Die folgende Arbeit befasst sich mit der sogennanten Blue-Ocean-Strategie und untersucht, ob und in welchen Grenzen sich dieser strategische Ansatz in der deutschen Edelmetallbranche, besonders in der Schmuck- und Uhrenindustrie anwenden lässt.
Dieser Frage geht die vorliegende Arbeit nach, indem sie zunächst einen Überblick über die etablierten Strategierichtungen des marktorientierten und ressourcenorientierten Ansatzes gibt. Sie erläutert die Kritik an den klassischen Ansätzen, die dazu führt, dass nach neuen Modellen gesucht wird. Im Folgenden wird die Blue-Ocean-Strategie mit ihren Tools und Formaten erläutert und aufgezeigt, wie man einen Blauen Ozean findet. Anschließend wird zunächst die Edelmetallbranche vorgestellt und der 5-Schritte-Prozess des Blue-Ocean-Shift anhand von Beispielen aus der Branche erklärt.
Den Abschluss bilden eine kritische Betrachtung und ein abschließendes Fazit. Ergänzt wird die Arbeit durch ein Experteninterview mit Dr. Philipp Reisert, dem Vorsitzenden der Fachvereinigung Edelmetalle in Pforzheim.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Vorwort
1 Einleitung
2 Grundlagen
2.1 Strategie
2.1.1 Begriffsherkunft und Definition
2.1.2 Strategieverständnis
2.2 Strategisches Management
2.2.1 Historische Entwicklung
2.2.2 Merkmale, Ziele und Aufgabe
2.2.3 Phasen des strategischen Managements
2.2.4 Relevante Ansätze des strategischen Managements
3 Die Blue-Ocean-Strategie als innovatives Instrument im strategischen Management
3.1 Entstehung
3.1.1 Rote und blaue Ozeane
3.1.2 Nutzeninnovationen
3.2 Tools und Formate für Strategien zur Eroberung blauer Ozeane (SEOs)
3.2.1 Die strategische Kontur
3.2.2 Das Vier-Aktionen-Format
3.2.3 Kennzeichen guter Strategien: Fokus, Divergenz und überzeugender Slogan
3.3 Wie man Blaue Ozeane findet
3.4 Wie man eine SEO formuliert
3.5 Wie man eine Blue-Ocean-Strategie erfolgreich umsetzt
3.5.1 Die Tipping-Point-Führung
3.5.2 Das Prinzip der Prozessgerechtigkeit
4 Möglichkeiten und Grenzen der Blue-Ocean-Strategie in der Edelmetallbranche
4.1 In den Blauen Ozean segeln – der Blue-Ocean-Shift
4.2 Die Branche im Überblick
4.2.1 Edelmetalle – Eigenschaften und Gewinnung
4.2.2 Die Schmuck- und Uhrenindustrie
4.3 Schritte zur Umsetzung der Blue-Ocean-Strategie
4.3.1 Schritt 1: Den Anfang machen
4.3.2 Schritt 2: Verstehen, wo man sich gerade befindet
4.3.3 Schritt 3: Sich vorstellen, wo man sein könnte
4.3.4 Schritt 4: Den Weg finden
4.3.5 Schritt 5: Sich in Bewegung setzen
5 Grenzen der Blue-Ocean-Strategie
5.1 Kritik und offene Fragen bezüglich der Blue-Ocean-Strategie
5.2 Es geht auch anders: Global Players und ihre Strategie
6 Fazit
Experteninterview: „Ohne Strategie kann man kein Unternehmen führen“
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Position der Strategie im hierarchischen Konstrukt
Abbildung 2: Phasen des strategischen Managements
Abbildung 3: Klassisches SCP-Paradigma nach Bain und Mason,
Abbildung 4: Branchenstrukturmodell nach PORTER
Abbildung 5: RCP-Paradigma nach WELGE/AL-LAHAM, eigene Bearbeitung
Abbildung 6: Unterschiedliche Regeln für Red-Ocean- und Blue-Ocean-Strategien nach Chan Kim und Renée MAUBORGNE,
Abbildung 7: Grundpfeiler einer SEO: Dynamik von Differenzierung und niedrigen Kosten
Abbildung 8: Strategische Kontur der US-amerikanischen Weinbranche Ende der 1990er-Jahre
Abbildung 9: Das Vier-Aktionen-Format
Abbildung 10: Strategische Kontur von [yellow tail]
Abbildung 11: PMS-Quadrat zur Untersuchung des Wachstumspotenzials eines Geschäftsportfolios
Abbildung 12: Die drei Nichtkunden-Kategorien
Abbildung 13: Die strategische Abfolge von SEOs
Abbildung 14: Ranking der nach Umsatz größten Luxusgüterhersteller weltweit im Jahr 2018 (in Milliarden Euro)
Abbildung 15: Die Pionier-Migrant-Siedler-Matrix
Abbildung 16: Die Käufer-Nutzen-Matrix
Abbildung 17: Käufer-Nutzen-Matrix von Dentallaboren
Abbildung 18: Strategische Kontur der Juwelierbranche
Abbildung 19: Die sechs Suchpfade im Überblick
Abbildung 20: Vertriebswege Schmuck und Uhren 2018 – Fachhandel dominiert
Abbildung 21: Das ERSK-Quadrat im Fall von PANDORA
Abbildung 22: Strategische Kontur der Juwelier-Einzelhandelsbranche nach Einführung der Marke PANDORA
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Vorwort
An dieser Stelle möchte ich mich bei all jenen bedanken, die mich während der Anfertigung dieser Diplomarbeit unterstützt und motiviert haben.
Zuerst möchte ich meinem Betreuer, Herrn Prof. Ulrich Kreutle, für die hilfreichen Anregungen und die konstruktive Kritik bei der Erstellung dieser Arbeit danken. Er war es auch, der mich auf die Idee meines Themas gebracht hat.
