In der Arbeit werden die Kommunikationsstrategien der Partei “Besti Flokkurinn” im isländischen Kommunalwahlkampf 2010 herausgestellt und Erfolgsfaktoren für einen humoristisch gerahmten Wahlkampf identifiziert. Der theoretische Teil der Arbeit fokussiert Funktionen und Ziele politischer PR, öffentlichkeitswirksame Maßnahmen der vier relevanten Wahlkampagnenformen sowie Erkenntnisse der Komikforschung in der politischen Kommunikation und Grundlagen des isländischen Politik- und Mediensystems.
Anhand von leitfadenorientierten Experteninterviews mit dem in Island populären Komiker und Spitzenkandidaten Jón Gnarr und dem Chefredakteur des Reykjavík Grapevine, Haukur S. Magnússon, werden Erfolgsfaktoren auf zwei Ebenen identifiziert: Die Professionalisierung der Partei mit den Erfolgsfaktoren der medialen Professionalisierung des Akteurs Jón Gnarr und die theoretisch bislang nicht verortete künstlerische Professionalisierung der gesamten Partei. Die professionelle Kommunikationsfähigkeit, die künstlerische Befähigung der Parteimitglieder sowie die medialen Zugangsvoraussetzungen durch ein dichtes Netzwerk zum Mediensystem stellen die übergeordneten Erfolgsfaktoren dar. Innerhalb der Kampagnen werden ein Wahlkampfsong und die Komikfunktionen in satirischem Stil als Erfolgsfaktoren belegt.
Die Finanzkrise stellt einen gewichtigen Einfluss auf den Wahlkampf dar, da Jón Gnarr das Problemthema kommunikationsstrategisch durch tendenzielle Anwendung des Negative Campaigning nutzte.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Der Fall Besti Flokkurinn unter Jón Gnarr
1.2 Theorie und Problemstellung
1.3 Aufbau der Arbeit
I THEORIE
2. Die politische Öffentlichkeitsarbeit und das Mediensystem
2.1 Die Bedeutung und Ziele politischer Öffentlichkeitsarbeit
2.2 Politische PR während des Wahlkampfs
2.3 Die Besonderheiten von Kommunalwahlen
2.4 Das Verhältnis zwischen dem Politik- und Mediensystem
2.5 Die Professionalisierung politischer Öffentlichkeitsarbeit
3. Kommunikationsstrategien im Wahlkampf
3.1 Voraussetzungen und Entwicklung von Kommunikationsstrategien und Kampagnen
3.2 Wahlkampfkommunikation: Medialisierung, Modernisierung und Amerikanisierung
3.3. Kommunikationsstrategien unter medienpolitischen Handlungstendenzen
3.3.1 Die Thematisierungsstrategie
3.3.1.1 Nachrichtenfaktoren im News- und Ereignismanagement
3.3.1.2 Die Personalisierungsstrategie in medialer Rahmung
3.3.2 Angriffswahlkampf - Das Negative Campaigning
3.4. Kommunikationsstrategien: Paid Media und Internet
3.4.1 Kommunikationsmethoden anhand von Paid Media
3.4.2 Parteieigene Kommunikationskanäle im Zeitalter des Internets
3.5 Komik oder Humor? Definitorische Einordnung der Begriffe und Funktionen in der politischen Kommunikation
4. Exkurs: Politische Kommunikation in der isländischen Mediengesellschaft
5. Ausdifferenzierung der Forschungsfrage
II EMPIRIE: METHODOLOGIE
6. Methodologie - Qualitative Forschung
6.1 Die Fallstudie im Rahmen qualitativer Methodik
6.2 Die Datenerhebung
6.2.1 Wahl der Datenerhebung: Leitfadengestützte Experteninterviews
6. 2.2 Vorgehensweise: Datenerhebung anhand von Leitfaden-Interviews
6.3 Empirisches Vorgehen
6.3.1 Forschungsdesign - Prinzipien qualitativer Forschung
6.3.2 Die Datenauswertung anhand der Qualitativen Inhaltsanalyse
6.3.2.1 - Die Qualitative Inhaltsanalyse - Einzelne Analyseschritte
III ERGEBNISSE, SCHLUSSBETRACHTUNG UND AUSBLICK
7. Darstellung der Ergebnisse - Beschreibung und Zusammenfassung der Kategorien
7.1 Kategorie OK 1: Professionelle Strukturen des Wahlkampfs
7.2 Kategorie OK 2: Einflussfaktoren auf Wahlkampfkommunikation
7.2.1 Unterkategorie UK 2.1: Kommunikationsmethoden im Straßenwahlkampfs
7.3 Kategorie OK 3: Maßnahmen und Einflüsse der Medienkampagne
7.3.1 Unterkategorie UK 3.1: Personalisierung, Inszenierung, Medialisierung
7.4 Kategorie OK 4: Maßnahmen der Onlinekampagne
7.5 Kategorie OK 5: Maßnahmen der Werbekampagne
7.6 Kategorie OK 6: Politische Konkurrenz
7.7 Kategorie OK 7: Erfolgsfaktoren-Beurteilung durch die Interviewten
8. Interpretation der Ergebnisse
8.1 Die Organisation politischer Öffentlichkeitsarbeit
8.2 Strategien im Wahlkampf: Kommunikationsmethoden in der Öffentlichkeit
8.2.1 Instrumente und Kommunikationsmethoden im Rahmen der medialen Kampagne
8.2.2 Die Instrumente und Maßnahmen der Internetkampagne
8.2.3 Maßnahmen der Werbekampagne
8.2.4 Der Kommunikationsstil im Rahmen politischer Konkurrenz
8.3 Kommunikationsmethoden des Straßenwahlkampfs
8.4 Fazit
9. Zusammenfassung und Ausblick
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Anhang 1 I
Anhang 2 LIV
Anhang 3 LXII
Anhang 4 LXVIII
Anhang 5 CXXVII
Danksagung
Hiermit bedanke ich mich bei all denjenigen, die mich während der Anfertigung dieser
Masterarbeit unterstützt und motiviert haben.
Ein besonderer Dank gebührt Herrn Prof. Dr. Trebbe, der mich von Beginn an in meinem Vorhaben bestärkt hat, dieses Masterarbeitsthema umzusetzen und das Interview mit Jón Gnarr in Reykjavik zu führen. Für die hilfreichen Anregungen, die konstruktive Kritik und die stets schnell erfolgten Rückmeldungen bei Fragen während der gesamten Bearbeitungszeit, möchte ich mich herzlich bedanken.
Ein besonderer Dank gilt den Befragten Jón Gnarr und Haukur S. Magnússon. Ohne ihre Zustimmung zum Interview sowie ihre Informationsbereitschaft und Offenheit wäre diese Arbeit nicht möglich gewesen. Ihr Expertenwissen ermöglichte mir, die Masterarbeit zum Ziel zu führen.
Darüber hinaus möchte ich der Ernst-Reuter-Gesellschaft der Freunde, Förderer und Ehemaligen der Freien Universität Berlin e. V. (ERG) außerordentlich für einen Reisekostenzuschuss zur Umsetzung des Interviews in Reykjavík danken.
Mein Dank gilt außerdem meinen Eltern, die mich während der Masterarbeit stets moralisch unterstützt und ermutigt haben.
Ich danke Dominic Ernst für die emotionale, moralische Unterstützung während des Studiums sowie für die audiovisuelle Produktion des Interviews in Reykjavík und der Reise durch Island.
Meinen Freunden Anja Vogel, Anna Heil und Katharina Bock danke ich insbesondere für den emotionalen Rückhalt während der gesamten Studienzeit.
Nicole Hubert
Dezember 2016
1. Einleitung
Auf Reykjaviks Straßen dröhnen laute Protestrufe gegen die Mauern des Parlaments. Bürger werfen Eier und Steine und trommeln mit Besteck laut auf ihren Kochtöpfen. Sie zünden einen Weihnachtsbaum an, während Polizisten versuchen, das isländische Parlamentsgebäude zu schützen. Am 16. Februar 2009 kommt es mit rund zweitausend Demonstranten in Reykjavik zu dem stärksten Protest seit Islands NATO-Beitritt 1949 (vgl. Ströbele 2009: o. S.). Die Finanzkrise hatte Island, im Ergebnis existentieller Bedrohungen des isländischen Volks (vgl. Schuetze 2013: o. S.), besonders stark getroffen und ein Bericht der isländischen Untersuchungskommission im April 2010 erklärte: „Verantwortlich für den Kollaps der isländischen Banken sind […] wichtige Personen aus der konservativen Unabhängigkeitspartei“ (Boerger 2010: o. S.). Die konservative Partei regierte in Island seit 1944 mit wenigen Ausnahmen nahezu durchgehend (vgl. ebd.). Der Vorwurf der Korruption fand Eingang in die Berichterstattung (vgl. ebd.).
1.1 Der Fall Besti Flokkurinn unter Jón Gnarr
Während der andauernden politischen Unruhen im Land, formierte der in Island populäre Komiker Jón Gnarr die „ Beste Partei “ [isländisch Besti Flokkurinn]. Ursprünglich für ein Theaterstück entwickelt, verkörperte Jón Gnarr selbst den Politcharakter als zentrale Figur in der von den Medien betitelten Spaßpartei (vgl. Broder 2010: o. S.). Dieser führte den Wahlkampf mit kuriosen Wahlversprechen ad absurdum. Kurz nachdem Gnarr die Mitglieder seiner Partei zusammenstellte, veröffentlichte er surrealistische Prosa zu gesellschaftlichen Themen in einem für die Partei generierten Blog, um für die „Besti Flokkurinn“ öffentlich Aufmerksamkeit zu generieren (vgl. Gnarr: 66 f.). Nachdem Gnarr daraufhin erste Interviews führte, veranlasste er die offizielle Gründung einer politischen Partei. Festzustellen ist, dass Gnarr sowohl mit ernsthaften Wahlversprechen wie den Vergünstigungen für Einkommensschwache in öffentlichen Einrichtungen warb (vgl. ebd.: 75) als auch mit humoristischen wie einem „Disneyland auf dem Flughafengelände“ (Karason 2010: o. S.). Im Fokus der Wahlkampfmedien standen sowohl Onlinemedien als auch die klassischen Rundfunk- und Printmedien. Dabei verfolgte die Beste Partei eine humoristisch gerahmte Kommunikation (vgl. Gnarr 2014: 70). Die Beste Partei, die erst wenige Monate vor der Wahl gegründet wurde, erzielte 34,7 Prozent in den Kommunalwahlen und stellte mit sechs von 15 Stadträten die größte Fraktion (vgl. ebd.: 87 ff.). Jón Gnarr wurde Bürgermeister Reykjaviks.
1.2 Theorie und Problemstellung
In jüngster Vergangenheit ist der Wahlsieg eines Kandidaten für die Bekleidung eines politischen Amts mit einer sogenannten Spaßpartei bereits eingetreten. Martin Sonneborn zog 2014 von der deutschen Spaßpartei „Die PARTEI“ als Abgeordneter in das EU-Parlament (vgl. Rydlink 2014: o. S.). Der Satiriker Silvio Witt bekleidet seit 2015 parteiunabhängig das Amt des Oberbürgermeisters in Neubrandenburg (vgl. Schweriner Volkszeitung 2015: o. S.). Die Beobachtung derartiger politischer Ereignisse wirft Fragen auf: Wie sollten Wahlkampagnen kommunikativ gestaltet werden, sodass es neugegründeten Parteien möglich ist, einen Wahlkampf in humoristischer Rahmung zum Erfolg zu führen? Welchen Habitus nehmen Medien in der Wahlkampfkommunikation- und -berichterstattung ein?
Ziel dieser Arbeit ist es, die Kommunikationsstrategien des Wahlkampfs der Besten Partei zu erforschen und, unter Berücksichtigung wissenschaftlicher Befunde der politischen Öffentlichkeitsarbeit, Erfolgsfaktoren für einen erfolgversprechenden humoristisch gerahmten Wahlkampf zu erörtern. Als exemplarischer Fall dient die isländische Partei Besti Flokkurinn, da diese innerhalb kürzester Zeit einen rapiden Erfolg als sogenannte Spaßpartei1 verzeichnete. Damit soll das übergeordnete Ziel erreicht werden, politischen Akteuren ohne politische Vorerfahrung mögliche Erfolgsfaktoren für einen Wahlkampf in den Medien sichtbar zu machen. Ergänzend sollen das bislang geringfügig untersuchte Forschungsfeld des Komikeinsatzes im Wahlkampf bereichert und wissenschaftliche, islandpolitische Erkenntnisse zugänglich gemacht werden. Von Relevanz ist außerdem das Verhältnis zwischen dem Medien- und Politiksystem. So soll untersucht werden, in welchem Maße politische Kommunikationsstrategien die Medien beeinflussen, die den publizistischen Raum stellen. Für den Erfolg von Wahlkämpfen spielen Befunde aus interdisziplinären Forschungsfeldern eine gewichtige Rolle in der Wahlkampfforschung. Winfried Schulz (2015: 10) betont, dass eine politische oder ökonomische Krise eine Wahlkampagne inhaltlich beeinflusst. Diese Arbeit berücksichtigt Aspekte hinsichtlich des politisch-kulturellen Hintergrunds Islands im Sinne des wahlkämpferischen Einflusses der Finanzkrise im isländischen Raum auf die Kommunwahl. Die Arbeit erforscht keine Befunde hinsichtlich des spezifischen Wählerverhaltens, da der Erfolg über die medialen, onlinebasierten und humoristischen Kommunikationsmethoden erklärt wird. Festzustellen ist, dass der isländische Fall der Besten Partei im internationalen Vergleich nicht der Erste seiner Art ist, jedoch über Besonderheiten verfügt, die eine spezifische Betrachtung notwendig machen. Die Problemstellung wird nachfolgend anhand wissenschaftlicher Befunde verdeutlicht.
