Diese Arbeit untersucht die Ursachen und Folgend der Revolution in Bayern 1918/19. Um die Revolution und den Sturz der Monarchie in Bayern durch einen nur etwa 5000 Personen schwachen Kreis um den USPD-Vorsitzenden Kurt Eisner durchleuchten zu können, ist die Auseinandersetzung mit vorauslaufenden Entwicklungen essentiell. Bemerkenswert ist hierbei die Absetzung Ludwigs III. ohne Gewalt oder Blutvergießen.
Die Vorkriegszeit des Ersten Weltkriegs offenbart einen enormen Autoritätsverlust der bayrischen Krone seit Ludwig dem II. Zudem fand eine über 60-Jahre anhaltende Periode des Liberalismus im bayrischen Ministerium ihr Ende in der Ernennung des betont königstreuen Katholiken Georg Graf von Hertling zum leitenden Minister des Landes. Dessen Schein-Parlamentarisierung trug zusammen mit dem bestehenden Dreiklassenwahlrecht zur Legitimationskrise der Krone als Inhaber der Staatsgewalt bei. Lange vor 1914 entstanden durch einen Wandel innerhalb der Gesellschaftsstrukturen Bayerns tiefgreifende soziale und politische Diskrepanzen.
Selbst dem überwiegend agrarischen Bayern (mehr als 50 Prozent der Bevölkerung war in der Landwirtschaft tätig) stellte die Industrialisierung neuartige soziale Fragen. Die Bedeutung dieser Entwicklungen kann am Aufstieg der Massenparteien wie der Zentrumspartei und speziell am Reformdruck seitens der SPD gemessen werden. Unter diesen Eindrücken ist das Auseinanderdividieren gesellschaftlicher Gruppen weg von einem an die Monarchie angelehnten Grundkonsens nachvollziehbar. Die Monarchie hatte es versäumt, sich selbst diesem Wandel "von unten" her anzupassen. Auch deshalb richtete sich die Wut nach der Kriegsniederlage −verstärkt durch die von Erich Ludendorf initiierte Dolchstoßlegende− gegen die Monarchie.
Die Revolution von 1918/1919 in Bayern Ursachen, Verlauf und Folgen
Diese Arbeit versucht, ausgehend von einer detaillierten Ursachendarstellung aus, den Fokus auf die Revolution in Bayern 1918/1919 mit der Person Kurt Eisners zu richten. Anschließend werden die zentralen Folgen hervorgehoben.
Um die Revolution von 1918/1919 und den Sturz der Monarchie in Bayern durch einen nur etwa 5.000 Personen schwachen Kreis um den USPD-Vorsitzenden Kurt Eisner durchleuchten zu können, ist die Auseinandersetzung mit vorauslaufenden Entwicklungen essentiell. Bemerkenswert ist hierbei die Absetzung Ludwigs III. ohne Gewalt oder Blutvergießen.
Die Vorkriegszeit des Ersten Weltkriegs offenbart einen enormen Autoritätsverlust der bayrischen Krone seit Ludwig dem II. Zudem fand eine über 60-Jahre anhaltende Periode des Liberalismus im bayrischen Ministerium ihr Ende in der Ernennung des betont königstreuen Katholiken Georg Graf von Hertling zum leitenden Minister des Landes.1 Dessen Schein-Parlamentarisierung trug zusammen mit dem bestehenden Dreiklassenwahlrecht zur Legitimationskrise der Krone als Inhaber der Staatsgewalt bei. Lange vor 1914 entstanden durch einen Wandel innerhalb der Gesellschaftsstrukturen Bayerns tiefgreifende soziale und politische Diskrepanzen. Selbst dem überwiegend agrarischen Bayern (mehr als 50 Prozent der Bevölkerung war in der Landwirtschaft tätig)2 stellte die Industrialisierung neuartige soziale Fragen. Die Bedeutung dieser Entwicklungen kann am Aufstieg der Massenparteien wie der Zentrumspartei3 und speziell am Reformdruck seitens der SPD gemessen werden.4 5 Unter diesen Eindrücken ist das Auseinanderdividieren gesellschaftlicher Gruppen weg von einem an die Monarchie angelehnten Grundkonsens nachvollziehbar.6 Die Monarchie hatte es versäumt, sich selbst diesem Wandel „von unten“ her anzupassen. Auch deshalb richtete sich die Wut nach der Kriegsniederlage -verstärkt durch die von Erich Ludendorf initiierte Dolchstoßlegende- gegen die Monarchie.7
