In dieser vorliegenden Arbeit soll eine Unterrichtseinheit zur Bibel vorgestellt werden. Die Bibel stellt die Grundlage des Christentums und die Quelle des Glaubens dar. Deshalb sollten das Wissen um sie und der Umgang mit ihr auch eine zentrale Rolle im Religionsunterricht einnehmen.
Im Rahmen dieser Einheit möchte ich zunächst die Unterrichtskonzepte aus pädagogischer Sicht erläutern, die mich zum Besuch des Bibelzentrums und zur Durchführung der Unterrichtseinheit inspiriert haben und außerdem Begründungen für die Notwendigkeit neuer Unterrichtskonzepte liefern.
Anschließend stelle ich das Bibelzentrum an sich und das dahinter stehende Konzept genauer vor und stelle Überlegungen an, wie im Rahmen des Religionsunterrichts Zugangsmöglichkeiten zur Bibel geschaffen werden können.
Es folgen Erläuterungen zur Klasse, ich formuliere Lernziele und lege die Struktur der Unterrichtseinheit dar.
Im Hauptteil dieser Arbeit möchte ich die Unterrichtsstunden einzeln darstellen, wobei ich in der detaillierten Beschreibung Schwerpunkte setze. Bereits in diesem Teil werte ich die Unterrichtsstunden aus, während im letzten Teil herausragende Aspekte der Unterrichtseinheit einschließlich ihrer Wirkung auf die Schülerinnen und Schüler herausgearbeitet sowie Schlussfolgerungen für die zukünftige Durchführung einer solchen Einheit gezogen werden.
Inhaltsverzeichnis
1. Einführung
2. Pädagogische Definitionen ausgewählter Begriffe
2.1 Handlungsorientierter Unterricht
2.2 Erfahrungsbezogenes Lernen
2.3 Projektunterricht
3. Begründungen eines veränderten Unterrichtskonzepts
3.1 Veränderung der familiären Verhältnisse
3.2 Veränderung der technischen Gegebenheiten
3.3 Veränderung der technischen Medien
3.4 Veränderung der räumlichen Bedingungen
3.5 Veränderung der Bedeutung der Schule
4. Ganzheitlicher Religionsunterricht zum Thema „Die Bibel“
4.1 Zugangsmöglichkeiten zur Bibel im Religionsunterricht
4.2 Das Konzept des Bibelzentrums Schleswig
4.3 Begründung des Besuchs des Bibelzentrums im Rahmen der geplanten Unterrichtseinheit
5. Didaktisch-methodische Grundlegung der Bibel als Unterrichtsgegenstand
5.1 Lernvoraussetzungen hinsichtlich der Klasse
5.2 Lernvoraussetzungen hinsichtlich des Lerngegenstands
5.3 Begründung des Themas für die gewählte Lerngruppe
5.4 Strukturierung der Unterrichtseinheit
6. Beschreibung und Auswertung der Unterrichtsstunden
6.1 Die 1. und 2. Stunde: Einführung in das Alte und Neue Testament
6.2 Tagesausflug in das Bibelzentrum in Schleswig
6.3 Die 4. und 5. Stunde: Nachbereitung des Besuchs im Bibelzentrum, Präsentation der Gruppenarbeiten
6.4 Die 6. und 7. Stunde: So finde ich mich in der Bibel zurecht
6.5 Die 8. und 9. Stunde: Arbeit mit dem „Bibelkoffer“, Funde von Qumran
6.6 Die 10. Stunde: Die Entstehung und der Aufbau der Bibel
6.7 Die 11. und 12. Stunde: Die vier Evangelien
6.8 Projekttag rund um die Bibel
6.9 Die 14. Stunde: Die hebräische und griechische Schrift
6.10 Die 15. Stunde: Schriftliche Wiederholung und Reflexion
7. Resümee und Ausblick
Literatur
Anhang
1. Einführung
In der vorliegenden Arbeit soll eine Unterrichtseinheit zur Bibel vorgestellt werden. Die Bibel stellt die Grundlage des Christentums und die Quelle des Glaubens dar. Deshalb sollten das Wissen um sie und der Umgang mit ihr auch eine zentrale Rolle im Religionsunterricht einnehmen.