Theorie
Von Relevanz am Fallbeispiel ist die mediale und politische Konzentration in der Hauptstadt Reykjavik, die auf die Bevölkerungsdichte von einem Drittel der Gesamtbevölkerung (vgl. Auswärtiges Amt 2016: o. S.) zurückzuführen ist. Der Aspekt der hohen lokalen Bevölkerungsdichte verweist auf politische Relevanz dieser Kommunalwahlergebnisse, da sie von einem Großteil der isländischen Bevölkerung ausgingen. Die in der Kommunikationswissenschaft bereits häufig untersuchte Fragestellung nach der Instrumentalisierung der Medien politische Akteure und der Beeinflussung von Journalisten durch Hintergrundgespräche (vgl. Jarren/Donges 2006: 259) ist im vorliegenden Fallbeispiel ein relevanter Aspekt, da die hohe lokale Bevölkerungsdichte eine enge Verzahnung zwischen dem Medien- und Politiksystem vermuten lässt. Daraus ergibt sich die Frage nach informellen Gesprächskreisen als Instrumentarium einer Wahlkampfstrategie, um Berichterstattungszwecke zu erfüllen und somit das Medien-Agenda-Setting zu beeinflussen (vgl. Jarren/Donges 2006: 317, 259). Die Popularität und Arbeit als Unterhaltungskünstler des Parteigründers Jón Gnarr lässt einen erleichterten Einsatz der Thematisierungsstrategie vermuten. Diese strebt an, das Agenda-Setting der Medien zu beeinflussen, indem die „politische Öffentlichkeitsarbeit versucht durch die unterschiedlichsten Formen des Ereignis- und Nachrichtenmanagements die Medienagenda und damit die öffentliche Agenda zu beeinflussen“ (Pfestch/Mayerhöffer 2006: 8). Es ist zu untersuchen, inwiefern die mediale Erfahrung von Jón Gnarr eine essentielle Rolle gespielt hat. Die Maßnahmen des Agenda-Building-Prozesses (vgl. Brettschneider 1998: 635) setzen damit einen theoretischen Schwerpunkt dieser Arbeit. Um die Thematisierungsstrategie umzusetzen, bedarf es außerdem der Professionalisierung politischer Öffentlichkeitsarbeit, die sich in kommunikativen Kompetenzen von Partei oder Akteur ausdrückt (Pfetsch/Mayerhöffer 2006: 1). Befunde legen nahe, dass Parteien eine „an der Medienlogik ausgerichtete strategische Kommunikation“ einsetzen, um politische Inhalte zu übermitteln (ebd.). Der theoretische Befund der Medialisierung impliziert die Anpassung des politischen Akteurs an die Medienlogik (vgl. Pfetsch/Marcinkowski 2009: 27) und lässt eine Personalisierungsstrategie vermuten, indem die Kommunikation kandidatenzentriert erfolgt (vgl. Jarren/Donges 2006: 230). Dabei wird die Komplexität politischer Sachverhalte verringert und Unterhaltung zur Information (vgl. Dörner 2001: 31). Die humoristische Rahmung stellt folglich ein Instrumentarium dar, das Unterhaltung und Inhalte intelligent zu vernetzen in der Lage sein dürfte. Die Besti Flokkurinn rahmte ihre gesamte Kommunikation in einem humoristischen Kontext. Laut Czerwick (2013: 120) führe dies zu „neuartigen kommunikativen Effekten, wie etwa das Erzielen von kommunikativen Wirkungen durch den Bruch von Tabus“. Zu klären gilt, welchen Einfluss Humor auf die politische Kommunikation im Wahlkampf hat und in welcher Weise die Partei ohne professionelle politische Erfahrung diesen gezielt eingesetzt hat. Dem ist hinzuzufügen, dass der plötzliche Erfolg der Besti Flokkurinn nicht wissenschaftlich untersucht worden und zu erforschen ist, welche kommunikationsstrategischen Mittel den rapiden Erfolg der Partei generiert haben. Die theoretischen Befunde ergeben folgende forschungsleitenden Fragen:
1. Welche Strategien hat die Besti Flokkurinn [Beste Partei] im Wahlkampf eingesetzt?
2. Lassen sich daraus Erfolgsfaktoren benennen?
Die Forschungsergebnisse zu Wahlkampfstrategien und politischer PR konventioneller Parteien liegen in großem Umfang vor. Strategien und explizite Erfolgsfaktoren von Parteien aus einem satirisch-humoristischen Kontext ohne politische Vorerfahrung sind bisher nicht umfassend erforscht worden. Darüber hinaus ist die politische Kommunikation eines isländischen Falls bisher nicht umfangreich in die europäische Forschung eingegangen. Der Erfolg der Besti Flokkurinn wurde über die Grenzen Islands auch europaweit diskutiert, doch mangelt es an spezifischer Forschung zum vorliegenden Fall.
1.3 Aufbau der Arbeit
Die Masterarbeit ist in drei Blöcke eingeteilt. Im ersten Block (Kapitel 2-5) werden relevante theoretische Befunde vorgestellt. Im zweiten Block (Kapitel 6) wird die Methodologie dieser Arbeit erläutert. Der dritte Block dient der Analyse und Diskussion der Ergebnisse (Kapitel 7-9).
Das Verhältnis zwischen dem Medien- und Politiksystem bildet die Grundlage für die Wahl von Kommunikationsstrategien. Die theoretischen Befunde dazu werden in einem ersten Schritt vorgestellt (Kapitel 2) und damit der Forschungsstand aufgezeigt. Es werden zunächst Befunde zur Rolle der Politik und Medien vorgestellt und mögliche Machtverhältnisse erläutert. Ebenso werden die Ziele und Funktionen politischer Public Relations Eingang in die Arbeit finden. Die Masterarbeit berücksichtigt den Diskurs zwischen dem Medien- und Politiksystem, wird jedoch keine Auseinandersetzungen der Public Relations anhand von Demokratietheorien betrachten, da diese Ebene nicht das Forschungsziel fokussiert. Es wird erfasst, welche Kommunikationsstrategien aus dem Forschungsfeld der politischen Kommunikation hervorgegangen sind (Kapitel 3) und welche im Fall Durchsetzung fanden (Kapitel 8). Anschließend werden die Funktionen und Definitionen des Begriffs Humor und Komik im Rahmen politischer Kommunikation beleuchtet (Kapitel 3.5), was den interdisziplinären Aspekt der Arbeit betont. Da die theoretischen Befunde zu Kommunikationsstrategien sich häufig auf einen europäischen oder amerikanischen Kontext beziehen und Island über eingangs erwähnte Besonderheiten verfügt, wird ein Exkurs in die isländische Mediengesellschaft einführen (Kapitel 4) und in die Analyse einfließen, um fehlerhafte Rückschlüsse zu vermeiden. Anhand des theoretischen Forschungsstandes erfolgt im fünften Kapitel die Ausdifferenzierung der Forschungsfrage, die vorgestellte Erkenntnisse in den Zusammenhang mit dem Fall bringt und Forschungsunterfragen für die Analyse generiert. Im zweiten Block (Kapitel 6) wird die Entscheidung für eine qualitative Inhaltsanalyse, die anhand von zwei ausgewählten Experteninterviews (Jón Gnarr und Haukur S. Magnússon) durchgeführt wurde, begründet und die Art der Datenerhebung- und -auswertung detailliert geschildert (Forschungsdesign). Im dritten Block mündet die Arbeit mit der Analyse und der Diskussion der Ergebnisse in der Beantwortung der Forschungsfragen (Kapitel 7-9).
I THEORIE
2. Die politische Öffentlichkeitsarbeit und das Mediensystem
Zur Erforschung der wesentlichen Erfolgsfaktoren ist zu erörtern, welchem Nährboden strategische Kommunikationsmethoden erwachsen. Demnach bedarf es einer Erläuterung der Funktionen politischer Öffentlichkeitsarbeit, des Verhältnisses zwischen dem Medien- und Politiksystem sowie der definitorischen Einordnung relevanter Begriffe zur erfolgreichen empirischen Bearbeitung.
2.1 Die Bedeutung und Ziele politischer Öffentlichkeitsarbeit
Die politische Öffentlichkeitsarbeit hat laut Pfetsch und Mayerhöffer (2006: 1) an Bedeutung gewonnen. Auf Medienebene kommt es zu einer Konzentration der elektronischen Medien durch die Rezipienten (vgl. Schulz 2008: 22). Darüber hinaus generiert das Web 2.0 als „Mitmach-Plattform“ eine „demokratische Öffentlichkeit“ (Stanoevska-Slabeva 2008, zitiert nach Sarcinelli 2011: 68). Durch die erhöhte Bindung an diese Medien, übernehmen diese als Hauptinformationsquelle wichtige Funktionen der „politischen Sozialisation“, die zuvor Parteien oblag (Swanson/Mancini 1996, zitiert nach Pfetsch/Mayerhöffer 2006: 1). Dadurch kommt es in den genannten Medien zur inhaltlichen Ausrichtung an den Wünschen der Rezipienten, sodass Sprecher – ferner politische Akteure2 – über kommunikative Kompetenzen verfügen müssen, um ihre politischen Inhalte zu übermitteln (vgl. ebd.). Die politische Öffentlichkeitsarbeit erfüllt „als Teil des publizistischen Systems […] wichtige Funktionen für die Gesellschaft“ (Pfetsch/Mayerhöffer 2006: 1). Es gilt den Begriff der politischen Öffentlichkeitsarbeit, auch Public Relations und kurz PR bezeichnet (vgl. Jarren/Donges 2006: 236), im Sinne der vorliegenden Arbeit zu differenzieren. Die Begriffe PR und Werbung sind Marketing-Instrumente des Politmarketings (vgl. Jarren/Donges 2006: 227). Trotz der Abgrenzungsproblematik wird eine analytische Trennung zwischen politischer PR und politischer Werbung geschlossen, da ihre Instrumente und Wirkungen nahe beieinander liegen und die Grenzen in der Praxis leicht verwischen (vgl. ebd.: 232). Politische Werbung wird als eine „nicht-personale Kommunikation, die von bezahlten Medien übermittelt wird“ unterschieden von der politischen PR, die „die Bemühungen umfasst, durch die Selbstdarstellung von Interessen die Öffentlichkeit […] zu beeinflussen“ (Kunczik 1998, zitiert nach Jarren/Donges 2006: 28).
Eine spezifische Näherung des Begriffs und Ziels politischer PR erfolgt nach Jarren und Donges (2006: 236):
„Politische Öffentlichkeitsarbeit oder PR ist ein Handlungsfeld im politischen System, das vor- rangig der Wahrnehmung von organisationsexternen und nachrangig von organisationsinter- nen Informations- und Kommunikationsaufgaben der politischen Akteure [...] dient. Politische PR dient weiterhin Personen [...] zur Absicherung politischer Positionen mittels kommunikati- ver Maßnahmen. Politische PR nimmt insoweit für politische Akteure und Eliten eine Kontroll- und Werbeaufgabe wahr und reduziert Unsicherheit. Hinsichtlich der Werbeziele bedient sie sich weitgehend persuasiver Kommunikationsformen.“
Diese Definition nimmt die Werbeaufgabe politischer PR auf und rahmt den definitorischen Gültigkeitsbereich für die vorliegende Arbeit. Eine Besonderheit politischer Öffentlichkeitsarbeit liegt in der Unterscheidung zwischen funktionaler PR und organisierter PR (Bentele 1998, zitiert nach Jarren/Donges 2006: 234). Die funktionale PR wird als eine „öffentlichkeitsrelevante Aktivität einer Person bzw. eines politischen Rolleninhabers“ verstanden (ebd.) und entspricht der Form unmittelbarer PR durch den politischen Akteur selbst. Organisierte PR als eine Form mittelbarer PR wird durch PR-Stabsstellen und -Abteilungen in politischen Organisationen zusammengefasst (vgl. ebd.)3. Im vorliegenden Fall ist dies eine relevante Unterscheidung, da zu klären gilt, wie die PR der Besti Flokkurinn organisiert wurde und welche Anforderungen ein politischer Akteur als ausführendes Organ unmittelbarer PR erfüllen muss.
