Ergebnisglättung zur Beibehaltung und Steigerung des Ergebnisses je Aktie.98
[...]
1 Vgl. Freidank, C-C./Velte, P. (2013), S. 4 – 6.
2 Vgl. Freidank, C-C./Velte, P. (2013), S. 849.
3 Vgl. Watts, R. L./Zimmerman, J. L. (1990), S. 147; Watts, R. L./Zimmerman, J. L. (1978), S. 113.
4 Vgl. Wagenhofer, A./Ewert, R. (2015), S. 324.
5 Vgl. Securities and Exchange Comission (2011).
6 Vgl. Scott, W. R. (2015), S. 458; NASDAQ (2018).
7 Vgl. Securities and Exchange Comission (2011), S. 8. CSOI ist keine US-GAAP konforme Bilanzierungsmetrik, mit deren Hilfe der ausgewiesene Gewinn eines Unternehmens erhöht werden kann. Dies geschieht z.B. durch nicht Berücksichtigung von Marketing- und Unterneh- menstransaktionskosten. Vgl. Securities and Exchange Comission (2011), S. 34.
8 Vgl. Baetge, J./Ballwieser, W. (1978), S. 512.
9 Vgl. EY (2017), S. 1 f.
10 Der Begriff Bilanzpolitik wird im deutschsprachigen Schrifttum synonym für Jahresabschluss- politik, Bilanzmanagement oder auch Rechnungslegungspolitik verwendet. Im englischspra- chigen entspricht Bilanzpolitik annähernd dem Begriff earnings management. Vgl. Wagen- hofer, A./Ewert, R. (2015), S. 265; Detert, K. (2008), S. 46 f.
11 Pfleger, G. (1991), S. 21.
12 Vgl. Kapitel 2.3 Bilanzpolitische Instrumente.
13 Vgl. Kapitel 2.4 Grenzen der Bilanzpolitik.
14 Vgl. Obermann, M-O. (2011), S. 11 f.
15 Vgl. Coenenberg, A. G. u.a. (2016), S. 1005; Wagenhofer, A./Ewert, R. (2015), S. 265.
16 Fields, T. D. u. a. (2001), S. 260.
17 Healy, P. M./Wahlen, J. M. (1999), S. 368.
18 Vgl. Wagenhofer, A./Ewert, R. (2015), S. 266.
19 Vgl. Heinhold, M. (1984a), S. 388.
20 Vgl. Schmidt, F. (1979), S. 9 f.
21 Vgl. Bieg, H. u. a. (2012), S. 264.
22 Vgl. Schmidt, F. (1979), S. 9 f; Küting, K./Weber, C-P. (2015), S. 34 f.
23 Vgl. Freidank, C-C./Velte, P. (2013), S. 850 – 853; Lachnit, L./Müller, S. (2017), S. 74.
24 Vgl. Vgl. Bieg, H. u. a. (2012), S. 264.
25 Freidank, C-C./Velte, P. (2013), S. 853. (im Original zum Teil fett gedruckt)
26 Vgl. Wöhe, G. u. a. (2016), S.745 – 747.
27 Vgl. Schmidt, F. (1979), S. 14 f; Vgl. Freidank, C-C./Velte, P. (2013), S. 854 f.
28 Vgl. Freidank, C-C./Velte, P. (2013), S. 856 f.
29 Vgl. Küting, K./Weber, C-P. (2015), S. 37. Für weitere Lösungsansätze zur Vermeidung von Zielkonflikten vgl. Küting, K./Weber, C-P. (2015), S. 37 f; Zdrowomyslaw, N. (2001), S. 610 f.
30 Vgl. Wagenhofer, A./Ewert, R. (2015), S. 267 f; Ising, P. (2013), S. 14.
31 Vgl. Lachnit, L./Müller, S. (2017), S. 100; Brösel, G. (2017), S. 90.
32 Das Window Dressing „ist die Metapher einer Wandöffnung mit einem an sich unschönen Ein- blick, die durch verzierende Gardinen ein freundlicheres Bild vermittelt. Wesentlich ist, daß die Gardine den Blick auf sich zieht, ohne Bestandteil des Tatsächlichen zu sein, um dessen Einblick es geht.“, so Selchert, F. W. (1996), S. 1933.
