Befindet man sich am Anfang der Arbeit, bei der man über das weite Feld der Wirtschaftspolitik einer Stadt wie Berlin recherchiert, so gewinnt man schnell den Eindruck, vielleicht nie zu einem Ende zu kommen. All die Besonderheiten und Einzigartigkeiten der Berliner Wirtschaft, die so eng mit der wechselvollen Geschichte verknüpft sind, sind schon für sich genommen hoch interessante und vielschichtige Themen. So zum Beispiel der Sonderstatus von West-Berlin, mit seiner Wirtschafts- und Kommunalpolitik, die mit keiner anderen deutschen, aber wahrscheinlich auch keiner anderen Metropole der Welt zu vergleichen gewesen wäre, eben eine kapitalistische Enklave in einem vollkommen anderen Wirtschaftssystem. Auf der „anderen Seite“ das Berlin, das Hauptstadt der DDR gewesen ist und Zentrum einer Planwirtschaft. Als würde diese Tatsache nicht schon ausreichen, kam es mit der Wiedervereinigung zu einer Situation, die es erforderte, dass zwei Systeme auf dem gleichen Stadtgebiet mit Hilfe einer, möglichst gewinnbringenden und modernen Form der Wirtschaftspolitik verschmolzen werden sollten. Dabei muss auch betont werden, dass nicht nur die Strukturen Ost-Berlins der Modernisierung bedurften.
Diese Aufgaben, so sollte man meinen, wären ohne das Eingreifen einer starken öffentlichen Hand nicht zu meistern und das trifft sicherlich auf die ersten Jahre nach der Wende zu, aber fasst man den Rahmen weiter und betrachtet die Entwicklung bis zur Gegenwart, so werden die Erwartungen nicht bestätigt. So ist kein klares Profil zu erkennen, was die institutionelle und personelle Struktur der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen anbetrifft und es wird zunehmend schwieriger, wenn nicht unmöglich, klar auszumachen, wo die Regierungsvertreter das Schicksal der Stadt bestimmen. Viel mehr drängt sich einem der Eindruck auf, dass es zum einem Teil immer noch übergeordnete Ebenen wie der Bund und die EU sind, die als größte Geldgeber, die Stadt in ein neues Abhängigkeitsverhältnis stürzen. Andererseits bestätigt eine nicht abreißen wollene Privatisierungswelle der öffentlichen Bereiche, die Tendenz, dass die Stadt der Wirtschaft mehr Managementkompetenz zutraut, als sich selbst, weil sie sich vielleicht auch durch die anstehenden Probleme überfordert sieht.
Gliederung
1 Einleitung
2 Wirtschaftspolitik in der Theorie
2.1 Mehr Handlungsfähigkeit durch die „URT“
2.2 Vermarktung und wirtschaftliche Expansion mit dem „Unternehmen Stadt“
3 Wirtschaftspolitik in der Praxis am Beispiel Berlins
3.1 Zwischen Sonderstatus und Planwirtschaft
3.2 Boom und Krise nach der Wiedervereinigung
3.3 Umstrukturierungen bis heute
4 Fazit
5 Literatur
1 Einleitung
Im Rahmen eines Seminars über die verschiedenen Politikfelder des Landes Berlin, sollte die Wirtschaftspolitik ein, unter den vielen anderen, gleichwertig abgehandelter Abschnitt werden. Dabei sollte jeweils analytisch untersucht werden, welche Akteure eine Rolle spielen, in welchen Institutionen sie organisiert sind und durch welche Netzwerke und Strukturen das Ganze zusammengehalten wird. Die wesentliche Vorarbeit dazu sollte schon im Seminar durch Referate und Diskussionen geleistet werden. Das nun schon abgeschlossene Seminar erlaubt einen Rückblick, der zahlreiche, positive Analysen und Ergebnisse erkennen lässt, jedoch musste man auch feststellen, dass sie nicht auf den Bereich Wirtschaftspolitik zutrifft.