Mein Dank gilt auch Herrn Dr. Philipp Reisert, der sich zu einem Experteninterview bereiterklärt und die Arbeit durch sein Fachwissen bereichert hat.
Ebenso möchte ich meinem Kollegen Nico Gabler danken, der die Richtigkeit der Angaben zum Fräsen in Edelmetall geprüft hat.
Mein besonderer Dank gilt meinem Mann Jürgen, der mir während des ganzen Studiums den Rücken freigehalten hat und mir stets eine fachkundige und geduldige Stütze war.
1 Einleitung
Die Blue-Ocean-Strategie ist ein innovativer Ansatz in der Strategielehre. Er wurde von den Professoren W. Chan KIM und Renée MAUBORGNE an der INSEAD Business School entwickelt und basiert auf empirischen Studien über eine Dauer von 15 Jahren. An Stelle des roten Ozeans des Konkurrenzkampfs beschreiben KIM und MAUBORGNE Methoden, Tools und Formate, mit deren Hilfe neue und unbekannte Märkte durch Nutzeninnovation und Verschiebung von Marktgrenzen erschlossen werden können. Das 2005 veröffentlichte Buch wurde in 43 Sprachen übersetzt und über 3,5 Millionen Exemplare wurden verkauft. Zehn Jahre später knüpften KIM und MAUBORGNE mit ihrem Buch Blue Ocean Shift an ihren Erfolg an. Darin benennen sie konkrete Schritte und einen systematischen Prozess zum Übergang in den Blauen Ozean.1
Gibt es Möglichkeiten, das fortschrittliche Strategiemodell des Blauen Ozeans in der Edelmetallbranche, insbesondere der traditionsreichen Schmuck- und Uhrenindustrie, erfolgreich anzuwenden? Wo stößt das Modell an Grenzen, und wo sind traditionelle Ansätze erfolgversprechender? Dieser Frage geht die vorliegende Arbeit nach, indem sie zunächst einen Überblick über die etablierten Strategierichtungen des marktorientierten und ressourcenorientierten Ansatzes gibt. Sie erläutert die Kritik an den klassischen Ansätzen, die dazu führt, dass nach neuen Modellen gesucht wird. Im Folgenden wird die Blue-Ocean-Strategie mit ihren Tools und Formaten erläutert und aufgezeigt, wie man einen Blauen Ozean findet. Anschließend wird zunächst die Edelmetallbranche vorgestellt und der 5-Schritte-Prozess des Blue-Ocean-Shift anhand von Beispielen aus der Branche erklärt. Den Abschluss bilden eine kritische Betrachtung und ein abschließendes Fazit.
Ergänzt wird die Arbeit durch ein Experteninterview mit Dr. Philipp Reisert, dem Vorsitzenden der Fachvereinigung Edelmetalle in Pforzheim.
2 Grundlagen
2.1 Strategie
2.1.1 Begriffsherkunft und Definition
Die Ursprünge des Strategiebegriffs reichen bis in die Antike zurück. Das Wort Strategie stammt aus dem Griechischen und bezeichnet die Kunst der Heeresführung (stratos = Heer und agos = Führer).2 Der Militär-wissenschaftler Carl von Clausewitz definierte in seinem Werk Vom Kriege die Strategie als Lehre vom „Gebrauch des Gefechts zum Zwecke des Krieges“. 3 In den Wirtschaftswissenschaften taucht der Begriff Mitte des 20. Jahrhunderts im Rahmen der von NEUMANN und MORGENSTERN entwickelten Spieltheorie auf.4 Eine Strategie beschreibt hier den vollständigen Plan eines Spielers, der für alle denkbaren Situationen eine richtige Wahlmöglichkeit beinhaltet. Ab den 1960er-Jahren setzte sich der Strategiebegriff in der Betriebswirtschaftslehre durch Forschungsaktivitäten von unter anderen CHANDLER durch.5 Im strategischen Management verbindet man mit dem Attribut „strategisch“ die Bestimmung der grundsätzlichen Richtung, in welche sich ein Unternehmen entwickeln soll mit dem Ziel, den langfristigen Erfolg durch Entscheidungen über seine interne und externe Ausrichtung zu sichern.6 In diesem Sinne definierte CHANDLER eine Strategie im unternehmerischen Sinne als “the determination of the basic long-term goals and objectives of an enterprise, and the adoption of courses of action and the allocation of resources for carrying out these goals”7 und WELGE et al. als „ein geplantes Maßnahmenbündel der Unternehmung zur Erreichung ihrer langfristigen Ziele“.8
2.1.2 Strategieverständnis
Bei der Strategielehre handelt es sich um ein recht junges Forschungsgebiet mit Bezug zu unterschiedlichen theoretischen Disziplinen. Darin spiegelt sich die Komplexität strategischer Phänomene in Unternehmungen sowie die davon betroffenen verschiedenen Funktionen, Ebenen und Personengruppen.9 Es fehlt eine allgemein anerkannte Begrifflichkeit. Im Folgenden werden zwei Zugänge erläutert, welche unterschiedliche Strategieverständnisse vertreten.