33 Vgl. Coenenberg, A. G. u.a. (2016), S. 1009 f; Küting, K. (2008), Rn. 2130.
34 Vgl. Küting, K. (2008), Rn. 2131 – 2135.
35 Vgl. Fink, C. u. a. (2010), S. 10; Berens, W./Hoffjan, A. (1999), S. 1992.
36 Vgl. Von Wysocki, K. (1982), S. 49.
37 Vgl. Heinhold, (1984b), S. 450; Knebel, A./Schmidt, A (2009), S. 432.
38 Vgl. Wagenhofer, A./Ewert, R. (2015), S. 269.
39 Vgl. Jäckel, A./Poppe, H. (2000), S. 93; Küting, K. (2008), Rn. 2130.
40 Vgl. Gunny, K. A. (2010), S. 862. Gunny (2010) hat für die vier untersuchten Variablen zur Messung von realer Bilanzpolitik jeweils eine andere Anzahl an Unternehmen herangezogen.
41 Diese Art der Kosten können in Deutschland annähernd als Vertriebs- und Verwaltungsge- meinkosten beschrieben werden und werden in der fortlaufenden Arbeit auch als solche be- zeichnet.
42 Vgl. Gunny, K. A. (2010), S. 859 f.
43 Vgl. Gunny, K. A. (2010), S. 872. Bezüglich der Methodik zur Messung von realer Bilanzpo- litik vgl. Kapitel 2.6.2 Messung realer Bilanzpolitik.
44 Vgl. Wöhe, G./Döring, U. (1997), S. 60.
45 Vgl. Wagenhofer, A./Ewert, R. (2015), S. 270.
46 Vgl. Detert, K./Sellhorn, T. (2007), S. 250.
47 Vgl. Fink, C./Reuther, F. (2010), S. 10; Küting, K./Weber, C-P. (2015), S. 40 f; Wagenhofer, A./Ewert, R. (2015), S. 270.
48 Vgl. Siegel, T. (1986), S. 419; Fink, C./Reuther, F. (2010), 10.
49 Vgl. Lachnit, L./Müller, (2017), S. 84.
50 Vgl. Fink, C./Reuther, F. (2010), S. 8; Küting, K./Weber, C-P. (2015), S. 41.
51 Vgl. Lachnit, L./Müller, (2017), S. 81.
52 Vgl. Fink, C./Reuther, F. (2010), S. 8, Vgl. Freidank, C-C./Velte, P. (2013), S. 864.
53 Vgl. Lachnit, L./Müller, (2017), S. 82.
54 Vgl. Fink, C./Reuther, F. (2010), S. 9.
55 Vgl. Fink, C./Reuther, F. (2010), S. 10 f.
56 Vgl. Küting, K. (2008), Rn. 2163.
57 Für weitere Kriterien vgl. Eiselt, A./Müller, S. (2011), S. 25 f; Brösel, G. (2017), S. 94 – 96; Küting, K. (2008), Rn. 2164 – 2170.
58 Vgl. Hinz, M. (1994), S. 144 f.
59 Vgl. Küting, K. (2008), Rn. 2164.
60 Vgl. Küting, K. (2008), Rn. 2165; Brösel, G. (2017), S. 95 f.
61 Vgl. Coenenberg, A. G. u.a. (2016), S. 1015; Brösel, G. (2017), S. 87.
62 Vgl. Freidank, C-C./Velte, P. (2013), S. 615 – 617; Wagenhofer, A./Ewert, R. (2015), S. 270.
63 Vgl. Coenenberg, A. G. u.a. (2016), S. 1016.
64 Vgl. Detert, K./Sellhorn, T. (2007), S. 251.
65 Vgl. Clemm, H. (1998), S. 1233 f.
66 Vgl. Wagenhofer, A./Ewert, R. (2015), S. 272.
67 Vgl. Dichev, I. D. u. a. (2013), S. 4.
68 Vgl. Dichev, I. D. u. a. (2013), S. 24 f.
69 Vgl. Dichev, I. D. u. a. (2013), S. 26 f.
70 Vgl. Wagenhofer, A./Ewert, R. (2015), S. 272.
71 Vgl. Wagenhofer, A./Ewert, R. (2015), S. 289. Bezüglich der Bilanzpolitik bei einem erstma- ligen Börsengang findet eine ausführliche Analyse in Kapitel 4 statt.
