Wie müssen Lehrkräfte sein? Welche Kompetenzen und Eigenschaften benötigen sie, damit sie in ihrer Sache "gut" sind? Bedingt durch die Unabänderlichkeit des bereits etablierten technischen Fortschritts, dessen immer größer werdende Macht zur Einflussnahme auf nationale wie internationale Gesellschaftsstrukturen, sowie die weiter zu erwartende Fortentwicklung globaler Kommunikations- und Informationssysteme, scheint der Forschung ein immanenter Auftrag gegeben zu sein, so viel wie möglich über die Gestaltungvoraussetzungen eines modernen und zukunftsfähigen Bildungswesens herauszufinden.
In Bezug auf die daran bereits heute beteiligten und die noch auszubildenden Lehrkräfte soll diese Arbeit einen Ermittlungsbeitrag dazu leisten zu bestimmen, ob und wie sich bei Studienanfängern vorhandene pädagogische Vorerfahrungen auf ihre Motivationslage für die doch recht lange Lehramtsausbildung und die Ausübung des Lehrberufs an sich auswirken. Hierzu wird eine an der Universität Passau mit Erstsemestern für das Grundschullehramt durchgeführte empirische Studie herangezogen und auf die für die Beantwortung der Forschungsfrage relevante Variablen hin untersucht. Zudem soll ein Überblick über verschiedene Theorien zur Berufswahl von Lehrerinnen und Lehrern gegeben werden, um diese nach einer Analyse der Stichprobe im darauffolgenden Ergebnisteil miteinander in Bezug setzen und einer anschließenden Diskussion beizustellen.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Berufswahltheorien
1.2.1 Hollands grundlegendes Interessenmodell
1.2.2 Gottfredsons „Landkarte der Berufswelt"
1.2.3 Berufsfindungsprozesse aus soziologischer Sicht
1.2.4 FIT Choice: Richardson & Watts Berufswahltheorie für Lehrkrafte
1.3 Forschungsstand: Wer es kennt, will es auch konnen?
1.4 Forschungsfrage
2 Methode
2.1 Forschungsdesign
2.2 Stichprobe
2.3 Erhebungsinstrument
2.4 Analyse (Auswertung) der gewonnenen Daten
3 Ergebnisse
4 Diskussion
5 Literaturverzeichnis
6 Anhang
1 Einleitung
„So suche man sich tiichtige Dorfschullehrer, (...) deren Umgang ein bildender und erziehenderfiir die Bauern ist, die den Bauer der alten Zeitzu einem Bauer der neuen Zeit im besten Sinne des Wortes machen, indem sie einen geistig geweckten, fieifigen und strebsamen Bauer aus ihm bilden helfen. So verstehe ich die Aufgabe, die H. W. Riehlmitden Worten bezeichnet: »der Dorfschullehrersolle den Bauersmann in seiner historischen Erscheinung und Mannigfaltigkeit verwirklichen helfem1 - ohne diese Aufgabe náherzu erórtern. Eine Erórterung, und zwar eine solche, diegerade mit der Sprache herausgeht, thut aber noth, und die Pddagogik mufi die socialen Fragen aufnehmen, wenn sie die sittlichen Kráfte des Lebens in ihre Gewalt bekommen will, gleichwie auch die Politik mehr und mehr eine sociale werden mufi, wenn die Wirren der Gesellschaft den Staat nicht verschlingen sollen." (Grube, 1852, S. 331)
Wie müssen Lehrkráfte sein? Welche Kompetenzen und Eigenschaften benótigen sie, damit sie in ihrer Sache „gut" sind? Gut für ihre Schülerinnen und Schüler, für deren Lernerfolge und ihre sich daraus ergebenden Chancen für eine berufliche Zukunft, die sie erfüllt und einen eigenstándigen und zufriedenstellenden Lebensunterhalt ermoglicht? Gut für ihr eigenes professionelles Selbstbewusstsein ais Lehrende mit dem Gefühl, in ihrem Beruf etwas zu leisten und wertvoll zu sein? Und nicht zuletzt: Gut für die Gesellschaft, in der wir miteinander auch perspektivisch in Wohlstand und Frieden leben wollen? Bei genauem Lesen des Eingangszitats und unter Austausch des Wortes „Bauer" durch - zum Beispiel - „Kinder und Jugendliche", „Schülerinnen und Schüler" oder „Heranwachsende" erscheint es offensichtlich, dass jene Fragen eben nicht erst in unserer Zeit bedeutsam wurden, sondern bereits im Jahre 1852 die pádagogische Wissenschaft prágten2. Zu einer Zeit, in der der Begriff „Bildungspolitik" noch gar nicht existierte; ganz zu schweigen