Ziele politischer PR
Die Informationsfunktion politischer PR erfolgt „gezielt, selektiv und [...] interessengeleitet, d.h. PR ist ein politisches Mittel“ (Jarren/Donges 2006: 231). Sarcinelli (1997: 269) stellte dazu fest, dass Öffentlichkeitsarbeit „auch im Bereich der Politik4 als legitimer und notwendiger Bestandteil der Informationsvermittlung“ gilt „mit dem Ziel, die öffentliche Meinung zu beeinflussen“. Die Massenmedien und Online-Plattformen (vgl. Sarcinelli 2011: 67) gewährleisten den Transfer politischer Botschaften zur Funktionserfüllung politischer PR (vgl. Sarcinelli 1997: 269). Im Fokus der übermittelten Informationen steht die Erzeugung und Sicherung eines positiven Images des politischen Absenders (vgl. Jarren/Donges 2006: 256). Zur Zielerreichung werden Inhalte zum „Akteur, zu Ereignissen, Problemen oder Problemlösungen“ vermittelt, um „die öffentliche Aufmerksamkeit auf für sie positive Phänomene zu lenken“ (ebd.: 231 f.). Es ist festzustellen, dass je nach Ausgangslage des politischen Akteurs (politische Position) und politischer Organisation (intermediäre Organisation, NGO, Regierung) unterschiedliche Kommunikationsstrategien eingesetzt werden können. Die Hauptfunktion der Informationsvermittlung sollte dabei die Reduktion von Unsicherheiten zum Ergebnis haben und sich persuasiven Maßnahmen bedienen (vgl. ebd.: 237). Zu den Hauptaufgaben politischer PR zählen laut Jarren und Donges (2006: 256) die Pflege der internen Kommunikation, die Beziehungspflege zu Journalisten und Medien, zu internen und externen Zielgruppen des eigenen Umfelds, ein Agenda-Setting, Lobbying, Crisis Management sowie die Personality PR zur Imagepflege der Führungsperson. Die politische PR stellt durch ihre Informationsübermittlung eine Seite der „grenzüberschreitenden Kommunikation zwischen Medien und Politik“ (Schulz 2011: 50), die im politischen Kommunikationssystem geregelt ist. Wie Katrin Voltmer (2007: 19) in ihrer Untersuchung untermauerte, besteht Politik nicht ohne Öffentlichkeitsarbeit und Öffentlichkeitsarbeit nicht ohne Medien.
2.2 Politische PR während des Wahlkampfs
Einen besonderen Stellenwert nimmt politische PR zum Zeitpunkt eines Wahlkampfs ein, da Parteien „besondere organisatorische, inhaltliche, personelle und kommunikative Leistungen“ erbringen müssen, um Wähler im demokratischen System mithilfe des Mediensystems zu erreichen (Sarcinelli 2011: 225). So gehen Parteien im Rahmen ihrer parteilichen „Außenkommunikation“ zur Zielerreichung in einen „medialen Aufmerksamkeitswettbewerb“ zum „Kompetenznachweis“ (Sarcinelli 2011: 204). Dabei wird die Generierung öffentlicher Aufmerksamkeit um spezifischere Ziele wie der Kampagnenfähigkeit erweitert (vgl. Sarcinelli 2011: 207). Diese soll durch mediale Präsenz Sympathie und Bekanntheit erzeugen, indem die Partei öffentlichkeitswirksam agiert (vgl. ebd.) und kennzeichnet die kommunikative Kompetenz als entscheidendes Erfolgskriterium einer Partei (vgl. Pfetsch/Mayerhöffer 2006: 1).
Die politische PR hat während eines Wahlkampfs die Ausdifferenzierung spezifischer Aufgaben und Abteilungen zur Folge (vgl. Donges 2008: 191.). So sind ein „professionell organisiertes Kommunikationsmanagement unter Einsatz aller Medien“, eine „intensive Symbolproduktion“ oder „der Kauf von Sendezeiten in privaten Medien“ vorrangig im „Fernsehen als Wahlkampfleitmedium“ (Sarcinelli 2011: 207) explizite Maßnahmen im Wahlkampf. Die Anpassung basiert auf der Annahme der Macht der Medien als Beeinflusser des Wahlverhaltens (vgl. Brettschneider 2014: 633; vgl. Goppel 2000: 20).
2.3 Die Besonderheiten von Kommunalwahlen
Kommunalwahlen verfügen über Besonderheiten der sachlichen, räumlichen, emotionalen, personellen und sozialen Nähe (vgl. Andersen 1998: 17). Die Nähe zwischen politischen Akteuren und den Bürgern wird maßgeblich durch die Ortsgröße bestimmt und nimmt zu, je kleiner eine Kommune ist (Bogumil 2010: 40). Durch die lokalthematische Nähe kommen spezifische Kommunikationsstrategien, die die persönliche Bindung zwischen Wähler und Politiker stärken, zum Einsatz (vgl. Dörner 2002a: 22). Die Nähe trägt zur Popularitätssteigerung des Amtsanwärters bei (vgl. Freund 2014: 67). Wie Bußmann (1998: 37) feststellte, werde Kritik an politischen Akteuren aufgrund der emotionalen Bindung durch die Nähe zu Personen und lokalen Themen vermieden. Dieser Aspekt lässt einen intensiven persönlichen Kontakt zu Journalisten vermuten. Marcinkowski (2001: 261) benennt dabei die „Entpolitisierung der Inhalte bei gleichzeitiger Simplifizierung und Personalisierung von Politik“ und die „weitgehend kritiklose und konfliktarme Berichterstattung über Kommunalpolitik“. Durch die Entpolitisierung der inhaltlichen Ausgestaltung von Themen (vgl. ebd.: 275 f.), kommt es zur Fokussierung auf den politischen Kandidaten in der Berichterstattung (vgl. ebd.), was die durch Nähe bedingte Popularitätssteigerung untermauert.
2.4 Das Verhältnis zwischen dem Politik- und Mediensystem
Strittig diskutiert im Forschungsfeld der politischen Kommunikation ist die Frage nach der reziproken Abhängigkeit zwischen dem Politik- und Mediensystem. Katrin Voltmer (2007: 19) beschreibt die Medien als „allgegenwärtigen Bestandteil des politischen Prozesses“. Eine Ursache dafür kann im Kreislauf des sogenannten Input-Output-Prozesses5 gefunden werden. „Politikvermittlungs- bzw. Kommunikationsprozesse“ stellen die „Beziehung zwischen dem politischen und gesellschaftlichen System" her (Pfetsch/Mayerhöffer 2006: 2). Damit konstatieren Pfetsch und Mayerhöffer die politische Kommunikationsleistung als Voraussetzung für ein funktionierendes intermediäres System. Die Medien sind im journalistischen Kontext einer unabhängigen Berichterstattung zur Meinungsbildung verpflichtet (vgl. Riesmeyer 2007: 25). Diese Kernanforderung verweist auf mögliche Interessenkonflikte der autonomen Bereiche Medien und Politik (vgl. Sarcinelli 2011: 33) und wirft die Frage nach einem Nutzwertverhältnis auf, da beide durch den Informationsaustausch aufeinander angewiesen scheinen.
Während Schatz 1982 eine Politikdominanz gegenüber dem medialen System beschrieb (vgl. Jarren/Donges 2006: 25), da die Medien aufgrund von Instrumentalisierungsstrategien durch das politische System einen Autonomieverlust erleiden würden, ging Kepplinger 1985 von einer Mediendominanz gegenüber dem Politiksystem aus, da das politische System auf die Massenmedien angewiesen sei (vgl. Sarcinelli 2011: 185). Fundierte Theorieentwürfe der Interdependenzthese erfolgten von Ulrich Sarcinelli und von Ulrich Saxer, der das Modell 1998 ausführlich diskutierte (vgl. Hoffjann 2007: 137). Grundannahme stellt ein Tauschverhältnis beider Systeme, bei der „Information gegen Publizität – und umgekehrt – eingetauscht wird“ (Sarcinelli 1994, zitiert nach Jarren/Donges 2006: 25). Demnach werden gegenseitige Abhängigkeiten postuliert, da das Politiksystem die Massenmedien zu Informationsverbreitungszwecken und das Mediensystem die Politik benötigt, um Informationen zur Nachrichtengenerierung zu erhalten (vgl. ebd.). Diese wechselseitige Bindung begründet Ulrich Sarcinelli (2011: 18) damit, dass Akteure beider Systeme politische Ereignisse „im Spiegel der Medien“ erfassen. Die Steuerungsfähigkeit durch politische PR und einer der Interdependenz zwischen Medien und Politik platziert eine essentielle Grundannahme der Masterarbeit.
2.5 Die Professionalisierung politischer Öffentlichkeitsarbeit
Mit dem beschriebenen Verhältnis beider Systeme gehen Professionalisierungsbeobachtungen politischer Akteure einher – die relevanteste Voraussetzung zur Umsetzung politischer PR im medialen Raum. Der „Wettbewerb um öffentliche Aufmerksamkeit“ erzwingt die Professionalisierung politischer PR durch eine „öffentlichkeitswirksame, an der Medienlogik ausgerichtete strategische Kommunikation“ (Pfetsch/Mayerhöffer 2006: 1). Dieser Wettbewerb lässt sich auf die Macht der Selektion von Inhalten durch Journalisten zurückführen (vgl. Jarren/Donges 2006: 33, 224). Demnach wächst der Konkurrenzdruck politischer Akteure (vgl. Sarcinelli 2011: 63). Die gewünschte Positionierung erfordert somit kommunikative Kompetenzen eines politischen Akteurs (siehe Kapitel 2.2.):
„ Politische Akteure, die mit ihren Themen öffentliche Aufmerksamkeit erzielen und in der Informationsflut nicht untergehen wollen, müssen folglich interessanter, wichtiger, kompetenter und glaubwürdiger sein oder erscheinen als ihre Mitkonkurrenten“ ( vgl. Neidhardt 1994, zitiert nach Jarren/Donges 2006: 224).
Öffentliche Aufmerksamkeit erreichen sie durch ein fortwährendes Themenangebot an mit ihnen kooperierenden Journalisten (vgl. Jarren/Donges 2006: 224). Dabei orientieren sie sich thematisch „insbesondere an den Nachrichtenfaktoren“ (ebd.). Dieser Kommunikationszwang nötigt politische Akteure zur „Intensivierung ihrer Darstellungskompetenz und politische Organisationen zu Ausbau und Professionalisierung der Öffentlichkeitsarbeit“ (ebd.).
Ein relevantes Kriterium liegt in der bereits unter Kapitel 2.1 erläuterten Differenz mittelbarer und unmittelbarer PR. In der mittelbaren PR treten häufig einflussreiche Politikvermittlungsexperten an die Seite des Spitzenkandidaten (vgl. Sarcinelli 2011: 85). Diese kommunizieren aus dem Hintergrund und sorgen mit ihrer Expertise für positive Resonanz (vgl. ebd.). Zur Professionalisierung trägt ein umfangreiches Kontaktnetzwerk zu journalistischen Akteuren, die Beratung politischer Akteure sowie die Stärkung des Image-Buildung und der Entwurf von Wahlkampagnen bei (vgl. ebd.; vgl. Pfetsch/Mayerhöffer 2006: 16). Übt eine Partei die Form unmittelbarer PR aus, ist von einer medialen Kompetenz des politischen Akteurs auszugehen. Professionalisierung selbst bedingt „Ausbildungs- und Zugangsregeln zum Beruf, eine Fixierung des Berufswissens sowie Normen und Regeln des 'professionellen' Verhaltens [...]“ (Pfetsch/Mayerhöffer 2006: 61). Medienkompetenz durch mediale Vorerfahrung des politischen Akteurs darf als zentrales Kriterium von Professionalisierungstendenzen gelten.
3. Kommunikationsstrategien im Wahlkampf
Nachdem die theoretischen Befunde der politischen Öffentlichkeitsarbeit erläutert wurden, gibt dieses Kapitel einen Einblick in die bedeutsamsten Instrumente und kommunikationsstrategischen Methoden von Parteien zum Zeitpunkt eines Wahlkampfs. Darüber hinaus werden die Funktionen von Humor beziehungsweise Komik im Rahmen politischer Kommunikation charakterisiert.