Da viele Schülerinnen und Schüler über geringe bzw. gar keine Vorkenntnisse das Thema Bibel betreffend verfügen, habe ich mich zu dieser ausführlichen Einheit rund um die Bibel entschlossen.[1]
Da es außerdem im Lehrplan für die Klassenstufe 5/6 vorgesehen ist, bot es sich an, diese Unterrichtseinheit in der Klasse R6 durchzuführen.
Im vergangenen Schuljahr haben wir uns in dieser Klasse bereits in einer Unterrichtseinheit mit dem Leben der Menschen zur Zeit Jesu beschäftigt, so dass die Schülerinnen und Schüler bereits einen Eindruck der damaligen Zeit gewonnen haben.
Die vorliegende Unterrichtseinheit ist so aufgebaut, dass nach einer kurzen Einführung der Besuch des Bibelzentrums in Schleswig folgte.
Nach den Erfahrungen, die die Klasse im Bibelzentrum gemacht hat, bekamen die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, den Fortgang der Unterrichtseinheit mitzubestimmen. Aufgrund ihrer Wünsche haben wir versucht, sowohl die Bibel inhaltlich besser kennen zu lernen als auch zum Beispiel etwas über ihre Entstehung oder die damaligen Schreibmaterialien zu erfahren.
Als weiterer Schwerpunkt neben dem Besuch im Bibelzentrum fand ein Projekttag im Umfang von fünf Unterrichtsstunden statt, an dem sich die Klasse einerseits gemeinsam, andererseits auch in kleineren selbst gewählten Gruppierungen mit zusätzlichen Themenbereichen auseinandergesetzt hat.
Im Rahmen dieser Arbeit möchte ich zunächst die Unterrichtskonzepte aus pädagogischer Sicht erläutern, die mich zum Besuch des Bibelzentrums und zur Durchführung der Unterrichtseinheit inspiriert haben und außerdem Begründungen für die Notwendigkeit neuer Unterrichtskonzepte liefern (Kapitel 2).
Im nächsten Schritt liefere ich Begründungen, die für zur Notwendigkeit eines veränderten Unterrichtskonzepts geführt haben (Kapitel 3).
Anschließend möchte ich das Bibelzentrum an sich und das dahinter stehende Konzept vorstellen und Überlegungen anstellen, wie im Rahmen des Religionsunterrichts Zugangsmöglichkeiten zur Bibel geschaffen werden können (Kapitel 4).
Daraufhin stelle ich die Klasse vor, formuliere Lernziele und lege die Struktur der Unterrichtseinheit dar (Kapitel 5).
Im Hauptteil dieser Arbeit stelle ich dann die Unterrichtsstunden im Einzelnen dar, wobei ich in der detaillierten Beschreibung Schwerpunkte setzen werde (Kapitel 6). Bereits in diesem Teil werte ich die Unterrichtsstunden aus, während im letzten Teil herausragende Aspekte der Unterrichtseinheit einschließlich ihrer Wirkung auf die Schülerinnen und Schüler herausgearbeitet sowie Schlussfolgerungen für die zukünftige Durchführung einer solchen Einheit gezogen werden sollen (Kapitel 7).
2. Pädagogische Definitionen ausgewählter Begriffe
2.1 Handlungsorientierter Unterricht
Hinter dem Begriff „handlungsorientierter Unterricht“ verbirgt sich rein nach der Definition kein klar gegen verschiedene Unterrichtsmethoden wie Freiarbeit, Offener Unterricht oder erfahrungsorientiertes Lernen abgrenzbares Konzept. Der gemeinsame Kern dieser Ansätze „ist die eigentätige, viele Sinne umfassende Auseinandersetzung und aktive Aneignung eines Lerngegenstandes“.[2] Eine Definition des Begriffs gibt die Enzyklopädie Erziehungswissenschaft: „Mit dem Begriff ´handlungsorientierter Unterricht` wird ein Unterrichtskonzept bezeichnet, das den [Schülerinnen und] Schülern einen handelnden Umgang mit den Lerngegenständen und Lerninhalten des Unterrichts ermöglichen soll.“ Es ist „das Ziel eines handlungsorientierten Unterrichts, durch die aktive Auseinandersetzung und durch den handelnden Umgang der [Schülerinnen und] Schüler mit der sie umgebenden gesellschaftlichen Wirklichkeit Erfahrungs- und Handlungsspielräume zu schaffen und dadurch die Trennung von Schule und Leben ein Stück weit aufzuheben.“[3]
Es sprechen viele Argumente für ein handlungsorientiertes Unterrichtskonzept. Der Begriff des Handelns beinhaltet nicht das einfache Tun, sondern es ist vielmehr wichtig, dass sich Handeln, Denken und Lernen gegenseitig bedingen. Denn wie seit Piaget bekannt, entwickeln sich Denkstrukturen aus verinnerlichten Handlungen. So muss es darum gehen, ein Unterrichtskonzept zu verfolgen, das sich nach der Formel von Dewey „learning by doing“ beschreiben lässt.[4]
Des Weiteren ist es für die netzartige Speicherung von Informationen in unserem Gehirn notwendig, möglichst vielfältige Bezüge zu einem Thema aufzubauen. Informationen, die uns selbst interessieren und bewegen, werden auch nachhaltiger abgespeichert. Erst wenn wir die Bedeutung eingehender Informationen erkennen, können wir sinnvolle Zusammenhänge herstellen und die Inhalte auch zu einem späteren Zeitpunkt und anderer Gelegenheit abrufen.