davon, Bildung als Gestaltungsaufgabe von Staat und Gesellschaft wahrzunehmen. Als erste bildungspolitische Kraft ohne religiósen Hintergrund brachte sich schliefélich das Militar in Position, welches das „Interesse des (preuféischen) Staates an einer schreib-, lese- und rechenkundigen Beamten-, Offiziers- und Soldatenschaft" (Schmid & Klenk, 2018) weckte. Es erwuchs daraus die Erwartung, dass „eine staatlich gewáhrte Volksbildung produktive Kráfte freisetzen (...) und soziale Unruhen verhindern werde" (ebd.) - oder einfacher gesagt: eine grundlegende Bildung die Wirtschaft und zugleich den gesellschaftlichen Zusammenhalt stárken kónnte. Diese Annahme und logische Gedankenfolge kann aus heutiger Sicht als Geburtsstunde, beziehungsweise Begründung staatlicher Bildungspolitik angesehen werden. Nach der Erstveroffentlichung von Grubes Feststellungen vergingen jedoch noch zwei Dekaden, bevor das Kónigreich PreuKen der bis dato zustándigen Geistlichkeit die Verantwortung für die Schulinspektion entzog (Jakobi, 2013), um sie mittels Schaffung und Inkraftsetzung eines Schulaufsichtsgesetzes zum ersten Mai im deutsch-historischen Kontext selbst in die Hand zu nehmen und einer staatlichen Aufsicht zu unterstellen. Diese Zustándigkeit ist im Wesentlichen bis dato unverándert: Bildung wird als „offentliches Gut" definiert und steht als solches unter der Aufsicht des Staates3, wobei die konkrete Ausgestaltung durch die Bundeslánder übernommen wird (Hepp, 2013). So persistent zumindest die Frage nach der Zustándigkeit für das Bildungswesen bald über eine Zeitspanne von zwei Jahrhunderten beantwortet wird, desto weniger lassen sich zufriedenstellende Antworten innerhalb der Ausgangsproblematik Anden: Welche Lehrkráfte werden (zu welchem Zweck) gebraucht, was müssen diese kónnen, in welchem Matee sollten sie anders, und auf welchen Gebieten besser sein ais früher? Indes haben die einstigen „Wirren der Gesellschaft" nichts von ihrer Sorge erweckenden Bedrohlichkeit eingebütet: Obwohl in trügerisch harmloser wirkende Bezeichnungen umgetauft wirken sie heute als „digitaler Veránderungsprozess" (Initiative D21, 2017) und „durch die Globalisierung beschleunigter Wandel" (Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg, 2003) auf das menschliche Zusammenleben ein, bis hin zu einer bereits spürbaren transformation der sozialen Ordnung" (Wagner & Stempfhuber, 2015). Ein von Behábigkeit und der Unfáhigkeit zur Anpassung geprágtes Bildungssystem kónnte ursáchlich für das Eintreten der beschriebenen Entwicklung sein, oder zumindest einen mehr als geringen Anted daran haben. Bedingt durch die Unabánderlichkeit des bereits etablierten technischen Fortschritts, dessen immer gróteer werdende Macht zur Einflussnahme auf nationale wie internationale Gesedschaftsstrukturen, so wie die weiter zu erwartende Fortentwicklung globaler Kommunikations- und Informationssysteme, scheint der Forschung ein immanenter Auftrag gegeben zu sein, so viel wie móglich über die Gestaltungvoraussetzungen eines modernen und zukunftsfáhigen Bildungswesens herauszufinden. In Bezug auf die daran bereits heute beteiligten und die noch auszubildenden Lehrkráfte sod diese Arbeit einen Ermittlungsbeitrag dazu leisten zu bestimmen, ob und wie sich bei Studienanfángern vorhandene pádagogische Vorerfahrungen auf ihre Motivationslage für die doch recht lange Lehramtsausbildung und die Ausübung des Lehrberufs an sich auswirken. Hierzu wird eine an der Universitát Passau mit Erstsemestern für das Grundschullehramt durchgeführte empirische Studie herangezogen und auf die für die Beantwortung der Forschungsfrage relevante Variablen hin untersucht. Zudem soil ein Überblick über verschiedene Theorien zur Berufswahl von Lehrerinnen und Lehrern gegeben werden, um diese nach einer Analyse der Stichprobe im darauffolgenden Ergebnisteil miteinander in Bezug setzen und einer anschlieteenden Diskussion beizustellen.