Die Vertreter des klassischen Strategieverständnisses verstehen unter Strategien rationale Maßnahmenpläne im Sinne systematischer Weg-Ziel-Beschreibungen. 10 Sie besteht aus einer Vielzahl von Einzelmaßnahmen, die zueinander in einem stimmigen Verhältnis stehen und sich an der grundsätzlichen Ausrichtung des Unternehmens orientieren. Die Strategie ist Teil eines hierarchischen Konstrukts. Sie ist der Mission, also grundsätzlichen Sichtweise des Top-Managements über die zukünftige Unternehmensentwicklung, und den konkreten Unternehmenszielen nachgelagert. Der Strategie untergeordnet sind die Politiken und Taktiken, welche in Form von Programmen und Projekten als konkretisierte Maßnahmen aus der Strategie abgeleitet werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Position der Strategie im hierarchischen Konstrukt11
Ziel der Strategie ist, den langfristigen Erfolg einer Unternehmung zu sichern, indem sie die externe und interne Ausrichtung des Unternehmens bestimmt.12 Dazu gehören die Positionierung des Unternehmens in seiner Umwelt und die Ausgestaltung seiner Ressourcen. Der zukünftige Erfolg des Unternehmens in seinem Markt steht in engem Zusammenhang mit der Schaffung von Erfolgspotenzialen.13
Die Gegenposition nimmt die die Schule um MINTZBERG ein. Nach ihrer Beobachtung sind Strategien nicht zwingend Ergebnis formaler rationaler Planungen.14 MINTZBERG beschreibt folgende Strategietypen: Die beabsichtigte und geplante (intended) Strategie, die auch tatsächlich umgesetzt wird (realized strategy) - diese sei aber eher selten vorzufinden. Daneben gibt es die geplante, jedoch nicht umgesetzte Strategie (unrealized strategy). Der weitaus häufigste Typ ist nach MINTZBERG keine geplante und beabsichtigte Strategie, sondern eine, sich aus vielen Einzelentscheidungen ergibt und deren Summe ein Handlungsmuster erkennbar macht (emergent strategy).
Dem Thema entsprechend wird dieser Arbeit ein Strategieverständnis zugrunde gelegt, das von einer systematisch und analytisch geplanten Strategie ausgeht.
2.2 Strategisches Management
2.2.1 Historische Entwicklung
Die Ursprünge des strategischen Managements reichen in die 1950er Jahre zurück. In einer stabilen techno-ökonomischen Umwelt und stetig wachsenden Märkten wuchs auch die Größe von Unternehmen und dadurch das Bedürfnis, mit Hilfe von Budgetierung und kurzfristiger Projektplanung einen Überblick über die Vorgänge einer Firma zu gewährleisten und Entscheidungen zu koordinieren.15 Diese erste Entwicklungsstufe wird als Phase der Finanzplanung bezeichnet.
Diese geht über in eine Phase der Langfristplanung. Das zunehmend dynamische Unternehmensumfeld der sechziger Jahre mit beständigem Wachstum führte zu einer längeren Vorausplanung; man erstellte Mehrjahresbudgets mit Hilfe von Trendexpolationen und reagierte auf das zunehmende Konsumentenbewusstsein mit Abweichungsanalysen. Parallel dazu sind die amerikanischen Business Schools Ausgangspunkt der disziplinären Entwicklung der Managementlehre. Zu diesem Zeitpunkt werden die einzelnen betriebswirtschaftlichen Funktionen wie Marketing und Finanzen noch nebeneinander gelehrt. 16 Unter dem Überbegriff „Business Policy“ werden die einzelnen Elemente an der Harvard Business School erstmals integriert.
In den 1970er Jahren verzeichneten westliche Unternehmen aufgrund von Krisen (Ölkrise, Vietnamkrieg) erstmals negative Entwicklungen. Stark ausschlagende Konjunkturzyklen und wachsende wirtschaftliche Instabilität machten erhöhte Flexibilität notwendig. Die Erkenntnis, dass sich wirtschaftliche Entwicklung nicht sicher vorausplanen lässt, führte dazu, dass die Planer nun danach strebten, die Unternehmensumwelt durch Umweltanalysen zu verstehen und Marktphänomene durch eine Analyse des Wettbewerbs zu erklären. Das corporate planning verlagerte sich zum strategic planning. Geeignete Strategien sollten Unternehmen befähigen, die Umwelt zu gestalten und auf Veränderungen reagieren zu können. Den Schwerpunkt setzte man auf Ressourcenallokation, um die vorgegebenen Ziele zu erreichen. Die strategische Planung hatte aber das Manko, dass die Umsetzung der entwickelten Strategien in der Praxis problematisch war, da sie sich vor allem auf die Formulierung einer Strategie und nicht auf ihre Implementierung konzentrierte und die Sicht auf interne Strukturen des Unternehmens vernachlässigte.17
Das strategische Management begreift daher die strategische Planung als einen Bestandteil, der in ein größeres System eingebettet ist. Neben Planung umfasst das strategische Management die Steuerung und Kontrolle von Strategien und trägt sowohl der internen Unternehmenssituation als auch externen politischen sowie sozio-psychologischen Gegebenheiten (z. B. dem Wertewandel in der Gesellschaft) Rechnung.
2.2.2 Merkmale, Ziele und Aufgabe
Die Merkmale des strategischen Managements sind eng mit dem Grundverständnis von strategischen Entscheidungen verbunden. Darunter versteht man jene Entscheidungen, die aus einer übergreifenden Perspektive heraus getroffen werden und die grundsätzliche Ausrichtung des Unternehmens festlegen. Sie sind gekennzeichnet durch die externe und interne Ausrichtung des Unternehmens, wodurch es seine Position am Markt bestimmt und seine Ressourcenbasis mit dem Ziel gestaltet, sich Vorteile im Wettbewerb durch Erfolgspotenziale zu verschaffen, um so den langfristigen Unternehmenserfolg zu sichern.18 Aufgabe des strategischen Managements ist es, eine Erfolg versprechende und aktive Gestaltung des Unternehmens und seiner Beziehungen zur Umwelt rational zu vollziehen.19
2.2.3 Phasen des strategischen Managements
Das strategische Management im klassischen, rational-entscheidungsorientierten Verständnis, interpretiert Unternehmensführung als Planungsprozess, der aus mehreren aufeinanderfolgenden Phasen besteht. Nach HUNGENBERG sind dies die strategische Analyse, die Strategieformulierung und -auswahl, sowie die Strategieimplementierung.20
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Phasen des strategischen Managements21
Am Anfang des Planungsprozesses gilt es, eine Informationsbasis für die Auswahl einer konkreten Strategiealternative zu schaffen. Im Rahmen der strategischen Analyse wird die Ausgangssituation des Unternehmens anhand einer SWOT-Analyse ermittelt. Sie unterteilt sich in die (externe) Umweltanalyse, und die (interne) Unternehmensanalyse. Die Aufgabe der Umweltanalyse ist das Aufzeigen von Chancen (opportunities) und Risiken (threats) der Umweltentwicklung. Objekte sind die globale (politisch-rechtliche, ökonomische, soziokulturelle und technologische) Umwelt und das wettbewerbsbezogene Umfeld, zu dem die Analyse der Branchenstruktur, strategischer Gruppen und der Konkurrenz gehört.22
Die Unternehmensanalyse hat die Aufgabe, die Ressourcen und Potenziale objektiv durch Benchmarking, Wettbewerbsvergleich und kundenorientiertem Vergleich zu bewerten. Ihr Ziel ist es, die Stärken (strengths) und Schwächen (weaknesses) des Unternehmens zu ermitteln. 23 Zum Schluss werden die Ergebnisse beider Analysen in einem Chancen-/Gefahrenprofil zusammengefügt.
