Der Autor stellt die verwaltungsrechtliche Bedeutung behördlichen Ermessens als begrenzten Freiraum der Exekutive gegenüber der Legislative und der Judikative dar. Darauf aufbauend untersucht der Autor das Ermessen in § 34 BBG und beantwortet die Frage nach Ermessensspielräumen bei der Entlassung von Probebeamten. Dabei wird der § 34 BBG in das Licht des Prinzips der Bestenauslese gemäß Art. 33 (2) GG gerückt und so der Sinn und Zweck der Regelung zur Entlassung von Probebeamten verdeutlicht.
Wie soll ein Beamter sein und sich verhalten? Wie soll er seine Amtsgeschäfte handhaben, um der Funktion des Berufsbeamtentums gerecht werden zu können? Prof. Dr. Hubert Treiber beschreibt den Beamten als menschlich unbeteiligt, daher absolut sachlich nach universell berechenbaren Regeln Entscheidungen treffend, prinzipiell durch einen anderen Beamten austauschbar und fachlich geschult. Eine Staatsverwaltung, die solche Beamten einsetze, zeichne sich durch eindeutiges, kontinuierliches, immer regelgebundenes und berechenbares Funktionieren aus.
Für Max Weber ist die bürokratische Abwicklung der Amtsgeschäfte die effizienteste. Um sicherzustellen, dass nur solche Beamte dauerhaft in der öffentlichen Verwaltung tätig werden, besteht das Rechtsinstitut des Beamtenverhältnisses auf Probe. Die zentrale Fragestellung, die in dieser Publikation untersucht werden soll, lautet: Wann können nach § 34 BBG Probebeamte im Rahmen einer Ermessensentscheidung entlassen werden, wann müssen sie entlassen werden?
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Ermessen
3 Das Beamtenverhältnis auf Probe
4 Die beamtenrechtliche Probezeit
5 Rechtliche Einordnung und Systematik des § 34 BBG
6 Das Ermessen in § 34 (1) BBG
6.1 Dienstvergehen - § 34 (1) S. 1 Nr. 1 BBG7
6.2 Fehlende Bewährung - § 34 (1) S. 1 Nr. 2 BBG
6.3 Dienstunfähigkeit - § 34 (1) S. 1 Nr. 3 BBG
6.4 Verwendungsproblem - § 34 (1) S. 1 Nr. 4 BBG
7 Fazit
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
„Die Beamten sind diejenigen, die manchmal mit ihrer besonderen Schulung und Fixierung auf das Gesetz wie Sand im Getriebe populärer Schnellschüsse wirken. Aber genau das sollen sie sein: weil Rechtsstaat und Demokratie keine Gegenspieler sondern Komplementäre eines Bündnisses sind, das zugunsten der Freiheit der Bürger geschlossen wurde."1 Anhand dieses Zitates wird die bedeutende Funktion und zugleich die Legitimation des Berufsbeamtentums in Deutschland ersichtlich. Im Hinblick auf den rechtsstaatlichen Schutz vor parteipolitischen Einflüssen auf die öffentliche Verwaltung betont das Bundesverfassungsgericht die Ausgleichsfunktion gegenüber den "das Staatsleben gestaltenden Kräften" des Berufsbeamtentums.2 Doch wie soll ein Beamter3 sein und sich verhalten? Wie soll er seine Amtsgeschäfte handhaben, um der Funktion des Berufsbeamtentums gerecht werden zu können? Prof. Dr. Hubert Treiber beantwortet diese Frage, den Beamten beschreibend, in seinem Beitrag in "Max Webers Staatssoziologie" als menschlich unbeteiligt, daher absolut sachlich nach universell berechenbaren Regeln Entscheidungen treffend, prinzipiell durch einen anderen Beamten austauschbar und fachlich geschult. Eine Staatsverwaltung, die solche Beamten einsetze, zeichne sich durch eindeutiges, kontinuierliches, immer regelgebundenes und berechenbares Funktionieren aus. Für Max Weber ist die bürokratische Abwicklung der Amtsgeschäfte die effizienteste.4 Um sicherzustellen, dass nur solche Beamte dauerhaft in der öffentlichen Verwaltung tätig werden, besteht das Rechtsinstitut des Beamtenverhältnisses auf Probe.
