Das vorliegende Thesenpapier beschäftigt sich mit dem Thema der Jugendkriminalität. Anhand aktueller Thesen wird das medial verbreitete Jugendbild hinterfragt und wissenschaftlich fundiert bewertet. Dabei wird auch die Rolle der Medien sowie die Frage nach der Kriminalität durch Migranten beleuchtet.
Gegen die in der Bevölkerung und in den Medien vertretenen Annahme, dass die Jugendkriminalität ansteigt und von zunehmender Gewaltbereitschaft gekennzeichnet ist, sprechen die aktuellen Zahlen aus der Polizeilichen Kriminal- und Strafverfolgungsstatistik. Im Gegenteil, es ist sogar von rückläufigen Tendenz die Rede. Schaut man sich die absoluten Zahlen der Tatverdächtigen an, so nehmen diese bei der Gruppe der unter 40-Jährigen seit dem Jahr 2000 stetig ab, während die der Tatverdächtigen ab 40 Jahren zunimmt. Dies kann jedoch zu einem Teil in der demographischen Entwicklung in unserer Gesellschaft begründet sein. Wirft man zusätzlich einen Blick auf die relative Entwicklung der Tatverdächtigenbelastungszahlen, so wird deutlich, dass diese im Zeitraum von 1998 bis 2008 bei Kindern und Jugendlichen sinken.
Aus diesem Grund ist es notwendig, nicht nur die Tatverdächtigenbelastungs- sondern auch die Verurteiltenbelastungszahlen genauer anzuschauen. Hier zeigt sich, dass die Tatverdächtigenbelastungszahlen bei jungen Menschen unter 21 Jahren in den Jahren von Beginn der 1990er Jahre bis 2004 deutlich zugenommen haben. Dagegen sind die Verurteiltenbelastungszahlen nur leicht angestiegen. Die Anzahl zwischen Tatverdächtigen und tatsächlich verurteilten jungen Menschen klafft damit immer weiter auseinander.
Inhalt
These 1: Die Jugendkriminalität nimmt ab und hat einen eher bagatellhaften Charakter
These 2: Jugendliche Devianz ist ein „normaler“ Bestandteil der Adoleszenz
These 3: Migranten sind aufgrund vielfältiger Bedingungsfaktoren, einem deutlich höheren Risiko ausgesetzt, polizeibekannt und als Tatverdächtige oder Verurteilte registriert zu werden
These 4: Die Medien zeichnen ein falsches Bild von Jugendkriminalität
Literaturverzeichnis
These 1: Die Jugendkriminalität nimmt ab und hat einen eher bagatellhaften Charakter.
Gegen die in der Bevölkerung und in den Medien vertretenen Annahme, dass die Jugendkriminalität ansteigt und von zunehmender Gewaltbereitschaft gekennzeichnet ist, sprechen die aktuellen Zahlen aus der Polizeilichen Kriminal- und Strafverfolgungsstatistik (vgl. Spiess 2012, S. 1). Im Gegenteil, es ist sogar von rückläufigen Tendenz die Rede.
Schaut man sich die absoluten Zahlen der Tatverdächtigen an, so nehmen diese bei der Gruppe der unter 40-Jährigen seit dem Jahr 2000 stetig ab, während die der Tatverdächtigen ab 40 Jahren zunimmt. Dies kann jedoch zu einem Teil in der demographischen Entwicklung in unserer Gesellschaft begründet sein. (vgl. Spiess 2012, S. 9f.) Wirft man zusätzlich einen Blick auf die relative Entwicklung der Tatverdächtigenbelastungszahlen, so wird deutlich, dass diese im Zeitraum von 1998 bis 2008 bei Kindern und Jugendlichen sinken (vgl. Spiess 2012, S. 15). Aus diesem Grund ist es notwendig, nicht nur die Tatverdächtigenbelastungs- sondern auch die Verurteiltenbelastungszahlen genauer anzuschauen. Hier zeigt sich, dass die Tatverdächtigenbelastungszahlen bei jungen Menschen unter 21 Jahren in den Jahren von Beginn der 1990er Jahre bis 2004 deutlich zugenommen haben. Dagegen sind die Verurteiltenbelastungszahlen nur leicht angestiegen. Die Anzahl zwischen tatverdächtigen und tatsächlich verurteilten jungen Menschen klafft damit immer weiter auseinander.