Die Phase der Strategieformulierung befasst sich mit der Auswahl von Handlungsmöglichkeiten gegenüber der Umwelt, die geeignet sind, die Unternehmensziele umzusetzen. Dabei soll die Strategieplanung folgende Prinzipien beachten: auf Stärken aufbauen und Schwächen vermeiden, Kräfte konzentrieren, Ressourcen optimieren, und Synergiepotenziale ausnutzen. Bei der Auswahl der Strategie ist ein Zusammenpassen (FIT) von Strategie und den damit verbundenen Maßnahmen zu beachten.24
Die Strategieimplementierung basiert auf der Erkenntnis, dass es ein Konzept braucht, um die ausgewählte Strategie erfolgreich umzusetzen. Dies haben Untersuchungen in den 1980er Jahren ergeben, die sich mit den Ursachen von gescheiterten Strategien befassten. Die Mitarbeiter des Unternehmens müssen befähigt werden, nach Maßgabe der Strategie zu handeln. 25 Demnach müssen Organisationsstruktur und -prozesse sowie die Unternehmenskultur auf die Strategie ausgerichtet werden.26
2.2.4 Relevante Ansätze des strategischen Managements
2.2.4.1 Marktorientierter Ansatz – klassische Industrieökonomik und Branchenstrukturanalyse nach PORTER
Der marktorientierte Ansatz (market-based view) stammt aus der Industrieökonomik (industrial economy). Die Industrieökonomik ist eine volkswirtschaftliche Forschung, die sich ausgehend von der Weltwirtschaftskrise in den 1920er und 1930er Jahren, mit Ursachen und Auswirkungen des Wettbewerbs innerhalb einer Branche beschäftigt. 27 Zentrale These dieser Forschung ist das von MASON und BAINS entwickelte „Structure-Conduct-Performance-Paradigma“ (SCP).28 Es besagt, dass der Erfolg (performance) eines Unternehmens maßgeblich von der Branchenstruktur (structure) abhängt, zum Beispiel von der Anzahl und Größe der dort agierenden Unternehmen, dem Ausmaß der Produktdifferenzierung und den Markteintrittsbarrieren. Die Marktstrukturen bestimmen wiederum das Verhalten (conduct) der Unternehmen, wie Preis- und Investitionspolitik. Nach Ansicht der Industrieökonomen haben die Branchenstruktur und die Spielregeln des Wettbewerbs für die Erklärung von Erfolgsunterschieden eine größere Bedeutung als das Verhalten der Unternehmen. Ob ein Unternehmen sich am Markt behaupten kann, hängt also davon ab, ob es sich die „richtige“ Branche ausgesucht hat, in der es sich erfolgreich bewegen und an deren Gegebenheiten es sich am besten anpassen kann.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Klassisches SCP-Paradigma nach Bain und Mason29,
Diese Betrachtungsweise der Industrieökonomik wird als outside-in-Perspektive bezeichnet, da sich das Unternehmen an den Marktgegebenheiten orientiert und seine Strategie als Reaktion darauf ausrichtet.
Ein bekannter Vertreter der Industrieökonomik, Michael E. PORTER, entwickelte den klassischen Ansatz weiter, indem er die makroökonomische Sichtweise – nach der die Effizienz der gesamten Branche betrachtet wird – um mikroökonomische Interessensfelder – also die Effizienz der einzelnen Unternehmung – erweiterte.30 Die von PORTER entwickelte Branchenstrukturanalyse soll einem im Markt tätigen Unternehmen dabei helfen, die Wettbewerbssituation innerhalb der Branche (structure) abzuschätzen. Dabei werden fünf Komponenten – „Five Forces“ – benannt, welche die Attraktivität der Branche bestimmen: die Bedrohung durch potenzielle Konkurrenten, die Marktmacht der Lieferanten, die Bedrohung durch Ersatzprodukte, die Marktmacht der Abnehmer und die Rivalität der bestehenden Wettbewerber.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Branchenstrukturmodell nach PORTER31
Unternehmen sollen ihre Strategie (conduct) darauf ausrichten, dass die Wettbewerbskräfte positiv beeinflusst werden. 32 PORTER hat drei grundsätzliche Strategietypen formuliert, die dafür geeignet sind. Sie werden als generische Wettbewerbsstrategien bezeichnet.