3.1 Voraussetzungen und Entwicklung von Kommunikationsstrategien und Kampagnen
Die für diese Arbeit zugrunde liegende Perspektive des Begriffs Wahlkampf folgt dem Verständnis der Wahlkampfkommunikation in der politischen Kommunikation, in der
„Botschaften, Begriffe, Symbole und Bilder, verbreitet auf dem Weg interpersonaler oder (massen)-medialer Kommunikation [...] einen Eindruck von Personen und Programmen vermitteln, Aufmerksamkeit und Sympathie gewinnen und Vertrauenswürdigkeit erzeugen“ sollen (Jackob 2007: 11).
Diese Definition des Wahlkampfbegriffs umfasst die relevanten Aspekte der (medialen) Kommunikation samt der politischen PR-Zielfunktion, indem im Zeitraum eines Wahlkampfs eine positive Rahmung des politischen Akteurs in den Medien erzeugt werden soll.
Um Kommunikationsstrategien im Wahlkampf nachzeichnen zu können, bedarf es einer Annäherung an den Begriff der Strategie. Strategien meinen nach Jarren und Donges (2006: 260) eine
„ Entscheidungsregel, die von Akteuren in als relevant erkannten Entscheidungssituationen angewandt wird. Akteure prüfen ihre Handlungsmöglichkeiten durch Analyse einer Situation und unter Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden Ressourcen und Optionen.“
Medienpolitische Strategien sollen demnach „auf die Medienstrukturen oder auf die Organisationsweise bestimmter Teilsektoren im Mediensystem Einfluss nehmen“ (ebd.: 37).
Einen Einfluss auf die Wahl von Kommunikationsstrategien haben neben genuinen, also unvorhersehbaren Ereignissen der gesellschaftlichen Themenagenda (vgl. Schulz 2015: 24; vgl. Schoen 2014: 664), mediatisierte und inszenierte Ereignisse, die sich gezielt an das Mediensystem richten (vgl. Pfetsch 2009: 11). Entsprechend der Kommunikationsstrategien werden „Pseudoereignisse“ (ebd.) für die „Free Media“ geschaffen und eine „Werbeplanung“ (ebd.) für die „Paid Media“ vorgenommen. Den Free Media kommt eine besonders hohe Bedeutung zu. Sie zählen zur relevantesten Medienzielgruppe aufgrund ihres großen Wirkungspotenzials (vgl. ebd.). Pfetsch und Marcinkowski (2009: 11) verweisen auf die Instrumentalisierung der Berichterstattung „als kostenlosen Werbeträger“. Anhand der ausgesandten an und durch die Free und Paid Media verbreiteten Inhalte entstehen Medienwirkungen seitens der Rezipienten, die wiederum Rückmeldungen geben. Somit können Kommunikationsstrategien im laufenden Wahlkampf verändert werden. Entsprechend benötigen Wahlkampfstrategien Flexibilität und ein hohes Reaktionsvermögen hinsichtlich thematischer Vielfalt und Darstellungsstil des Akteurs und seiner Partei (vgl. ebd.). Der von Jarren und Donges (2006: 261) beobachtete Tatbestand, verschiedene Kommunikationsstrategien zeitgleich zu nutzen, wird den Gründen der Risiko- und Einflussfaktoren zugeschrieben und entspringt differenten Zielen politischer Akteure6.
Die Wahl für eine oder mehrere Kommunikationsstrategien setzt den Grad der Institutionalisierung einer Partei voraus (vgl. Jarren/Donges 2006: 261 f.). Bereits etablierte Parteien verfügen über ein höheres Maß an „Einflusspotenzial im politischen Prozess“, während jüngere Parteien oder soziale Bewegungen aufgrund geringer finanzieller Mittel zunächst selbst „Ressourcen mobilisieren und entsprechende Strategien entwickeln“ müssen (ebd.). Situationsbedingt ist es kleineren Bewegungen möglich, auf Lobbying zurückzugreifen und damit möglicherweise größeren Erfolg zu verzeichnen als durch Medientätigkeit wie dem Themenmanagement (vgl. ebd.).
Um im Wahlkampf öffentliche Aufmerksamkeit zu generieren, können mithilfe von Kampagnen (politische) Ziele bekannt gemacht und politische Konkurrenten oder anstehende Beschlüsse angegriffen werden (vgl. ebd.: 273). Röttger (1998: 667) gibt eine in der politischen Kommunikation anerkannte Ziel- und Funktionsbeschreibung:
„Kampagnen sind dramaturgisch angelegte, thematisch begrenzte, zeitlich befristete kommunikative Strategien zur Erzeugung öffentlicher Aufmerksamkeit, die auf ein Set unterschiedlicher kommunikativer Instrumente und Techniken – werbliche und marketingspezifische Mittel und klassische PR-Maßnahmen zurückgreifen. Ziele von Kampagnen sind: [...] Vertrauen in die eigene Glaubwürdigkeit schaffen und Zustimmung zu den eigenen Intentionen und/oder Anschlusshandeln erzeugen. [...] D er Wahlkampf kann als eine Urform der politischen Kampagne betrachtet werden. “
Damit ist die Wahlkampagne als ein Teil des Wahlkampfs zu betrachten (vgl. Freund 2014: 32). Radunski (1980: 44) unterscheidet zwischen den drei Kampagnenformen der Parteien- und Mobilisierungskampagne, der Medienkampagne (Free Media) und der Werbekampagne (Paid Media). Besonders für junge Parteien sind Kampagnen ein wirksames Mittel, um Mitglieder zu generieren, als „Problemlöser“ (ebd.) eines gesellschaftlich relevanten Themas ihre finanziellen Mittel zu verbessern (Spendenaufruf) und ihre Glaubwürdigkeit zu stärken (vgl. ebd.). Besonderes Merkmal von Kampagnen ist die „symbolische Dramatisierung der Botschaft“, die von „stereotypen Vereinfachungen“ leben (Röttger 1997, zitiert nach Pfetsch 2009: 12).
3.2 Wahlkampfkommunikation: Medialisierung, Modernisierung und Amerikanisierung
Die Befunde zu medienpolitischen Handlungstendenzen sind mit den Begrifflichkeiten der Amerikanisierung, der Medialisierung und der Modernisierung7 der Wahlkampfkommunikation gekennzeichnet (vgl. Pfetsch/Mayerhöffer 2006: 12; vgl. Sarcinelli 2011: 231). Die durch Medien ermöglichte erhöhte Reichweite einer Kampagne (vgl. Sarcinelli 2011: 231) erlaubt eine Kommunikation auf Medienebene (vgl. Schulz 2008: 246), was mittels Personalisierungsstrategie seinen Einsatz findet, indem die Berichterstattung kandidatenzentriert erfolgt. Gibson et al. (2003: 48) benennen die modernen strategischen Wahlkampftechniken der
„increased centrality of television in campaigns; use of marketing techniques; use of external political consultants [...]; an increased focus on the national campaign moves towards more personality-led [...] campaigns; and reduction in the level of direct interaction between voters and politicians as campaigns become increasingly reliant on the mass media.“
Die Intensität dieser wahlkämpferischen Kommunikationsstrategien hängt von politischer Kultur und ökonomischer Entwicklung des Landes ab (vgl. ebd.).
3.3. Kommunikationsstrategien unter medienpolitischen Handlungstendenzen
Da die Amerikanisierungs-, Modernisierungs- und Medialisierungstendenzen zentrale Merkmale der modernen Wahlkampfkommunikation stellen, werden die relevanten Kommunikationsstrategien unter medienpolitischen Handlungstendenzen nachfolgend erläutert.
3.3.1 Die Thematisierungsstrategie
Die Platzierung politischer Themen auf der Medienagenda zählt seit den 1970er Jahren in der politischen Kommunikationsforschung zu den zentral untersuchten Kommunikationsprozessen (vgl. Jarren/Donges 2006: 185). Das Agenda-Building befasst sich mit dem Einfluss politischer Akteure auf das Agenda-Setting der freien Medien (vgl. ebd.: 186). Eine Definition nach Brettschneider untermauert den Fokus dieser Arbeit. Demnach ist Agenda Building der
„Kommunikationsprozess, in dem politische Akteure [...] versuchen, die für sie günstigen oder als wichtig erachteten Themen in der öffentlichen Diskussion - vor allem in der Medienberichterstattung - zu platzieren. Dabei kommen Instrumente der politischen Öffentlichkeitsarbeit und des Politikmarketing zum Einsatz, z.B. die Inszenierung von Pseudoereignissen und Kampagnen. Das Themenmanagement ist umso erfolgreicher, je stärker es die für journalistische Auswahlentscheidungen wichtigen Nachrichtenfaktoren berücksichtigt.“
(Brettschneider 1998: 635)
Die Thematisierungsstrategie richtet sich damit gezielt an Journalisten, die Themen auswählen, rahmen und veröffentlichen (vgl. Jarren/Donges 2006: 265). In diesem Prozess versuchen politische Akteure Einfluss auf die medial-gerahmten Themen zu nehmen, damit in einem für sie positiven Zusammenhang berichtet wird (vgl. ebd.) und sie sich zu einem Thema8 positionieren können (vgl. Pfetsch/Mayerhöffer 2006: 8). Darüber hinaus haben einige Themen bereits einen „ideologisch geprägten Interpretationsrahmen ('Frame')“ (ebd.), den Akteure strategisch einbeziehen können.
3.3.1.1 Nachrichtenfaktoren im News- und Ereignismanagement
Möchte eine Partei spezifische Themen auf die Medienagenda setzen, ist die Orientierung an Nachrichtenfaktoren unumgänglich (vgl. Sarcinelli 2011: 163). Während Galtung und Ruge zwischen zwölf kulturabhängigen und -unabhängigen Faktoren unterscheiden (1965: 65, 68), erfasst Schulz (2008: 91 ff.) 18 Nachrichtenfaktoren. Dabei wird jedem Nachrichtenfaktor, dem „Merkmal“ eines „Ereignisses“ (Schulz 2008: 89), ein Nachrichtenwert zugeordnet. Gelingt einem politischen Akteur der Transfer eines Ereignisses einschließlich vieler Nachrichtenfaktoren an die Medien, steigt die Chance auf mediale Berichterstattung (vgl. ebd.). So sind die Aktualität, Überraschung, das Konfliktpotential, für die Gesellschaft gefährdete Werte sowie die Nähe und Betroffenheit zu einem Thema relevante Selektionskriterien einer Nachricht für die Medien, an denen sich politische Akteure orientieren sollten, um der Thematisierungsstrategie zu folgen (vgl. ebd.). Sind an einem Ereignis besonders einflussreiche oder prominente Akteure beteiligt, steigt der Nachrichtenwert (vgl. ebd.). Dies untermauert den Befund, dass das Newsmanagement besonders „statushohen politischen Akteuren“ (Jarren/Donges 2006: 267) und prominenten Personen (vgl. Schulz 2008: 90) strategisch offensteht, da sie auf öffentliches Interesse stoßen. Grund dafür kann, neben inhaltlich erleichtertem Zugang durch vorangegangene Berichterstattung, ein bereits vorhandenes mediales Kontaktnetzwerk der Partei sein. Obgleich neben den nachrichten- und themengebundenen Faktoren (vgl. Sarcinelli 2011: 295) auch das grundsätzliche Nachrichtenangebot die Selektionskriterien von Journalisten bestimmt (vgl. Jarren/Donges 2006: 183), ist die Fähigkeit eine Wahlkampagne anhand von Nachrichtenwerten erfolgreich zu führen, eine „Schlüsselqualifikation für politische Akteure in der Mediengesellschaft“ (Sarcinelli 2011: 163). Um Themen mit vielen Nachrichtenfaktoren zu belegen, können politische Akteure auf die Mediatisierung oder Inszenierung von Themen und Ereignissen zurückgreifen (vgl. ebd.).
Instrumentarien des News- und Ereignismanagements
Die Instrumentarien der Thematisierungsstrategie umfassen Mittel der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit wie Pressemeldungen- und -konferenzen, Statements und vorproduzierte O-Töne (Interviewausschnitte), Pressefotos oder die Publizität durch Interviews mit Journalisten zur Verbreitung politischer Botschaften (vgl. Schulz 2008: 306; vgl. Jarren/Donges 2006: 259, 313 ff.). Das zentralste Instrument der Interaktion zwischen Politikern und Journalisten (vgl. Pfetsch 2003: 184) sind Hintergrundgespräche (vgl. Schulz 2008: 306.; vgl. Bentele 1992 in Schönbach: 161). Während informelle Hintergrundgespräche Journalisten der Beschaffung von exklusiven Informationen dienen, nutzen politische Akteure dieses Instrument als Einflussnahme für Berichterstattungszwecke und zum Informationserhalt über politische Konkurrenten (vgl. Jarren/Donges 2006: 317 f.) mit besonderem Interesse an statushohen Journalisten als gewichtiger Einfluss auf die Medienagenda (vgl. ebd.: 318).
