In der vorliegenden Arbeit wird die Bedeutung der Novelle in Italien untersucht. Insbesondere Boccaccios "Il Decamerone" steht hierbei im Zentrum der Untersuchung.
Giovanni Boccaccio, geboren im Jahr 1313 in der Toskana, verfasst in seiner Jugendzeit erzählende Werke in der Volkssprache. Die Novellensammlung "Il Decamerone" gilt als Abschluss und Höhepunkt von Boccaccios erster Schaffensperiode. Im Decamerone stehen die Menschen im Mittelpunkt, sowohl die erzählenden als auch jene, von denen erzählt wird; sie werden für den Leser direkt greifbar und lebendig. Boccaccio zeichnet uns mit diesem Werk ein historisches Bild der mittelalterlichen italienischen Gesellschaft. Dies und der "tiefe menschliche Gehalt des Dekameron" machen Boccaccio auch zum "Wegbereiter des Humanismus". Vom volkssprachlichen Humanismus wurde Boccaccios Prosa sogar zur Grundlage der literarischen Hochsprache erwählt. "Il Decamerone" ist ein stilbildendes Werk mit stofflichem Reichtum, das als Vorbild vieler weiteren Novellensammlungen gilt.
Inhaltsverzeichnis
1. Giovanni Boccaccio und Il Decamerone: Ihre Bedeutung für die Literatur
2. Begriffklärung
2.1. Novelle
2.2. Rahmenerzählung
2.3. Falkentheorie
2.4. Griseldis
3. Il Decamerone im epochenhistorischen Kontext: Das Trecento
4. Entwicklung der Novelle in Italien
5. Bedeutende Novellen der italienischen Literatur
6. Novelle im Online-Katalog der Universität Salzburg
7. Bibliographie
1. Giovanni Boccaccio und Il Decamerone: Ihre Bedeutung für die Literatur
Giovanni Boccaccio, geboren im Jahr 1313 in der Toskana, verfasst in seiner Jugendzeit erzählende Werke in der Volkssprache. Die Novellensammlung Il Decamerone gilt als Abschluss und Höhepunkt von Boccaccios erster Schaffensperiode.1 Im Decamerone stehen die Menschen im Mittelpunkt, sowohl die erzählenden als auch jene, von denen erzählt wird; sie werden für den Leser direkt greifbar und lebendig. Boccaccio zeichnet uns mit diesem Werk ein historisches Bild der mittelalterlichen italienischen Gesellschaft.2 Dies und der „tiefe menschlichen Gehalt des Dekameron“3 machen Boccaccio auch zum „Wegbereiter des Humanismus“4. Vom volkssprachlichen Humanismus wurde Boccaccios Prosa sogar zur Grundlage der literarischen Hochsprache erwählt.5 Il Decamerone ist ein stilbildendes Werk mit stofflichem Reichtum6, das als Vorbild vieler weiteren Novellensammlungen gilt.
2. Begriffklärung
2.1. Novelle
Der ursprüngliche Sinn des Grundwortes novella ist „‘frische’ Begebenheit, Neuigkeit, Neuheit“ 7 , abgeleitet vom lateinischen novus ergibt sich mit dem Diminutiv kleine Neuigkeit. Die Novelle ist „eine schriftliche Erzählgattung, die aus der Nachahmung mündlichen Erzählens resultiert.“8 Erzählt wird eine real vorstellbare Begebenheit oder eine Folge einiger weniger zusammenhängender Ereignisse, welche aus einer Haupthandlung besteht und welche den Anspruch erhebt, eine Neuheit zu sein.9
2.2. Rahmenerzählung
Die Rahmenerzählung gehört zur Tradition der europäischen Novellistik.10 Sie stellt den Rahmen einer fiktiven Erzählsituation dar,11 das heißt, sie regelt den Anlass des Erzählens, Art und Abfolge der Novelle und deren mögliche Kommentierung. Folglich kommt der Rahmenerzählung die Aufgabe zu, die Erzählung zu organisieren.12 Allerdings enthält die Rahmenerzählung keine Handlung, sie „skizziert lediglich die Situation, in der die eigentlichen Erzählungen vorgetragen werden“.13
2.3. Falkentheorie
Gemäß Paul Heyse muss jede gute Novelle einen “Falken” haben, was er gleichsetzt mit einem “Leitmotiv”, einem “konstruktiven Element“. Heyse bezieht sich dabei auf die neunte Novelle des fünften Tages in Boccaccios Decamerone, in welcher der verarmte Adelige Federico degli Alberighi der Dame seines Herzens seinen Falken als Speise vorsetzt.14
2.4. Griseldis