Die zentrale Fragestellung, die untersucht werden soll, lautet: Wann können nach § 34 BBG Probebeamte im Rahmen einer Ermessensentscheidung entlassen werden, wann müssen sie entlassen werden?
2 Ermessen
Art. 20 (3) GG bindet die vollziehende Gewalt an Gesetz und Recht. Die Verwaltung wird dadurch einerseits in eine besondere Beziehung zum Gesetzgeber und andererseits zu den Verwaltungsgerichten, die die Rechtmäßigkeit der Verwaltungsmaßnahmen zu überprüfen haben, gebracht. Diesen fällt auch die Letztentscheidungskompetenz zu, da eine verwaltungsgerichtliche Entscheidung abschließend und verbindlich ist.5
Die Gesetzesbindung wird gelockert, wenn der Gesetzgeber der Verwaltung im Gesetz Gestaltungsspielräume einräumt. Solch eine Lockerung der Gesetzesbindung bedingt zugleich eine Lockerung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle. Gegenstand der Kontrolle ist dann nur die Rechtmäßigkeit - im Gegensatz zum Widerspruchsverfahren nach § 68 (1) S. 1 VwGO - jedoch nicht die Zweckmäßigkeit, so § 113 (1) S. 1 VwGO. Einen solchen Spielraum für Zweckmäßigkeitserwägungen der Behörde im Gesetz bezeichnet man als "Ermessen". Es kann eingeräumt werden durch die ausdrückliche Verwendung des Wortes oder durch einschlägige Formulierungen wie "kann", "darf", "ist befugt" oder ähnliche Begriffe.6 Vor allem dient das Ermessen der Herstellung von Einzelfallgerechtigkeit. Zudem führt die damit einhergehende Flexibilität zu Effektivitätssteigerungen der Verwaltung.7 Die Ermessensbetätigung hat unter Willkürausschluss "pflichtgemäß" zu erfolgen, so § 40 VwVfG.8 Ermessensfehler sind die Ermessensunterschreitung, die Ermessensüberschreitung und der Ermessensfehlgebrauch. Ihre Rechtsfolge ist jeweils die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes.9 Während auf der Rechtsfolgenseite einer Rechtsnorm das Ermessen eine Rolle spielt, erlangen auf der Tatbestandsseite der Rechtsnorm unbestimmte Rechtsbegriffe Bedeutung. Der Grad der Bestimmtheit der in einer Rechtsnorm verwendeten Rechtsbegriffe erzeugt eine unterschiedlich starke Auslegungsbedürftigkeit durch die Behörde. Zu unterscheiden sind unbestimmte Rechtsbegriffe mit und ohne Beurteilungsspielraum. Der Erstgenannte stellt den Ausnahmefall dar und ist nur in bestimmten Fallgruppen anerkannt. Dann erfolgt nur eine eingeschränkte verwaltungsgerichtliche Kontrolle hinsichtlich der Einhaltung von Verfahrensvorschriften und -grundsätzen, der Zugrundelegung des zutreffenden und vollständigen Sachverhalts, der Einhaltung allgemein anerkannter Bewertungsmaßstäbe und der Außerachtlassung sachfremder Erwägungen. Die Auslegung eines unbestimmten Rechtsbegriffs ohne Beurteilungsspielraum ist verwaltungsgerichtlich voll überprüfbar. Kommt das Verwaltungsgericht zu einer anderen Auffassung als die Behörde, führt dies dazu, dass die Behördenentscheidung als rechtswidrig aufgehoben wird, wenn alle Voraussetzungen vorliegen, so § 113 (1) S. 1 VwGO.10
Zur Veranschaulichung: Unbestimmte Rechtsbegriffe/Ermessen (eigene Darstellung)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