1.1 Problemstellung
Angesichts der einleitend beschriebenen, laufend grower werdenden Leistungsansprüche an das staatliche Bildungswesen, ausgelost weniger durch neue fachliche Inhalte als durch rasant auftretende und in ihrer Wirkung tiefgreifende gesellschaftliche, soziale und informationstechnische Entwicklungen, wird auch immer mehr besonders gut ausgebildetes Lehrpersonal benotigt. Dieses soll sich durch ein hohes Mate an Belastungsfahigkeit, Ausdauer, Innovationsfreude, Flexibilitat und Motivation auszeichnen, um den arbeitsintensiven und zum Teil psychisch belastenden Alltagsroutinen des Lehrbetriebes standhalten zu konnen. Darüber hinaus ist bei Lehrkraften eine standige Bereitschaft zur Professionalisierung und beruflichen Weiterbildung von Noten. Viele Studienbeginnende sind über die Intensitat des von ihnen geforderten Leistungspensums im akademischen Teil ihrer Ausbildung überrascht, was eine hohe Quote von Studienabbrüchen zur Folge hat:
„Etwa ein Viertel der Studienabbrechergibt das Studium bereits vor Ende des zweiten, ein weiteres Fünftel vor Erreichen des vierten Hochschulsemesters auf. Unter den frühen Abbrechern spielen unzureichende Studienmotivation aufgrund etwa falscher Erwartungen an das Studium und nachlassenden Fachinteresses, aber auch Leistungsprobleme aufgrund etwa zu hoher Studienanforderungen und Zweifel an der personlichen Eignung eine besonders grofte Rolle." (HIS Hochschul-Informations- System 3/2006, zitiert nach Seibert, 2008, S. 9)
Auch bei der Bewaltigung der vorgeschriebenen Praxisanteile machen sich bei Lehramtsstudierenden nicht selten Überforderungssymptome bemerkbar. Von allen der am Lehrerbildungssystem Beteiligten wird so ein hoher Preis gezahlt: Studierende verlieren viel Zeit auf ihrem Weg in das Berufsleben und erleben herbe Enttauschungen; Hochschulen und andere padagogische Ausbildungseinrichtungen investieren Ressourcen, die nicht zu dem eigentlich gewünschten Output frischer Lehrkrafte führen. Stattdessen gehen Ausbildungskapazitaten verloren, die moglicherweise besser geeigneten Bewerberinnen und Bewerbern zur Verfügung gestellt hatten werden konnen. Ausgehend von diesen Umstanden konnte es ein Desiderat der Lehrerbildungsforschung sein zu erfahren, welche Personlichkeitsmerkmale der an einer Lehramtsausbildung Interessierten am ehesten zu einem Erfolg im Studium, aber auch bei der spateren Ausübung eines Lehrberufs beitragen konnen, vielleicht sogar Erfolgspradikatoren für eine Tatigkeit in diesem anspruchsvollen und für die Zukunft der Gesellschaft auteerordentlich bedeutsamen Berufsfeld sind. Bei der Studienplatzvergabe obligatorisch von den Bewerberinnen und Bewerbern zu durchlaufende Verfahren zur Auswahl und Eignungsfeststellung finden innerhalb des deutschen Hochschulsystems bislang jedoch nur vereinzelt Anwendung, da sie nicht unumstritten sind und in mancher Anschauung als noch zu unausgereift befunden werden (Magdefrau, 2008). Sie führt als kritisches Argument neben einigen Gesichtspunkten ins Feld, das durch keines der bisher bekannten Verfahren eine valide Vorhersage für einen spateren Erfolgs im Lehrberuf ermoglicht werde - obwohl genau darin doch eines der Hauptanliegen bei der Durchführung von Tauglichkeitsprüfungen bestehen sollte. Darüber hinaus konne „keine ethisch vertretbare Fehlerquote angegeben werden, mit der Geeignete abgewiesen werden" (ebd.). Wahrend über die sich in noch in ihrer Entwicklung befindlichen Eignungsfeststellungsverfahren für den