Um Instrumentarien im News-Management zu nutzen, kann das Spin Doctoring als Ergebnis professioneller PR-Methodik den Wahlkampf unterstützen (vgl. Schulz 2008: 258). Spin Doctors tragen dafür Sorge, dass die Themen und der Spitzenkandidat eine „positive Medienresonanz erzielen“ (ebd.). Diese können „Kampagnenmitarbeiter“ sein, die das News-Management durch einen „direkten Kontakt“ mit Journalisten zu beeinflussen versuchen sowie „sämtliche Mitarbeiter einer modernen, professionell geführten und zentral gesteuerten Wahlkampagne“ (Esser/Reinemann 2000: 44 f.), die die Wahlkampfstrategien planen und beratende Tätigkeiten wahrnehmen. Folglich können externe Spin Doctors als auch interne Berater aus der Partei eingesetzt werden (vgl. ebd.). Um Themen und Timing der Berichterstattung durch interne oder externe Berater zu beeinflussen, ist das Wissen um journalistische Selektionskriterien und das Verhältnis zu Journalisten maßgeblich (vgl. ebd.).
Ein Risiko in der Thematisierung besteht hinsichtlich journalistischer Ethik und der politischen Funktion der Medien, da sie durch „Themenselektion und Kommentierung Einfluss auf die politischen Prozesse nehmen oder durch investigativen Journalismus Kontrolle ausüben“ (Maurer/Trebbe 2014: 37). Hier können Bias, also Verzerrungen in der „objektiven Berichterstattung“, die Nachrichten-Auswahlkriterien von Journalisten beeinflussen (Schulz 2008: 87). Studien (Saxer 1992) belegen das Instrument von Hintergrundgesprächen als gängiges Mittel der strategischen politischen Kommunikation, besonders auf lokaler Ebene (vgl. Schulz 2008: 318).
3.3.1.2 Die Personalisierungsstrategie in medialer Rahmung
Die Personalisierungsstrategie, auch kritisch als „Entpolitisierung“ bezeichnet (Sarcinelli 2011: 242), wird häufig an das News- und Ereignismanagement von Themen gekoppelt, um den Spitzenkandidaten mit relevanten Partei-Themen verknüpft zu präsentieren (vgl. ebd.). Unter Personalisierung, als Merkmal der Medialisierung (vgl. Tenscher 2013: 224), wird verstanden, dass der individuelle Spitzenkandidat in den Fokus der Berichterstattung gerückt wird (vgl. Schulz 2008: 251), da sich „Personen besser vermitteln lassen als komplexe Sachthemen“ (Maurer 2009: 154). Dabei kann die Personalisierung sowohl an strategischer Ausrichtung von Parteien als auch an personalisierter Berichterstattung durch das Mediensystem beobachtet werden (vgl. Holtz-Bacha 2000: 183). Durch ein von der Partei strategisch gesteuertes „aktives Image-Management“, werden die Stärken des Spitzenkandidaten wie „Führungsstärke, politische Kompetenz, persönliche Integrität“ (Schulz 2008: 251), herausgestellt und durch persönliche, „unpolitische“ Eigenschaften wie „Sympathie [...] Medien- und Kommunikationskompetenzen" ergänzt (Tenscher 2013: 224). Die Fokussierung auf den Spitzenkandidaten impliziert die thematische Komplexitätsverringerung politischer Sachverhalte (vgl. Jackob 2007: 18) und stellt eine menschliche Rahmung des politischen Akteurs in der Öffentlichkeit her (vgl. Schulz 2008: 251). Die Konzentration auf die Berichterstattung über das Fernsehen durch visuelle und emotionale Stärke und hohe Reichweite können als Merkmal personalisierten Wahlkampfs identifiziert werden (vgl. Jackob 2007: 18). Die Vereinfachung von Inhalten durch Visualisierungen, unterstützt zugleich die Bildung des positiven Images eines Kandidaten und soll negative Impressionen des politischen Konkurrenten verfestigen (vgl. Brettschneider 2002: 135).
Ausprägungen und Instrumentarien der Personalisierungsstrategie
Die Personalisierungsstrategie bedient sich klassischen Instrumenten der Thematisierung, da sie zur Zielerreichung auf Massen- und Onlinemedien fokussiert ist (vgl. Tenscher 2013: 225). Da sich Selbstdarstellungen des politischen Akteurs im Rahmen personalisierter Wahlkampfkommunikation eignen (vgl. Tenscher 2013: 224), ist die Inszenierung politischer Akteure, die während eines Wahlkampfs durchgängig stattfindet (vgl. Kronacher 2002: 51 ff), von zentraler Bedeutung. Beim Einsatz von symbolischer Politik und Pseudoereignissen (vgl. Jarren/Donges 2006: 270; vgl. Pfetsch/Mayerhöffer 2006: 15) können die „unpolitischen“ Eigenschaften politischer Akteure präsentiert werden (Schulz 2008: 277).
Für politische Akteure ergibt sich eine Vielzahl darstellerischer Möglichkeiten symbolischen Handelns, indem „im Zeitalter der politischen Kommunikation [...] die [...] facettenreiche Sachdiskussion über politische Probleme [...] immer mehr zurücktritt [...]" (Kaase 1998: 103). Werden Kommunikationsereignisse inszeniert, spielt die „medienadäquate Dramatisierung“ (Sarcinelli 2011: 242) eine gewichtige Rolle bei der Aufmerksamkeitsgenerierung (vgl. ebd.). Bei medialer Rahmung von Themen und Kandidaten kommt dem Nachrichtenfaktor des Status Elite-Person (Prominenz) eine essentielle Bedeutung zu (vgl. Jarren/Donges 2006: 271). Neben dem politischen Akteur als Prominenter (vgl. ebd.) können prominente Menschen nicht-politischen Umfelds als Unterstützer des Spitzenkandidaten fungieren und damit die fokussiert visuelle Berichterstattung thematisch und an Emotionen orientiert unterstützen (vgl. Dörner 2002b: 318; vgl. Sarcinelli 2011: 242). Am Beispiel des Wahlkampfs von Gerhard Schröder beschreibt Dörner zentrale Inszenierungen des Wahlkampfs, die sich in Visualisierung und „musikalischer Rahmung“ des Wahlwerbespots und TV-Auftritten abzeichneten9 (vgl. Dörner 2002b: 321 ff.). Die Instrumente der Inszenierung10 lösen das Politische von „realen Handlungskonsequenzen“ (ebd.: 322) und können als Ereignis bewusst geplant oder als dauerhaft strategische Kommunikation im gesamten Wahlkampf konkret platziert werden (vgl. ebd.). Explizite Inszenierungen und Mediatisierungen zur Personalisierung können in Polit-Talkshows und politischen TV-Debatten (vgl. Tenscher 2014: 94 ff.), in Interviews für Print- und Rundfunkmedien sowie im Rahmen der Paid Media, auf parteieigenen Kanälen und in Pressekonferenzen anzutreffen sein (vgl. Jarren/Donges 2006: 314).
3.3.2 Angriffswahlkampf - Das Negative Campaigning
Der Angriffswahlkampf, auch als Negative Campaigning bezeichnet (vgl. Schmücking 2015: 26), zielt „auf die Beschädigung gegnerischer Partei- und Kandidatenimages“ (Sarcinelli 2011: 242). Laut Schoen (2014: 666 f.) kann Negative Campaigning „auch über inhaltlich-politische Fragen hinausgehen und die persönliche Integrität einzelner Politiker zum Gegenstand der Auseinandersetzung machen“. Folglich ist das Negative Campaigning in personalisierten Wahlkämpfen häufig anzutreffen (vgl. Sarcinelli 2011: 242) und versucht durch den Angriff auf persönliche oder politische Schwächen der Konkurrenz die eigene Position als positives Gegengewicht zu charakterisieren (vgl. Jakubowski 1998, zitiert nach Sarcinelli 2011: 242). Von Relevanz ist das Negative Campaigning in der Erzeugung medialer Aufmerksamkeit, da der Nachrichtenfaktor Negativität „höhere Einprägsamkeit“ generiert als „positive Selbstdarstellungen“ (Strohmeier 2002: 105) und so „größeres Wirkungspotenzial“ besitzt (Kepplinger 2002: 365). Sigelmann und Buell (2003: 518, 529) stellten in ihrer Studie11 den Befund, dass das Negative Campaigning vorwiegend von Kandidaten genutzt wird, die im Wahlkampf prozentual zurückliegen oder den Amtsinhaber herausfordern. Obgleich ein intensiveres Negative Campaigning in US-amerikanischen Wahlkämpfen beobachtet werden konnte (vgl. Schoen 2014: 667), untermauern wissenschaftliche Befunde die Tendenzen des Negative Campaigning in amerikanisierten Wahlkämpfen westeuropäischer Nationen (vgl. Holtz-Bacha 2000: 13).
Maßnahmen und Instrumentarien des Negative Campaigning
Ein wesentlicher Austragungsort des Negative Campaigning ist die Wahlwerbung. Holtz-Bacha (2000: 13 f.) nennt exemplarisch den mit „Selbstdarstellung- und –inszenierung“ gespickten Wahlkampf der SPD 1998, die „in subtilem Humor“ Helmut Kohl und Theo Waigel auf filmplakatstilistischem Poster mit der Bildunterschrift druckten „...denn sie wissen nicht, was sie tun“. Diese Art des Negative Campaigning unterstreicht die Tendenz zur Personalisierung durch Abdruck der konkurrierenden Spitzenkandidaten und verdeutlicht die Wahlwerbung als wesentliches Instrumentarium dieser strategischen Kommunikation (vgl. Schulz 2008: 255). Die Selbstinszenierung innerhalb der Wahlwerbung weist folglich medienvermitteltes Kommunikationspotenzial auf (vgl. Schmücking 2015: 30).
Neben der Entscheidung, auf welcher Ebene die politische Konkurrenz öffentlich angegriffen wird (sachlich oder politisch) (vgl. Johnson-Cartee/Copeland 1997: 87), kann zwischen einem direkten Angriff, einem direkten sowie einem impliziten Vergleich hinsichtlich von Spots unterschieden werden (vgl. ebd.: 27), da der Angriffswahlkampf auch Bildmedien wie das Fernsehen fokussiert (vgl. Sarcinelli 2011: 86).
„Direkte Attacken richten sich unmittelbar auf den politischen Gegner. Der direkte Vergleich stellt einen Kandidaten dem anderen gegenüber [...]. Beim impliziten Vergleich wird der Opponent nicht namentlich genannt, die Interpretation des Spots wird dem Zuschauer überlassen und gewinnt daher seine Negativität erst durch dessen Schlussfolgerungen.“
(Holtz-Bacha 2001: 671)
Im Rahmen der Paid Media erläutern Podschuweit und Dahlem (2007: 218) den Unterschied zwischen „Angriffswerbung“ und „vergleichender Werbung“. Durch den Angriff in der Werbung „soll das positive Image der politischen Gegner nachhaltig zerstört werden, während vergleichende Werbung die eigenen positiven Standpunkte und Leistungen mit den vermeintlich negativen Standpunkten und Leistungen des Gegners konfrontiert“ (ebd.). Hinsichtlich neuer sozialer Bewegungen kann die neue Konkurrenz auch unter Ausschluss der Öffentlichkeit geschwächt werden, indem Parteiensysteme diese „als lästige Konkurrenten und Widersacher kritisieren […] und ausgrenzen" (Stöss 1987, zitiert nach Van den Boom 1999: 41).
3.4. Kommunikationsstrategien: Paid Media und Internet
Die erste Wahlkampfphase ist häufig die Parteien- und Mobilisierungskampagne (vgl. Schoen 2014: 668). Dazu zählen beispielsweise Aktionen in Fußgängerzonen (Wahlstände) und Wahlkampfauftritte wie die aktive Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen (vgl. ebd.; vgl. Jackob 2007: 18). Die Teilnahme an öffentlichen Events auf lokaler Ebene hat medienwirksames Potenzial, da durch öffentliche Werbung zu Veranstaltungen und Presseeinladungen Nachrichtenfaktoren berührt werden (vgl. Hollerith 2000: 349 ff.).
3.4.1 Kommunikationsmethoden anhand von Paid Media
Einen besonderen Stellenwert nehmen die Kommunikationsmethoden im Rahmen der Paid Media ein, da sie „auf der Basis wahlstrategischer und -taktischer Gesichtspunkte ausgewählt und bestimmt werden“ können (Sarcinelli 2011: 231). Der Vorteil, Fernsehspots, Plakate, Statements oder Pressefotos (vgl. Jarren/Donges 2006: 259; vgl. Schoen 2014: 669) kontrolliert gestalten zu können, kann durch redaktionellen Stil der bezahlten Publikation zum Glaubwürdigkeitserhalt bei den Wählern unterstützt werden (vgl. Schoen 2014: 669).