„[...] the political economy of the city and its cultural politics are intimately intermeshed“ (Hall 1998: S.22). Was so einfach wie treffend ist, erschwert allerdings die Aufgabe, die Wirtschaftspolitik Berlins, wie auch wahrscheinlich die der meisten Metropolen weltweit, durch seine Akteure und Institutionen erkenntnisreich zu analysieren. Nicht nur, dass es sehr schwer ist den Überblick zu behalten, wenn man versucht alle Geldströme auf ihre Ursprünge hin zurückzuverfolgen, um eventuell ein System darin zu entdecken. Die Wirtschaftspolitik bezieht so gut wie alle Bereiche der kommunalen Politik mit ein. Es lässt außerdem den Schluss zu, dass es vor allem die Wirtschaftspolitik ist, die über den Aufstieg oder Fall einer Stadt entscheidet. Ihr kommt also eine etwas übergeordnete, aber schwer differenzierbare Rolle zu. Man muss sich dabei auch fragen, ob es überhaupt eine Institution geben kann, die genügend Kompetenzen besitzt, eine Wirtschaft zu steuern, die durch eine immer differenzierter werdende, städtische Gesellschaft geprägt ist, denn: „large cities contain large numbers of actors, concerns, parties, institutions etc.“ (Goldsmith 2001, S.327)
Zum Anderen scheint es speziell in Berlin, aber das soll noch Teil der späteren Analyse werden, ein besonderes Problem zu sein, eine weitestgehend eigenständige und weiträumig agierende Zentrale vorzufinden, bei der die Fäden der Wirtschaft zusammenlaufen. Mit der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen, wie sie seit 2001 genannt wird, sollte es eine Institution der Landesregierung geben, die dafür zuständig ist. Bei näherer Betrachtung fällt jedoch schnell auf, dass sich heute zahlreiche Instrumente der Wirtschaftslenkung nicht mehr im Kompetenzbereich des Senats befinden, sondern an Akteure aus dem privaten Bereich abgetreten wurden und das in so großem Maße, dass es schwierig wird, eventuell vorhandene Netzwerke im öffentlichen Bereich zu beschreiben, von einer qualitativen Analyse der ganzen Institution ganz zu schweigen. Die Informationen, die dazu benötigt worden wären, sind zu dürftig und das nicht nur, weil es kaum Publikationen darüber gibt. Wäre man der erste, der eine Bilanz ziehen wollte, unter die Ergebnisse wirtschaftspolitischer Arbeit im Berlin der letzten 15 Jahre, so meine ich, dass nicht einmal die Informationen aus erster Hand ausreichen würden. Sei es, weil die Senatsverwaltung nicht die Anlaufstelle zu sein scheint, die auch die Ergebnisse ihrer Arbeit ausreichend archiviert hat, sei es, weil es schlichtweg unmöglich ist, die Ergebnisse in ihrem ganzen Umfang informativ zu präsentieren. Auch bleibt es bloße Spekulation, ob die meist negativen Entwicklungen der letzten Jahre dazu geführt haben, dass es keinen Grund dafür geben würde, Protokoll darüber zu führen. Fakt ist, dass es den Rahmen dieser Arbeit wahrscheinlich gesprengt hätte, würde man sich trotzdem daran versuchen, eine gewinnbringende Recherche darüber zu führen.
Deshalb wurde es nötig, dass ich meine ursprüngliche Fragestellung, nämlich die nach der Qualität der Arbeit einer Berliner Senatsverwaltung für Wirtschaft, nicht mehr hätte zufriedenstellend beantworten können. Im Grunde werde ich sie auch nur leicht abändern, da meine neue Fragestellung der alten quasi übergelagert sein könnte: Ist die Form der Berliner Wirtschaftspolitik aus der Not heraus geboren, dass Berlin zum Einen über lange Zeit in einem Abhängigkeitsverhältnis zur BRD stand und nun durch die Schwierigkeiten, welche die Wiedervereinigung mit sich brachte, noch handlungsunfähiger geworden oder ist es einfach eine Form neuer, urbaner Metropolenregierung, die das schrittweise Abgeben von Kompetenzen an die Wirtschaft mit sich bringt?
Denkbare Thesen, die sich dazu aufstellen lassen, wären:
- Der Sonderstatus von West-Berlin erzeugte eine wirtschaftliche Abhängigkeit zur BRD, die durch die Wiedervereinigung nicht aufgehoben werden konnte, sondern nur durch ein neues Abhängigkeitsverhältnis abgelöst wurde, was durch die enormen finanziellen Probleme verursacht wurde, die der Strukturwandel in Ost-Berlin mit sich brachte.
