Arbeitslosigkeit ist eines der zentralen Probleme, mit dem sich sowohl die Bevölkerung als auch die politische Führung nahezu jeder Gesellschaft konfrontiert sieht. Sie ist deshalb von besonderer Bedeutung, weil der Mange l an Beschäftigungsverhältnissen eine Schnittstelle verschiedener gesellschaftlicher Bereiche markiert. Arbeitslosigkeit berührt dabei wirtschaftliche Faktoren wie das soziale Sicherungssystem, soziale Faktoren wie die Entstehung neuer Konfliktlinien im Zuge eines steigenden Wohlstandsgefälles und auch politische Faktoren wie die Frage nach der Legitimität einer Führung, die nicht in der Lage ist, dieses Problem zu beheben. Diese Ansatzpunkte weisen bereits auf den destabilisierenden Charakter von Arbeitslosigkeit in jedem einzelnen der nicht von einander trennbaren, gesellschaftlichen Teilbereiche hin. Demnach kann Arbeit als Faktor sozialer Stabilität gewertet werden, in die sowohl ökonomische als auch politische Stabilität mit hinein spielen. Offensichtlicher wird dieser Zusammenhang von Arbeit und sozialer Stabilität wenn man die Funktion ersterer genauer betrachtet. Arbeit erlaubt es jedem Einzelnen, für seinen Lebensunterhalt selbstständig aufzukommen, und garantiert gleichzeitig nicht nur materiell bedingte gesellschaftliche Teilhabe. Sobald diese Möglichkeit nicht gegeben ist und gleichzeitig ein Mangel an sozialer Absicherung durch ein alternatives Versorgungssystem besteht, führt dies zu einer erheblichen Berührung der individuellen Sicherheit, welche in der Summe Einfluss auf die Sicherheitslage eines Landes und somit auf die soziale Stabilität erlangen kann. Soziale Stabilität ist also eng verknüpft mit der Verwirklichung einer Arbeitsmarktpolitik, die jedem ein weitestgehend selbst gestaltetes, würdiges Leben ermöglicht.
Gliederung
1. Einleitung
2. Arten der Arbeitslosigkeit in China
2.1 Das Problem der Erfassung der Arbeitslosenzahl
2.2 Registrierte Arbeitslose
2.3 Verdeckte Arbeitslosigkeit
3. Gründe für die urbane Arbeitslosigkeit
4. Die chinesische Arbeitsmarktpolitik
4.1 Aktive Arbeitsmarktpolitik
4.2 Passive Arbeitsmarktpolitik
5. Arbeitslosigkeit als Faktor sozialer Instabilität
6. Fazit
7. Literaturliste
1. Einleitung
Arbeitslosigkeit ist eines der zentralen Probleme, mit dem sich sowohl die Bevölkerung als auch die politische Führung nahezu jeder Gesellschaft konfrontiert sieht. Sie ist deshalb von besonderer Bedeutung, weil der Mangel an Beschäftigungsverhältnissen eine Schnittstelle verschiedener gesellschaftlicher Bereiche markiert. Arbeitslosigkeit berührt dabei wirtschaftliche Faktoren wie das soziale Sicherungssystem, soziale Faktoren wie die Entstehung neuer Konfliktlinien im Zuge eines steigenden Wohlstandsgefälles und auch politische Faktoren wie die Frage nach der Legitimität einer Führung, die nicht in der Lage ist, dieses Problem zu beheben. Diese Ansatzpunkte weisen bereits auf den destabilisierenden Charakter von Arbeitslosigkeit in jedem einzelnen der nicht von einander trennbaren, gesellschaftlichen Teilbereiche hin. Demnach kann Arbeit als Faktor sozialer Stabilität gewertet werden, in die sowohl ökonomische als auch politische Stabilität mit hinein spielen.