Außerdem gilt es durch vielfältige Untersuchungen als bewiesen, dass wir uns lediglich an etwa 20% von dem, was wir ausschließlich hören, erinnern können. Von Dingen, die wir ausschließlich sehen, erinnern wir uns an etwa 30%. Sobald wir etwas hören und sehen, behalten wir davon circa 50%. Doch wenn wir gemeinsam lernen, kooperieren und selbst handeln, können wir uns an etwa 70% des Gelernten erinnern. Dies ist es, was wir versuchen wollen, mit dem Konzept des handlungsorientierten und ganzheitlichen Unterrichts zu erreichen. An etwa 90% des Gelernten erinnern wir uns, wenn wir außerdem an der Entscheidung über die Auswahl und den Inhalt eines Themas beteiligt werden.[5] Dies ist das höchste Ziel des Projektunterrichts.
Natürlich werden Lernprozesse ebenfalls dadurch erleichtert, dass den Schülerinnen und Schülern ihre Arbeit Freude macht. Sobald sich die Schülerinnen und Schüler mit einem Lerngegenstand identifizieren können, wird ihre Arbeit für sie selbst wichtig und bedeutsam.[6]
Folgende Definition versucht Auskunft über die methodische Gestaltung handlungsorientierten Unterrichts zu geben: „Handlungsorientierter Unterricht ist ein ganzheitlicher und schüleraktiver Unterricht, in dem die zwischen [der Lehrerin oder] dem Lehrer und den [Schülerinnen und] Schülern vereinbarten Handlungsprodukte die Organisation des Unterrichtsprozesses leiten, so dass Kopf- und Handarbeit der [Schülerinnen und] Schüler in ein ausgewogenes Verhältnis zueinander gebracht werden können.“[7]
So geht handlungsorientierter Unterricht davon aus, dass das Lernen ganzheitlich, also mit allen Sinnen geschieht.
Endgültiges Ziel des handlungsorientierten Unterrichts ist es, die Schülerinnen und Schüler zu befähigen, eigenständig zu lernen. Somit ist der Projektunterricht die vollendete Form handlungsorientierten Unterrichts.
2.2 Erfahrungsbezogenes Lernen
Der Ausgangspunkt des erfahrungsbezogenen Lernens sollen die subjektiven Erfahrungen der Schülerinnen und Schüler sein. Wir als Lehrerinnen und Lehrer sollen die Schülerinnen und Schüler mit unserem Unterrichtsgegenstand somit sozusagen dort „abholen, wo sie im Moment stehen“. Wir knüpfen an dem Punkt an, an dem sie sich in ihrer eigenen Erfahrungswelt in Bezug auf den Lerngegenstand gerade befinden. Nur so ist zu gewährleisten, dass die Schülerinnen und Schüler die Bedeutung des Themas für sich selbst erkennen können und bereit sind, sich mit diesem auseinanderzusetzen.[8]
Die Schülerinnen und Schüler sollen erfahren sowie ausprobieren, was sie an dem jeweiligen neuen Thema besonders interessiert, wo ihre eigenen Stärken und Schwächen liegen und was ihnen vielleicht bereits bekannt ist, also Anknüpfungspunkte an bereits gemachte Erfahrungen bietet.[9]
So gilt es zwischen zwei Arten der Erfahrungen zu unterscheiden, einerseits von den Schülerinnen und Schülern bereits mitgebrachte und andererseits im Unterricht neu gemachte Erfahrungen.