3 Das Beamtenverhältnis auf Probe
In das Beamtenverhältnis auf Probe darf nur berufen werden, wer die Befähigung für die Laufbahn, zu der das zu verleihende Amt gehört, bereits erlangt hat.11 Während es sich beim Beamtenverhältnis auf Widerruf um ein solches zum Zwecke der Ausbildung, regelmäßig zur Ableistung eines vorgeschriebenen oder üblichen Vorbereitungsdienstes, handelt, ist das Beamtenverhältnis auf Probe ein Dienstverhältnis zur Bewährung. Die Bewährungszeit im Beamtenverhältnis auf Probe soll der Prüfung der vollumfänglichen Eignung für eine zukünftige Verwendung auf Lebenszeit dienen. Sie ist daher vor Berufung in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zu durchlaufen.12 Durch die Eigenart des Beamtenverhältnisses auf Probe mit seinen an bestimmte Gründe gebundenen und somit begrenzten Entlassungsmöglichkeiten liegt es im Hinblick auf die Stabilität der Rechtsstellung des Beamten zwischen dem Beamtenverhältnis auf Widerruf, das gemäß § 37 BBG eine Entlassung aus jedem sachlichen Grund gestattet, und dem Beamtenverhältnis auf Lebenszeit, zu dem es hinführen soll.13 Die Rechtsstellung des Probebeamten ist naturgemäß eine schwächere als die des Lebenszeitbeamten.14 „Der Beamte auf Widerruf ist noch weniger geschützt."15 Ein Anspruch auf Umwandlung des Probebeamtenverhältnisses in eines auf Lebenszeit erwächst nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht mit Ablauf der laufbahnrechtlichen Probezeit. Tritt ein realisierbarer Umwandlungsanspruch des Beamten jedoch ein, so ist dessen Entlassung nach § 34 (1) BBG ausgeschlossen.16 Die Umwandlung in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit hat spätestens nach fünf Jahren Probezeit zu erfolgen, wenn die Bedingungen des § 11 (2) BBG erfüllt sind.17 „Das Beamtenverhältnis auf Probe endet nicht mit Ablauf der Probezeit, sondern erst durch Entlassung oder Umwandlung in ein Dienstverhältnis auf Lebenszeit."18
Art. 33 (5) GG in seiner Dimension als objektives Verfassungsrecht enthält die institutionelle Garantie des Berufsbeamtentums und ein Gestaltungs- und Fortentwicklungsgebot. In seiner subjektiv-rechtlichen Dimension als grundrechtsgleiches Recht können Betroffene die Beachtung der hergebrachten Grundsätze zuerst verwaltungsgerichtlich, dann im Wege der Verfassungsbeschwerde geltend machen.19 Teils wird die Ansicht vertreten, wegen des Begriffs des "Berufsbeamtentums" seien nur Beamte und Richter auf Lebenszeit Träger des grundrechtsgleichen Rechts aus Art.33(5)GG.20 Dem ist entgegenzuhalten: Seit dem Dienstrechtsneuordnungsgesetz wird das Amt im statusrechtlichen Sinne nicht erst bei der Verbeamtung auf Lebenszeit, sondern bereits mit der Begründung des Beamtenverhältnisses auf Probe verliehen.21 Somit und dadurch, dass das Beamtenverhältnis auf Probe (und auf Widerruf) wie das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit durch Ernennung zustande kommt, wird klar, dass eine Öffnung des persönlichen Schutzbereiches des Art. 33 (5) GG nur für Lebenszeitbeamte weder dem Grundgesetz noch dem Gesetzgeberwillen entspricht.