Bei der umfassenden Kostenführerschaft stehen die Kostenvorteile im Vordergrund. Der Wettbewerbsvorteil wird erzielt durch Angebot oder Produktion standardisierter Produkte in möglichst großer Menge unterhalb der Stückkosten der Wettbewerber.33
Die Strategie der Differenzierung besteht darin, eine branchenweite Sonderstellung mit einem Produkt oder einer Dienstleistung einzunehmen. Dabei zielt man auf Produkteigenschaften, Design, Qualität oder eine psychologische Käuferpräferenz ab, die dazu führen, dass der Käufer das Produkt den Konkurrenzprodukten vorzieht. Der Preis des Produkts spielt dabei eine untergeordnete Rolle. 34 Wichtig ist, dass die besseren Produkteigenschaften oder Dienstleistungen dem Kunden einen höheren Nutzen bieten, und dass dieser Nutzen von der Konkurrenz nicht in gleicher Art und Weise angeboten werden kann.35
Unternehmen, die einen Wettbewerbsvorteil in der Konzentration auf ein Marktsegment sehen, bedienen sich einer Nischenstrategie. Dabei kann es sich um eine Fokussierung auf (Spezial-)Produkte, eine Region oder ein Kundensegment handeln. 36 Das Unternehmen konzentriert sich ganz auf die speziellen Anforderungen der Kunden im entsprechenden Segment und verschafft sich einen Wettbewerbsvorteil durch spezialisiertes Knowhow. Die Strategie eignet sich vor allem für kleine und mittelständische Unternehmen, die, wenn sie auf ihrem eng abgegrenzten Marktsegment einen hohen Marktanteil haben, nicht selten Weltmarktführer sind.37
Laut PORTER muss sich ein Unternehmen eindeutig für eine Strategie entscheiden, um einen Wettbewerbsvorteil aufzubauen. Da eine Differenzierung mit höheren Kosten verbunden ist, kann ein Unternehmen, das aus einer Preisführerposition heraus versucht, eine Differenzierungsstrategie aufzubauen, seine bisherige Position nicht mehr halten, wird von den Kunden (mit höherer Zahlungsbereitschaft) aber gleichzeitig nur mit Verzögerung als differenziert wahrgenommen. Umgekehrt sind die Möglichkeiten der Kostensenkung für differenzierte Unternehmen nur begrenzt machbar, da sie mit dem Verzicht auf besondere Leistungsmerkmale einhergehen (Konsistenzannahme).38
Des Weiteren geht PORTER davon aus, dass zwischen Rentabilität und Marktanteil ein konvexer (u-förmiger) Zusammenhang besteht (Konvexitätsannahme). Sie besagt, dass differenzierte Unternehmen bei geringem Marktanteil und Preisführer mit großem Marktanteil eine hohe Rentabilität besitzen. Unternehmen, die sich weder für die eine noch die andere Strategie entscheiden, sitzen dabei „zwischen den Stühlen“ und können weder mit den guten Leistungen noch den günstigen Preisen der besten Anbieter in der Branche mithalten.
2.2.4.2 Ressourcenorientierter Ansatz und Kernkompetenzen nach Prahalad und Hamel
Der ressourcenbasierte Ansatz (resource-based view) nimmt die gegensätzliche Perspektive zur marktorientierten Sicht ein. Die Sicht wechselt von einer „outside-in“ zu einer „inside-out“-Betrachtung, deren Untersuchungszweck die individuelle Ressourcenausstattung eines Unternehmens ist.
Im Mittelpunkt stehen Überlegungen über die Voraussetzungen, die innerhalb eines Unternehmens gegeben sein müssen, damit Wettbewerbsvorteile überhaupt entstehen können.39 Der ressourcenorientierte Ansatz folgt der Idee von Edith PENROSE, dass Stärken und Schwächen eines Unternehmens nicht marktabhängig, sondern vielmehr auf Qualität und Zusammensetzung seiner Ressourcen zurückzuführen sind.40 Die daraus abgeleiteten Erkenntnisse bezeichnet man als Resources-Conduct-Performance-Wirkungskette.41
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5: RCP-Paradigma nach WELGE/AL-LAHAM, eigene Bearbeitung
Erfolgsunterschiede zwischen Unternehmen werden dadurch erklärt, dass sie über unterschiedlich effiziente Ressourcen verfügen. Unter den Ressourcen eines Unternehmens versteht man alle materiellen und immateriellen Vermögenswerte wie Maschinen, Anlagen oder das Knowhow der Mitarbeiter, sowie individuelle und organisatorische Fähigkeiten.42 Als organisatorische Fähigkeit bezeichnet man das Vermögen des Unternehmens, seine Ressourcen durch zielgerichtete Koordination und Ausrichtung effektiv zu nutzen.43
Damit Ressourcen dem Unternehmen Wettbewerbsvorteile verschaffen können, müssen sie bestimmten Anforderungen genügen. Zur Identifikation solcher Ressourcen wird häufig das von BARNEY (1991)44 beschriebene VRIO-Framework herangezogen. Demnach müssen Ressourcen wertvoll (question of V alue), selten (question of R arity) und schwer imitierbar (question of I mitability) sein, und das Unternehmen muss in der Lage sein, die Ressource sinnvoll in ihrem wertschöpfenden Prozess einsetzen zu können (question of O rganization). Aufgabe des strategischen Managements ist es, durch kluge Auswahlentscheidungen von Ressourcen ein gutes Rentenpotenzial zu schaffen.45
Der ressourcenbasierte Ansatz fand in den 1980er Jahren durch Arbeiten von WERNERFELDT46 und BARNEY47 Eingang in die Strategielehre. Anfang der 1990er Jahre wurde die Weiterentwicklung des Ansatzes durch Arbeiten von PRAHALAD und HAMEL (1990)48 unter dem Begriff „Kernkompetenzen“ populär. Sie verstehen unter Kernkompetenzen ein Bündel aller Fähigkeiten und Technologien, die im Unternehmen vorhanden sind.49 Wettbewerbsvorteile entstehen durch das Vermögen, Fähigkeiten und Technologien sinnvoll und schneller als Wettbewerber zu kombinieren.50 Zur Veranschaulichung benutzen PRAHALAD und HAMEL ein Baummodell. Der Stamm und die Hauptäste sind die Kernprodukte, die Zweige die Geschäftseinheiten, und die Blätter, Blüten und Früchte das Endprodukt. Die Wurzeln, welche den Baum ernähren und kräftigen, sind die Kernkompetenzen.51 PRAHALAD und HAMEL verdeutlichen dadurch, dass die Kernkompetenzen nicht auf einzelne Geschäftseinheiten allein beschränkt bleiben dürfen, sondern nutzbringend in allen Bereichen eingesetzt werden sollen.