Diese inneren Spannungen wurden seit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 durch die Burgfriedenspolitik in den beiden ersten Kriegsjahren nur überdeckt, jedoch nicht gelöst.8 Die enorm verschlechterten Lebensbedienungen an der Heimatfront gingen einher mit dem Weichen der Augusteuphorie von 1914 der Kriegsmüdigkeit und gesteigerter Friedenssehnsucht nach der Entwicklung hin zum „totalen“ Großen Krieg.9 Vor allem im süddeutschen Raum entstand Abneigung gegen Preußen. Dies ist auf zwei Gründe zurückzuführen: einerseits wurde in Bayern die Fortführung des Krieges nur zu Gunsten der überwiegend im preußischen Norddeutschland ansässigen Industriezentren verstanden. Andererseits führte die schwache Interessensvertretung Bayerns auf Reichsebene und der Einfluss der Obersten Heeresleitung zur -keinesfalls aus der Luft gegriffenen- Vorstellung von einer zunehmenden verschleierten Militärdiktatur während des Kriegsverlaufs.10 Der von der OHL erzwungene Rücktritt des Reichskanzlers von Bethmann Hollwegs im Juni 1917 dient hier als anschaulicher Indikator.11 In Bayern wurde dies noch durch die Verfassung verstärkt, die den Oberbefehlt auch für die bayrischen Truppen auf den Kaiser übertrug. Die genannten Ressentiments und der Autoritätsverlust erreichten darüber hinaus durch das Versagen der preußischen Reichsführung und des als Marionette geltenden Ludwigs III., die Versorgungslage während des Krieges zu verbessern, eine neue Stufe.12
Die Oktoberrevolution vom 25.10.1917 durch die Bolschewiki in Russland hatte für Deutschland eine Signalwirkung. Revolutionsideologien, frei von Überlegungen über nötige konstitutionelle Formen, mit dem Grundpfeiler der Abschaffung der Monarchie erhielten dadurch erstmals eine legitime Wirkung. Da bereits wenige Wochen nach der russischen Revolution im Dezember Friedensverhandlungen vom russischen Volksdeputiertenkongress ausgingen, konnte sich wohl ihr Vorbildcharakter für die zunehmende Forderung nach sofortigem Frieden im Deutsche Reich etablieren. Diese Entwicklung wird in der Forderung des bayrischen Staatsministers Otto von Dandl deutlich. Öffentlich verlangte er im Bundesrat am 25.10.1918 die Abdankung Kaiser Wilhelm II.13
Auf den von der Polizei im Juni 1916 gewaltsam niedergeschlagenen Hungerkrawall am Münchner Marienplatz folgte, laut dem preußischen Minister des Inneren Wilhelm Drews, der erste politischen Massenstreik im Januar 1918.14 Um mehr politische Mitspracherechte zu erringen und ihrem Ruf als „Vaterlandslose“ entgegenzuwirken, hatte die Sozialdemokratische Partei Deutschlands der Billigung von Kriegskrediten zugestimmt. Auf Grund von innerparteilichen Differenzen bezüglich der Burgfriedenspolitik und der Kriegszielfrage15 spaltete sich ein Kreis um Karl Liebknecht dann 1917 als Unabhängige Sozialdemokratische Partei von der SPD bzw. ab 1917 von der Mehrheitssozialdemokratische Partei ab.16 Gegen Ende Januar 1917 riefen USPD und der linksrevolutionäre Spartakusbund zur Arbeitsniederlegung auf. Beflügelt von der Oktoberrevolution, der Verschlechterung der Lebens- und Arbeitsbedingungen und desillusioniert von der militärischen Entwicklung nach der Kriegserklärung an die USA und dem Separatfrieden von Brest-Litowsk folgten Millionen Arbeiter im Reich. Die erstmals gegründeten Arbeiterräte forderten gemäß dem Selbstbestimmungsrecht der Völker nach Lenin bzw. vielmehr nach Wilson einen sofortigen Frieden ohne Annexionen und zudem die Demokratisierung aller Staatseinrichtungen. Zwar wurden die streikenden Betriebe unter militärische Leitung gestellt, dennoch wird diese Revolutionierung der wilhelminischen Gesellschaft als Generalprobe für die Novemberrevolution angesehen.17
Diese Ursachenerläuterung erklärt das Fehlen einer organisierten Gruppe, die im Falle eines Putsches oder einer Revolution bereit gewesen wäre, für die Monarchie zu kämpfen. Auch die Situation der Krone wird deutlich: ihren Glanz und das Engagement ihrer Träger weitgehend verloren, war sie nicht in der Lage ihr Gewaltmonopol, das sie faktisch noch innehatte, durchzusetzen.
