Immer häufiger sind Klagen von Lehrern über mangelnde Konzentrationsfähigkeit ihrer Schüler zu hören. Vor dem Hintergrund von PISA und anderen Studien gewinnen diese Beschwerden an Tragweite. Diese scheint Grund genug, sich näher mit dem Phänomen der Aufmerksamkeit und Konzentration im schulischen Raum zu beschäftigen.
Diese Arbeit hat sich zum Ziel gesetzt, die Bedeutung und Funktionsweise von Aufmerksamkeit und Konzentration mit besonderem Blick auf die Schule zu analysieren und daraus Möglichkeiten der dahingehenden Optimierung unterrichtlicher Prozesse abzuleiten. Hierzu erfolgt in einem ersten Schritt eine Definition der Begriffe. In einem zweiten Schritt soll dann geklärt werden, welchen Wirkungsmechanismen Aufmerksamkeitsprozesse unterliegen, welche Bedeutungen ihnen mit Blick auf schulische Leistungen zukommt und welche Möglichkeiten der Optimierung dieser Funktionalität bestehen. Dem schließt sich ein Einblick in das Feld möglicher Konzentrationsschwierigkeiten an. Zuletzt werden dann Möglichkeiten aufgezeigt, diese zu diagnostizieren.
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
II. Hauptteil
1. Aufmerksamkeit und Konzentration: Definitionen
2. Bedeutung und Funktionsweise der Konzentration
2.1 Aufmerksamkeit in Abhängigkeit von der Zeit
2.2 Orientierungsreize als Stimuli der Aufmerksamkeit
2.3 Aufmerksamkeit als Selektionsprozess
2.4 Das Akku-Modell der Konzentration
2.5 Aufmerksamkeit als Zustand, Prozess und Inhalt
3. Konzentrationsschwierigkeiten
4. Diagnostik der Konzentrationsfähigkeit
III. Fazit
IV. Literaturverzeichnis
I. Einleitung
Immer häufiger sind Klagen von Lehrern über mangelnde Konzentrationsfähigkeit ihrer Schüler zu hören. Vor dem Hintergrund von PISA und anderen Studien gewinnen diese Beschwerden an Tragweite. Diese scheint Grund genug, sich näher mit dem Phänomen der Aufmerksamkeit und Konzentration im schulischen Raum zu beschäftigen.
Diese Arbeit hat sich zum Ziel gesetzt, die Bedeutung und Funktionsweise von Aufmerksamkeit und Konzentration mit besonderem Blick auf die Schule zu analysieren und daraus Möglichkeiten der dahingehenden Optimierung unterrichtlicher Prozesse abzuleiten. Hierzu erfolgt in einem ersten Schritt eine Definition der Begriffe. In einem zweiten Schritt soll dann geklärt werden, welchen Wirkungsmechanismen Aufmerksamkeitsprozesse unterliegen, welche Bedeutungen ihnen mit Blick auf schulische Leistungen zukommt und welche Möglichkeiten der Optimierung dieser Funktionalität bestehen. Dem schließt sich ein Einblick in das Feld möglicher Konzentrationsschwierigkeiten an. Zuletzt werden dann Möglichkeiten aufgezeigt, diese zu diagnostizieren.
II. Hauptteil
1. Aufmerksamkeit und Konzentration: Definitionen
Ein Blick in die Geschichte der psychologischen Forschung zeigt, dass der Begriff der Konzentration auf engste mit dem der Aufmerksamkeit verknüpft ist. Dieser wiederum erfuhr spätestens seit Begin des 20. Jahrhunderts zahllose Definitionsversuche. Ohne an dieser Stelle näher auf die Begriffsgeschichte eingehen zu wollen, scheint es doch notwendig, die vielfältigen von den verschiedenen Autoren herausgearbeiteten und bis heute gültigen Aspekte der Aufmerksamkeit kurz zusammenzufassen, um im Anschluss daran eine Definition des Begriffs anbieten zu können. Folgende sechs Merkmale der Aufmerksamkeit scheinen in diesem Zusammenhang wesentlich.