Lehrberuf diskutiert wird, stehen doch bereits einige „Bordmittel" aus dem Bereich der Psychologie des Lehrens und Lernens und aus der Motivationspsychologie zur Verfügung, durch deren Anwendung bei der Personlichkeitsanalyse von Interessierten für einen Lehrberuf zumindest Indizien für einen moglichen Erfolg oder Misserfolg innerhalb der von ihnen favorisierten Berufslaufbahn ermittelt werden konnen. In dieser Arbeit richtet sich das Augenmerk vor allem auf die sogenannten „intrinsischen Berufswahlmotive" von Studierenden, bezogen auf und in Verbindung mit der Summe padagogischer Vorerfahrungen, die sie zu Beginn ihres Studiums bereits mitbringen. Nicht ohne Grund ist ein dem chinesischen Philosophen Konfuzius zugeschriebener Ausspruch zum Themenkomplex Berufswahl überaus bekannt:
„Wahle einen Beruf, den du liebst, und du brauchst keinen Tag in deinem Leben mehr zu arbeiten." (Grafe & Konfuzius, 2009)
Würde für dieses geflügelte Wort eine wissenschaftliche Entsprechung gesucht, so ware eine mehr als zweistellige Zahl geeigneter Anknüpfungspunkte in der Forschungsarbeit von Watt & Richardson (2007) und der von ihnen entwickelten „FIT Choice Skala" zu finden. Für diese inzwischen weltweit angewandte Berufswahltheorie definierten sie eine erweiterte Liste von Einflussfaktoren auf die Berufswahlentscheidung angehender Lehrerinnen und Lehrer, deren Details im Abschnitt 1.2.4 FIT Choice: Richardsons & Watts Berufswahltheorie für Lehrkrafte dargelegt werden, und wo die Exegese der Forschungsmethodik ausreichend Raum erhalt. Indes muss man kein komplexes Untersuchungsmodell zu Rate ziehen, um die Motivation der australischen Wissenschaftler dafür zu erkennen, mehr über die Entscheidungsprozesse bei der Berufswahl von Lehrkraften herauszufinden. Weltweit ist zu beobachten wie es immer schwieriger wird, junge Menschen für das Erlernen eines Lehrberufs zu begeistern und zu gewinnen. Zudem muss das System der Lehrerbildung auf die sich immer schneller verandernde, digitalisierte Welt und die damit einhergehenden gesellschaftlichen Umbrüche reagieren. Um das zu konnen, braucht es genaue Erkenntnisse darüber, was ein an die neuen Herausforderungen angepasstes Bildungswesen im Zentrum globaler Einflüsse „konnen muss“ - und vor allem: welche Lehrpersonlichkeiten mit welchen Kompetenzen, mit welchen
Eigenschaften und mit welcher Motivationsgrundlage bei den zu bewaltigenden Aufgaben die gróftten Aussichten auf Erfolg haben.
1.2 Berufswahltheorien
Warum tun Lehrerinnen und Lehrer, was sie tun? Weil das Lehren und die Gestaltung von Unterricht ihr Beruf ist, oder sogar Berufung? Und warum entscheiden sich Abiturienten und Abiturientinnen direkt im Anschluss an mindestens zwólf Schuljahre fur die Aufnahme eines Lehramtsstudiums? Was muss überhaupt gelehrt und von den Schülerinnen und Schülern zu welchem Zweck eingeübt werden, und wer kann die für notwendig befundenen Inhalte am besten vermitteln? Zur Mitte des 19. Jahrhunderts bestand die Herausforderung darin, genügend Lehrpersonal für die Arbeit in nicht beheizten Schulháusern zu erwármen, das auch über genügend Ausdauer in der Erziehung verrohter Bauernburschen verfügte. Ais ein Jahrhundert spáter die kórperliche Züchtigung in den Schulordnungen aller deutschen Bundeslánder den Pádagogen als Erziehungsinstrument endlich entzogen wurde (genauer: im Jahre 1972, vgl. Rexing, 2016), wurden parallel die ersten Theorien zur Berufswahl entwickelt, die auch auf Lehrkráfte bezogen werden konnten.