Wahlwerbung verfolgt als ein Teil der Werbekampagne (vgl. Radunski 1980: 44) persuasive Ziele, um im Wahlkampf kurzfristig Wählerstimmen zu generieren und langfristig ein positives Image aufzubauen (vgl. Jarren/Donges 2006: 227). Festzustellen ist, dass den Wahlwerbespots im Fernsehen eine erhebliche Bedeutung zukommt, da politische Werbung sich emotionaler Stimulierung12 bedient (vgl. Holtz-Bacha 2006: 15). Formate der werbenden Darstellung können Musikvideoclips, Statements oder Montagen sein (vgl. Holtz-Bacha 2000: 163 ff.). Die Fokussierung auf den politischen Akteur sowie der Einsatz von prominenten Testimonials platzieren relevante Befunde (vgl. ebd.), da Nachrichtenfaktoren wie Prominenz oder Überraschung berührt werden. Die Aufbereitung in redaktionellem Stil unterstützt den Glaubwürdigkeitserhalt der Partei (vgl. Schoen 2014: 669). Auch ist die musikalische Rahmung aus vorwiegend modernen Musikgenres zu einem zentralen, „unerläßlichen Stilmittel geworden“ (Holtz-Bacha 2000: 172). Stark polarisierende Themen werden in der Regel von den Parteien vermieden. Das Negative Campaigning kommt in Fernsehspots im europäischen Kontext geringfügig zum Einsatz. (vgl. ebd.: 210). Hinsichtlich der Differenzierung etablierter und junger Parteien stellt Schulz (2015: 25) fest, dass Oppositionsparteien einen „mehr oder weniger scharfen Angriffswahlkampf führen. Sie kritisieren die bisherige Regierung, konzentrieren sich auf deren Fehler und Schwächen.“ Dadurch wird der strategische Versuch unternommen, die Wähler von einer besseren politischen Vertretung zu überzeugen (vgl. ebd.). Zentrale Ausprägungen der Wahlwerbung sind dabei der Einsatz von „eindrucksvollen Bildmotiven“ und die „zentrale Botschaft [...] in möglichst griffige Slogans“ zu präsentieren (ebd.).
Geht es um die Gestaltung von Geräuschen und Tönen wie etwa in der Hörfunkwerbung, ist ein hoher Wiedererkennungswert und damit die Corporate Identity der Partei wichtigste Grundlage (vgl. Knipp 2000: 163 f.). Produziert wird dies durch „musikalische Kennung“, in der Sprecher im Radio wiederholend Slogan oder Gesang verbreiten (ebd.). Das Hörfunk-Marketing setzt im Hörfunkspot den Slogan als Parteilogo ein und bildet damit den „wichtigsten Baustein für den Aufbau der Marke“ (Weichsel 2000: 202).
Obgleich die Wahlwerbespots zu den bedeutsameren Maßnahmen zählen, greifen Parteien auf Wahlanzeigen in Printmedien zurück (vgl. Keil 2004: 359).
3.4.2 Parteieigene Kommunikationskanäle im Zeitalter des Internets
Der Versand von Partei-Newslettern, Internetauftritte auf parteieigenen Webseiten, in sozialen Netzwerken wie „Facebook“ und Multimediakanälen wie „YouTube“, stellen eine vierte Kampagnenform dar (vgl. Wilke 2013: 292). Wie Norris (2003: 26) konstatiert, ist das Internet eine Vielzahl von Informationen zielgruppengerecht und schnell (vgl. Schoen: 690, 663) zu übermitteln in der Lage. Die Besonderheit der Internetkampagne liegt in der möglichen Nutzung strategischer Maßnahmen der drei anderen Kampagnenformen (vgl. Wilke 2013: 292, 305; vgl. Schweitzer/Albrecht 2011: 25). Unter Hinzuziehung eigener Parteikanäle und der Partizipation der Inhalte durch Medien, Parteien und Bürger sowie deren Rückmeldung an die Parteien, wird eine wechselseitige Kommunikation zwischen Sender und Empfänger ermöglicht (vgl. Schoen 2014: 690, 663; vgl. Schulz 2015: 10). Die Internetkampagne vereint somit die Informations- und die Entertainmentfunktion (vgl. Schulz 2015: 10). Der Informationstransfer durch die Parteikanäle ermöglicht Parteien die Steuerung eingesetzter Maßnahmen (vgl. Wilke 2013: 305) „ohne das Risiko der journalistischen Bearbeitung“ (Holtz-Bacha 2000: 150). Die für diese Arbeit relevante Definition kann auf Schweitzer/Albrecht (2011: 25) zurückgehen, indem der Online-Wahlkampf
„die Gesamtheit der computervermittelten, digitalen Präsentations-, Distributions-, Kommunikations- und Interaktionsstrukturen“ umfasst, „ die von Angehörigen des politischen Systems im Vorfeld eines Abstimmungsereignisses öffentlich oder teil-öffentlich [...] über Datenleitungen oder Funkverbindungen zur Verfügung gestellt werden [...].“
Vereinigung strategischer Maßnahmen durch das Medium Internet
Die „Medienrevolution der 1990er“ bringt mit dem Web 2.0 interaktive Medienplattformen hervor und vereint die Massenmedien mit den neuen Medien (Schulz 2015: 10). Der Erfolg einer strategischen Wahlkampfmethode bemisst sich neben eingesetzten Instrumenten und der erreichten Zielgruppe, die im Internet über Weiterverbreitung entscheidet, außerdem an der „medialen Gestaltung“, da audiovisuelle Medien über größeres Unterhaltungspotenzial verfügen (Schulz 2015: 44). Parallel ermöglicht der reichweitenstarke Online-Wahlkampf eine Vielzahl „audiovisueller Gestaltungsmöglichkeiten“, die die Verbreitung der Botschaften unterstützen (ebd.: 50). Darüber hinaus kann das Internet die symbolische Wirkung von Kandidaten durch Nutzung dieses modernen Mediums unterstützen (vgl. Schweitzer/Albrecht 2011: 26). Folglich können im Internet erläuterte strategische Methoden der Free Media, der Paid Media sowie parteieigene Medien zum Einsatz kommen, indem die Internetnutzer als Verbreiter fungieren (Internet als Pull-Medium13 ) und die Instrumente politischer Akteure durch Verbreitung (Teilen, Verlinken) aktiv nutzen (vgl. Schweitzer/Albrecht 2011: 38; vgl. Wilke 2013: 292).
Stärken und Nutzung des Online-Wahlkampfs: Publizität durch die Internetnutzer
Die Stärke und Reichweite des Internets lässt sich explizit an seinen viralen Fähigkeiten bemessen. Besonders „unterhaltsame, komische und skurrile Inhalte“ (Schulz 2015: 38.) verfügen über das Potenzial, die Internetnutzer nahezu vollständig zu erreichen, was politisch ernsthafte Botschaften aufgrund ihres geringeren Unterhaltungspotenzials mitunter nicht zu leisten in der Lage sind (vgl. ebd.).
Webseiten sind das klassische Instrument des Online-Wahlkampfs (vgl. Schweitzer/Albrecht 2011: 28) und dienen Parteien beispielsweise ihre Partei zu organisieren oder Pressematerialien für Medien und Wähler bereitzustellen (Pressemitteilungen, Fotos, Newsletter) (vgl. Schulz 2008: 241). Sie sind wenig reaktiv, können jedoch „multimediale und interaktive Elemente“ (Schweitzer/Albrecht 2011: 28) rezipientenorientiert einbinden und bilden mit ihrer häufigen Nutzung eine ideale Plattform zur Selbstdarstellung politischer Akteure (vgl. ebd.; vgl. Wilke 2013: 305). Parteiwebseiten können neben stetig aktualisierten Inhalten zu parteipolitischen Aktivitäten im Wahlkampf um Web 2.0 Anwendungen ergänzt werden, indem eine Verknüpfung zwischen dem Sozialen Netzwerk und der Webseite hergestellt wird (Verlinkung) (vgl. Wilke 2013: 305).
Videoplattformen dienen der „dezentralen Verbreitung und Zweitverwertung“ politischer „Werbebotschaften“ (Schweitzer/Albrecht 2011., S. 31). Um die drei Ziele der Wahlkampfkommunikation (bestehende Parteianhänger und Unentschiedene mobilisieren, Wähler der gegnerischen Partei abfangen) zu erreichen (vgl. Brettschneider 2005: 19), können Parteien drei Ziele für politische YouTube-Videos verfolgen. Dazu zählen eine hohe Reichweite und damit eine weite Verbreitung der Videos, die Initiierung der Diskussion zum Inhalt sowie die positive Resonanz durch die Wählerschaft (gemessen an sogenannten „Likes“) (vgl. Bachl 2011: 159). Ein relevanter Erfolgsfaktor politischer Videos ist ein thematisch „direkter Bezug zum Wahlkampf“ (ebd.). Darüber hinaus haben Darstellungen des Negative Campaigning das Potenzial Anhänger zu mobilisieren. Entsprechend verfügt der Einsatz des Negative Campaigning in Videos über die Kraft einer hohen Reichweite und starken Aufmerksamkeitsgenerierung (vgl. ebd.). Die humoristische Rahmung von Videos verfügt aufgrund von „Unterhaltsamkeit [...] und Neuheit“ (ebd.: 161) über großes Verbreitungspotenzial durch die Rezipienten (vgl. ebd.: 176).
Soziale Netzwerke unterstützen im Zeitraum eines Wahlkampfes potentiell die „publizistische Funktion“ für politisch relevante Inhalte (Sarcinelli 2011: 70). Anders als die Massenmedien, erreichen die geteilten Inhalte in sozialen Netzwerken zielgruppengenaue Rezipienten durch Selbstselektion und Kontakte im Netzwerk der Nutzer, die dort besprochen oder bewertet werden14 (vgl. Kunert/Schmidt 2011: 229). Das virale Potential entfaltet sich mittels Schneeballeffekt, indem die Nutzer die von politischen Akteuren und Parteien ausgesandten Inhalte teilen, bewerten und in ihre eigene Kontaktdatenbank übertragen, wodurch sich Möglichkeiten der weuterführenden Kommunikation ergeben (vgl. ebd.: 236).
Die Kommunikation des Politischen in sozialen Netzwerken erreicht außerdem Wähler, „die der etablierten (partei-) politischen Kommunikation fernstehen“ (ebd.: 229). Theoretische Befunde legen die intensivere Nutzung sozialer Netzwerke vorwiegend jungen Parteien, die noch keinen Handlungsspielraum im politischen System besitzen, nahe (vgl. Schweitzer/Albrecht 2011: 52). Dies ermöglicht den Verzicht auf klassische Massenmedien, indem „unkonventionelle Frames und Problemperspektiven verbreitet werden, Anhänger motiviert und mit Argumenten ausgestattet" werden (Schulz 2008: 224.). Für einen erfolgreichen Wahlkampf ist das Internet damit von zentraler Bedeutung.
3.5 Komik oder Humor? Definitorische Einordnung der Begriffe und Funktionen in der politischen Kommunikation
Humoristisch gerahmte Inhalte im politischen Kontext finden unter Berücksichtigung des Falls nachfolgend eine begriffliche und funktionale Einordnung.
Aufgrund der pluralistischen Definitionen hinsichtlich differenter Forschungsperspektiven der Begriffe Humor und Komik15 (vgl. Knop 2007: 71) und in Abhängigkeit ihres kulturellen, zeitlichen und kontextsensitiven Bezugsrahmens (vgl. Porzelt 2013: 38), werden die Ausprägungen der signifikantesten Oberbegriffe Komik und Humor nachfolgend beleuchtet.
Der Begriff Komik leitet sich aus dem Griechischen komikós [scherzhaft] ab (vgl. Kablitz 2007: 289). Er umfasst „[...] Ereignisse, Sachverhalte und Äußerungen, die Lachen verursachen; bzw. die Eigenschaft, die diese Wirkung erzeugt“ (ebd.). Dabei ist die Unterscheidung zwischen „einzelnen Erscheinungsformen des Komischen“ (ebd.) nicht trennscharf. Das Komische beinhaltet alles, „was der Erwartung widerspricht oder von der Norm abweicht“ (Kablitz 2007: 289). Die Satire als Stilmittel der Komik ist eine „(massen-)mediale Darstellungsform“ (Knop 2007: 79), die dazu genutzt wird, mit „Mitteln des Komischen als negativ empfundene gesellschaftliche und politische Zustände [...] sowie individuelle Handlungen und Vorstellungen aggressiv-ironisch zu übertreiben, um ihre Unzulänglichkeit [...] zu verdeutlichen“ (Budzinski/Hippen 1996, zitiert nach Knop 2007: 79). Die wesentlichen Merkmale der Karikatur sind „die Übertreibung, Übersteigerung und die Verzerrung“ (ebd.: 81). Ironie ist als Stilmittel „innerhalb aggressiver komischer Sprechakte“ zu finden (vgl. Budzinski/Hippen 1996, zitiert nach Knop 2007: 81). Besonderer Relevanz kommt der 'Komischen Person' zu, die als „Bühnenfigur“ [...] „ihre belustigende Wirkung auf das Publikum durch die Abweichung von (sozialen, dramaturgischen, sprachlichen) Normen erzielt“ (Profitlich/Stucke 2007: 294).
