Ich möchte in dieser Arbeit anhand der Untersuchung der 5 Wahlreformen von 1987 bis 1996, die immer im Konsens zwischen Regierung und Opposition beschlossen wurden (wohlgemerkt unter verschiedenen Ausgangslagen), zeigen, daß es ohne die daraus entstandene Öffnung des Wahl - und Parteiensystems nie zu so einer politisch-institutionellen Transformation in Mexiko, primär was die Wahlergebnisse von 1997 und 2000 angeht, hätte kommen können. Aufbauend auf einer Einführung in die Transformationstheorie möchte ich eine chronologische Analyse der Wahlreformen vornehmen, die meiner Meinung den wesentlichen Eckpfeiler für die Demokratisierung bilden.
Inhaltsverzeichnis
A. Einführung
B. Hauptteil
1. Die Transformations-Theorie
2. Der Ablauf der mexikanischen Wahlen vor 1988
3. Der Beginn spürbarer Reformen
4. Die Wahlrechtsreformen von 1990 und 1993/94
5. Exkurs: Veränderungen auf der zivilgesellschaftlichen Ebene
6. Die Reform 1996: Das IFE und die Wahlen vom 6.7.97
7. Veränderungen im Senat 1988-2000
8. Der endgültige Wendepunkt am 2.7.2000
C. Zusammenfassung / Persönliche Bewertungen
Hat Mexiko die Phase der politischen Transformation vollständig abgeschlossen?
D. Anhang
1. Bibliographie
2. Bildnachweise
A. Einführung
Bereits seit seinem Bestehen vereinte das politische System Mexikos1 einige demokratische Elemente auf sich, wie zum Beispiel die seit 1936 alle sechs Jahre abgehaltenen Präsidentenwahlen, einen Senat, in dem alle 31 Staaten durch zwei Abgeordnete vertreten waren und ein für drei Jahre gewähltes Parlament. Neben diesem Wahlsystem bestand jedoch eine Regierung, die weder föderalistisch noch besonders demokratisch ausgerichtet war.
Die Wahlen selbst waren von marginaler Bedeutung, die nur zur Legitimation des Einparteiensystems herangezogen wurde, als dass sie demokratischen Regeln folgten. Wahlbetrug war in dem von der PRI dominierten Wahlsystem an der Tagesordnung, ohne daß es von größerer Bedeutung für Proteste der Wähler gewesen wäre. Lange Zeit hielten sich diese autokratischen Strukturen. Waren noch bis 1994 alle Reformen und die Öffnung des politischen Systems sehr langsam und zäh vorangegangen, kam es unter Präsident Zedillo erstmals zu entscheidenden Neuerungen im Wahlrecht. Dass er ebenfalls den von Colosio (der eigentliche Präsidentschaftskandidat 1994, der während seines Wahlkampfes ermordet wurde2 ) angekündigten Weg der Reformen einschlagen wolle, hatte er bereits vor seiner Wahl angekündigt, und schon kurz nach seiner Wahl bekräftigte er dies durch die Aussage, dass er der letzte Präsident Mexikos sei, der von seinem Vorgänger durch Fingerzeig ernannt wurde. Doch welche Notwendigkeiten und Zwänge haben dazu geführt, dass die Staatspartei PRI ihre Macht nach und nach aus den Händen gab, obwohl der z.B. der Druck aus der eigenen Bevölkerung über Jahrzehnte nicht übermäßig war?