Griseldis ist die „im mittelalterlichen Sinne musterhafteste weibliche Figur“, welche in der letzten erzählten Novelle des zehnten Tages in Boccaccios Decamerone vorkommt. Die Griseldis ist eine idealisierte, treue und geduldige Figur mit Exemplum-Charakter (die „ideale Gemahlin“), was die Griseldis-Novelle märchenhaft, wirklichkeitsfremd macht15. Boccaccios Griseldis-Geschichte wurde von Petrarca aus der italienischen Volkssprache ins Lateinische übersetzt, wodurch sie europaweit Bekanntheit erlangte.16
3.Il Decamerone im epochenhistorischen Kontext: Das Trecento
Das Trecento, das 14. Jahrhundert, ist die Zeit des Spätmittelalters. Das heutige Italien bestand damals aus den Stadtstaaten im Norden, dem Kirchenstaat mit Rom im Zentrum und aus dem „Regno di Napoli“ im Süden. So herrschte ein Nebeneinander von verschiedenen Machtgebilden, und es gab noch keine Anzeichen einer politischen Einigung. Die italienische Volkssprache unterlag in dieser Zeit auch noch keiner Norm, und Latein und Volgare befanden sich noch im „Wettstreit“. Im Laufe des Trecento dehnten sich die italienischen Volkssprachen immer mehr aus und konnten sich auch behaupteten.17
In dieser politisch und gesellschaftlich turbulenten Zeit, in die auch die große Pestepidemie 1348 fällt, entstand Boccaccios Decamerone. Dieses ist eines von drei großen Werken, denen die Emanzipation und Aufwertung der italienischen Sprache zuzuschreiben sind. Die beiden anderen Werke, denen eine solche Wirkung zugeschrieben wird, sind Dantes Commedia und Petrarcas Canzoniere. Alle drei werden als Kunstwerke bezeichnet, die nicht nur den Geist des ausgehenden Mittelalters, sondern auch jenen der beginnenden Renaissance in sich tragen. Sie bieten „in sprachlicher, in stilistischer, thematischer, formaler und geistiger Hinsicht Neues und unverwechselbar Eigenes“.18 Das Decamerone ist eines der wichtigsten Werke, welches die Weichen für eine neue Epoche stellt. Insbesondere wird Boccaccio „Vorbote der Renaissance“ genannt, weil er sich, im Gegensatz zu mittelalterlichen Ansichten dem Diesseits mit seinen „irdischen Sinnesfreuden“ zuwendet.19
Als charakteristisch für das Mittelalter gilt die Rahmenerzählung im Decamerone. Auch folgt Boccaccio den Traditionen der mittelalterlichen Rhetoriker und unterscheidet einen niederen, einen mittleren und einen hohen Stil, was sich im Ausdruck und im Wortschatz bemerkbar macht: je nach Rang des fiktiven Erzählers passt sich der Stil an die Protagonisten an.20
4. Entwicklung der Novelle in Italien
Als wichtigste Vorform der Novelle wird das Exemplum angesehen, welches in der Predigt des Mittelalters der Veranschaulichung der Lehrmeinung diente. Die Novelle parodiert diese belehrende Absicht des Exemplums.21
Eine weitere Vorform der Novelle beschreibt Hardt: „Als erste konkrete, wenn auch in Form und Inhalt sehr bescheidene Vorstufe der italienischen Novellistik kann das Libro de sette savi (Buch der sieben Weisen) verstanden werden, die recht grob und unorganisch verfahrene volkssprachliche Version einer französischen Vorlage“.22
Die Novelle erscheint weiters Ende des Duecento im anonymen Novellino . Dabei handelt es sich um eine „Kompilation von Exempla“23, die in einfacher Form verschriftet sind. Formal ähnelt das Novellino dem Decamerone, beide sind mit ihren jeweils 100 Erzählungen Novellensammlungen, die in Erzählrunden vorgetragen werden. Im Gegensatz zum Decamerone fehlen im Novellino allerdings Rahmen und Erzähler.24
Boccaccios Werk gilt auch für Franco Sacchetti und dessen Le Trecentonovelle als Vorbild, die zwischen 1392 und 1397 entstanden. Allerdings unterscheiden sich diese wiederum nicht nur durch das Fehlen einer Rahmenhandlung sondern auch durch ihren realitätsbezogenen Pessimismus vom Vorbild Decamerone 25.