Ingo Scheller teilt sein Modell eines erfahrungsbezogenen Unterrichts in drei Kategorien ein: 1. Aneignung, 2. Verarbeitung und 3. Veröffentlichung von Erfahrungen. Die Lehrerin oder der Lehrer hilft den Schülerinnen und Schülern, „ihre Erfahrungen aufzuarbeiten und in Auseinandersetzung mit der Position, dem Wissen und dem methodischen Können des Lehrers weiterzuentwickeln.“[10] Um Erfahrungen machen zu können, muss den Schülerinnen und Schülern Gelegenheit gegeben werden, ihre Erlebnisse zu verarbeiten. Sie müssen versuchen, Erlebtes zu interpretieren, zu beurteilen und es in einen größeren Zusammenhang zu stellen – Erlebnisse nicht mehr nur auf eine bestimmte Situation hin zu sehen.
2.3 Projektunterricht
„Die Idee und erste Versuche zum Lernen in Projekten stammen von den US-amerikanischen Pragmatisten John Dewey und William Heard Kilpatrick.“[11]
„Projektunterricht ist die Hochform handlungsorientierten Unterrichtes, die der langfristigen Vorbereitung bedarf.“[12] Ziel des Projektunterrichts ist es, ein Thema oder einen Themenbereich innerhalb der Schule, aber auch unter Einbeziehung außerschulischer Lernorte zu bearbeiten. Hierbei werden für den Themenbereich geeignete Experten hinzugezogen, so dass sich der Lernprozess weder nur auf den Klassenraum noch nur auf die Lehrkraft und die Schülerinnen und Schüler beschränkt. Die Schülerinnen und Schüler bestimmen bei der Planung des gewählten Themas mit. Am Anfang eines Projekts muss eine Fragestellung stehen, die es durch die folgende Arbeit zu klären gilt. Nur wenn die Schülerinnen und Schülern vor einem realen Problem stehen oder bestimmte Fragen beantwortet haben wollen, entsteht eine reale Fragesituation, von der ausgehend sie dann ihre Arbeit beginnen können. Diese bietet die notwendige Motivation und Bedeutung für die eigene Erfahrungswelt der Schülerinnen und Schüler – den Sinn, sich mit dem Thema bzw. der Fragestellung überhaupt auseinanderzusetzen. Dann wird die Vorgehensweise gemeinsam mit der Klasse strukturiert. Sie zielt auf die Beantwortung der festgelegten Fragestellung hin. Es handelt sich bei dem ausgewählten Thema um ein für beide Seiten sowohl interessantes als auch bedeutsames, um dem Grundsatz genüge zu tun, dass der Schülerin oder dem Schüler einsichtig werden sollte, welche Relevanz der jeweilige Lerngegenstand für sie oder ihn spielt, um diesen verarbeiten und erneut abrufen zu können.[13]
Beim Projektunterricht ist einerseits der ablaufende Prozess, andererseits das entstehende Produkt von Bedeutung. Projektunterricht als Reinform selbstorganisierten Lernens setzt eine Fülle von Kompetenzen wie zum Beispiel eigenständige Organisation des Arbeitsprozesses sowie verschiedene Methodenkompetenzen voraus, doch kann auch schon ein kleineres Vorhaben, an dessen Ende ein Produkt steht, als Projekt bezeichnet werden.
3. Begründungen eines veränderten Unterrichtskonzepts
Der handlungsorientierte Unterricht stellt für die Schülerinnen und Schüler eine gute Möglichkeit dar, sich mit ihrer Umwelt wieder aktiv auseinanderzusetzen.
Dieses Unterrichtskonzept hat sich aus der Reformpädagogik aufgrund der starken Veränderungen der Lebensbedingungen während des letzten Jahrhunderts heraus entwickelt. Bei den Schülerinnen und Schülern ist es immer mehr zu einer Abnahme der Umwelterfahrungen aus erster Hand gekommen, da sie sich viel weniger vielfältig mit ihrer Umgebung beschäftigen wollen und können. Für diese Abnahme sind verschiedene Einflussgrößen verantwortlich zu machen, die nachfolgend dargestellt werden.