Ich möchte in dieser Arbeit anhand der Untersuchung der 5 Wahlreformen von 1987 bis 1996, die immer im Konsens zwischen Regierung und Opposition beschlossen wurden (wohlgemerkt unter verschiedenen Ausgangslagen), zeigen, daß es ohne die daraus entstandene Öffnung des Wahl – und Parteiensystems nie zu so einer politisch-institutionellen Transformation in Mexiko, primär was die Wahlergebnisse von 1997 und 2000 angeht, hätte kommen können. Aufbauend auf einer Einführung in die Transformationstheorie möchte ich eine chronologische Analyse der Wahlreformen vornehmen, die meiner Meinung den wesentlichen Eckpfeiler für die Demokratisierung bilden. Als Aufhänger gebe ich einen Einblick in die Gegebenheiten vor 1988, die ja zugleich die Ursache für den aufkommenden Reformdruck darstellten. Es soll aber in den weiteren Abschnitten deutlich werden, daß es sich in Mexiko um einen gemäßigten Prozeß handelte, deren wegweisende Bedeutung erst in der Reform von 1996 gesehen darf. Das kann man aber nicht isoliert von den vorherigen
politischen Entscheidungen betrachten, weil man dann den Gedankengang weder bei der PRI,
noch bei der Opposition noch bei der Bevölkerung (das Verhalten der Bürger soll in einem kurzen Exkurs, der die Situation von 1994 aufgreift, beschrieben werden) wirklich nachvollziehen könnte. Trotzdem ist die vorerst letzte Wahlreform vom November 1996 der Kulminationspunkt dieser Analyse. Hierbei möchte ich die größeren ökonomischen Einflüsse, die in der politischen Entwicklung Mexikos seit Anfang er 80er Jahre des Öfteren zum Tragen gekommen sind, außer Betracht lassen, denn mir scheint dies zu einer zu komplizierten Vermengung verschiedener Ursachen für Reformzwänge zu führen. Eine kurze Abgrenzung dazu erfolgt im 1.Abschnitt.3 Abschließend soll eine Betrachtung der historischen Wahlen von 2000 unter Verwendung zuvor erarbeiteter Ergebnisse mit dem Ziel erfolgen, zu klären, ob und wo sich Mexiko im Transformationsprozess befindet und welchen Einfluß darauf die untersuchten Wahlrechtsreformen hatten. Ausgehend von den Unterhauswahlen von 2003 möchte ich dann noch einen kurzen Blick in die Zukunft werfen, unter der Fragestellung, ob die Wahl 2000 zu einer Restrukturierung der politischen Elite geführt hat.4
Die Literatur, das ich hierfür primär verwende, setzt sich aus einer Vielzahl von Aufsätzen der deutschen Lateinamerikaforschung zusammen, die mir einen guten Überblick über die politischen Entwicklungen seit den 80er Jahren zugeben scheinen. Speziell die Analyse der 200er Wahlen baut hier drauf auf. Für eine detaillierte Betrachtung der Wahlreformen greife ich vor allem auf die Arbeiten von Horcasitas und Weldon im Sammelband Mixed-Member Electoral Systems, Dominguez`s Aufsatz im Sammelband Toward Mexico`s Democratization, die die Entwicklung bis 1997 betrachten, und die Bücher Democratizing Mexico sowie Mexican Politics, mit einer Darstellung bis 1994, zurück. Darüber hinaus gibt die Homepage der mexikanischen Bundeswahlbehörde Instituto Federal Electoral (IFE) einen umfassenden Einblick in das aktuelle Wahlsystem und ihre damit verbundenen Aufgaben.
B. Hauptteil
1. Die Transformations-Theorie
Der Begriff der Transformation ist in der Literatur u.a. als Beschreibung des Vorganges des Überganges von einem Autoritärem Regime zu einer Demokratie gebräuchlich, d.h., man versteht darunter den Übergang von einem nationalen politischen System zu einem anderen.