1. Aufmerksamkeit ist keine gesonderte Funktion, die losgelöst von anderen psychischen Prozessen (Tätigkeiten, Empfindungen, Denkprozessen usw.) abläuft.[1] Vielmehr begleitet und verändert sie diese, indem sie das unscharfe Empfinden (Perzipieren) auf bestimmte Gegenstände ausrichtet und intensiviert, also in bewusstes klares Wahrnehmen (Apperzeption) überführt.[2]
2. In diesem Zusammenhang wirkt die Aufmerksamkeit in hohem Maße selektiv.[3] D.h., Aufmerksamkeitsprozesse entscheiden darüber, welche der unzähligen jeden Moment auf das Individuum wirkenden Eindrücke tatsächlich bewusst wahrgenommen werden.[4] Sie wirken demzufolge als eine Art Filter auf das unendlich große Angebot interner und externer Reize, dessen Durchlässigkeit durch Variablen wie Reizintensität, affektiven Wert, Neuartigkeit, Überraschung und Motivation determiniert ist.[5]
3. Darüber hinaus steuert die Aufmerksamkeit auch, mit welcher Intensität bestimmte wahrgenommene Reize weiterverfolgt werden, also wie viel Aufmerksamkeit wir ihnen eben schenken.[6]
4. Die bisher genannten Merkmale führen dazu, dass psychische Prozesse optimiert werden.[7] Aufmerksamkeit, als die selektive Steuerung der Wahrnehmung sowohl in Hinblick auf die Ausrichtung dieser nach bestimmten Faktoren, als auch auf die weitere Verarbeitung der wahrgenommen Reize mit angemessener Intensität, ist für das Gelingen komplexer psychischer Abläufe unabdingbar. Denn erst diese Fähigkeit erlaubt die sinnvolle Koordination der verschiedenen das Ganze ergebenden Teilhandlungen.[8]
5. Damit hat Aufmerksamkeit auch die Funktion, die Bedeutung psychischer Prozesse für das Erleben zu verändern.[9] Diese werden deutlicher und plastischer ins Bewusstsein gerufen.[10] Sie laufen im Zustand gespannter Aufmerksamkeit auf einem qualitativ höheren Niveau ab.[11]
6. Aus erkenntnistheoretischer Sicht ist Aufmerksamkeit als ein hypothetisches Konstrukt zu Verstehen, dass sich, vergleichbar mit anderen Konzepten wie Angst und Intelligenz, nicht direkt beobachten lässt, sondern nur aus Äußerungen und Veränderungen im Verhalten erschlossen werden kann.[12]
Aus diesen sechs Merkmalen erarbeitet Rapp folgende Definition. „Aufmerksamkeit kann bezeichnet werden als der Prozeß der Auseinandersetzung mit realen oder vorgestellten Objekten, der durch externe Reizmerkmale (Neuigkeit, Überraschung) oder durch interne Prozesse (Einstellungen, willentliche Entscheidungen) ausgelöst wird und der die Funktion der Auswahl (aus dem Reizangebot), der Intensivierung der realen oder kognitiven Tätigkeiten und eine Verbesserung ihrer Produkte hat.“[13] Augenscheinlich von Bedeutung ist bei dieser Definition die Betonung des Prozesscharakters. Sie wendet sich damit gegen das Verständnis von Aufmerksamkeit als individuellem Vermögen, also als einer weitgehend unveränderlichen Begabungskonstante der Persönlichkeit.[14] Vielmehr betrachtet Rapp Aufmerksamkeit als ein Geschehen, „das in seinem qualitativen Niveau, in der Intensität und Dauer entscheidend durch Lernprozesse bestimmt ist und durch weitere, gezielt und systematisch durchführbare Lernprozesse zu verändern ist“[15].
