Diese Arbeit beschäftigt sich mit dem Thema Postmaterialismus in Kohorten und bezieht sich dabei vor allem auf den Text von Ronald Inglehart und Christian Welzel, in denen sie sich mit dem Thema des intergenerationalen Wertewandels befassen. Insbesondere beschäftigen sie sich mit der Untersuchung der Muster, die den Generationenunterschieden zu Grunde liegen und Veränderungen verursachen. Allerdings handelt es sich bei dabei nicht um einen universellen Trend, sondern dieser tritt lediglich in Ländern auf, in denen eine sozioökonomische Entwicklung stattgefunden hat. Bei Abwesenheit einer wirtschaftlichen Entwicklung tritt auch kein kultureller Wandel auf. Wenn jüngere und ältere Kohorten allerdings unter signifikant unterschiedlichen Bedingungen aufgewachsen sind, sollten sie sich in ihren Werten deutlich unterscheiden. Dies sollte laut Inglehart und Welzel in den meisten postindustriellen Ländern der Fall sein, da deren jüngere Generationen nicht mehr unter unsicheren Bedingungen aufwuchsen.
Ältere Kohorten erlebten Rezessionen und die beiden großen Weltkriege, wodurch materielle Werte nicht gesichert waren. Jüngere Kohorten, die sogenannten Nachkriegskohorten, erlebten dagegen einen Wirtschaftsaufschwung und die Ausbreitung des Wohlfahrtsstaats. Wo also eine wirtschaftliche Entwicklung stattgefunden hat, sollte es zu einer Verschiebung auf den Wertedimensionen kommen. Dabei lässt sich zwischen drei Wertedimensionen differenzieren: Materialismus und Postmaterialismus, Traditional und Secular-Rational sowie Survival und Self-Expression. Materialistische Werte umfassen dabei Werte, die die wirtschaftliche und physische Sicherheit betreffen, während bei den postmateriellen Werten der Fokus auf Unabhängigkeit und Selbstverwirklichung liegt. Traditionelle Werte legen großen Fokus auf Religion und Respekt vor Autoritäten und beinhalten ein geringes Niveau von Toleranz sowie ausgeprägten Nationalstolz. Die Werte der Secular-Rational-Dimension sind dagegen genau gegensätzlich zu den traditionellen Werten. Die Bedeutung von Religion und Autoritäten nimmt ab, während Toleranz, beispielsweise gegenüber Themen wie Scheidung und Abtreibung, zunimmt. In der dritten Wertedimension liegt der Fokus der Survival-Werte, auf harter Arbeit und Sicherheit, wohingegen die Verschiebung zu Self-Expression-Werten mit einer zunehmenden Bedeutung von Selbstverwirklichung, Unabhängigkeit und Mitbestimmung einhergeht.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Wertewandel Hypothese
3. Ergebnisse der Analysen
3.1. Kohortenanalyse
3.2. Periodeneffekte
3.3. Weltweite Vergleiche
4. Zusammenfassung und Fazit
5. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Diese Arbeit beschäftigt sich mit dem Thema Postmaterialismus in Kohorten und bezieht sich dabei vor allem auf den Text von Ronald Inglehart und Christian Welzel, in denen sie sich mit dem Thema des intergenerationalen Wertewandels befassen. Insbesondere beschäftigen sie sich mit der Untersuchung der Muster, die den Ge- nerationenunterschieden zu Grunde liegen und Veränderungen verursachen. Aller- dings handelt es sich bei dabei nicht um einen universellen Trend, sondern dieser tritt lediglich in Ländern auf, in denen eine sozioökonomische Entwicklung statt- gefunden hat. Bei Abwesenheit einer wirtschaftlichen Entwicklung, tritt auch kein kultureller Wandel auf. Wenn jüngere und ältere Kohorten allerdings unter signifi- kant unterschiedlichen Bedingungen aufgewachsen sind, sollten sie sich in ihren Werten deutlich unterscheiden. Dies sollte laut Inglehart und Welzel in den meisten postindustriellen Ländern der Fall sein, da deren jüngere Generationen nicht mehr unter unsicheren Bedingungen aufwuchsen. Ältere Kohorten erlebten Rezessionen und die beiden großen Weltkriege, wodurch materielle Werte nicht gesichert waren. Jüngere