Die Regelungsinhalte der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums des Art.33 (5) GG lassen sich einteilen in allgemeine Statusgrundsätze des Beamtentums, Beamtenrechte von nicht (primär) vermögensrechtlicher Natur und solchen von vermögensrechtlichem Gehalt, die teilweise aus den Statusgrundsätzen folgen. Diese verfassungsrechtlichen Leitlinien des Beamtenrechts führen ebenso zu Rechten des Dienstherrn. Der Legislative obliegt die einfachgesetzliche Ausgestaltung der Rechte und Pflichten sowohl des Dienstherrn als auch des Beamten.22 Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat u. a. inzwischen als hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums anerkannt: das Beamtenverhältnis als besonderen Status, die grundsätzliche Anstellung auf Lebenszeit sowie Hauptberuflichkeit, das Leistungsprinzip, die Regelung der Beendigung des Beamtenverhältnisses unmittelbar durch Gesetz und die Fürsorgepflicht des Dienstherrn.23 Das Lebenszeitprinzip gehört zu den hergebrachten Grundsätzen des Art. 33 (5) GG. Es gewährleistet die Unabhängigkeit der Beamten.24 Vor diesem Hintergrund erscheint das Rechtsinstitut des zeitlich befristet angelegten Beamtenverhältnisses auf Probe fragwürdig. In welchem Verhältnis das Lebenszeitbeamtenverhältnis und andere Arten zueinander stehen, bedarf der Aufklärung.
Erhellend dazu: "Dienst als Beamter ist grundsätzlich Beruf auf Lebenszeit, weswegen das Beamtenverhältnis in der Regel unbefristet ist. [...] Das schließt die Kategorie der Probe-, Widerrufs-, Zeit-, Teilzeitbeamten oder des jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzbaren politischen Beamten nicht aus."25 Diese Formen dürfen aber wegen Art. 33 (5) GG nicht der Regelfall sein und müssen - speziell die letztgenannte Art - stark begrenzt bleiben.26 "Der politische Beamte ist somit auf Leitungsstellen, die mit dem jeweiligen Minister besonders nahe zusammenarbeiten, begrenzt." 27
[...]
1 Di Fabio, Das beamtenrechtliche Streikverbot, S. 50.
2 Di Fabio, Das beamtenrechtliche Streikverbot, S. 50.
3 Anmerkung: Wenn in dieser Arbeit nur die männliche Form genutzt wird, so dient dies ausschließlich der besseren Lesbarkeit und Verständlichkeit des Textes. Eine Diskriminierung des weiblichen Geschlechts sowie aller sonstigen Geschlechtsidentitäten ist ausdrücklich nicht beabsichtigt.
4 Anter/Breuer (Hrsg.), Max Webers Staatssoziologie, S. 131–132.
5 Sauerland, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 103.
6 Sauerland, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 103–104.
7 Sauerland, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 106.
8 Sauerland, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 106.
9 Sauerland, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 109.
10 Sauerland, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 93–98.
11 Schnellenbach/Bodanowitz, Beamtenrecht in der Praxis, S. 44.
12 Schnellenbach/Bodanowitz, Beamtenrecht in der Praxis, S. 31–32.
13 Plog/Wiedow/Lemhöfer/Beck, Rdnr. 4.
14 Leppek, Beamtenrecht, S. 35.
15 Finkelnburg/Dombert/Külpmann u. a., Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, Rdnr. 1385.
16 Herrmann/Sandkuhl, Beamtendisziplinarrecht - Beamtenstrafrecht, S. 65.
17 Leppek, Beamtenrecht, S. 35.
18 Leppek, Beamtenrecht, S. 35.
19 Gröpl/Windthorst/von Coelln (Begr.), Grundgesetz, Studienkommentar, S. 479.
20 Gröpl/Windthorst/von Coelln (Begr.), Grundgesetz, Studienkommentar, S. 479.
21 Schnellenbach/Bodanowitz, Beamtenrecht in der Praxis, S. 33.
22 Sodan, S. 378.
23 Stern, Grundbegriffe und Grundlagen des Staatsrechts, Strukturprinzipien der Verfassung, S. 355–357.
24 Wolff/Antoni/Domgörgen/Risse, S. 395.
25 Stern, Grundbegriffe und Grundlagen des Staatsrechts, Strukturprinzipien der Verfassung, S. 374.
26 Stern, Grundbegriffe und Grundlagen des Staatsrechts, Strukturprinzipien der Verfassung, S. 374.
27 Stern, Grundbegriffe und Grundlagen des Staatsrechts, Strukturprinzipien der Verfassung, S. 375.
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