2.2.4.3 Kritik
Obwohl die beschriebenen Ansätze die Theorie des strategischen Managements entscheidend vorangebracht haben, gelingt es ihnen nicht, alle marktwirtschaftlichen Phänomene umfassend zu erklären. Dem marktorientierten Ansatz wird Einseitigkeit vorgeworfen, wenn er den langfristigen Erfolg von Unternehmen durch Unterschiede in der Branchenstruktur erklärt und die Stärken und Schwächen der Unternehmung als entscheidenden Erfolgsfaktor ausblendet.52 Der ressourcenbasierten Ansatz wiederum basiere auf einer Tautologie der VRIO-Definition: Erfolgreiche Unternehmen sind erfolgreich, weil sie so einzigartige Ressourcen haben. Um erfolgreich zu sein, müssen sie in diese Ressourcen investieren.53 Sowohl der markt- als auch der ressourcenorientierte Ansatz, so ein weiterer Kritikpunkt, hätten eine reduzierte Perspektive und trügen der heutigen Wettbewerbssituation nicht ausreichend Rechenschaft. Diese sei vom Wettbewerb auf mehreren Ebenen – und nicht nur auf der Produkt-Markt- oder der Ressourcenebene – sowie einer steigenden Wettbewerbskomplexität und Dynamik geprägt.54 Den etablierten Strategieansätzen werden Realitätsdefizite nachgesagt, da sie von nachhaltig verteidigbaren Wettbewerbspositionen ausgehen und sich auf bestehende Produkte auf bestehenden Märkten konzentrieren, anstelle Handlungsempfehlungen für künftige Marktzugänge anzubieten. Sie bieten kein theoretisches Fundament, kein Konzept, wie Unternehmen eine Strategie entwickeln und am Markt durchsetzen können. Zeitgemäße, erweiterte Strategiekonzepte sind daher vonnöten.55
Eines davon ist die Blue-Ocean-Strategie, ein Ergebnis einer über 15jährigen Studie der INSEAD-Professoren W. Chan KIM und Renée MAUBORGNE.56 Ihr daraus entwickelter Ansatz wird im nächsten Kapitel vorgestellt.
3 Die Blue-Ocean-Strategie als innovatives Instrument im strategischen Management
3.1 Entstehung
Die Blue-Ocean-Strategie wurde von den Professoren W. Chan Kim und Renée MAUBORGNE der privaten Wirtschaftshochschule INSEAD mit Sitz in Frankreich entwickelt. Sie stellten sich die Frage, weshalb manche Unternehmen erfolgreicher sind als andere, und untersuchten im Rahmen einer Studie mehr als 150 strategische Entscheidungen in über 30 Branchen über den Zeitraum von 1880 bis 2000 auf Gemeinsamkeiten.57 Sie kamen zu dem Ergebnis, dass sich der Unterschied zwischen Gewinnern und bloßen Überlebenden oder gar Verlierern weder durch branchen-, noch durch unternehmenstypische Unterschiede erklären lässt. Vielmehr stellten sie bei den erfolgreichen Akteuren ein durchgängiges gemeinsames Muster bei den strategischen Bewegungen fest. Die Unternehmen erschlossen neue Märkte ohne Konkurrenz, die von KIM und MAUBORGNE als „blaue Ozeane“(blue oceans) bezeichnet werden. Wie Strategien zur Eroberung dieser blauen Ozeane, nachfolgend SEOs genannt, formuliert und umgesetzt werden können, haben KIM und MAUBORGNE in ihrem Buch Der blaue Ozean als Strategie [58] beschrieben.
3.1.1 Rote und blaue Ozeane
KIM und MAUBORGNE gehen von einem Marktuniversum aus, in dem es zwei Arten von Ozeanen gibt. Dabei repräsentieren die roten Ozeane (red oceans) alle bestehenden Branchen, also die bekannten Märkte. Deren Grenzen sind definiert und akzeptiert. Sie sind geprägt von Konkurrenzkampf und dem Bestreben, sich einen größeren Anteil an der vorhandenen Nachfrage zu sichern. Die Folge sind Produkte, die zur vergleichbaren Massenware werden, und sinkende Gewinn- und Wachstumschancen. 59 Die Bezeichnung „rot“ soll dabei die „blutige Konkurrenz“ bildlich veranschaulichen.60
Blaue Ozeane hingegen stehen für noch nicht erschlossene Märkte. Sie entstehen dadurch, dass Nachfrage durch Nutzeninnovation erzeugt wird. Wettbewerb spielt keine Rolle, da die Spielregeln dafür erst noch festgelegt werden.61
Die strategischen Vorgaben, die einer Red-Ocean- und einer Blue-Ocean-Strategie zugrunde liegen, unterscheiden sich in folgenden Punkten:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 6: Unterschiedliche Regeln für Red-Ocean- und Blue-Ocean-Strategien nach Chan Kim und Renée MAUBORGNE62,
3.1.2 Nutzeninnovationen
Die strategische Logik, die hinter der Eroberung blauer Ozeane steckt und der Grundpfeiler jeder SEO ist, bezeichnen KIM und MAUBORGNE als Nutzeninnovation.63 Hier liegt der Fokus nicht darauf, die Konkurrenz auszuschalten, sondern einen für Käufer und Unternehmen neuen Nutzengewinn zu erzeugen. KIM und MAUBORGNE verabschieden sich dabei von dem bisher akzeptierten Dogma, dass höherer Nutzen gleichbedeutend mit höheren Kosten ist. Ihrer Studie zufolge waren weder nagelneue Technologien noch der richtige Zeitpunkt des Markteintritts zielführend, sondern die Verknüpfung von Innovation und Nutzen-, Preis- und Kostenpositionen. Als Beispiel nennen sie das kanadische Unternehmen Cirque du Soleil. Statt sich auf das Benchmarking und das kostenintensive gegenseitige Aufpeppen von traditionellen Zirkusnummern einzulassen, definierte Cirque du Soleil die Marktgrenzen neu und kombinierte Elemente aus Zirkus und Theater. Das neue Zirkuskonzept verzichtete auf kostspielige Elemente wie Tiernummern und Starartisten, behielt gleichzeitig einige Schlüsselfaktoren der Anziehungskraft des traditionellen Zirkus wie Clowns und Akrobaten bei, und bezog Elemente des Theaters und von Broadwayshows ein. Das sprach bisherige Nichtkunden wie erwachsene Theaterbesucher an. Durch diese Kombination und gleichzeitiger Elimination kostenintensiver Elemente gelang es, die Kostenstruktur erheblich zu drücken.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 7: Grundpfeiler einer SEO: Dynamik von Differenzierung und niedrigen Kosten64
Bei der Eroberung blauer Ozeane ist die Nutzeninnovation das Schlüsselelement. Der Effekt des Nutzengewinns für den Käufer und der gleichzeitigen Kostensenkung für das Unternehmen führt zu einer nachhaltigen Strategie, wenn das Vorgehen auf das Gesamtsystem des Unternehmens angewendet wird.