Dieser neue Systemtyp impliziert grundlegend andere Normen zur Verteilung vorrangig
politischer Macht. Die Entwicklungsrichtung wird anhand dessen nicht angeben. Dafür
könnte man notwendigerweise den Begriff der Demokratisierung verwenden. Dies macht
im vorlegenden Fall durchaus Sinn. Historisch-konkret kann man unter Systemwechsel oder eben Transformation die demokratischen Transitionen fassen, die man unter der Entwicklung der Vorgänge in Lateinamerika, Afrika und Asien für das letzte Viertel des 20. Jh. versteht5, die Huntington als dritte Welle der Demokratisierung6 angeführt hat. Die Transformation ist demnach vollzogen, wenn die Institution einer repräsentativen Demokratie in einem Politischen System in freien Wahlen und pluralistischem Parteienwettbewerb geschaffen worden sind, so zumindest definiert es Dahl.7
Die Transformation ist somit als ein Prozeß von Kompromissen, gesteuert zwischen alten und
neuen politischen Eliten, anzusehen, die durch das Einbrechen des alten autoritären Regimes und deren Auffangen durch neue Eliten aus den Reihen der demokratischen Opposition stattfinden.8 Grundsätzlich verschiedenen sind dagegen die ökonomischen, politischen und sozialen Ausgangssituationen dieser Transformationsprozesse. Deshalb umfasst der Systemwechsel in Lateinamerika und Südeuropa im Kern nur die politisch-institutionelle Ebene.9 In Lateinamerika wiederum bestand die Transformation auf der politisch-institutionellen Ebene vorrangig in der Notwendigkeit, einen Wechsel in der Entwicklungsstrategie vor zu nehmen. Darüber hinaus bestand und besteht eine weitere Ebene in diesen Ländern in der Reform des Staates, seines Verhältnisses zur Gesellschaft, in der Überwindung pre-moderner Strukturen und Verhaltensschemata von Klientelismus und Paternalismus, wie sie bislang selten in Betracht gezogen worden sind.10
Die im Zuge eines Systemwechsels stattfindenden Transformationsprozesse spielen sich also auf mehreren Ebenen ab. Aus bereits angesprochenen Gründen findet die Transformation im Fallbeispiel auf der institutionellen Ebene statt. D.h., es geht also um die Herausbildung der zentralen staatlichen Organe. Es müssen mehrere Bedingungen erfüllt sein, damit man von einer erfolgreichen Transformation der politischer Institutionen eines Staates sprechen kann. Diese sind laut Friedbert Rüb dann erfüllt, wenn „konkurrierende kollektive Akteure ihre Normen und Interessen innerhalb institutionalisierter Regeln durchsetzen versuchen, der Ausgang der politischen Konkurrenz unsicher ist und alle verbindlichen Entscheidungen der politischen Repräsentanten vor den Staatsbürgern und der Öffentlichkeit zu verantworten sind.“11
Man kann das ganze sicherlich auch weniger abstrakt fassen, wenn man einfach den kleinsten
gemeinsamen institutionellen Nenner für eine demokratische Entwicklung aufzählt:
Gleiches Wahlrecht, regelmäßige demokratische Wahlen, Kontrolle der Abgeordneten, Meinungsfreiheit, Informationsfreiheit, Gewaltmonopol des Staates und judikative Kontrolle der Wahrung institutionalisierten Rechte.12
Es bieten sich dabei 3 Wege an, die Demokratisierung voranzutreiben: Entweder indem man bereits existierende Institutionen demokratisiert oder diese auf bisher nicht erfaßte Bereiche ausdehnt oder sogar politische Institutionen neu gründet (wie für den Fall Mexikos zu zeigen sein wird). Viel Beachtung bei diesen langfristigen Vorgängen muß auch den institutionellen Wahlentscheidungen der Politischen Akteure zwischen stärkerem parlamentarischem System einerseits, d.h. der Ausprägung des Parteisystems, und dem präsidentiellerem System
andererseits, d.h. der Ausprägung des Wahlsystems gesehen geschenkt werden. Hier liegt das
Kernelement in der vorgenommenen Untersuchung für die Konsolidierung des Demokratisierungsprozesses.13
Dieses Entwicklungen sind in den folgenden Abschnitten für die konkreten Vorgänge in
Mexiko unter die Lupe zu nehmen, um feststellen zu können, ob die erfolgten Reformen des Wahlrechts die politische Liberalisierung vorangetrieben haben, denn „ Politische Systeme dienen der Herstellung allgemein verbindlicher Entscheidungen einer Gesellschaft im Hinblick auf öffentliche Problemstellungen durch bestimmte Institutionen und Verfahren. Sie sind [...] politisch-revolutionär (so war es in Mexiko) entstanden und damit endogen veränderbar, sofern ihre Legitimationsbasis nicht mehr ausreicht.“14
Diese Grundlagen bilden den theoretischen Unterbau für die zu untersuchende Wirkung der Wahlreformen von 1986 bis 1996 auf den politischen Transformationsprozess in Mexiko.