- Die Anpassung der lokalen Wirtschaftspolitik einer Metropolenregion von der Größe Berlins an den Wandel der Gesellschaft und Wirtschaft der heutigen Zeit erfordert eine umfangreiche Umstrukturierung nach den Erfahrungen, die man in anderen Metropolen der westlichen Welt gesammelt hat. Dazu gehört, nach neuesten Erkenntnissen, eine noch stärkere Kooperation zwischen der Stadtregierung und der Wirtschaft.
Die Beantwortung der Frage und die Klärung der Thesen wird ohne Zweifel theoretischer ausfallen und weniger analytisch, wie es eigentlich erwartet wurde, aber grundsätzlich ist auch diese Ausgangsfrage eine, die sich zwangsläufig aufdrängt, sobald man sich mit der Arbeit der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen und der Wirtschaftspolitik von Berlin befasst.
Der Aufbau der Arbeit wird daher so gestaltet sein, dass zunächst ein theoretischer Überbau geschaffen werden soll, der sich mit ausgewählter Literatur zu neuen Formen der urbanen Wirtschaftspolitik befasst. Unter anderem zu erwähnen sind hier die Ansätze der „Urban-Regime-Theory“ („URT“) und der „Entrepreneurial City“. Ich werde dabei versuchen, mich insgesamt auf die wesentlichen Merkmale zu beschränken, die nach meiner Meinung auch in der Berliner Wirtschaftspolitik zum Tragen kommen und als praktische Beispiele die Theorie zu bestätigen vermögen.
Darauf soll ein kleiner Abriss der wirtschaftlichen Entwicklung von Berlin folgen, der direkt auf die schon erwähnten Einzelaspekte der theoretischen Ansätze Bezug nehmen soll. Zum Einen, um einen Beweis für die vorgestellten Theorien zu liefern und eine möglichst klar zu erkennende Tendenz für die Entwicklung der Berliner Wirtschaftspolitik herausarbeiten zu können und zum Anderen, um dabei auch das Feld der Wirtschaftspolitik in Berlin an sich zu analysieren.
Der Bogen soll dann schließlich zu einem Fazit gespannt werden, welches eine Antwort auf die Ausgangsfragestellung finden möchte und die vorhandene Theorie mit der Praxis vergleicht, um schließlich auch darüber zu einem Urteil zu kommen, ob denn nun die Schwäche der Berliner Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen eventuell selbstverschuldet ist oder eine nicht abzuwendende Konsequenz der Rahmenbedingungen, wie ich meine.
2 Wirtschaftspolitik in der Theorie
Wenn es darum geht, sich auf dem theoretischen Weg der Wirtschaftspolitik einer Stadt zu nähern, so kommt man nicht umhin, auf die ausreichende Menge an Literatur zurückzugreifen, die sich mit den modernen Formen der Stadtregierung befassen. Dabei haben sich vor allem angelsächsische Autoren einen Namen gemacht. Man könnte nun behaupten, dass theoretische Ansätze bestimmter Stadtregierungsformen nicht in erster Linie mit Wirtschaftspolitik zu tun haben müssen und dass die dominierenden U.S.-amerikanischen Einflüsse vielleicht auch eher auf Städte der U.S.A. anzuwenden sind, ich denke aber, dass eine Brücke sehr gut zu schlagen ist.
Wie ich im weiteren Verlauf nämlich aufzeigen will, ist die Stadtpolitik zum großen Teil durch einen wirtschaftlichen Rahmen geprägt, wenn nicht sogar bestimmt. Die meisten Anstrengungen und Überlegungen sind aus der Not heraus geboren, dass die Regierungen verschiedener Städte vor allem. wirtschaftliche Probleme zu bekämpfen hatten und die Reformen das Ziel haben sollten, die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Seit den 90er Jahren habe sich die Situation ergeben, dass die strukturelle Krise der Finanzhaushalte die Lage in den meisten Fällen sogar verschärft hat (Bernt 2003). Da wir nun auch schon seit längerer Zeit in einer zunehmend globalisierten Welt leben, kann man ebenfalls davon ausgehen, dass sich diese Probleme nicht auf die Städte der U.S.A. beschränken, sondern, wenn auch in leicht abgewandelter Form, alle Metropolen der westlichen Welt betreffen.