1.2.1 Hollands grundlegendes Interessenmodell
Vielleicht hatten sich deutsche Bildungsforscher bis zur Abschaffung des „Züchtigungsrechts der Pádagogen" nicht getraut, ihre Ideen und Theorien dazu zu veroffentlichen, was einen guten Lehrkraft ausmacht - und wer sich aus welchen Gründen überhaupt für den einen - oder einen anderen Beruf entscheidet. Denn es war ein US-amerikanischer Psychologe und Soziologie-Professor, der um etwa die gleiche Zeit 1977 erstmals eine fundierte Berufswahltheorie veróffentlichte, an der John L. Holland allerdings schon fast zwei Jahrzehnte lang gearbeitet hatte und dabei das R-I-A-S-E-C Interessenmodell entwickelte (Nauta, 2009). Der Titel steht als Akronym für die von Holland definierten sechs grundlegenden menschlichen Persónlichkeitsmerkmale:
-Realistische Orientierung, die sich in aktiver bis aggressiver Form iiberwiegend bei Mdnnern zeigt, und die besonderes Interesse an praktische Handlungen und Aufgaben zeigen.
-Investigative Orientierung zeigt sich bei Menschen, die Probleme zunachst auf inteüektueüer Ebene zu losen versuchen, und Zusammennhange verstehen mochten.
- Artistische Orientierung4 ist bei künstlerisch ambitionierten Personen zu beobachten, die sich mit Hilfe kiinstlerischer Mittel gerne selbst ausdriicken und denen grobmotorische Tatigkeiten missfaUen. Sie wirkten oft feminin und seien emotional empfindlicher iiblich.
-Sozial Orientierte Charaktere fiihlen sich sozial verantwortlich und benótigen ebenso viel soziale Interaktion. Oft verfiigen sie iiber aufterst gut ausgebildete sprachliche Fahigkeiten.
-Enterprising Orientierung - aus dieser Grundhaltung heraus entwickeln sich Führungspersónlichkeiten vor allem mit wirtschaftlich-okonomischen Interessen, die sich dank ihrer Ausdrucksstarke und Fahigkeiten in der Kommunikation gerne auch Konkurrenzsituationen stellen.
-Conventional Orientierung, die klassische und bemiiht normenkonforme Verhaltensweise von Menschen, die Konflikten lieber aus dem Weg gehen und geniigsam die an sie herangetragenen Aufgaben erledigen, auch um unklare Situationen zu vermeiden und eventuell psychisch belastende Probleme gar nicht erst aufkommen zu lassen. (Páteler, 2011, S. 18)
Nach dieser Kategorisierung menschlicher Personlichkeitsmerkmale ordnete Holland diesen dazu passende Berufe und Tatigkeiten zu, die nach seinen Beobachtungen eben besonders oft von den Angehórigen einer Gruppe ausgeübt wurden (Holland, 1997; Mumme, 1997). Beispielsweise líete sich bei den Berufsentscheidungen von Vertretern der ersten genannten Gruppe (Menschen mit einer „Realistic Orientation") besonders oft die Auswahl von handwerklich geprágten und korperlich anspruchsvollen Berufen feststellen. Dieses „Modell der Persónlichkeitstypen" gehórt mit seinem tiefenpsychologischen und analytischen Erklárungsansatz zur Gruppe der „Psychologischen Theorien zur Berufswahl", bei der dem Grunde nach angenommen wird, das die Berufswahl vom Individuum abhángig ist und nur in begrenztem Matee steuerbar (Lüscher, 2002).