Kohorten, die sogenannten Nachkriegskohorten, erlebten dagegen einen Wirtschaftsaufschwung und die Ausbreitung des Wohlfahrtsstaats. Wo also eine wirtschaftliche Entwicklung stattgefunden hat, sollte es zu einer Verschiebung auf den Wertedimensionen kommen (Inglehart/Welzel, 2005). Dabei lässt sich zwi- schen drei Wertedimensionen differenzieren: Materialismus und Postmaterialismus, Traditional und Secular-Rational sowie Survival und Self-expression. Materialisti- sche Werte umfassen dabei Werte, die die wirtschaftliche und physische Sicherheit betreffen, während bei den postmateriellen Werten der Fokus auf Unabhängigkeit und Selbstverwirklichung liegt. Traditionelle Werte legen großen Fokus auf Reli- gion, Respekt vor Autoritäten und beinhalten eine geringes Niveau von Toleranz sowie ausgeprägten Nationalstolz. Die Werte der Secular-rational Dimension sind dagegen genau gegensätzlich zu den traditionellen Werten. Die Bedeutung von Re- ligion und Autoritäten nimmt ab, während Toleranz, beispielsweise gegenüber The- men wie Scheidung und Abtreibung zunimmt. In der dritten Wertedimension liegt der Fokus der Survival Werte auf harter Arbeit und Sicherheit, wohingegen die Ver- schiebung zuSelf-Expression Werten miteiner zunehmenden Bedeutung von Selbstverwirklichung, Unabhängigkeit und Mitbestimmung einhergeht (Inglehart, 2008).
In den folgenden Kapiteln dieser Arbeit werde ich zunächst darauf eingehen, wie die Werte gemessen wurden, auf welchen Hypothesen die Theorie des intergenera- tionalen Wertewandels beruht und welche Annahmen Inglehart und Welzel daraus für ihre Analysen ableiten. Danach werde ich die Ergebnisse der von den Autoren durchgeführten Analysen darstellen und die wichtigsten Ergebnisse abschließend noch einmal kurz zusammenfassen.
2 Die Wertewandel Hypothese
Inglehart und Welzel gehen bei ihren Analysen von der Annahme aus, dass ein Wertewandel von materialistischen hin zu postmaterialistischen Werten stattfindet. Dabei definieren sie materialistische Werte als jene die die wirtschaftliche und physische Sicherheit betreffen, während postmaterialistische Werte Selbstverwirklichung und Unabhängigkeit umfassen.
Die Messung der Werte erfolgte dabei durch Erfassung eines 4-Item Fragekatalogs. Die Befragten sollten aus vier Items die beiden auswählen, die ihrer Meinung nach die wichtigsten sind. Die Befragten konnten wählen zwischen 1. Aufrechterhaltung der nationalen Ordnung, 2.Stärkeres Mitbestimmungsrecht bei politischen Entscheidungen, 3. Kampf gegen die Inflation und 4. Schutz der Redefreiheit. Auf Basis der Antworten wurden die Personen als Materialisten, Postmaterialisten oder Mischtypen eingruppiert. Befragte die Item eins und drei gewählt haben wurde als Materialisten, jene die Item zwei und vier gewählt hatten als Postmaterialisten eingestuft. Die restlichen Befragten wurden als Mischtypen eingruppiert (Inglehart, 1997).
Weiter basiert die Theorie des Wertewandels auf zwei Hypothesen, der Mangel- und der Sozialisationshypothese. Erstere geht davon aus, dass die Werte der Personen die wirtschaftlichen Bedingungen in den Gesellschaften wiederspielen, in denen diese Leben. Demnach liegt die Priorität zunächst auf lebenswichtigen Werten und erst wenn diese gegeben sind, erfolgt eine Verlagerung des Fokus hin zu postmaterialistischen Werten. Daher spielt die vergangene wirtschaftliche Entwicklung eine große Rolle bei der Erklärung des Wertewandels. In den meisten Ländern sind die jüngeren Generationen nicht mehr unter Bedingungen von Mangel und Bedrohung aufgewachsen. Dadurch sollte in diesen Ländern eine Verschiebung der Werte stattgefunden haben. Die zweite zu Grunde liegende Hypothese ist die Sozialisationshypothese, die davon spricht, dass die grundlegenden Werte durch die Bedingungen,diewährendderprägendenJahreherrschtengebildetwerden.