Nachdem der Begriff der Aufmerksamkeit geklärt ist, stellt sich nun die Frage, wo in diesem komplexen Konzept der Begriff der Konzentration zu verorten ist. Aus der Vielzahl der hierzu vorhandenen Ansichten lassen sich zwei Grundströmungen isolieren.
Zum einen wird Konzentration als ein der Aufmerksamkeit ähnliches aber von ihr getrenntes Phänomen beschrieben. Während sich Aufmerksamkeit durch eine besondere Sensibilität gegenüber äußeren Reizen auszeichnet, ist Konzentration durch eine Abschottung von eben jenen Reizen gekennzeichnet, mit dem Ziel, innere Prozesse in den Fokus rücken zu können.[16] Begründet wird diese Auffassung mit der Diagnose unterschiedlicher physischer Symptome, die bei psychischen Aufmerksamkeits- und Konzentrationsprozessen auftreten.[17]
Zum anderen wird Konzentration als „Sonder- und Gipfelform“[18] der Aufmerksamkeit verstanden. „Wenn sich auch keine scharfe Grenze zwischen den Begriffen Aufmerksamkeit und Konzentration ziehen läßt, so gehören […] zum Erscheinungsbild der Konzentration bzw. der Konzentrationsfähigkeit durchweg folgende Momente: Vitalkraft, Energieimpuls aus den Bereichen der Tiefenperson, Reife und Übungsniveau des Aufmerkens, willkürliche Steuerung, bewusste Einengung des Aufmerksamkeitsfeldes, Spannkraft und Beharrlichkeit des Aufmerkens, Bündelung der Antriebsenergien durch Determination- und Gestaltungstendenzen, Gerichtetheit auf ein Optimum und auf strukturelle Geordnetheit der Leistung, funktionale Bindung an Vorstellungsabläufe und Denkakte.“[19] Kurz, Konzentration gilt als „zuchtvolle Organisation und Ausrichtung der Aufmerksamkeit durch das (den Geist und seine Wertbindung repräsentierende) Ich auf das Erfassen oder Gestalten von Sinn- und Wertgehalte“[20]. Aus heutiger Sicht ist diesem Ansatz der Verschränktheit von Aufmerksamkeit und Konzentration der Vorzug vor dem der Trennung beider Begriffe zu geben.[21]
Aufmerksamkeit zerfällt demnach in zwei Bereiche. In einen unwillkürlichen (pathischen) Teil, die eigentliche Aufmerksamkeit, und in einen willkürlichen (konzentrativen) Teil, auch Konzentration genannt.[22] Letzterer ist vor allem gekennzeichnet durch Sammlung und Ausblendung von Störreizen.[23] Im Gegensatz zur unwillkürlichen Aufmerksamkeit, bei der mehrere Reize und Prozesse simultan verfolgt werden, beschränkt sich die willkürliche Aufmerksamkeit auf einige wenige Sachverhalte, denen dafür umso intensiver nachgegangen wird.[24] Aus dieser Perspektive scheint folgende Definition von Konzentration als angebracht. Konzentration „ist die Fähigkeit, sich zu sammeln, alle Zerstreutheit und Verfahrenheit abzulegen, um die Wahrnehmung, Vorstellungen und Gedanken gebündelt auf einen Erlebnisinhalt richten zu können. Das erfordert zusätzlich die Kraft, allen Störfaktoren - von innen und außen - Widerstand entgegenzusetzen, um nicht abgelenkt zu werden“[25]. Aus dem bisher Gesagten ergibt sich, dass Aufmerksamkeit im Allgemeinen und Konzentration im Besonderen eine grundlegende Vorraussetzung für das Erbringen von Leistung in jedweder Hinsicht ist.[26] Erst durch das Aufbringen von Aufmerksamkeit und Konzentration wird es möglich, kognitive Fähigkeiten sinnvoll auf einen bestimmten Gegenstand zu richten, um so z.B. schulische Aufgaben zu lösen. Ohne sie wäre kaum eine menschliche Leistung möglich.[27]
Im Folgenden wird die begriffliche Trennung in unwillkürlich Aufmerksamkeit und willkürliche Aufmerksamkeit bzw. Konzentration sprachlich nicht durchgehalten. Da sich beide Begriffe stark ähneln, werden sie mit Blick auf bessere Lesbarkeit analog gebraucht. Sollte der Gegenstand dennoch einmal eine begriffliche Unterscheidung erfordern, wird dies gesondert angezeigt.