1.2.2 Gottfredsons „Landkarte der Berufswelt"
Der gleichen Kategorie beforschter Berufswahlprozesse gehóren die Studien der ebenfalls aus den Vereinigten Staaten (U.S.A.) stammenden Intelligenzforscherin und Psychologin Linda S. Gottfredson an, jedoch erweitert durch eine Entwicklungs- und Entscheidungspsychologische Dimension. Sie kritisiert das Modell Hollands in mehreren Punkten. Vor allem bezieht Gottfredson im Gegensatz zu ihrem mannlichen Kollegen in ihrer Forschungsarbeit Circumscription and compromise"5, auch die Geschlechterfrage bei der Berufswahl und die Bedeutung gesellschaftlicher Anerkennung durch das Erreichen eines bestimmten Standes mit ein. Sehr praxisbezogen übersetzt sie die Berufswelt als eine in den Kópfen junger Menschen nach und nach entstehende Landkarte, auf der alie Berufe und Professionen in verschiedene „Regionen" (Arbeitsbereichen) eingezeichnet werden. Als „Gelandemerkmale" werden diesem Bild je nach Alter und Entwicklungsstand von den sich Orientierenden Beschriftungen und Fárbungen hinzugefügt. Sie reprásentieren die Geschlechtstypen für die eine Bescháftigung an einem eingetragenen Ort X, und ob der jeweilige Beruf für sie in Frage kommt oder nicht. Auféerdem machen sie das bereits erwáhnte Level an Prestige sichtbar, welches sich durch die Ausübung des einen oder anderen Berufs von der Landkarte ergibt. Das konkrete Landkarten- Design (und ihre Vielschichtigkeit) ergibt sich nach Erláuterungen Winters (2017) durch die stándige Observation des individuellen Lebensumfelds:
„As young people build this map, they begin to decide which occupations are acceptable and which are unacceptable — those which fit with their own developing self concept and those which do not. The first process is one of Circumscription — ruling out unacceptable options based on their perceived fit with ones developing self- concept. In the early stages this filtering process is quite crude and inaccurate, but it is lasting."6 (Winter, 2017, S. 1)
Auf diese erste, unterbewusst ablaufende Berufswahlphase folgen wáhrend des Álterwerdens weitere Perioden der Untersuchung und Auswahl- bzw. Ausschlussphasen, die Brott (1993) als die generell für jeden sich in der Entwicklung befindlichen jungen Menschen wichtige Suche nach einer passenden Profession beschreibt. Diese Phasen enthielten aber eben auch Kompromiss-Aushandlungen, wenn Heranwachsende in einem konkreten Fall zu der Überzeugung gelangen, sie kónnten ein ersehntes Berufsziel -aus welchen Gründen auch immer- niemals erreichen. Die Absenkung der Ansprüche erfolgt nach einer festgelegten Reihenfolge: zunáchst wird das Suchfeld auf Bereiche auRerhalb der bisherigen Interessenslage erweitert, dann reduzieren sich die Erwartungen, ein bestimmtes Prestige- Level zu erreichen. Hemmnisse, als Frau in einen Mánnerberuf einzutreten - oder umgekehrt, sich als Mann damit abzufinden, „nur" einen Beruf innerhalb einer Frauendománe ausüben zu dürfen, fallen zuletzt (Winter, 2017).
1.2.3 Berufsfindungsprozesse aus soziologischer Sicht
Auch Forscher aus dem Bereich der Soziologie versuchen durch zahlreiche Modelle und Beobachtungsbeschreibungen, Berufsfindungsprozesse in ihrer Entstehung und Funktion, sowie deren Abláufe zu erkláren. Bei einer Gesamtbetrachtung der soziologischen Theorien zur Berufswahl fállt auf, dass diese auf zwei sich diametral gegenüberstehende Cluster mit unterschiedlichen Schwerpunkten verteilt sind (Marti, 2006).
[...]
1 vgl. Riehl, 1861
2 vgl. Abb. 1 d. Anhangs
3 Grundgesetz (GG) Art. 7 Abs. 1 für die Bundesrepublik Deutschland, Ausfertigung: 23.05.1949.
4 aus dem Englischen: artistic = künstlerisch
5 aus dem Englischen: „Einschrankung und Kompromiss"
6 aus dem Englischen: „Wenn junge Menschen diese Karte erstellen, beginnen sie zu entscheiden, welche Berufe akzeptabel und welche nicht akzeptabel sind - diejenigen, die zu ihrem eigenen Selbstverstándnis passen, und solche, die dies nicht tun. Im ersten Prozess werden die absolut inakzeptablen Optionen ausgeschlossen. Zu Beginn ist dieser Filterungsprozess noch grob und ungenau, aber bereits dauerhaft."
- Citation du texte
- Lars-Haucke Martens (Auteur), 2019, Motivation und Erfolg im Lehramtsstudium durch pädagogische Vorerfahrungen?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/506353
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