Die Novelle bleibt bis ins 18. Jahrhundert eine Form der romanischen Literaturen, und das prägende Vorbild Boccaccios bleibt lange bestehen.26
[...]
1 Vgl. Elwert, Wilhelm Theodor: Die italienische Literatur des Mittelalters. Dante, Petrarca, Boccaccio. München: Francke 1980 (= UTB 1035), S 206.
2 Vgl. Wittschier, Heinz Willi: Die italienische Literatur. Einführung und Studienführer. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. 3. erg. Aufl. Tübingen: Niemeyer 1985, S 49.
3 Elwert, Wilhelm Theodor: Die italienische Literatur des Mittelalters, S 217.
4 Ebda, S 206 u 207.
5 Vgl. Petronio, Giuseppe: Geschichte der italienischen Literatur. Band 1: Von den Anfängen bis zur Renaissance (L’attività letteraria in Italia. Übers. Von Ursula Wagner-Kuon. Palermo: Palumbo) Tübingen: Francke 1992 (= UTB 1698), S 144.
6 Elwert, Wilhelm Theodor: Die italienische Literatur des Mittelalters, S 217.
7 Hess, Reiner/Siebermann, Gustav/Stegmann, Tilbert: Literaturwissenschaftliches Wörterbuch für Romanisten. Tübingen: Francke 2003 (= UTB 1373), S 223
8 Schlaffer, Hannelore: Novelle. In: Brunner, Horst/Reiner, Moritz (Hg): Literaturwissenschaftliches Lexikon. Grundbegriffe der Germanistik. Berlin: Erich Schmidt 1997, S 251.
9 Vgl. Schweikle, Günther/Schweikle, Irmgard (Hg): Metzler Literatur Lexikon. Stichwörter zur Weltliteratur. Stuttgart: J.B. Metzler und Carl Ernst Poeschel 1984, S 308
10 Vgl. Hess/Siebermann, Literaturwissenschaftliches Wörterbuch für Romanisten, S 259.
11 Vgl.Schweikle/Schweikle, Metzler Literatur Lexikon, S 351.
12 Vgl. Hess/Siebermann: Literaturwissenschaftliches Wörterbuch für Romanisten S 224.
13 Elwert, Wilhelm Theodor: Die italienische Literatur des Mittelalters, S 215.
14 Vgl. Academic dictionaries and encyclopedias: Universal-Lexikon. http://universal_lexikon.deacademic.com/236659/Falkentheorie (Stand 4.12.2013).
15 vgl. Elwert, Wilhelm Theodor: Die italienische Literatur des Mittelalters, S 227 f.
16 vgl. Ebda, S 233.
17 Vgl. Wittschier, Heinz Willi: Die italienische Literatur, S 40 f.
18 Vgl. ebda, S 41 f.
19 vgl. Elwert, Wilhelm Theodor: Die italienische Literatur des Mittelalters, S 224.
20 Vgl. Ebda, S 230 f.
21 Vgl. Schlaffer, Hannelore: Novelle, S 252.
22 Vgl. Hardt, Manfred: Geschichte der italienischen Literatur. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Düsseldorf: Artemis und Winkler 1996, S 69.
23 Schlaffer, Hannelore: Novelle, S 252.
24 Vgl. Schlaffer, Hannelore: Novelle, S 252
25 Vgl. Academic dictionaries and encyclopedias: Universal-Lexikon. http://universal_lexikon.deacademic.com/294521/Sacchetti (Stand 4.12.2013).
26 Vgl. Schlaffer, Hannelore: Novelle, , S 252.
- Citation du texte
- Elisabeth Lyons (Auteur), 2014, Welche Bedeutung hat die Novelle für die italienische Literatur?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/501732
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