Der Humor wird dem Terminus der Komik zugeordnet (vgl. Knop 2007: 73). Laut Bachmaier (2007, zitiert nach Porzelt 2013: 51) ist Humor eine „Haltung“ einer Person und Komik die Form der „Inszenierung“ und „Konstruktion“, die so die Ebene des 'Politainments' nach Dörner16 und der Mediatisierungsprozesse des Politischen bestätigt.
Um eine Verbindung zwischen Komik und Politik herzustellen, werden nachfolgend die Gründe und Funktionen für die Verwendung von Komik im politischen Kontext näher betrachtet. Die unter Kapitel 2 und 3 diskutierten zunehmenden Unterhaltungsformen des Politischen in medialer Informationslandschaft befördern mit informativer Unterhaltung ironische Aspekte, auf die moderne politische Akteure mit Selbstironie reagieren können (vgl. Dörner 2013: 174; vgl. Porzelt 2013: 99.). Unter Rückbezug zum Fall werden nachfolgend wesentliche Befunde der Komikfunktionen17 aufgezeigt.
Freude: Erzeugte Freude beim Rezipienten als Resultat der „komischen Thematisierung“ (Porzelt 2013: 98) spricht die Ebene der Emotionalisierung an. Durch das Politainment werden politische Handlungsoptionen in Form von Unterhaltung angeboten, sodass der Zuschauer sich mit diesen identifizieren kann (vgl. Dörner 2001: 33). Am Beispiel der Satire wird der Rezipient durch die Freude der Unterhaltung für Kritik empfänglich gemacht (vgl. Porzelt 2013: 99). Begibt sich der politische Akteur selbstinszeniert in die Rolle des Satirikers, ist es ihm möglich, politisch Uninteressierte zu erreichen und durch die Kritik an der Gegenwart zu überzeugen. Damit habe das Negative Campaigning in komischer Rahmung Erfolgschancen durch das entstandene Wohlbefinden der komisch-kritisch gerahmten Rezeption (vgl. Porzelt 2013: 87 ff.).
Aggression: Die aggressive Funktion entfalte sich positiv, „wenn feindliche Komik dazu dient, Aggressionen in gesellschaftlich akzeptierter Form auszuleben“ (Knop 2007: 62). Im Rahmen politischer Wahlkampfkommunikation lasse sich dies auf verbale Angriffe übertragen, da moralische Werte nicht verletzt werden (vgl. Schutz 1977, zitiert nach Porzelt 2013: 100). Dadurch ist es insbesondere tiefer gestellten politischen Akteuren möglich in und von der Öffentlichkeit akzeptierte Kritik gegenüber hierarchisch Höhergestellten zu äußern (vgl. Knop 2007: 62). Ein positiver Effekt kann somit auch der Sympathiegewinn sein, der durch die Kritik in der Öffentlichkeit erzeugt wird, indem der Akteur seine humoristische Seite öffentlich zeigt (vgl. Porzelt 2013: 100).
Sozial: Durch das gemeinsame Lachen der Rezipienten werde die Gruppenzugehörigkeit gestärkt (vgl. Knop 2007: 64). Im Rahmen politischer Kommunikation werden die Identifikation mit der eigenen Gruppe und die Zugehörigkeit durch sich in Witzen ausdrückenden Normen und Werten bestätigt, die sich durch Nutzung eines gemeinsamen Netzwerkes zeigt (z.B. dem Internet) (vgl. Kleinen-von Königslow 2014: 168).
Intellekt: Die intellektuelle Funktion der Komik erhält ihre spezifische Bedeutung im politischen Kontext durch ihre Fähigkeit zur Doppeldeutigkeit (vgl. Knop 2007: 65). Entsprechend können Elemente des Negative Campaigning durch Förderung des reflektierten Denkens und „verdeckte Angriffe auf Machthaber“ von politischen Oppositionen (Schutz 1995, zitiert nach Porzelt 2013: 103) Effekte der „politischen Teilhabe“ generieren (ebd.: 104). Die Kommunikation ermögliche für Rezipienten „eine höhere Dekodierfähigkeit für Ironie und andere humoristische Zwischentöne“ (Knop 2007: 65). Für den Komik-Akteur ergeben sich explizite Vorteile hinsichtlich seiner Selbstdarstellung:
„Erfahrungen im Umgang mit Komiktechniken wie Übertreibungen [...] Wortspielen etc. können [...] zur rhetorischen Brillanz führen und einen Menschen als geistreich [...] ausweisen." (ebd.)
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Komik im Rahmen politischer Kommunikation genutzt werden kann, um beispielsweise durch Kritik an Konkurrenten Überzeugungsarbeit leisten zu können (vgl. Kleinen-von Königslöw 2014: 165). Besonders der Bruch von Erwartungen und die Kritikfunktion stehen im Mittelpunkt der humoristischen Kommunikation, weshalb die Satire ein zentrales Stilmittel der Komik des Politischen darstellt (vgl. ebd.; vgl. Porzelt 2013: 98 ff.). Im Rahmen des telemedialen Einsatzes wird die Komik unter dem von Dörner geprägten Begriff Politainment als politische PR-Strategie unter den erläuterten Funktionen genutzt. In enger Verbindung zur Komik steht der Mediatisierungsprozess, indem Inhalte unterhaltend und humoristisch gerahmt vermittelt werden und politische Akteure vorwiegend in unterhaltenden Talkshow-Formaten auftreten, um eine breite Öffentlichkeit zu erreichen (vgl. Kleinen-von Königslöw 2014: 165, 176). Besonders YouTube konnte als erfolgversprechendes Humormedium für politische Akteure in verschiedenen wissenschaftlichen Untersuchungen bestätigt werden (vgl. ebd.: 178 f.).
4. Exkurs: Politische Kommunikation in der isländischen Mediengesellschaft
Laut Pfetsch und Mayerhöffer (2006: 21) ist die „Interaktion von politischen Sprechern und Journalisten“ den strukturellen Bedingungen eines Landes unterworfen. Dies umfasse die Verfassung des Mediensystems sowie die „strukturellen Fixierungen politischer Verhandlungsprozesse“ (ebd.). Nachfolgend wird das Verhältnis des isländischen Politik- und Mediensystems erläutert.
Das politische System: Die parlamentarische Republik Island ist seit 1944 unabhängig (vgl. Auswärtiges Amt 2016: o. S.). Staatsoberhaupt ist der Staatspräsident, der durch eine demokratische Direktwahl vom Volk gewählt wird (vgl. ebd.). In der Hauptstadt Reykjavik wird der Oberbürgermeister für eine Amtszeit von vier Jahren gewählt. Der Rat der Stadt besteht insgesamt aus 15 Mitgliedern (vgl. Miðvikudagur 2016: o. S.). Von 332529 Einwohnern in Island leben mit ca. 122460 Einwohnern knapp zwei Drittel in der Hauptstadt Reykjavik (vgl. Auswärtiges Amt 2016: o. S.).
Das Mediensystem: Neben der öffentlich-rechtlichen, steuerfinanzierten Rundfunkanstalt „Ríkisútvarpið“, kurz Rúv, die Rundfunk- und Onlinedienste zur Verfügung stellt (vgl. Ríkisútvarpið 2016: o. S.; vgl. Bomsdorf 2016: o. S.), betreibt die private Mediengruppe „365“ mehrere Fernseh- und Radioprogramme sowie Online- und Printmedien (vgl. Reporter ohne Grenzen: https://www.reporter-ohne-grenzen.de). Darüber hinaus ergänzen private Unternehmen den Medienmarkt sowie fünf Tageszeitungen, die sowohl als Printausgabe und partiell ausschließlich als Onlineausgabe erscheinen (vgl. Hardarson 2008: 73).
Im Zuge der Finanzkrise fiel Island 2009 vom zuvor ersten auf den neunten Platz im Ranking der Pressefreiheit (vgl. Icelandreview 2016: o. S.). Laut Hardarson (2008: 72) sei das Mediensystem „certainly no longer monopolized by the political parties“, dennoch haben Köpfe konservativer Parteien die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt politisch zu beeinflussen versucht (ebd.). Während der öffentlich-rechtliche Rundfunk der finanziellen Entscheidungsmacht durch die Politik ausgesetzt war, wurden Privatmedien sowohl politisch als auch ökonomisch unterwandert18. Seit der Finanzkrise sei die kritische Berichterstattung intensiver geworden und ein breiteres Angebot unabhängiger Independent-Onlinemedien stärke die Pressefreiheit auf dem isländischen Medienmarkt (vgl. ebd.). Die politische Kommunikation wird in Island neben klassischen Massenmedien über öffentliche Webseiten mit politischem Inhalt, geführt von Einzelpersonen und Gruppierungen wie politischen Organisationen und Parteien, vermittelt (vgl. Hardarson 2008: 73).
Island gilt mit einer Internetabdeckung von 98 Prozent und einer der weltweit höchsten Internet-Nutzungsraten, insbesondere der sozialen Medien, gegenwärtig als einer der international führenden Vertreter der freien Rede und Onlinemedien (vgl. Freedom House 2016: o. S.)
Das Gewicht des Internets in Island als möglicher Katalysator für den strategischen Wahlkampf
Infolge der isländischen Finanzkrise und der öffentlichen Erkenntnis intransparenter Beziehungen zwischen journalistischen Medien und Teilen der für den ökonomischen Zusammenbruch Islands verantwortlichen korrupten Elite19, etablierte sich das Internet als neuer „information heaven“ (Webindex online 2016: o. S.). Das Gesetzespaket „Icelandic Modern Media Initiative“ [IMMI], wurde während der isländischen Kommunalwahlen durch die Parlamentsabgeordnete Birgitta Jónsdóttir in Zusammenarbeit mit dem Wikileaks-Aktivisten Julian Assange initiiert (vgl. Rosenbach, Stark;114–116.) und nach den Kommunalwahlen am 16. Juni 2010 verabschiedet (vgl. Vallace 2010: o. S.; vgl. Varol 2011: o. S.). Direkte Demokratie, Informationsfreiheit und freie Meinungsäußerung wurden für den investigativen Onlinejournalismus sichergestellt (vgl. Webindex online 2016: o. S.; Thórhallsson 2011: o. S.) . Folglich lassen die landesspezifischen Merkmale der fortschrittlichen Internetbewegung, der hohen Reichweite und intensiven Nutzung zum Zeitpunkt der Kommunalwahlen 2010 auf starkes wahlkampfmethodischeres Gewicht des Internets im isländischen Wahlkampf schließen.
Festzustellen ist, dass die Verbindung zwischen der Politik und vorwiegend privaten Medien partiell über Interessenkonflikte verfügt. Bis zum Zeitpunkt der Finanzkrise 2008 und 2009, führte die Unterwanderung zu einem partiellen politisch-medialen Ungleichgewicht. Zum Zeitpunkt der Kommunalwahlen 2010 in Reykjavik darf dies erheblichen Einfluss auf den Wahlerfolg und die Wahlkampfkommunikation gehabt haben, da Vertrauensverluste generiert wurden und die politisch-wirtschaftliche Situation einen Einfluss auf die Themenauswahl sowohl für politische Akteure als auch Medien hat (vgl. Schulz 2015: 110). So sind politische Krisen für die Wahlkampagne inhaltlich problematisch, da sich die Berichterstattung an negativen Ereignissen in ihren Nachrichtenwerten orientiert und betroffene Parteien Probleme haben, mit der „Wahlkommunikation durchzudringen“ (ebd.: 110, 118).
5. Ausdifferenzierung der Forschungsfrage
Bevor die theoretischen Befunde methodologisch verortet werden, ist es notwendig, die relevantesten Ergebnisse zusammenzufassen und hinsichtlich der Forschungsfrage zu verdichten.
Politische Öffentlichkeit wird gegenwärtig über „Zeitungen und Zeitschriften, Radio und Fernsehen, Webseiten und soziale Netzwerke“ hergestellt (Schulz 2008: 238). Diese Medien(-formen) decken instrumentell die vier Wahlkampagnenformen der Parteien-und Mobilisierungskampagne, der Werbe- und Medienkampagne sowie der Internetkampagne ab (vgl. Radunski 1980: 44; vgl. Wilke 2013: 292). Voraussetzung eines strategischen Wahlkampfes ist politische Öffentlichkeitsarbeit (vgl. Voltmer 2007: 19) anhand von PR-Strategien und eine damit einhergehende Professionalisierung der Wahlkampfkommunikation (vgl. Pfetsch/Mayerhöffer 2006: 1).
