Nach neuesten Forschungen kostete das Verbrechen an den Armeniern zwischen 1878 – 1922 über 2 Millionen Menschen das Leben. Seinen Höhepunkt fand der Völkermord ab dem Jahre 1914. Dieses zweifelsohne schwärzeste Kapitel der türkischen Geschichte ist bis heute, 90 Jahre danach, wenig erforscht und aufgearbeitet worden, nicht zuletzt wegen der mangelnden Kooperation durch türkische Behörden, wenn es um die Veröffentlichung von Archivbeständen ging. Trotzdem lässt sich die Situation des Jahres relativ genau rekonstruieren, so dass mit Sicherheit behauptet werden kann, dass das Massaker an den Armeniern in drei Stufen ablief. Bis zum Jahre 1914 hatte es auf dem Gebiet der heutigen Türkei regelmäßig gewaltsame Übergriffe auf Armenier gegeben. So wurden beispielsweise 1909 in der Provinz Adana bis zu 20 000 Armenier getötet.1 Festzuhalten bleibt, dass es sich bei diesen Gewalttaten um Bestrafungsmaßnahmen, nicht um eine geplante Vernichtung der Armenier gehandelt hat. 1864 weigerten sich Armenier beispielsweise ihre angefallenen Steuern zu zahlen, da sie sich durch doppelte finanzielle Verpflichtung, den Kurden und den Osmanen gegenüber, ungerecht behandelt fühlten. Die Folge war eine Strafexpedition des Sultans, der um die Stabilität seines Reiches besorgt war.2 Im Unterschied zu, auf die Vernichtung eines Volkes hinzielenden, geplanten Völkermordaktionen konnten die geflüchteten Teile der armenischen Bevölkerung in ihre Heimat zurückkehren, sobald die Expeditionen eingestellt wurden und waren damit dem Morden zunächst einmal entkommen. Auch Zwangsvertreibungen oder größer angelegte und geplante Deportationen blieben aus, was typisch für eine ethnische Säuberung gewesen wäre.3
Der Umgang mit der armenischen Bevölkerung sollte unter der revolutionären Bewegung der Jungtürken einen völlig anderen Charakter erhalten, da sich die jungtürkischen Ideologien des Turanismus und Turkismus nur schwerlich mit einer ethnischen Minderheit im eigenen Lande verbinden ließen.
Inhalt
Einleitung
Die Jungtürken
Turanismus und Turkismus und ihre ideologischen Inhalte
Von der Machterlangung der Jungtürken bis zur Katastrophe 1915
Bibliographie
Einleitung
Nach neuesten Forschungen kostete das Verbrechen an den Armeniern zwischen 1878 – 1922 über 2 Millionen Menschen das Leben. Seinen Höhepunkt fand der Völkermord ab dem Jahre 1914. Dieses zweifelsohne schwärzeste Kapitel der türkischen Geschichte ist bis heute, 90 Jahre danach, wenig erforscht und aufgearbeitet worden, nicht zuletzt wegen der mangelnden Kooperation durch türkische Behörden, wenn es um die Veröffentlichung von Archivbeständen ging. Trotzdem lässt sich die Situation des Jahres relativ genau rekonstruieren, so dass mit Sicherheit behauptet werden kann, dass das Massaker an den Armeniern in drei Stufen ablief. Bis zum Jahre 1914 hatte es auf dem Gebiet der heutigen Türkei regelmäßig gewaltsame Übergriffe auf Armenier gegeben. So wurden beispielsweise 1909 in der Provinz Adana bis zu 20 000 Armenier getötet.[1] Festzuhalten bleibt, dass es sich bei diesen Gewalttaten um Bestrafungsmaßnahmen, nicht um eine geplante Vernichtung der Armenier gehandelt hat. 1864 weigerten sich Armenier beispielsweise ihre angefallenen Steuern zu zahlen, da sie sich durch doppelte finanzielle Verpflichtung, den Kurden und den Osmanen gegenüber, ungerecht behandelt fühlten. Die Folge war eine Strafexpedition des Sultans, der um die Stabilität seines Reiches besorgt war.[2] Im Unterschied zu, auf die Vernichtung eines Volkes hinzielenden, geplanten Völkermordaktionen konnten die geflüchteten Teile der armenischen Bevölkerung in ihre Heimat zurückkehren, sobald die Expeditionen eingestellt wurden und waren damit dem Morden zunächst einmal entkommen. Auch Zwangsvertreibungen oder größer angelegte und geplante Deportationen blieben aus, was typisch für eine ethnische Säuberung gewesen wäre.[3]
Der Umgang mit der armenischen Bevölkerung sollte unter der revolutionären Bewegung der Jungtürken einen völlig anderen Charakter erhalten, da sich die jungtürkischen Ideologien des Turanismus und Turkismus nur schwerlich mit einer ethnischen Minderheit im eigenen Lande verbinden ließen.