Die chronologische Darstellung des Revolutionsverlaufs setzt in dieser Arbeit am 5. November 1918 ein. Wohl in Unkenntnis über den Kieler Aufstand, hatte in der Nacht ein kleiner Kreis um den USPD- Vorsitzenden Eisner bereits Staatsstreichpläne besprochen. Am Abend des 5. November, angetrieben von den Vorkommnissen in Kiel versprach Eisner auf einer Kundgebung nahe der Bavaria-Statue in München den baldigen Umsturz.18 Seit seiner Entlassung aus der Haft aufgrund der Beteiligung am Januarstreik radikalisierte sich Eisners Überzeugung von der Kriegsniederlage, die er mit der Bankrotterklärung für Staat und Monarchie gleichsetzte.19 Als eine Friedenskundgebung am 7. November 1918 von Gewerkschaften, staatsloyaler und auf demokratische Reformen abzielender MSPD unter Erhard Auer und USPD auf der Theresienwiese stattfinden sollte, vertraute Innenminister Bettreich auf eine friedliche Demonstration, gestützt auf die Vorstellung der Mehrheit der Sozialdemokraten, lediglich ein Zeichen des Friedens an die Reichsregierung richten zu wollen.20
Zu den etwa 50.000 anwesenden Arbeitern, Soldaten, Studenten, aus Kiel angereisten Matrosen21 und weiteren Besuchern des derzeit statt findenden Oktoberfests sprachen sowohl Auer als auch Eisner. Während des geplanten Rückmarschs zum Friedensengel, folgten 2.000 der Demonstranten dem Ruf Eisners nach Umsturz.22 An den revolutionären Zug schlossen sich die im Münchner Norden stationierten Truppen ohne Zwischenfälle an.23 Dies offenbart die inzwischen schwache Wittelsbachertreue des bayrischen Militärs. Somit war in München neben besetzten öffentlichen Gebäuden auch die letzte Bastion königlicher Herrschaft in Form der Kasernen gefallen. Nach der erfolgten Bildung von provisorischen Arbeiter- und Soldatenräten im Mathäserbräu am Münchner Karlsplatz,24 setzte sich der Zug um Eisner und Ludwig Gansdorfer, Bruder des radikalen Vorsitzenden des Bayrischen Bauernbundes (BB), zum Sitz des Landtages in der Prannenstraße fort. Am Abend des 7. November proklamierte hier Eisner die erfolgreiche Revolution und den Freistaat Bayern.25
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1 Peter Claus Hartmann, Bayerns Weg in die Gegenwart. Vom Stammesherzogtum zum Freistaat heute, Regensburg 2012, S. 453.
2 O/Z Karl Bosl, Es gärte schon seit 1890: Die Wurzeln des Umbruchs, in: Friedrich Weckerlein (Hg.), Freistaat! Die Anfänge des demokratischen Bayern 1918/1919, München 1994, S. 69.
3 Hartmann, Bayerns Weg in die Gegenwart, S. 442f.
4 H Andreas Kraus, Geschichte Bayerns. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, München3 2004, S. 599.
5 Bosl, Es gärte schon seit 1890, S. 72.
6 Bosl, Es gärte schon seit 1890, S. 69-72.
7 C Volker Ulrich, Die Revolution von 1918/1919, München 2009, S. 24.
8 Ulrich, Die Revolution von 1918/1919, S. 12-19.
9 Ulrich, Die Revolution von 1918/1919, S. 14f.
10 Hartmann, Bayerns Weg in die Gegenwart, S. 455f.
11 Ulrich, Die Revolution von 1918/1919, S. 21.
12 Hartmann, Bayerns Weg in die Gegenwart, S. 458f.
13 Kraus, Geschichte Bayerns, S. 620.
14 Ulrich, Die Revolution von 1918/1919, S. 16.
15 Kraus, Geschichte Bayerns, S. 624-618.
16 Dieter Albrecht, Von der Reichsgründung bis zum Ende des Ersten Weltkrieges (1871-1918), in: Alois Schmid (Hg.), Handbuch der bayerischen Geschichte. Das neue Bayern. Von 1800 bis zur Gegenwart. IV/I, München2 2003, S. 432.
17 Ulrich, Die Revolution von 1918/1919, S. 16.
18 Allan Mitchel, Revolution in Bayern 1918/1919. Die Eisner-Regierung und die Räterepublik, München 1967, S.77.
19 Bosl, Es gärte schon seit 1890, S. 48.
20 Kraus, Geschichte Bayerns, S. 623.
21 Hartmann, Bayerns Weg in die Gegenwart, S. 468.
22 Wolfgang Zorn, Bayerns Geschichte im 20. Jahrhundert. Von der Monarchie zum Bundesland, München 1986, S. 126.
23 Kraus, Geschichte Bayerns, S. 624.
24 Mitchell, Revolution in Bayern 1981/1919, S. 86f.
25 Hartmann, Bayerns Weg in die Gegenwart, S. 468.
- Citation du texte
- Michael Prestele (Auteur), 2015, Die Revolution von 1918/19 in Bayern, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/506838
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