Demnach kommt es durch die besseren ökonomischen Bedingungen nicht sofort zu einer Änderung der Werte, sondern erst wenn jüngere Kohorten die Älteren ersetzen. Außerdem geben ältere Generationen ihre Werte an ihre Kinder weiter, wenn diese Werte aber inkonsistent mit den eigenen Erfahrungen der jüngeren Generationen sind, dann kommt es zu einer schrittweisen Änderung der Werte. Daher ist es wichtig, die Mangel- und die Sozialisationshypothese gemeinsam zu interpretieren (Inglehart/Welzel, 2005).
Ausgehend von der Mangel-und der Sozialisationshypothese, treffen Inglehart und Welzel einige Annahmen bezüglich des Wertewandels. Zum einen gehen sie davon aus, dass sich postmaterielle Werte vor allem in reichen Gesellschaften ausbreiten, die eine wirtschaftliche Entwicklung erlebt haben. Weiter treffen sie die Annahme, dass Phasen von Wohlstand und Wachstum die Verbreitung von postmateriellen Werten fördern sollten, während Phasen von wirtschaftlichen Krisen den gegenteiligen Effekt haben sollten. Wenn diese Krisen sehr lange andauern, kann dies sogar wieder zu einer Umkehr hin zum Materialismus führen. Kurze Krisen sollten dagegen nur kurzzeitige Veränderungen in den Werten verursachen und nicht dauerhaft sein. Außerdem wird erwartet, dass in Gesellschaften, die über längere Zeiträume Wohlstand und Wachstum erlebt haben, signifikante Unterschiede in den Werten von älteren und jüngeren Generationen bestehen sollten (ebd.).
3. Ergebnisse der Analysen
Bei Ihren Analysen hinsichtlich des Wertewandels fokussieren sich Inglehart und Welzel zunächst auf die Dimension von Materialismus und Postmaterialismus. Dies begründen sie dadurch, dass für dieses Konstrukt eine große Datenbasis vorhanden, da bereits seit 1970 Fragen im Eurobarometer gestellt wurden, die der Erfassung dieser Wertedimension dienen. Des weiterem ist die Dimension des Materialismus und Postmaterialismus ein guter Indikator für die zu erwartende Entwicklung der anderen beiden Dimensionen des Wertewandels. Auch lässt sich anhand dieser Analysen gut darstellen, dass ein Problem besteht, hinsichtlich der Unterscheidung von intergenerationalen Wertewandel, Lebenslaufeffekt und Periodeneffekten. (Inglehart/Welzel, 2005), Wie bereits im Abschnitt zuvor erwähnt, wurde die Theorie des intergenerationalen Wertwandels erstmals 1970 in sechs Ländern untersucht(GB,F,West-G,I,B,NL).Dabei zeigte sich,dass die älteren Altersgruppen durchweg materialistsicher sind als die jüngeren Altersgruppen. In Abbildung 1 sind die gepoolten Daten für die sechs untersuchten Länder nach Altersgruppen dargestellt. Wie zu erkennen ist, dominieren in allen Altersgruppen, bis auf die Jüngste der 15 bis 24 Jährigen, die Materialisten. In der Gruppe der über 65jährigen sind fast 50% Materialisten, aber nur etwa 3% Postmaterialisten. Die Anzahl der Materialisten nimmt über die Altersgruppen hinweg ab, so dass in der Gruppe der 15 bis 24-jährigen nur noch etwa 20% als Materialisteeingestuft werden, fast 25% dagegen als Postmaterialisten. In dieser Altersgruppe ist erstmals die Zahl der Postmaterialisten höher, als die der Materialisten (ebd.)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Wertetyp nach Altersgruppen in sechs westeuropäischen Ländern, 1970 (Quelle: Inglehart/Welzel, 2005)
Diese zu beobachtenden Unterschiede zwischen den Generationen wurden durch die Theorie des Wertewandels vorhergesagt. Allerdings lässt sich aus diesen Ergeb- nissen nicht erkennen, ob es sich bei dem zu beobachteten Muster wirklich um ei- nen intergenerationalen Wandel handelt, oder doch um einen Lebenslaufeffekt. Dies lässt sich anhand dieser erste Betrachtung nicht differenzieren, da lediglich Daten für einen Zeitpunkt betrachtet wurden. Die einzige Möglichkeit herauszufinden, ob es sich bei dem beobachteten Muster um einen intergenerationalen Wandel oder einen Lebenslaufeffekt handelt, besteht darin eine Kohortenanalyse durchzuführen.