Schaut man sich diese Zahlen genauer an, ist es wichtig, auch die Gründe für ein Ansteigen oder Absinken der Zahlen zu kennen. So können verschiedene Faktoren die Zahlen zur Kriminalitätsentwicklung beeinflussen. Ein Grund stellt die Ausweitung der Diversionsverfahren dar. Bei einem Diversionsverfahren wird versucht das Verfahren außerhalb der Justiz zu bewältigen. Dies hat den Vorteil, dass für die Jugendlichen durch die schnelle Bearbeitung der Bezug zwischen Tat und der möglichen Problemlösung wie einer Wiedergutmachung gegeben ist. Aber auch eine Einstellung des Verfahrens aufgrund der Geringfügigkeit bzw. mangelndem öffentlichem Interesse wären weitere Gründe. (vgl. bpb 2010, S. 38ff.) Weit mehr werden die genannten Zahlen jedoch durch das Anzeigeverhalten in der Bevölkerung beeinflusst. Hier wurde insbesondere eine Zunahme von Anzeigen leichterer Fälle infolge einer sinkenden Gewaltakzeptanz registriert. (vgl. Spiess 2012, S. 13f.) Steigt das Anzeigeverhalten, so steigen logischerweise auch die sogenannten Hellfelddaten. Wobei dies nicht heißt, dass mehr Taten verübt werden, sondern lediglich, dass die verübten Taten vermehrt angezeigt werden. Als Hellfeld werden dabei die Fälle beschrieben, die durch die Polizei registriert wurden (bspw. durch private Anzeigen). (vgl. Spiess 2012, S. 4)
Ein weiterer Faktor, der die Zahlen der Jugendkriminalität ansteigen lässt, ist die Art und Ausführung der Straftaten.
So handelt es sich bei den Taten die Jugendliche begehen mehrheitlich um Bagatelldelikte. Diese sind in der Regel leicht aufzuklären und werden unüberlegt und „unprofessionell“ begangen. Dies führt dazu, dass diese Taten auch schneller und leichter angezeigt und polizeilich aufgedeckt werden. Zu diesen Bagatelldelikten zählen vor allem Straftaten mit geringem Schadenswert wie Sachbeschädigungen, leichte Körperverletzung, Ladendiebstahl sowie Schwarzfahren. (vgl. Spiess 2012, S. 21) Dass gerade Straftaten wie Ladendiebstahl unter Jugendlichen einen großen Deliktbereich ausmachen, ist nicht besonders verwunderlich, wenn man sich die allgegenwärtig dargebotenen Reize unserer heutigen Konsumgesellschaft vor Augen führt. Jugendliche wollen an dieser teilhaben oder sind zumindest dem Konsumdruck ausgesetzt, ohne jedoch über die dafür erforderlichen Mittel zu verfügen.
Schaut man sich die Gewaltkriminalität an, muss man auch hier differenzieren, da unter diesem Begriff verschiedene Delikte zusammengefasst werden. Dabei fällt besonders die Gruppe der „gefährlichen und schweren Körperverletzung“ auf, welche mehr als 70% der Gewaltkriminalität ausmacht. Man könnte nun annehmen, dass dies der Beweis für die Brutalisierung der Jugend ist. Jedoch werden unter „gefährlicher und schwerer Körperverletzung“ auch jene Taten zusammengefasst, die gemeinschaftlich begangen werden. Hierzu zählen dann auch die jugendtypischen körperlichen Auseinandersetzungen zwischen Gleichaltrigen. Diese sind jedoch seltener von tatsächlich gefährlichen oder schweren Körperverletzungen gekennzeichnet, sondern eher eben als Auseinandersetzungen untereinander. Tatsächlich schwere Körperverletzungen oder noch schwerwiegendere Taten wie Tötungsdelikte oder Vergewaltigungen machen letztlich nur einen sehr geringen Anteil an der Gesamtkriminalität aus. Eine Zunahme der Gewalttätigkeit kann demnach nicht belegt werden. (vgl. Spiess 2012, S. 23ff.)
These 2: Jugendliche Devianz ist ein „normaler“ Bestandteil der Adoleszenz.