Offensichtlicher wird dieser Zusammenhang von Arbeit und sozialer Stabilität wenn man die Funktion ersterer genauer betrachtet. Arbeit erlaubt es jedem Einzelnen, für seinen Lebensunterhalt selbstständig aufzukommen, und garantiert gleichzeitig nicht nur materiell bedingte gesellschaftliche Teilhabe. Sobald diese Möglichkeit nicht gegeben ist und gleichzeitig ein Mangel an sozialer Absicherung durch ein alternatives Versorgungssystem besteht, führt dies zu einer erheblichen Berührung der individuellen Sicherheit, welche in der Summe Einfluss auf die Sicherheitslage eines Landes und somit auf die soziale Stabilität erlangen kann. Soziale Stabilität ist also eng verknüpft mit der Verwirklichung einer Arbeitsmarktpolitik, die jedem ein weitestgehend selbst gestaltetes, würdiges Leben ermöglicht.
China sieht sich bei der Realisierung einer solchen Politik vor besondere Probleme gestellt. Arbeitslosigkeit und soziale Unsicherheit fanden zu Zeiten des Kommunismus keine Thematisierung. Demzufolge kam es auch nicht zur Schaffung von sozialen Sicherungssystemen neben der Familie. Die seit den 70er Jahren stattfindende Umstellung der chinesischen Wirtschaft auf ein kapitalistisches Marktmodell ist verbunden mit einem kontinuierlichen Anstieg der Arbeitslosigkeit, welcher nicht durch ein steigendes Wirtschaftswachstum aufgefangen werden kann. Die chinesische Führung kann bis dato die grundrechtliche Garantie[1] auf einen Arbeitsplatz nicht mehr gewähren und hat parallel dazu immer noch keine Instrumente entwickelt, um effektiv Folgeproblemen wie Armut und Kriminalität entgegenzuwirken. Diese Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit führt auch zu einem neuen Verhältnis zwischen der Bevölkerung und der politischen Führung, das geprägt ist durch die Hinterfragung der Legitimität einer Herrschaft, die nicht in der Lage ist dringende Probleme des Landes zu lösen und dabei gleichzeitig gegen Grundpfeiler des chinesischen Wertesystems wie der Durchsetzung der sozialen Gleichheit verstößt. All diese Aspekte werden in der vorliegenden Arbeit systematisch entlang der Frage nach dem Einfluss der wachsenden Arbeitslosigkeit auf die soziale Stabilität untersucht.
Um dem nachzugehen wird im zweiten Teil erst einmal die spezifisch chinesische Auffassung des Begriffs Arbeitslosigkeit dargestellt und auf die unterschiedlichen daran orientierten Gruppen von Arbeitslosen eingegangen. Dies ist entscheidend, um die im dritten Teil angeführten Gründe für Arbeitslosigkeit den jeweiligen Gruppen zuordnen zu können und somit ein der Komplexität der Thematik gerechtes Puzzle zu entwerfen. Diese Überlegungen stellen auch die Basis für den vierten Teil dar, der den Umgang der chinesischen Führung mit der Problematik analysiert. Hierbei zentral ist die Frage, welche arbeitsmarktpolitischen Instrumente für welche Gruppe von Arbeitslosen von der Kommunistischen Partei implementiert wurden. Das Ziel dieses Abschnitts besteht darin zu zeigen, dass die Politik der Führung im Sinne des Erhalts der sozialen Stabilität erfolgt. Damit wird bereits auf den fünfen Teil der Arbeit verwiesen, in dem die Konsequenzen einer steigenden Arbeitslosigkeit dargelegt werden sollen. Dabei ist natürlich die Problemstellung in Form der Korrelation von Arbeitslosigkeit und sozialer Stabilität der Fokus des Abschnitts. Gleichzeitig können hier nochmals Rückschlüsse auf die anderen Teile der Arbeit gezogen werden, so dass die Verknüpfung aller Aspekte hier zusammenläuft, damit schließlich in einem Fazit eine Entwicklungstendenz formuliert werden kann.
Aufgrund der zur Verfügung stehenden Materialien, aber auch des immensen Umfangs, beschränkt sich die Arbeit auf die Untersuchung der Arbeitslosigkeit im urbanen China. Zudem wird es möglichst vermieden Zahlenmaterial zu präsentieren, aufgrund der bestehenden statistischen Probleme bei der Erhebung der Arbeitslosenzahlen, die in Abschnitt zwei näher erläutert werden. Des Weiteren ist die Literaturauswahl wegen mangelnder chinesischer Sprachkenntnisse eingeschränkt gewesen.