Die Jungtürken
Die politische Vereinigung der Jungtürken betrachtete sich als Reformatorin des zusammenbrechenden Osmanischen Reiches und als türkische Ultra–Nationalisten. Die Anhänger entstammten den unteren Offiziersrängen und dem Sanitätskorps im europäischen Saloniki und Monastir. Sie waren in der Regel gut ausgebildet und aufgrund ihres Aufenthalts auf dem europäischen Festland mit dem Modernisierungsstreben der europäischen Großmächte in Kontakt gekommen, welches sie auf das Osmanische Reich zu übertragen gedachten.[4] Unter Modernisierung verstanden sie vor allem das Verstärken demokratischer Strukturen und die Gründung einer konstitutionellen Staatsform durch die Wiedereinsetzung der Verfassung und der Absetzung des Sultans. Beeinflusst von französischen Aufklärern sollten umfangreiche Modernisierungsmaßnahmen im militärischen sowie im ökonomischen Bereich durchgeführt werden, aber auch die Bürokratie und soziale Fragen sollten nach europäischem Vorbild verbessert werden.[5] An Stärke gewann die politische Gruppierung durch die Gründung des Komitees für Einheit und Fortschritt 1889 in Konstantinopel.[6] Ausgerechnet bei den Armeniern fanden sie Unterstützung für ihre endgültige Machterlangung 1909. Der Kampf, zu welchem die Jungtürken die Waffenhilfe der Armenier anforderten, endete mit dem Sturz des Sultans Abdul Hamid im April 1909. Waren es die liberalen Vorstellungen der Jungtürken, die bis 1909 die Politik selbiger unterstrichen hatten und ihnen die erforderliche Popularität zur Machterlangung verschafft hatten, so kamen nun schwerpunktmäßig nationale Tendenzen im Denken und Handeln der Jungtürken zum Vorschein, die dem Ausbau der gewonnenen Macht dienlich sein sollten. Ein Nationales Denken, welches einem autonomen Armenierstaat keine Überlebenschance ließ.[7] Mit der Absetzung des Sultans Abdul Hamid hatten sich die Armenier natürlich einige Privilegien für die geleistete Hilfe erhofft. Die Idee eines homogenen türkischen Staates aber war bereits so sehr in den Köpfen der Nationalisten verankert, dass eine mögliche Integration von Armeniern schlicht überflüssig war.[8]
[...]
[1] Naimark, Flammender Haß, S. 36.
[2] Ebd., S. 35.
[3] Ebd., S. 36.
[4] Naimark, Flammender Haß, S. 37.
[5] Dabag, Jungtürkische Visionen, S. 158.
[6] Naimark, Flammender Haß, S. 37.
[7] Ebd., S. 38.
[8] Dabag, Jungtürkische Visionen, S. 176.
- Arbeit zitieren
- Philipp Gaier (Autor:in), 2005, Der Völkermord an den Armeniern. Jungtürkische Visionen - Turanismus und Turkismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/50452
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