3.1 Veränderung der familiären Verhältnisse
Der erste wichtige Faktor ist die Veränderung der familiären Verhältnisse:
Zu Beginn des letzten Jahrhunderts war die Großfamilie die vorherrschende Variante des Familienlebens. Die Kinder wurden durch den Umgang mit ihren Großeltern und den (meist vielen) Geschwistern zu Unternehmungen und Diskussionen angeregt. Durch Gespräche, Beobachtung sowie Einbeziehung lernten sie die Erfahrungen der Geschwister, Eltern und Großeltern kennen und wurden auf diese Weise ermuntert, eigene Erfahrungen zu sammeln und ihre Umgebung aktiv zu erkunden.
Heutzutage gibt es nur noch selten diese familiäre Verbundenheit. Die Schülerinnen und Schüler leben meist nur mit ihren Eltern zusammen, nicht selten sind es auch allein erziehende Mütter oder Väter. Hierbei handelt es sich oft um Einzelkinder.
So lebten nach Angaben Gudjons 1970 in der Bundesrepublik Deutschland 90 Prozent der Familien ohne die Großeltern. Die Anzahl der allein erziehenden Eltern lag 1985 bei 12,8 Prozent, von ihnen hatten 73 Prozent ein einziges Kind.[14]
Durch diese familiäre Verkleinerung im Laufe des letzten Jahrhunderts kam es folglich zu einer Verringerung der sozialen Kontakte und Erfahrungsmöglichkeiten.
3.2 Veränderung der technischen Gegebenheiten
Der zweite wichtige Punkt ist die Veränderung der technischen Gegebenheiten:
Die technische Entwicklung ist immer weiter vorangeschritten. Dies hat dazu geführt, dass die Schülerinnen und Schüler bei vielen Gegenständen nicht mehr direkt mit ihrem Entstehungsprozess in Kontakt kommen. So greifen viele auf fertige Tiefkühlprodukte wie beispielsweise Pizza oder Aufbackware zurück, anstatt eigenen Pizza- oder Brötchenteig herzustellen. Schmutzige Teller werden in den Geschirrspüler eingeräumt und nicht von Hand abgewaschen. Die Kinder tanzen oder singen nur noch selten, aber deutlich häufiger legt man eine CD auf, wenn man Musik hören möchte.
Diese Beispiele zeigen, wie sehr die technische Entwicklung Einfluss auf die Selbsttätigkeit eines Kindes dahingehend ausübt, dass das aktive Handeln im alltäglichen Leben und Überleben nicht mehr notwendig ist und sich daher erheblich reduziert.
3.3 Veränderung der technischen Medien
Ein weiterer, besonders bedeutsamer Faktor ist die Veränderung der technischen Medien:
Die Auswirkung dieser Veränderung soll an für die Kinder wichtigsten Medien aufgezeigt werden: Am Fernseher und dem Computer.
Der Fernseher war vor dem zweiten Weltkrieg in Deutschland im Prinzip noch nicht verbreitet. Allerdings gewann er im Laufe des letzten Jahrhunderts immer stärker an Bedeutung. Heutzutage besitzt nahezu jede Familie einen Fernseher, in vielen Haushalten stehen gleich mehrere zur Verfügung und oftmals haben die Kinder schon selbst einen in ihrem Kinderzimmer stehen. Ohne einen Fernseher mussten sich die Kinder früher andere Beschäftigungsmöglichkeiten suchen. Sie haben gelesen und verbrachten viel Zeit draußen, wo sie mit Freundinnen und Freunden spielten. Dadurch traten sie eng mit der Natur in Kontakt und konnten viele Erfahrungen sammeln. Die Kinder heute lassen sich oft lieber durch den Fernseher die Zeit vertreiben. Gudjons schreibt, dass ein amerikanisches Durchschnittskind mehr Zeit vor dem Fernseher als mit seinem Vater verbringt.[15]
Die Kinder sind von den Abbildern der Realität in den Bann gezogen. Sie laufen Gefahr, die Fähigkeit zu verlieren, zwischen Realität und Wirklichkeit unterscheiden zu können.
