Obgleich Friedrich Schillers Prosawerken gemeinhin ein deutlich geringeres Forschungsinteresse zukommt als seinen theoretischen Schriften, so hat sich die neuere deutsche Literaturwissenschaft ausgiebig mit seiner heute unter dem Titel Der Verbrecher aus verlorener Ehre bekannten aufklärerischen Kriminalerzählung, die 1786 anonym in der von Schiller selbst herausgegebenen Zeitschrift Thalia als Verbrecher aus Infamie veröffentlicht wurde, auseinandergesetzt. Die Forschungsliteratur scheint dabei stets um die Analyseschwerpunkte Rezeptionsästhetik, Gattungshistorie, sozialgeschichtliche Studien sowie geistes- und rechtsgeschichtliche Einordnungen zu kreisen, wobei jedoch anzumerken ist, dass zwischen diesen Ansätzen vielfache Interdependenzen bestehen und isolierte Betrachtungen wohl nur schwerlich möglich sind. Eine umfassende rezeptionsästhetische Analyse, wie sie im Folgenden vorgenommen werden soll, wird daher zweifelsohne davon profitieren, eine Vielzahl ebendieser Aspekte in ihre Argumentation miteinzubeziehen und deren Zusammenspiel aufzuzeigen, wenn es herauszustellen gilt, mit welchen Mitteln der Publikumsbezug in der programmatischen Vorrede, die sich aus rezeptionsästhetischer Perspektive wohl als am aufschlussreichsten erweist, hergestellt und im Laufe der Erzählung aufrechterhalten und sogar amplifiziert wird.
Inhalt
Einleitung
I. Schillers Rhetorik und Narratologie
1. Zwischen Fakten und Fiktion: neutraler Geschichtsschreiber oder Rhetorik- affiner Poet?
2. Episches Programm und narratologische Elemente: „Engagiertes Erzählen”
II. Der Blick „in die Gemütsverfassung des Beklagten”
1. Die menschliche Doppelnatur: „Laster und Tugend in einer Wiege”
2. Identitätskonstitution und Mitleidserregung qua Isolation
3. Der Sonnenwirt als Falsifikation der Physiognomik
4. „Gewissensangst“ als Initiator der Entscheidung für die Sittlichkeit
III. Justiz- und Gesellschaftskritik als Mitleidsevokation
1. „Ja, übers Leben noch geht die Ehr!“: Implikationen des Ehrverlusts
2. Schutz- und Vaterlosigkeit: „Lassen Sie Gnade für Recht ergehen, mein Fürst“
IV. Fazit
V. Literaturverzeichnis
- Arbeit zitieren
- Anna Lynn Dolman (Autor:in), 2019, Das Schließen der "Lücke zwischen dem historischen Subjekt und dem Leser", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/503351
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