2.1 Mehr Handlungsfähigkeit durch die „URT“
Seit den 80er Jahren ist verstärkt feststellbar, dass eine Vielzahl von Autoren mit ihren Ansätzen einen tendenziellen Wandel in der Stadtpolitik der Metropolregionen beschreiben. Kurz gesagt, geht man einheitlich davon aus, dass es zunehmend seltener der Fall ist, kommunale Regierungsformen anzutreffen, die zentral geführt sind und vollkommen öffentlich arbeiten. „[G]overnmental responsibilties in such areas are shared between a wide range of public bodies, some elected, many appointed, and […] cooperation with the private sector is often a requirement of sucessful policy implementation.” (Goldsmith 2001, S. 325) Unabhängig davon, von welchem theoretischen Standpunkt aus es gesehen wird, nehmen die Verknüpfungen zwischen der privaten Wirtschaft und den Institutionen einer Stadtregierung nachweislich zu.
Nach Goldsmith geht es zunächst einmal darum, für eine Metropolenregion eine Fähigkeit zum Managen zu entwickeln, bei der die Größe der Stadt und die Art der Regierung zunächst keine Rolle spielen müssen. Aus seiner Erfahrung habe sich jedoch gezeigt, dass „single-tier governments“ und „two-tier approaches“, also ein- bzw. zweistufige Formen der Stadtregierung, für die steigenden Anforderungen nicht mehr genügen. Ihm geht es dabei in erster Linie darum, eine wirkungsvolle Regierungsform zu finden, die in der Lage ist mit den allgemeinen Problemen einer Großstadt fertig zu werden. Am Beispiel der Metropolregion Stuttgart zeigt er jedoch auf, dass die Kooperation mit der Wirtschaft eine wirkungsvolle Methode ist, um aus diesen Krisen herauszukommen, ohne zusätzlich mit der öffentlichen Hand finanzieren zu müssen. Denn mit einer positiven wirtschaftlichen Entwicklung, lassen sich auch all die Versorgungsaufgaben einer Stadt bewältigen. So konstatiert er, dass „economic regeneration and economic development have become major policy foci for all metropolitan and local governments in recent years” (Goldsmith 2001, S.332).
Bei der weiteren Betrachtung stellt sich dann die Frage, die sich vor allem die „URTheoretiker stellen: Wer regiert, wenn Stadtregierung und Wirtschaft kooperieren? Für Bernt ist die Komplexität innerhalb eines städtischen Systems die zentrale Bedeutung eines „Urban Regime“. Charakteristisch sind bei diesem elite- und handlungstheoretischen Ansatz, wie die Akteure der Stadtregierung mit denen aus der Wirtschaft kooperieren. Es ist weniger durch eine Struktur aus festen Institutionen und Verbindungen zu verstehen, als vielmehr durch eine Vielzahl von einzelnen Übereinkünften auf meist informeller Basis. Das Regime entwickelt sich dann insofern, dass kurzfristig angelegte Projekte ins Leben gerufen werden - sei es um Krisen zu bewältigen, sei es, dass bestimmte Vorhaben realisiert werden müssen - um aus diesem Grunde Kontakte zu Vertretern aus der Privatwirtschaft aufzunehmen, auch in der Hoffnung, dabei auf mehr Sachverstand zu treffen. „Die Kooperationsbeziehungen verfestigen sich dabei zu dauerhaften Gruppierungen“ (Bernt 2003, S.18) und das Ergebnis ist dann ein kollektiver Akteur, der letztendlich als Regime bezeichnet werden kann.
Ein Kritikpunkt an dieser Theorie jedoch ist, wie auch schon weiter oben erwähnt, dass dieser Blickwinkel nicht alle Zusammenhänge vollständig zu erklären vermag. Letztendlich bleibt der gesamtgesellschaftliche Einfluss auf die Entscheidungsfindung dabei außen vor, was der Realität nicht entspräche. Der Moment der Kooperation ist zwar ein wesentlicher Teil im Gesamtprozess und die beteiligten Akteure bilden die Eliten, die mit einem besonderen Maß an Entscheidungsgewalt ausgestattet sind, aber die Masse der Bevölkerung spielt trotzdem eine Rolle als unbekannter Faktor in dieser unvollständigen Rechnung.
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