Neben dem Fernseher ist auch der Computer ein entscheidender Faktor dafür, dass den Schülerinnen und Schülern die Kontaktaufnahme mit der Natur ersetzt wird. Ähnlich wie vor dem Fernseher, so verbringen Jugendliche ihre Zeit nunmehr auch gerne vor dem Computer. Dieser wird meist jedoch nicht dazu verwendet, Schreibarbeiten auszuführen, sondern Computerspiele zu spielen.
Das Hinausgehen in die Natur tritt stark in den Hintergrund. Ein aktives Erleben und Handeln erfolgt dann nicht mehr.
3.4 Veränderung der räumlichen Bedingungen
Ein weiterer wichtiger Grund für die Abnahme der Umwelterfahrungen ist die Veränderung der räumlichen Bedingungen:
Besonders betroffen von diesem Punkt sind zum Beispiel die Kinder in Großstädten. Die Zunahme der Bevölkerungszahlen führte zu dem Versuch, immer mehr Wohn- und Gewerbegebiete zu schaffen. Dadurch wurden Erholungsbereiche wie Parks, Grünflächen und Spielplätze in ihrer Anzahl und Größe reduziert, obwohl die Anzahl an Menschen stieg. Den Kindern in solchen Gebieten bleibt kaum die Möglichkeit, mit der Umwelt in Kontakt zu treten, geschweige denn, sich wirklich aktiv mit ihr auseinanderzusetzen.
Auf diese Weise verlagert sich ihre Freizeitaktivität häufig in das eigene Kinderzimmer oder in das ihrer Freundinnen und Freunde.
Neben der Abnahme der Erholungsbereiche spielt aber auch die Zunahme der Gefahren, die die räumlichen Bedingungen einer Großstadt mit sich bringen, eine bedeutende Rolle: Sehr viele Straßen sind mittlerweile geteert und werden von Autos befahren. Aufgrund der Gefahren des Straßenverkehrs dürfen die Kinder nicht auf diesen Straßen spielen. Viele Schülerinnen und Schüler werden zudem von ihren Eltern zur Schule gefahren, um den Gefahren des Straßenverkehrs aus dem Weg zu gehen. Die räumliche Wahrnehmung ist dadurch auf eine passive Form beschränkt. Die Kinder beobachten die Umgebung, können sie aber nicht aktiv erkunden.
Anders ist dies in ländlichen Gegenden wie hier, wo die Kinder es gewohnt sind, einen großen Teil ihrer Freizeit außerhalb des Hauses zu verbringen. Viele von ihnen wachsen mit mehreren Geschwistern sowie Haustieren auf, so dass für sie die familiären und räumlichen Veränderungen nicht unbedingt zutreffen, doch sind auch hier die Veränderungen durch die Ausweitung der technischen Möglichkeiten deutlich zu spüren. Außerdem werden auch hier viele Kinder von nur einem Elternteil erzogen.
3.5 Veränderung der Bedeutung der Schule
Ein weiterer zentraler Faktor stellt die Veränderung der Bedeutung der Schule dar:
Galt der Realschulabschluss bis Ende des letzten Jahrhunderts noch als gute Ausgangsposition für einen besseren Lehrplatz, so ist dies mittlerweile nicht mehr gegeben. Beispielsweise bekamen früher Schülerinnen und Schüler mit einem guten Realschulabschluss im Bankwesen relativ leicht einen Ausbildungsplatz. Heutzutage bevorzugen die Banken jedoch, wie viele andere Firmen auch, Abiturientinnen und Abiturienten.
Bei manchen Realschülerinnen und Realschülern hat dies zur Folge, dass sie wenige Zukunftsperspektiven sehen und ihre Motivation absinkt, sich auf einen Lernstoff einzulassen.
Es ist nun die Aufgabe der Lehrperson für eine Veränderung des Lernverhaltens der Schülerinnen und Schüler zu sorgen.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Schülerinnen und Schüler aufgrund ihrer Lebensumstände ein Defizit an Handlungsmöglichkeiten haben. Hinzu kommt eine verringerte Lernmotivation. Eine besonders wirksame Möglichkeit, um diesen Mängeln entgegenzuwirken, stellt der handlungsorientierte, ganzheitliche Unterricht mit seinem Reichtum an Abwechslung und Aktivität dar. Er steht im Gegensatz zu dem traditionellen Unterricht.