3.2 Tools und Formate für Strategien zur Eroberung blauer Ozeane (SEOs)
3.2.1 Die strategische Kontur
Die strategische Kontur ist ein diagnostisches Instrument für die Entwicklung von Strategien zur Eroberung blauer Ozeane. Sie erfasst zunächst den gegenwärtigen Stand des bekannten Markts und ermöglicht es dem Unternehmen durch eine grafische Darstellung, sich einen Überblick über die aktuellen Marktfaktoren zu verschaffen. Die Faktoren werden auf der waagerechten Achse erfasst und die Ausprägung der Aktivität auf der senkrechten Achse. KIM und MAUBORGNE erläutern die strategische Kontur anhand der erfolgreichen Etablierung der australischen Kellerei Casella Wines auf dem US-amerikanischen Markt. Im Jahr 2000 stellte sich die strategische Kontur der amerikanischen Weinbranche wie folgt dar:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 8: Strategische Kontur der US-amerikanischen Weinbranche Ende der 1990er-Jahre65
Die Branche bestand hauptsächlich aus Akteuren, die auf zwei Angebotsebenen tätig waren: den Anbietern von hochwertigen und hochpreisigen Weinen, die eine klassische Differenzierungsstrategie verfolgten, und den Anbietern von Billigweinen. Wenn man die hauptsächlichen Marktfaktoren auf der jeweiligen Anbieterebene verbindet, entsteht eine grafische Darstellung der relativen Performance, die KIM und MAUBORGNE als Nutzenkurve bezeichnen. 66 Die Visualisierung machte ersichtlich, dass die Marktteilnehmer zwar auf unterschiedlichen Angebotsebenen aktiv waren. Ihre Nutzenkurven waren jedoch auffällig konvergent.
KIM und MAUBORGNE argumentieren, dass ein Unternehmen nicht auf einen profitablen Wachstumskurs kommen kann, wenn es in dieser Situation lediglich versucht, „ein bisschen mehr für ein bisschen weniger“ anzubieten. Stattdessen müssen die Marktgrenzen neu definiert werden. Statt die Konkurrenz auszustechen, muss sie umgangen und Alternativen gesucht werden; bei den Kunden rücken die Nichtkunden in Alternativbranchen in den Fokus. Casella Wines untersuchte die Nachfrageseite von Bier-, Spirituosen- und Cocktailkonsumenten und definierte eine eigene Nutzenkurve. Dabei bedienten sie sich eines weiteren analytischen Grundformats: dem Vier-Aktionen-Format.67
3.2.2 Das Vier-Aktionen-Format
Das zweite strategische Tool unterstützt bei der Erzeugung einer neuen Nutzenkurve. Es beruht auf der Erkenntnis, dass die Elemente, welche dem Käufer Nutzen bringen, auf den Prüfstand gestellt und neugestaltet werden müssen. Dies geschieht durch Eliminierung, Reduzierung und Steigerung von Marktfaktoren, die bisher in der Branche als selbstverständlich betrachtet werden, sowie durch das Kreieren von neuen, bisher nicht vorhandenen Faktoren.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 9: Das Vier-Aktionen-Format68
Bei der Eliminierung wird ermittelt, welche Faktoren in der Branche als selbstverständlich betrachtet werden, obwohl sie kaum oder keinen Nutzen generieren. Bei der Reduzierung geht es um zu hoch verfeinerte Produkt-eigenschaften, die dem Kunden nur geringen Nutzen bieten und verhältnismäßig hohe Kosten verursachen. Bei der Steigerung von Faktoren geht es darum herauszufinden, was dem Kunden besonders wichtig ist, wo ihm von der Branche bisher Kompromisse aufgezwungen wurden, und wie diese beseitigt werden können. Beim Kreieren neuer Faktoren liegt der Fokus auf dem Entdecken neuer Quellen von Nutzen für die Käufer, indem man über die bestehenden Branchengrenzen blickt und so neue Nachfrage erzeugt.
Die Faktoren Eliminierung und Reduzierung helfen dabei, die Kostenstruktur gegenüber der Konkurrenz zu senken. Beantwortet man die Fragen, welche Faktoren gesteigert und kreiert werden müssen, erschließt man sich neue Nachfrage und erhöht den Nutzen für den Konsumenten.