72 Vgl. Jensen, M. C./Meckling, W. H. (1976), S. 312.
73 Vgl. Brösel, G. (2017), S. 90; Von Schorlemer, G./Posluschny, P. (2001), S. 18 f.
74 Vgl. Von Schorlemer, G./Posluschny, P. (2001), S. 19 f; Zdrowomyslaw, N. (2001), S. 628.
75 Vgl. Von Schorlemer, G./Posluschny, P. (2001), S. 12; Wagenhofer, A./Ewert, R. (2015), S. 273.
76 Vgl. Jones, J. J. (1991), S. 200 und 206.
77 Vgl. Jones, J. J. (1991), S. 193 f.
78 Vgl. Von Schorlemer, G./Posluschny, P. (2001), S. 18; Zdrowomyslaw, N. (2001), S. 628.
79 Vgl. Beidleman, C. R. (1973), S. 653.
80 Vgl. Kaiser, S. (2013), S. 355.
81 Vgl. Schmidt, F. (1979), S. 58.
82 Vgl. Brösel, G. (2017), S. 91.
83 Vgl. Schmidt, F. (1979), S. 63 f.
84 Vgl. Scott, W. R. (2015), S. 447.
85 Vgl. Beidleman, C. R. (1973), S. 653 f; Pfleger, G. (1991), S. 29.
86 Vgl. Schmidt, F. (1979), S. 60 f; Pfleger, G. (1991), S. 28; Heintges, S. (2005), S. 206.
87 Vgl. Hepworth, S. R. (1953), S. 33.
88 Die vier Branchen bestehen aus der Papier-, Chemie-, Gummi- und Luftfahrtbranche. Vgl. Ro- nen, J./Sadan, S. (1975), S. 138.
89 Vgl. Ronen, J./Sadan, S. (1975), S. 136 und 138.
90 Der ordentliche Gewinn ist die Bereinigung des Reingewinns von als außerordentlich qualifi- zierten Erfolgsbestandteilen. Vgl. Ronen, J./Sadan, S. (1975), S. 135.
91 Vgl. Ronen, J./Sadan, S. (1975), S. 135.
92 Der Normalgewinn wurde auf zwei Weisen ermittelt, als Schätzwert mittels eines Makroin- dexmodell sowie als linearer Trendwert des ordentlichen Gewinns.
93 Vgl. Ronen, J./Sadan, S. (1975), S. 136 f.
94 Vgl. Ronen, J./Sadan, S. (1975), S. 139 – 141.
95 Der englische Begriff accrual ist dem deutschen Terminus Periodenabgrenzungen gleichzu- setzen und wird in fortlaufender Arbeit auch mit der deutschen Bezeichnung fortgeführt. Vgl. Wagenhofer, A./Ewert, R. (2015), S. 280.
96 Vgl. Myers, L. A./Skinner, D. J. (1999), S. 5. Skaliert werden die Periodenabgrenzungen und Cashflows aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit mit dem Buchwert sämtlicher Aktiva. Zur Berücksichtigung saisonaler Schwankungen, beziehen sich die Änderungen der Periodenabgrenzungen und Cashflows auf Abweichungen gegenüber dem Vorjahresquartal. Vgl. Myers, L. A./Skinner, D. J. (1999), S. 23.
97 Vgl. Myers, L. A./Skinner, D. J. (1999), S. 9 f.
98 Vgl. Myers, L. A./Skinner, D. J. (1999), S. 5 und 23.
- Citar trabajo
- Jens Zink (Autor), 2019, Bilanzpolitik im Rahmen von Wertpapieremissionen. Ein Überblick über die empirische Literatur, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/506852
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