4. Ganzheitlicher Religionsunterricht zum Thema „Die Bibel“
In diesem Kapitel stelle ich zunächst allgemein Zugangsmöglichkeiten zur Bibel im Religionsunterricht vor, um mich daran anschließend konkret mit dem Konzept des Bibelzentrums in Schleswig zu befassen, das ich für meine Unterrichtseinheit als Zugang zur Bibel gewählt habe. Abschließend werde ich begründen, weshalb ich mich im Rahmen der Unterrichtseinheit zu einem Besuch des Bibelzentrums entschlossen habe.
4.1 Zugangsmöglichkeiten zur Bibel im Religionsunterricht
In der vorliegenden Unterrichtseinheit soll es darum gehen, dass die Schülerinnen und Schüler die Bibel als Buch kennen lernen. Ihnen sind bereits einzelne biblische Geschichten aus ihrem bisherigen Religionsunterricht bekannt, doch nichts über die Zeit und die Entstehung der Bibel. Diese grundlegenden Kenntnisse sollen ihnen später beim Zugang und Verständnis einzelner biblischer Texte helfen.
Daran kann sich die Bearbeitung einzelner Bibeltexte anschließen, doch sollte man Bibelarbeit meiner Meinung nach nicht nur als gesondertes Thema behandeln, sondern stattdessen biblische Texte je nach Themenbereich in den Unterricht integrieren. Zurzeit behandele ich mit der Klasse, in der ich die vorliegende Unterrichtseinheit durchgeführt habe, eine Einheit zu Gleichnissen, in der wir die gewonnenen Kenntnisse und Erfahrungen zur Bibel bereits gut nutzen konnten. Diese Einheit über Gleichnisse als bestimmte Textgattung in der Bibel ist nur ein Beispiel für eine spezielle Einheit zur Bibelarbeit.
Wie im Unterricht mit biblischen Texten umgegangen werden kann, ist ein Punkt, der hier nur exemplarisch erläutert werden kann und soll, da er sehr vielschichtig ist und eine große Methodenvielfalt zulässt. Doch grundlegend gilt auch hier wieder, den Erfahrungshorizont der Schülerinnen und Schüler mit einzubeziehen, um eine Verbindung zwischen ihnen und dem biblischen Text herzustellen. Hierbei ist es wichtig, dass die Lehrkraft selbst einen Zugang zum jeweiligen Text gefunden hat, um an die Klasse weitergeben zu können, in welcher Weise sie der Text betrifft und auch heute noch etwas angeht.
In den siebziger Jahren entstand das Konzept der interaktionalen Bibelarbeit „aus dem Bedürfnis, stärker erfahrungsbezogen mit der Bibel umzugehen“.[16] Es geht hierbei darum, mit dem Bibeltext ins Gespräch zu kommen. Dies kann nicht als Einzelperson, sondern besser in der Gruppe geschehen, indem man sich in einem dynamischen Gruppenprozess über den Text austauscht. Methodisch kann dies so aussehen, dass man sich zuerst spontan an den Text annähert. Im nächsten Schritt muss eine Distanzierung vom Text geschehen, um eine kritisch exegetische Auslegung vornehmen zu können. Erst danach kann man sich dem Text wieder nähern, um gewonnene Erfahrungen zu verarbeiten und so die Botschaft des Textes an sich heran zu lassen.[17]
Auf keinen Fall darf die Bibel wie ein Lehrbuch genutzt werden, aus dem wir uns Wissen aneignen wollen. Denn sie stellt die Quelle unseres Glaubens dar und auch der Glaube lässt sich selbstverständlich nicht durch Wissen erlernen.