Spiess beschreibt Jugendkriminalität als „alterstypische[r] Delinquenz“ (Spiess 2012, S. 15). Demnach werden 10% der jungen Männer im Alter von 16 bis 21 Jahren als tatverdächtig registriert. Das heißt, dass es für männliche Jugendliche kein Einzelfall ist, im Laufe ihrer Pubertät polizeibekannt zu werden. (vgl. Spiess 2012, S. 17) Das heißt, dass jugendliche Devianz eher eine „Phase“ in der Pubertät darstellt, als ein ernsthafter Einstieg in eine kriminelle Laufbahn (vgl. BMFSFJ 2013, S. 2). Eine Phase, die oftmals ohne polizeiliches Einschreiten ihr Ende nimmt. Jugendliche Devianz kann somit als „Bestandteil des Sozialisationsprozesses“ gesehen werden (Walburg 2014, S. 18). In der Adoleszenz geht es vor allem darum sich von Erwachsenen abzugrenzen und Grenzen auszutesten sowie sich untereinander zu messen und Regeln innerhalb der Gruppe der Peers auszuhandeln. Aber auch allgemeingültige Werte und Normen zu hinterfragen vor dem Hintergrund eine eigene Identität auszubilden. Hinzu kommen typische pubertäre Erscheinungen wie ein vermehrtes Bedürfnis nach Bewegung, ein gesteigertes Aggressionspotential sowie „gesteigerte Abenteuerlust, Bereitschaft zu Unfug“ sowie Tendenz zu Risikoverhalten (Schenk-Danzinger 2004, S. 260). Dies bestätigt auch die sozialwissenschaftliche Forschung, welche jugendliche Devianz als „ubiquitär und transistorisch“ bezeichnet (Scherr 2009, S. 197). Man könnte sagen jugendliche Devianz ist erwartbar (vgl. Scherr 2009, S. 201).
These 3: Migranten sind aufgrund vielfältiger Bedingungsfaktoren, einem deutlich höheren Risiko ausgesetzt, polizeibekannt und als Tatverdächtige oder Verurteilte registriert zu werden.
Wenn man die Zahlen nichtdeutscher Tatverdächtiger anschaut, so muss man hier besonders differenzieren. Denn inbegriffen sind sowohl verschiedene Personengruppen, als auch sehr unterschiedliche Straftaten. Zum einen werden unter den nichtdeutschen Tatverdächtigen auch ausländische Personen ohne Wohnsitz in Deutschland wie bspw. Touristen miteingeschlossen. Zum anderen werden bezüglich der Taten auch Verstöße gegen das Aufenthalts- und Asylgesetz in die Statistik eingerechnet. Gerade hierbei handelt es sich um Taten, die von deutschen Staatsbürgern nicht begangen werden können und somit die Statistik bei ausländischen Tatverdächtigen ansteigen lässt. Somit handelt es sich zum einen bei ausländischen Tatverdächtigen nicht immer um Bürger mit Migrationshintergrund und bei den Taten nicht ausschließlich um Gewaltdelikte. Dies gilt es zu berücksichtigen.
Hinzu kommt ein weiterer, demographischer, Aspekt. Unter der ausländischen Bevölkerung ist der Anteil junger, männlicher Personen höher, als unter der deutschen Bevölkerung. Zusätzlich leben statistisch gesehen diese jungen Männer überwiegend in Ballungsgebieten und sind häufiger sozial benachteiligt und desintegriert. Diese Faktoren lassen die Wahrscheinlichkeit straffällig zu werden wiederum erheblich ansteigen. Würde man die Statistiken von deutschen und ausländischen Jugendlichen entsprechend ihrer sozialen Lage vergleichen, so würden sich die Zahlen nichtdeutscher Tatverdächtiger gegenüber deutschen Tatverdächtigen relativieren. (vgl. BKA 2010, S. 105 zit. n. BMFSFJ 2013, S. 1)
Einen weiteren Faktor stellt die Anzeigebereitschaft in der Bevölkerung dar, welche gegenüber Migranten deutlich erhöht ist. Dies trifft insbesondere zu, wenn ein Deutscher Opfer eines Täters mit Migrationshintergrund und/oder anderer ethnischer Herkunft ist sowie bei der Konstellation Täter/Opfer mit unterschiedlichen Migrationshintergründen. Dagegen werden deutsche Täter von Opfern mit Migrationshintergrund deutlich seltener angezeigt. Hinzu kommt außerdem, dass die Anzeigebereitschaft in Städten gegenüber dem ländlichen Raum ebenfalls erhöht ist. Da junge Migranten häufiger, wie bereits dargestellt, in Ballungsgebieten leben, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit angezeigt zu werden nochmals. (vgl. Baier et al. 2009, S. 11)
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- Maria Liebing (Autor), 2016, Die Jugend. Immer gewalttätiger, delinquenter und krimineller?, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/503670
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