Der australische Weinproduzent Casella führte alle vier Aktionen durch und entwickelte eine neue Strategie, mit der er 2001 einen Blauen Ozean auf dem US-amerikanischen Weinmarkt erschloss. Die Branche bestand aus über 1.600 konkurrierenden Weinherstellern, deren strategisches Profil ähnlich aussah, gleichgültig, ob sie Premium- oder Billigweine produzierten. Die meisten Amerikaner standen Wein ablehnend gegenüber, da ihnen der Geschmack zu kompliziert und das Image zu elitär und einschüchternd war. Mit der [yellow tail]-Linie schuf Casello ein innovatives alkoholisches Lifestyleprodukt, dass auch Biertrinker und Cocktailliebhaber ansprach. Durch Eliminierung und Reduzierung von in der Branche als selbstverständlich betrachteten Faktoren wie önologische Fachbegriffe und Geschmackseigenschaften, unterschiedliche Flaschenformen für Rot- und Weißweine, lange Lagerung und übliche Werbemaßnahmen bewirkte Casella eine günstigere Kostenstruktur. Anfänglich bot Casella nur einen Weiß- und einen Rotwein an, der in derselben Flaschenform verkauft wurde. Durch Zusatz von Fruchtaromen und geringere Lagerzeit entstand ein Wein mit fruchtiger Süße, der leicht trinkbar war und bisherige Nichtkunden wie Bier- und Fertigcocktailtrinker ansprach.
[...]
1 Vgl. KIM/MAUBORGNE (2017a), S. 66
2 Vgl. MÜLLER-STEWENS/LECHNER (2011), S. 7
3 Vgl. VON CLAUSEWITZ (1991), S. 178
4 Vgl. NEUMANN/MORGENSTERN (1961), S. 79
5 Vgl. HUNGENBERG (2014), S. 5
6 Vgl. HUNGENBERG (2014), S. 5-7
7 Vgl. CHANDLER (1962), S. 13
8 Vgl. WELGE et al. (2017), S. 13
9 Vgl. WELGE et al. (2017), S. 12
10 Vgl. WELGE et al. (2017), S. 13
11 In Anlehnung an WELGE et al. (2017), S. 15
12 Vgl. HUNGENBERG (2014), S. 4
13 Vgl. HUNGENBERG (2014), S. 5
14 Vgl. HUNGENBERG (2014), S. 16
15 Vgl. WELGE et al. (2017), S. 11
16 Vgl. MÜLLER-STEWENS/LECHNER (2011), S. 8
17 Vgl. WELGE et al. (2017), S. 13-14
18 Vgl. HUNGENBERG (2014), S. 4-5
19 Vgl. BEA/HAAS (2015), S. 1
20 Vgl. HUNGENBERG (2014), S.386 ff
21 Vgl. HUNGENBERG (2014), S. 386
22 Vgl. AL-LAHAM/WELGE (1999), S. 310
23 Vgl. AL-LAHAM/WELGE (1999), S. 23
24 Vgl. AL-LAHAM/WELGE (1999), S. 486
25 Vgl. HUNGENBERG (2014), S. 325
26 Vgl. AL-LAHAM/WELGE (1999), S. 616
27 Vgl. HUNGENBERG (2014), S. 59
28 Vgl. AL-LAHAM/WELGE (1999), S. 36
29 In Anlehnung an WELGE et al. (2017), S. 77
30 Vgl. AL-LAHAM/WELGE (1999), S. 38
31 Vgl. HUNGENBERG (2014), S. 100
32 Vgl. HUNGENBERG (2014), S. 7
33 Vgl. MÜLLER-STEWENS/LECHNER (2016), S. 130
34 Vgl. AL-LAHAM/WELGE (1999), S. 383
35 Vgl. HUNGENBERG (2014), S. 227
36 Vgl. HUNGENBERG (2014), S. 247
37 Vgl. HUNGENBERG (2014), S. 248
38 Vgl. HUNGENBERG (2014), S. 202-203
39 Vgl. AL-LAHAM/WELGE (1999), S. 254
40 Vgl. PENROSE (2009), S. 58 ff.
41 Vgl. AL-LAHAM/WELGE (1999), S. 254
42 Vgl. HUNGENBERG (2014), S. 149
43 Vgl. HUNGENBERG (2014), S. 149-150
44 Vgl. BARNEY (1991), S. 99-120
45 Vgl. MÜLLER-STEWENS/LECHNER (2016), S. 343
46 Vgl. WERNERFELDT (1984), S. 171-180
47 Vgl. BARNEY (1986), S. 1231-1241
48 Vgl. PRAHALAD/HAMEL (1990), S. 79-91
49 Vgl. AL-LAHAM/WELGE (1999), S. 260
50 Vgl. MÜLLER-STEWENS/LECHNER (2016), S. 202
51 Vgl. PRAHALAD/HAMEL (1990), S. 5/15
52 Vgl. HUNGENBERG (2014), S. 60
53 Vgl. PRIEM/BUTLER (2001), S. 57-66
54 Vgl. HINTERHUBER et al. (2000), S. 73ff.
55 Vgl. HINTERHUBER et al. (2000), S. 82-84
56 Vgl. KIM/MAUBORGNE (2016), S. 11
57 Vgl. KIM/MAUBORGNE (2016), S. 10
58 KIM/MAUBORGNE (2016)
59 Vgl. KIM/MAUBORGNE (2016), S. 5
60 Vgl. KIM/MAUBORGNE (2016), S.IX
61 Vgl. KIM/MAUBORGNE (2016), S. 4
62 In Anlehnung an NAGEL/WIMMER (2009), S. 222
63 Vgl. KIM/MAUBORGNE (2016), S. 11 ff.
64 Vgl. KIM/MAUBORGNE (2016), S.15
65 Vgl. KIM/MAUBORGNE (2016), S. 25
66 Vgl. KIM/MAUBORGNE (2016), S. 26
67 Vgl. KIM/MAUBORGNE (2016), S. 28
68 Vgl. KIM/MAUBORGNE (2016), S.29
- Arbeit zitieren
- Petra Löffler (Autor:in), 2019, Strategisches Management mittels der Blue-Ocean-Strategie. Möglichkeiten und Grenzen in der deutschen Edelmetallbranche, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/504647
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