An dieser Stelle möchte ich noch zwei mögliche methodische Zugänge zu einem biblischen Text vorstellen: Erstens kann man sich nach einem ersten Lesen des Textes den Personen darin zuwenden und versuchen, sich in ihre Lage zu versetzen. Was könnten sie gefühlt haben, was hat sie vielleicht dazu bewegt, so zu handeln?[18] Zweitens ist es meiner Meinung nach eine sehr kreative Möglichkeit, einen so genannten „Sehtext“ zu erstellen. Die Schülerinnen und Schüler gestalten nach ihren eigenen Wahrnehmungen den Text in unterschiedlicher Schriftgröße und Anordnung und geben ihm eine Überschrift, sie setzen damit ausgewählte Abschnitte in ein bestimmtes Bild. Anschließend werden die verschiedenen Gestaltungen verglichen und ein großes Spektrum an Interpretationen wird deutlich. Interessant ist ebenfalls ein Vergleich der gewählten Überschriften mit denen verschiedener Bibelübersetzungen.[19]
4.2 Das Konzept des Bibelzentrums Schleswig
Die Idee für das Konzept eines Bibelzentrums in Schleswig stammte von Dietrich Heyde, der seit 1987 als Probst in Schleswig tätig ist. Es dauerte einige Jahre, bis die Planung und Finanzierung geregelt war, doch am 1. Mai 1994 wurde das Nordelbische Bibelzentrum mit einem Festgottesdienst und anschließender Einweihung des Hauses sowie der Erlebnisausstellung „Vom Nomadenzelt bis zum Mikrochip“ eröffnet. Das mittelalterliche Kloster schien als Standort ideal, „weil er Räume für Meditation und Besinnung auf biblische Inhalte bereit hielt.“[20] Anfängliche Befürchtungen, ob das Haus genug Zuspruch finden würde, wurden glücklicherweise nicht bestätigt, der Bekanntheitsgrad sowie die Besucherzahlen steigen stattdessen stetig an.
Begonnen wurde die Erlebnisausstellung mit einer Grundausstattung, die von verschiedenen Quellen gestiftet worden war. Sie enthielt unter anderem den Nachbau einer Gutenberg-Presse, die heute in der Eingangshalle zu finden ist, sowie ein Beduinenzelt und eine Sammlung wertvoller alter Bibeldrucke, jetzt im Seminarraum positioniert.
„Trotz der alten Bibelsammlung und des klösterlichen Ambientes ist das Haus nicht als Museum zu verstehen, sondern als Ort der aktuellen Begegnung mit den Schätzen und Lebensweisheiten, den Zusagen und Zumutungen der Bibel.“[21] Das Bibelzentrum gibt allen interessierten Menschen die Gelegenheit, neue Zugänge zur Bibel zu finden. So werden beim Besuch des Bibelzentrums alle Sinne angesprochen, um diese Zugänge ganzheitlich und erfahrungsbezogen zu öffnen. Der Umgang mit biblischen Texten erfolgt nicht nur durch Lesen und das Sprechen darüber, sondern es wird versucht, auf die Erfahrungen der Menschen einzugehen.
Das Angebot des Bibelzentrums besteht aus zwei Schwerpunkten: Einerseits der Erlebnisausstellung zur Geschichte der Bibel und andererseits einem Tagungsprogramm bestehend aus Seminaren, Werkstätten, Gesprächsabenden, Bibelarbeit mit Kindern sowie auch Veranstaltungen außerhalb Schleswigs.
[...]
[1] Siehe auch Punkt 4.3 Begründung des Themas für die ausgewählte Lerngruppe
[2] Gudjons, 1997, S. 7
[3] Enzyklopädie Erziehungswissenschaft, 1986, S. 600
[4] vgl. Gudjons, 1997, S. 7
[5] vgl. http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/LERNEN/Lernstrategien.shtml (Stand Januar 2005)
[6] vgl. Gudjons, 1997, S. 8
[7] Meyer, 2003 (a), S. 214
[8] siehe auch Punkt 2.1 Handlungsorientierter Unterricht
[9] vgl. Meyer, 2003 (b), S. 133
[10] Meyer, 2003 (b), S. 198
[11] Meyer, 2003 (b), S. 335
[12] Gudjons, 1997, S. 10
[13] vgl. auch Punkt 2.1 sowie 2.2
[14] vgl. Gudjons, 1994, S. 14.
[15] Vgl. Gudjons, 1994, S. 16.
[16] Berg, S. u. H. K.: Interaktionale Bibelarbeit. In: Lenhard (Hrsg.), 1996, S. 123
[17] vgl. ebd. S. 124
[18] vgl. Löbbecke (Hrsg.), 2001, S. 106
[19] vgl. Löbbecke (Hrsg.), 2001, S. 107
[20] Nordelbisches Bibelzentrum St. Johanniskloster Schleswig, 2004, S. 5
[21] edb. S. 7
- Arbeit zitieren
- Claudia Carstens (Autor:in), 2005, Einen Zugang zur Bibel gewinnen - lebendig, erfahrungsbezogen und ganzheitlich , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/50475
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