[...]
[1] Vgl. Rapp, Gerhard: Aufmerksamkeit und Konzentration, Erklärungsmodelle - Störungen - Handlungsmöglichkeiten, Bad Heilbrunn 1982, S.20.
[2] Vgl. ebd.
[3] Vgl. ebd.
[4] Vgl. ebd.
[5] Vgl. ebd.
[6] Vgl. ebd., S.20f.
[7] Vgl. ebd., S.21.
[8] Vgl. ebd.
[9] Vgl. ebd.
[10] Vgl. ebd.
[11] Vgl. ebd.
[12] Vgl. ebd.
[13] Ebd.
[14] Vgl. ebd.
[15] Ebd., S.21f.
[16] Vgl. ebd.
[17] Vgl. ebd., S.22f.
[18] Mierke, Karl: Konzentrationsfähigkeit und Konzentrationsschwäche, Bern 1962, S.21.
[19] Ebd., S.21f.
[20] Ebd., S.22.
[21] Vgl. Rapp, Gerhard: Aufmerksamkeit und Konzentration, Erklärungsmodelle - Störungen - Handlungsmöglichkeiten, Bad Heilbrunn 1982, S.23.
[22] Vgl. Bergius, Rudolf: Aufmerksamkeit, S.80, in: Häcker, Hartmut/Stapf, Kurt (Hrsg.): Dorsch psychologisches Wörterbuch, Bern/Göttingen/Toronto/Seattle 1998, S.80.
[23] Vgl. Vgl. Rapp, Gerhard: Aufmerksamkeit und Konzentration, Erklärungsmodelle - Störungen - Handlungsmöglichkeiten, Bad Heilbrunn 1982, S.23.
[24] Vgl. ebd. Vgl. Berg, Detlef: Psychologische Grundlagen und Konzepte von Aufmerksamkeit und Konzentration, S.25f., in: Barchmann, Harald/Kinze, Wolfram/Roth, Norbert (Hrsg.): Aufmerksamkeit und Konzentration im Kindesalter, Interdisziplinäre Aspekte, Berlin 1991, S.39-46.
[25] Ott, Ernst: Das Konzentrationsprogramm, Konzentrationsschwäche überwinden - Denkvermögen steigern, Reinbeck 1981, S.15.
[26] Vgl. Berg, Detlef: Psychologische Grundlagen und Konzepte von Aufmerksamkeit und Konzentration, S.25f., in: Barchmann, Harald/Kinze, Wolfram/Roth, Norbert (Hrsg.): Aufmerksamkeit und Konzentration im Kindesalter, Interdisziplinäre Aspekte, Berlin 1991, S.39-46.
[27] Vgl. Westhoff, Karl: Das Akku-Modell der Konzentration, S.54, in: Barchmann, Harald/Kinze, Wolfram/Roth, Norbert (Hrsg.): Aufmerksamkeit und Konzentration im Kindesalter, Interdisziplinäre Aspekte, Berlin 1991, S.47-55. Vgl. Rollet, Brigitte: Die integrative Leistung des Gehirns und Konzentration, Theoretische Grundlagen und Interventionsprogramme, S.60ff, in: Klauer, Karl Josef (Hrsg.): Kognitives Training, Göttingen/Bern/Toronto/Seattle 1993, S.247-256.
- Arbeit zitieren
- Jan Trützschler (Autor:in), 2005, Aufmerksamkeit und Konzentration unter besonderer Berücksichtigung des schulischen Zusammenhangs: Definition, Bedeutung, Diagnostik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/50318
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