2. Der Ablauf der mexikanischen Wahlen vor 1988
„The PRI commits fraud, not only to reverse unfavorable results, but when they [really] win as well. Why? To be able to show absolute dominance, and also to continue the internal competition within the PRI hierarchyWinning a larger share of the vote than one`s rival [in the PRI] determines the pecking order. “15
So kann man wohl am besten beschreiben, wie sich die Regierungspartei funktionierende Wahlen in Mexiko vorstellte, bevor sie wirklich zu weit reichenden Zugeständnissen gezwungen war. Man kann deshalb aber nicht sagen, daß es in Mexiko vor 1988 keine politischen Reformen gegeben hätte, allerdings ließ das autoritäre Regime der PRI diese nur in dem Maße zu, in dem sie dessen absolute Machtposition im Staat nicht zu bedrohen vermochten. Es ging schlicht und einfach darum, die Opposition ruhig zu stellen und nicht darum, eine politische Öffnung hin zu mehr Demokratie voranzutreiben. Die Wahlen gerieten dadurch gleichzeitig immer mehr zu einer Farce. Zwischen 1961 und 2000 gab es in Mexiko 13 Kongreßwahlen, die unter 8 verschiedenen Wahlrechten durchgeführt worden sind. Speziell läßt sich eine Fluktuation für den zu betrachtenden Zeitraum zwischen 1988 und 1997 ausweisen, aber das hängt auch mit der schon bis 1985 zunehmenden politischen Öffnung zusammen. 1961 gewann die PRI 172 der 178 Sitze im Abgeordnetenhaus und der PAN (Partei der Nationalen Aktion), die zu der Zeit einzig nennenswerte Oppositionspartei, war wieder einmal kurz davor, bei den nächsten Wahlen nicht mehr anzutreten. Um den kleinsten gemeinsamen Nenner bzgl. demokratischer Wahlen wahren zu können, das war
[...]
1 gemeint ist die Einführung der neuen republikanischen Verfassung 1917
2 vergleiche Nohlen, Lexikon Dritte Welt, S.518 und exakter Dominguez, Democratizing Mexico, S.177,182-184
3 für eine genauere Betrachtung der Unterschiede vgl. Merkel, Wolfgang: Systemtransformation, Opladen 1999
4 die Aussage von Bizberg bildet dafür die Basis. Vgl. Bizberg, Ilán: Transition or Restructuring of Society?
5 vgl. Nohlen, Kleines Lexikon der Politik, S.507
6 Es handelte sich um den gezielten Übergang vom Autoritarismus zur legitimierten Demokratie.
Vgl. Huntington, S.P.: The Third Wave. Democratization in the Late Twentieth Century, Oklahoma City 1991
7 vgl. Dahl, R.A.: Polyarchie. Participation and Opposition, New Haven 1971
8 vgl. Beyme, K. von: Systemwechsel in Osteuropa, Frankfurt/Main 1994
9 vgl. Woyke, Handwörterbuch Internationale Politik, S.398
10 vgl. Nohlen, Kleines Lexikon der Politik, S.508
11 zitiert in: Rüb, Friedbert W.: Die Herausbildung politischer Institution in Demokratisierungsprozessen, in: Merkel, Wolfgang (Hrsg.): Systemwechsel 1. Theorien, Ansätze und Konzeptionen, Opladen 1994, S.113
12 vgl. Woyke, Handwörterbuch Internationale Politik, S.399-400
13 Nohlen, D./Kasapovic, M.: Wahlsysteme und Systemwechsel in Osteuropa, Opladen 1996 (Es handelt sich hier um mit in Lateinamerika vergleichbaren Vorgängen.)
14 zit. in: Woyke, Handwörterbuch Internationale Politik, S.397
15 Roland Cordero zit. in: Cornelius, Wayne A.: Liberalization in an Authoritarian Regime, in: Gentlemen, Judith (Hrsg.): Mexican Politics in Transition, Boulder 1987, S.30
- Quote paper
- Ivo Jarowinsky (Author), 2005, Die Bedeutung der Wahlrechtsreformen 1986-1996 für den politischen Transformationsprozess in Mexiko, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/50643
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