Neben diesen zu vernachlässigenden Schwierigkeiten gibt es ein gravierendes Aktualitätsproblem, welches dazu führt, dass die vorliegende Analyse den ständigen Veränderungen auf dem chinesischen Arbeitsmarkt nicht gerecht werden kann und angeführte Einzelaspekte unter Umständen aktuell ihre Bedeutung verloren haben.
2. Arten der Arbeitslosigkeit in China
Im Gegensatz zu kapitalistischen Systemen, in denen sich Arbeitslosigkeit durch den Rückgang der Zahl der Beschäftigten auszeichnet und damit offen darlegt, wird dies typischerweise in sozialistischen Systemen verhindert. Arbeitslosigkeit äußert sich hier zumeist innerbetrieblich verdeckt in Form von Arbeitszeitverkürzungen oder einer Verringerung der Arbeitsproduktivität.[2] Ein Grund für diese Art des Umgangs mit der Unterauslastung von Arbeitskräften ist auf das System der Planwirtschaft zurückzuführen, in der es theoretisch keine Arbeitslosigkeit geben darf. Vollbeschäftigung war in China eines der zentralen Ziele der politischen Führung, die eben diese mit der Planung des Arbeitskräftemarktes versucht hat durchzusetzen.[3] Mit der Einführung der Marktreformen wurde gleichzeitig schrittweise ein freier Arbeitsmarkt geschaffen, der das Problem der wahrnehmbaren Arbeitslosigkeit verstärkte.
Die Offensichtlichkeit einer größeren Arbeitslosigkeit als bisher vermutet, führte jedoch nicht zu einer Veränderung innerhalb der offiziellen statistischen Angaben. Lediglich die Aufnahme einer neuen Begrifflichkeit für das Problem der Arbeitslosigkeit in den politischen Sprachgebrauch deutete an, dass sich die chinesische Führung mit dieser Schwierigkeit des Arbeitsmarktes auseinandersetzte. Neben dem sozialistischen Begriff daiye, der nur eine kleine Gruppe von Personen umfasste, die als „auf Arbeit Wartende“ galten, trat der bis dahin für Arbeitslosigkeit in kapitalistischen Systemen verwendete Begriff shiye, welcher jedoch längst nicht alle weiteren Formen der Arbeitslosigkeit bezeichnet.[4] Es besteht immer noch eine Trennung von verdeckter und offener Arbeitslosigkeit, welche auch im Bezug steht zu den begrifflichen Feinheiten und welche die im nächsten Abschnitt problematisierte statistische Erhebung der tatsächlichen Arbeitslosenzahl ausgesprochen schwierig macht.
2.1 Das Problem der Erfassung der Arbeitslosenzahl
Prinzipiell können in den offiziellen Statistiken über die Arbeitslosigkeit in China nur erwerbslose Personen eines gewissen Alters mit einer städtischen Haushaltsregistrierung auftauchen. Die Bevölkerungsteile die einen ländlichen hukou besitzen, werden gleich ihres Aufenthaltsortes nicht berücksichtigt und müssen den inoffiziellen Arbeitslosen zugerechnet werden. Dies führt offensichtlich zu Fehlinformationen über die bestehende Arbeitslosigkeit in den Städten.