Um dem Forschungsziel näherzukommen, befasste sich der theoretische Teil der Arbeit mit gängigen Kommunikationsmethoden und Wahlkampfstrategien für etablierte und nicht-etablierte Parteien. Außerdem wurden das Verhältnis zwischen Medien und Politik, der kulturelle Einfluss auf einen Wahlkampf und Befunde zur Wirkungsweise von Komik in politischer Öffentlichkeit verdeutlicht. Die dem Fallbeispiel entsprechend relevantesten Befunde werden mit Rückbezug auf die Forschungsfragen konkretisiert. Die Forschungsfragen lauten:
1. Welche Strategien hat die Besti Flokkurinn [Beste Partei] im Wahlkampf eingesetzt?
2. Lassen sich daraus Erfolgsfaktoren benennen?
Hinsichtlich der Forschungsfragen können aus dem theoretischen Fundament folgende Unterfragen gewonnen werden20.
1. Agenda-Building: Die Anpassung an das Mediensystem (vgl. Brettschneider 1998: 635 ) kann am (erfolgreichen) Einsatz von Instrumenten der Öffentlichkeitsarbeit sichtbar werden. Grundvoraussetzung dafür ist ein Nutzwertverhältnis zwischen Medien- und Politikakteuren (Röttger 1999, zitiert nach Jarren/Donges 2006: 25).
Unterfrage 1: Welche Instrumente wurden explizit im medialen Wahlkampf eingesetzt?
Unterfrage 2: Wie ist die Partei mit Medienvertretern und der Berichterstattung umgegangen?
Indikatoren: Spin Doctors (interne, externe Berater) (vgl. Esser/ Reinemann 2000: 44 f.), gezielter Einsatz von PR-Maßnahmen (Free Media), professionelle Fähigkeiten: Hintergrundgespräche (Verhältnis zu Journalisten, Arrangement von Interviews) (vgl. ebd.); Versand von Pressemitteilungen; Nachrichtenfaktorenberührung Prominenz, Negativität, Überraschung (Thematisierung, Negative Campaigning); Satire als „(massen-)mediale Darstellungsform“ (Knop 2007: 79) (Verdeutlichung von Unzulänglichkeiten politischer Gegner)
2. Amerikanisierungs- und Medialisierungstendenzen lassen eine Personalisierung im Wahlkampfvermuten und verringern die Zugangsbarrieren zum politischen Thema, indem unterhaltende Elemente politische Sachverhalte in ihrer Komplexität verringern (vgl. Tenscher 2013: 224; vgl. Maurer 2009: 154). Relevanter Einflussfaktor auf die personalisierte Wahlkampfkommunikation ist die kommunikative Kompetenz als Erfolgskriterium im Wettbewerb der Aufmerksamkeitsgenerierung (vgl. Pfetsch/Mayerhöffer 2006: 1), die durch den Spitzenkandidaten (unmittelbare, funktionale PR), die Partei oder externe Berater (mittelbare, organisierte PR) anhand von kommunikativen Maßnahmen wie der „medienadäquaten Dramatisierung“ (Sarcinelli 2011: 242) und der Thematisierung vorwiegend im Bereich der audiovisuellen Medien ausgeführt wird (vgl. Kaase 1998: 103). Hier wird deutlich, dass strategische Kommunikationsmaßnahmen parallel genutzt werden (vgl. Jarren/Donges 2006: 261).
Unterfrage 3: Wie wurde die politische Öffentlichkeitsarbeit der Partei organisiert?
Indikatoren: Spin Doctors, gezielter Einsatz von PR-Maßnahmen, professionelle Fähigkeiten: Wissen um journalistische Selektionskriterien (vgl. Sarcinelli 2011: 86; vgl. Esser/ Reinemann 2000: 46 f.), Kontaktierung von Medienvertretern (organisiert mittelbar/ funktional unmittelbar), Kampagnenplanung, Parteiorganisationsstrukturen
Unterfrage 4 : Welche Maßnahmen hat die Partei zur (personalisierten) Vermittlung der Wahl-kampfinhalte ergriffen?
Indikatoren: Spin Doctors, gezielter Einsatz von PR-Maßnahmen, professionelle Fähigkeiten, humoristische Rahmung: Inszenierung, Pseudoereignisse (Dramatisierung von Inhalten/Themen; vgl. Sarcinelli 2011: 242 ), Konzentration audiovisuelle Medien, Kandidatenzentrierte Kommunikation, Nachrichtenfaktor Prominenz von Parteimitgliedern/Jón Gnarr/Unterstützern der Partei; vgl. Sarcinelli 2011: 242 ), Art der Wahlkampfinhalte (menschliche, emotionale Rahmung in Verbindung mit sachlicher/politischer Kompetenz; vgl. Dörner 2002b: 318 ), Stil der Kommunikation (Humor als unterhaltendes Element);
3. Das Negative Campaigning wird im Bereich der Free Media (direkte Attacke/ direkter Vergleich/ impliziter Vergleich: vgl. Johnson-Cartee/Copeland 1997: 87), der Paid Media (Angriffswerbung/ vergleichende Werbung: vgl. Podschuweit/Dahlem 2007: 218) und der Internetkampagne angewendet. Im Wahlkampf können Funktionen der Komik strategisch genutzt werden, da durch diese Stilmittel moralische Werte nicht verletzt werden (Lefcourt/Martin 1986, zitiert nach Knop 2007: 62). Hierarchisch tiefer gestellten Akteuren ist es möglich, politische Gegner anhand von Komik öffentlich zu kritisieren (vgl. Porzelt 2013: 100, vgl. Knop 2007: 62).
Unterfrage 5: Wie ist die Partei mit der politischen Konkurrenz umgegangen?
Indikatoren: Humoristische Rahmung, wirtschaftliche Krisen als kommunikativer Nutzen: Indirekte/direkte Thematisierung der Schwächen der Konkurrenz als positives Gegengewicht (vgl. Jakubowski 1998, zitiert nach Sarcinelli 2011: 242), Nachrichtenfaktor Negativität in Verbindung mit humoristischer Kommunikation (vgl. Porzelt 2013: 98 ff.) ; Ausgrenzung des politischen Gegners im Parteiensystem (vgl. Stöß 1987: 297) , Wahlplakate online und offline (vgl. Schulz 2008: 255)
[...]
1 Die Begrifflichkeit wird innerhalb dieser Arbeit unter den Begriffen Humor und Komik definitorisch eingeordnet, siehe Kapitel 3.5 und 6.1
2 Unter einem Akteur wird ein „sozialer, handelnder Rollenträger" verstanden (Jarren/Donges 2006: 54 f.). Der Begriff umfasst „wenige oder viele Personen“, die handlungs-, strategie- und -kooperationsfähig und in der Lage sind, ihr „Rollenbild festzulegen“ (ebd.).
3 Jarren und Donges (2006: 234) unterscheiden zwischen politischer PR, deren Adressaten die gesamte Wählerschaft darstellt, und Öffentlichkeitsarbeit für das politische System, das beispielsweise in parlamentarischen Organisationsformen einzuordnen ist.
4 Politik wird nach Jarren und Donges (2006: 21) als die „sozialen Interaktionen, die auf die Selektion, Durchführung und Durchsetzung kollektiv bindender Entscheidungen ausgerichtet sind" definiert und als mit der „politischen Kommunikation untrennbar verbunden" (ebd.) betrachtet.
5 Pfetsch (2006: 2) beschreibt den Inputprozess als „Kommunikation von Anforderungen und Unterstützung an das politische System" und den „Outputprozess" als Vermittlung von „Entscheidungen an die Gesellschaft".
6 Politische Akteure handeln sowohl in Bezug auf ihre Wählerschaft als auch in Bezug auf die Regierung und parlamentarischen Gremien (vgl. Jarren/Donges 2006: 261)
7 Während die Modernisierung den „politischen Wandel" fokussiert, konzentriert sich die Medialisierung auf die "Interaktion zwischen Medien- und Politikwandel" (Schulz 2008: 246). Die Amerikanisierung begreift den „Transfer von Wahlkampftechniken" aus dem amerikanischen Politraum (ebd.).
8 Themen können Parteiprogramme, Ereignisse oder politische Akteure sein (vgl. Jarren und Donges 2006: 267 ff.).
9 Dörner stellte exemplarisch heraus, dass die Personalisierung erkennbar war: „Popmusikalische Darbietungen, [...]in einer Bildästhetik, die stark angelehnt war an den visuellen Code von MTV-Musikvideoclips [...]; „Status einer Medienfigur“ anhand von „Visualisierung und Authentizität“) (ebd.: 321 ff.)
10 Inszenierungen zur Medienunterhaltung als Ausprägung des Politmarketings (Vgl. Dröner 2002: 317) äußern sich anhand verwendeter „ästhetischer Mittel (optisch, akustisch oder szenisch)" (Sarcinelli 2002: 370).
11 Sigelmann und Buell (2003: 518) analysierten in ihrer Studie die wahlkämpferischen Strategieunterschiede unter Einsatz des Negative Campaigning zwischen amtierenden und herausfordernden Präsidentschaftskandidaten der USA.
12 In einer Untersuchung von 417 deutschen Wahlwerbespots zwischen 1957- 1998 kommt Christina Holtz-Bacha (2000: 159 ff.) zu dem Ergebnis, dass sich die politische Werbung in ihrer Präsentationsform identischen Mitteln der Produktwerbung bedient.
13 Pull-Medien sind Medien, die ein Rezipient „aktiv aufsuchen" muss (Schulz 2015: 135), um deren Inhalte zu nutzen. Als Beispiel sind Print- und Onlinemedien zu nennen (vgl. ebd.)
14 Ein Geflecht aus Nutzeridentität, (reziproken) Beziehungen (Freundschaftskontakte, „Gefällt mir“-Seiten) sowie dem „Informationsmanagement“ (Kunert/Schmidt 2011: 228) (Verbreitung, Verschlagwortung, Bewertung von Inhalten) generieren eine „persönliche Öffentlichkeit“ (Sarcinelli 2011: 70).
15 Da die Arbeit den komischen Aspekt ausschließlich als ein strategisches Mittel der Wahlkampfkommunikation begreift, ist eine detaillierte Trennung der Begriffe Humor und Komik nicht sinnvoll.
16 Andreas Dörner (2001: 31) unterscheidet zwischen unterhaltender Politik, die die Nutzung von Instrumenten und Stilmittel klassisch (medialer) Unterhaltungsformen durch politische Akteure meint , und politischer Unterhaltung, indem beispielsweise die Massenmedien auf politische Inhalte in ihren Unterhaltungsformaten zurückgreifen.
17 Angelehnt an Porzelts Einteilung der Funktionen (2013: 98), werden die Relevantesten nachfolgend erläutert. Die definitorische Einordnung des Begriffs „Spaßpartei" konnte im wissenschaftlichen Kontext bislang nicht eindeutig vorgenommen werden.
18 Chefredakteur des auflagenstarken Morgunbladid ist Davíd Oddsson: ehemaliger Premier - und Außenminister (1991-2003) und Direktor der Zentralbank (2005) . Während seiner Regierungszeit wurde die Bankenprivatisierung in Island beschlossen, die Auslöser für die Finanzkrise war. In anschließender Rolle als Chefredakteur sei die Berichterstattung durch seine persönliche Meinung stark gefärbt worden ( vgl. Bomsdorf 2016: o. S. ). Die 365-Media Gruppe wird geführt von Jón Ásgeir Jóhannesson , ein bis zur Finanzkrise wichtiger Investor des Landes, der Anteile an der Bank Glitnir hielt und 2002 die Zeitung Frettabladid übernahm (vgl. ebd ) .
19 Island gilt, trotz international vergleichbar hoher Pressefreiheit, als eines der korruptesten Länder weltweit (2016 auf Platz 13 von 167) (vgl. http://www.transparency.org/cpi2015#downloads). Das „Global Corruption Barometer" umfasst politische und ökonomische Korruptionen. Besonders politische Parteien wurden, wie am Beispiel der Finanzkrise und dem jüngsten Politskandal der Panama-Papers, in Verbindung gebracht (ebd.).
20 Zunächst werden einzelne Befunde zusammengefasst. Die daraus generierten Unterfragen enthalten Indikatoren. Diese geben Aufschluss über mögliche Erkennungsmerkmale der Unterfrage und entspringen theoretischen Befunden.
- Citar trabajo
- Nicole Hubert (Autor), 2016, Erfolgsfaktoren im Wahlkampf, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/502297
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