3.1. Kohortenanalyse
Um zu festzustellen, ob es sich bei der Verlagerung von Materialismus hin zum Postmaterialismus um einen Lebenslaufeffekt handelt, haben die Autoren eine Ko- hortenanalyse durchgeführt. Dazu war es nötig, die Geburtskohorten über einen län- geren Zeitraum zu beobachten. Da die 4 Fragen Item Skala bereits seit 1970 im Eurobarometer erfasst wurde, sind für die sechs betrachteten Länder Daten über eine Zeitspanne von 35 Jahren vorhanden und damit ausreichend, um die benötigte Kohortenanalyse durchzuführen. Im Detail wurde hierzu jeweils die Position jeder Kohorte zu einem Zeitpunkt bestimmt, in dem ein Ratio aus dem prozentualen An- teil der Materialisten in einer Kohorte und dem prozentualen Anteil der Postmate- rialisten in einer Kohorte gebildet wurde. In Abbildung 2 ist dargestellt, wie sich die Werte der Kohorten über den betrachteten Zeitraum entwickelt haben. Es ist ersichtlich, dass jüngere Kohorten postmaterialistischer als ältere Kohorten sind und dies auch über die ganze betrachtete Zeitspanne bleiben. Sie werden also im
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Kohortenanalyse: Anteil Materialisten und Postmaterialisten in sechs west- europäischen Ländern (Quelle:Inglehart,2008)
Laufe der Zeit nicht materialistischer. Aus dieser Tatsache lässt sich schließen, dass es sich bei den auftretenden Altersunterschieden nicht um einen Lebenslaufeffekt handelt. Dafür müsste nämlich der Kurven verlauf anders sein und im Laufe der Zeit nach unten, hin zum materialistischen Pol, gehen. Ein weiteres Anzeichen da- für, dass es sich nicht um einen Lebenslaufeffekt handelt, ist die Tatsache, dass ein umfassender Wertewandel stattfindet. Es ist zu erkennen, dass jede Kohorte, die im Laufe der Zeit neu hinzukommt, weniger materialistisch ist als die vorherige und dies auch über den gesamten beobachteten Zeitraum so bleibt (Inglehart/Welzel, 2005; Inglehart, 2008).
3.2. Periodeneffekte
Wie bereits zu Beginn erwähnt, sagt die Wertewandel Hypothese ebenfalls voraus, dass Periodeneffekte eine Rolle spielen und Einfluss auf die Anzahl von Postmate- rialisten in einer Kohorte nehmen. Abhängig davon, ob diese positiv oder negativ sind, können sie die Anzahl der Postmaterialisten erhöhen oder vermindern. Inglehart und Welzel haben, um den Einfluss von Periodeneffekten näher zu be- trachten, die zuvor durchgeführte Kohortenanalyse durch Einbezug der Inflations- rate ergänzt. Diese nehmen sie als Indikator für die aktuelle wirtschaftliche Situa- tion. Dabei ist zu beachten, dass die Skala für die Inflationsrate umgekehrt zur Skala des Ratios aus Materialisten und Postmaterialisten ist. Niedrige Inflationswerte sind somit oben im Graph und hohe Werte unten. Die Ergebnisse sind in Abbildung 3 illustriert und zeigen einen parallelen Verlauf von Inflation und postmateriellen Werten. Wenn die Inflationsrate steigt, dann sinkt die Anzahl der Postmaterialisten, nimmt die Inflation dagegen ab, erhöht sich der Anteil der Postmaterialisten in einer Kohorte wieder. Diesen Effekt begründen Inglehart und Welzel damit, dass eine hohe Inflation mit einer steigenden Verunsicherung bei den Menschen einhergeht und so zu einer Fokussierung auf materielle Werte führt und sich die Anzahl der Postmaterialisten verringert. Besonders stark zeigte sich dieser Zusammenhang während den Rezessionen Mitte der 1970er und Anfang 1980er Jahren, wo die An- zahl der Postmaterialisten in den Kohorten sehr stark abnahmen (Inglehart/Welzel, 2005).
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- Quote paper
- Annika Frings (Author), 2015, Postmaterialismus in Kohorten. Wertewandel in verschiedenen Generationen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/504014
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