"Es ist die Funktion der Vernunft, die Kunst des Lebens zu fördern." Das Gefühl der Menschen, so heißt es im Mann ohne Eigenschaften von Robert Musil, habe jedoch „noch nicht gelernt, sich ihres Verstandes zu bedienen, und zwischen diesen beiden liegt ein Unterschied in der Entwicklung, der fast so groß ist wie der zwischen dem Blinddarm und der Großhirnrinde.“
Diese Daseinsproblematik ist das Thema der vorliegenden Arbeit.
Die innere Dürre, die ungeheuerliche Mischung von Schärfe im Einzelnen und Gleichgültigkeit im Ganzen, das ungeheure Verlassensein des Menschen in einer Wüste von Einzelheiten, seine Unruhe, Bosheit, Herzensgleichgültigkeit ohnegleichen, Geldsucht, Kälte und Gewalttätigkeit, wie sie unsre Zeit kennzeichnen, sollen […] einzig und allein die Folge der Verluste sein, die ein logisch scharfes Denken der Seele zufügt! (MoE, S. 40)
Diese Ambivalenz, die im Innern aufklafft, scheint charakteristisch für den Menschen in der Moderne zu sein und zugleich seine Entfremdung zu bewirken. Der Mensch mit seinem Fühlen und Streben nach Sinnhaftigkeit, steht jenem logisch scharfen Denken, überhaupt der rationalistischen Weltauffassung der Moderne, anachronistisch gegenüber. Die Folge dessen: die stetige Absorption der Seele zugunsten des rationalistischen Weltbezuges und damit der Verlust der Unmittelbarkeit zum eigenen Erleben. Dadurch wird, wie es scheint, eben nicht die Kunst des Lebens gefördert, sondern sich vielmehr von ihr entfernt, von den "Quellen des Lebens".
Um deshalb einen tieferen Einblick in die oben geschilderte Problematik zu geben, bedient sich diese Arbeit der Philosophie Nietzsches als Bezugsrahmen, bevor näher auf den jeweils zeithistorischen Kontext der beiden Werke und Hauptprotagonisten eingegangen wird. Anschließend werden die Hauptaspekte der jeweiligen Werke, Reflexion, Illusionslosigkeit und Entfremdung, näher betrachtet, bevor, vor der abschließenden Schlussbetrachtung, eine Einordnung des Wunsches nach einem anderen Zustand als Utopie folgt.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Protest gegen die Entfremdung: Die Philosophie Nietzsches als Bezugsrahmen
- Zeithistorischer Kontext: Die entzauberte Wirklichkeit
- Reflexion, Illusionslosigkeit und Entfremdung
- Die Entwirklichung der Moderne
- Radikale Reflexion von Selbst und Zeit
- Affekt und Intellekt als Antinomie
- Die Utopie des anderen Zustandes
- Schlussbetrachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der existentiellen Daseinsproblematik des Menschen in der Moderne, wie sie in Robert Musils „Der Mann ohne Eigenschaften“ und Thomas Manns „Doktor Faustus“ thematisiert wird. Im Zentrum steht die Analyse der beiden Protagonisten Ulrich und Adrian Leverkühn, die sich durch ihre sensible Wahrnehmung der Moderne und die daraus resultierende Entfremdung auszeichnen. Die Arbeit untersucht, wie sich die Entwirklichung der Moderne, die radikale Reflexion von Selbst und Zeit sowie das Spannungsverhältnis zwischen Affekt und Intellekt auf das subjektive Erleben der Protagonisten auswirken.
- Die Entfremdung des Menschen in der modernen Welt
- Die Rolle der Vernunft und des rationalen Denkens in der Moderne
- Die Problematik der Illusionslosigkeit und der Verlust der Unmittelbarkeit zum Leben
- Die Suche nach einem „anderen Zustand“ als Antwort auf die Entfremdung
- Die Bedeutung der Philosophie Nietzsches als Bezugsrahmen für die Analyse der Romane
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik der Arbeit ein und stellt die beiden Romane „Der Mann ohne Eigenschaften“ und „Doktor Faustus“ sowie ihre Protagonisten im Kontext der modernen Entfremdung vor.
Kapitel 2 beleuchtet die Philosophie Nietzsches als Bezugsrahmen für die Analyse der beiden Romane. Nietzsche wird als Prophet der Moderne vorgestellt, der die Problematik des 20. Jahrhunderts vorausgesagt hat. Seine Philosophie wird als ein Protest gegen die moderne Entfremdung interpretiert.
Kapitel 3 widmet sich dem zeithistorischen Kontext, in dem die Romane entstanden sind. Hierbei wird auf die „entzauberte Wirklichkeit“ der Moderne eingegangen, die durch die Industrialisierung und die zunehmende Rationalisierung geprägt ist.
Kapitel 4 analysiert die Reflexion, Illusionslosigkeit und Entfremdung, die die Protagonisten erleben. Dabei werden verschiedene Aspekte betrachtet, wie die Entwirklichung der Moderne, die radikale Reflexion von Selbst und Zeit sowie die Antinomie von Affekt und Intellekt.
Kapitel 5 befasst sich mit der „Utopie des anderen Zustandes“, die beide Protagonisten erhoffen. Hierbei geht es um die Suche nach einer ganzheitlichen und schöpferischen Existenz, die der Entfremdung der Moderne entfliehen kann.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den zentralen Themen der modernen Entfremdung, der Rolle der Vernunft in der Moderne, der Illusionslosigkeit, dem Verlust der Unmittelbarkeit zum Leben, der Suche nach einem „anderen Zustand“ und der Philosophie Nietzsches. Die Arbeit fokussiert auf die Romane „Der Mann ohne Eigenschaften“ von Robert Musil und „Doktor Faustus“ von Thomas Mann sowie deren Protagonisten Ulrich und Adrian Leverkühn.
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- Lena Bachleitner (Autor), 2019, Die existenzielle Daseinsproblematik des Menschen in der Moderne, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/503507