Wesentlich gravierender auf den Informationsgehalt der erhobenen Daten wirkt sich jedoch die Berechnung der Arbeitslosenquote aus, die der Quotient aus der Zahl der Arbeitslosen und der Zahl der Erwerbstätigen ist und entscheidend vom Alter der Betroffenen abhängt. Die Registrierung als arbeitslos kann bei Männern nur im Alter von 16 bis 50 und bei Frauen von 16 bis 45 Jahren erfolgen. Im Gegensatz dazu gelten Männer zwischen 16 und 59 und Frauen zwischen 16 und 54 Jahren als Erwerbstätige, und bei der Erhebung dieser Größe spielt es auch keine Rolle, über welchen hukou man verfügt. Demnach wird allein durch die staatlich festgelegten Definitionen der Komponenten, aus denen sich die Arbeitslosenquote zusammensetzt, diese rechnerisch im Sinne der chinesischen Führung völlig verzerrt.[5]
Ein weiterer Faktor, der zu einer Verfälschung der Quote führt, ist bei den lokalen Arbeitsbüros zu finden, die für die Registrierung der Arbeitslosen zuständig sind. Die bestehende Arbeitslosenquote innerhalb einer Region wird so zu einem Indikator für die Leistungsfähigkeit des jeweiligen Büros. Demnach bestehen für die dort Beschäftigten Anreize, ihre Angaben möglichst niedrig zu halten, indem sie zum Beispiel die Kriterien für die Registrierung willkürlich verändern oder die Registrierung nur so lange durchführen, bis sie einen maximalen Wert erreicht haben.[6]
Offensichtlich muss man an der Glaubwürdigkeit der offiziellen Zahlen zweifeln, weil sie nur wiedergeben, wer sich als arbeitslos registrieren konnte und nicht, wer tatsächlich arbeitslos ist. Dadurch entsteht die Problematik, dass die bestehende Situation in ihrem Ausmaß nicht erfasst werden kann und Maßnahmen zur Gegensteuerung schwieriger machen. Nur durch eine möglichst genaue Erhebung - auch der verdeckten Arbeitslosigkeit - können politische Instrumente entwickelt werden, die eine angemessene Reaktion auf das Problem darstellen. Verschiedene Fachleute haben in den letzten Jahrzehnten genau dies versucht und kamen auf sehr unterschiedliche Arbeitslosenquoten[7], die bis zu viermal höher sind als die offiziellen Zahlen.[8]
Die chinesische Führung hat sich entschlossen, in naher Zukunft die Trennung zwischen der offenen und verdeckten Arbeitslosigkeit aufzuheben und alle bestehenden Formen in die Arbeitslosenquote einzubeziehen.[9] Dies kann sicherlich als Versuch gewertet werden, den politischen Umgang mit Arbeitslosigkeit durch eine Vereinheitlichung der Formen zu erleichtern. Nachstehend wird nun auf die verschiedenen Arten der Arbeitslosigkeit eingegangen und dadurch verdeutlicht, welche Probleme sich durch die bestehende Trennung und die damit einhergehende Ungleichbehandlung für die Kommunistische Partei ergeben.
[...]
[1] Opper, Sonja: Wirtschaftsreform und Beschäftigungswandel in der VR China, Baden-Baden 1999, S.61.
[2] Opper, Sonja: a.a.O., S.62.
[3] Hebel, Jutta/Schucher, Günter: Zwischen Arbeitsplan und Arbeitsmarkt, Strukturen des Arbeitssystems in der VR China, Hamburg 1992, S.8.
[4] Wong, Linda: Unemployment, in: Hebel, Jutta/Schucher, Günther (Hrsg.): Der chinesische Arbeitsmarkt, Strukturen, Probleme, Perspektiven, Hamburg 1999, S.221f.
[5] Opper, Sonja: a.a.O., S.307.
[6] Ebd.
[7] In der Literatur finden sich hier verschiedene Aussagen, die Zahlen zwischen 7-15% veranschlagen. Da zum Teil nicht klar ist, wie die Zahlen zustande kommen und eine fundierte Erhebung nahezu unmöglich scheint, muss man hier von Schätzungen ausgehen. Die vorliegende Analyse muss jedoch vor dem Hintergrund dieses Zahlenmaterials gelesen werden. Es wird demzufolge von einer Arbeitslosigkeit ausgegangen, die mindestens doppelt so hoch ist, wie es die offiziellen Zahlen vermuten lassen würden.
[8] Taubmann, Wolfgang: Arbeitslosigkeit und Armut im städtischen China, in: Kupfer, Kristin (Hrsg.): „Sozialer Sprengstoff in China?“, Dimensionen sozialer Herausforderungen in der Volksrepublik, Essen 2004, S.21.
[9] Taubmann, Wolfgang: a.a.O., S.29, vgl. Schwierige Beschäftigungslage, in: CHINA aktuell, 31, 12, S.1395.
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