Das „Modell“ Familie hat sich in den letzten Jahren deutlich verändert. Immer mehr Väter übernehmen eine aktive Rolle in der Betreuung und Erziehung ihrer Kinder und die Elternzeit wird zunehmend unter Müttern und Vätern aufgeteilt.
Was macht die „neuen“ Väter aus und inwiefern hat sich mit ihnen ein neues Rollenverständnis etabliert? Wie wird dieser Trend in den Medien dargestellt? Welche Typen von Vätern gibt es?
Daniel Stachowiak nimmt die Entwicklung der Vaterrolle in den Blick. Er beschreibt die Hindernisse, denen sich engagierte Väter stellen müssen, und erklärt, wie die Soziale Arbeit helfen kann. Sein Buch richtet sich an interessierte Väter, Sozialarbeiter/ Pädagogen sowie an Führungskräfte, denen er empfiehlt, ihr Unternehmen auch für Väter familienfreundlich zu gestalten.
Aus dem Inhalt:
- Familienpolitik;
- Bewusstseinswandel;
- Rollenverständnis;
- Gleichberechtigung;
- Väterarbeit;
- Familieneinkommen
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Familie und Familienrecht im Wandel der Zeit
2.1 Die Entwicklung der Vaterrolle innerhalb der Familie seit Ende des 18. Jahrhunderts
2.2 Die Entwicklung des Familienrechts für den Bereich der Familie
3 Die ,neuen modernenʽ Väter im 21. Jahrhundert
4 Die Vielfältigkeit der Vaterrolle – Typisierungsansätze in der Familienforschung
4.1 Die Rolle des Vaters in der Familie nach Fthenakis/Minsel (2002)
4.2 MannsBilder – Ein Jahrzehnt Männerentwicklung nach Zulehner (2003)
4.3 Vaterschaft aus der Sicht von Vätern – Subjektive Vaterschaftskonzepte nach Matzner (2004)
4.4 Neue Väter – andere Kinder? Vaterschaft, familiale Triade und Sozialisation nach Bambey/Gumbinger (2006)
4.5 Zusammenfassung
5 Hindernisse und Schwierigkeiten für eine engagierte Vaterschaft
5.1 Familieneinkommen
5.2 Mütter
5.3 Arbeitswelt und Erwartungen
5.4 Die Unsicherheit von Vätern
6 Väterarbeit in der Sozialen Arbeit
6.1 Professionalität in der Väterarbeit
6.2 Ansätze von Väterarbeit in der Sozialen Arbeit
7 Väter in der Familienpolitik
8 Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
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Impressum:
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Abbildungsverzeichnis
Grafik 1: Entwicklung des Vaterschaftskonzepts
Grafik 2: Entwicklung zwischen 1992 und 2002
Grafik 3: Subjektives Vaterschaftskonzept
Grafik 4: Vätertypen
Grafik 5: Der egalitäre Vater
Grafik 6: Der fassadenhafte Vater
Grafik 7: Der traditionell-distanzierte Vater
Grafik 8: Der unsichere, gereizte Vater
Grafik 9: Der randständige Vater
Grafik 10: Der partnerschaftliche, traditionelle Vater
Grafik 11: Väter-Arbeit 48
1 Einleitung
Das ,Modellʽ Familie hat sich im Laufe der letzten Jahre deutlich und vielseitig verändert. Es gibt immer mehr Väter, die sich im Bereich der Betreuung und Erziehung ihrer Kinder aktiv einbringen. Immer öfter teilen Mutter und Vater die Elternzeit unter sich auf, so dass auch die Väter bewusst mit ihren Kindern zusammen mehr Zeit verbringen können. Aber wer sind diese ,neuenʽ Väter? Possinger bezeichnet gerade diejenigen als ,neueʽ Väter, die Elternzeit in Anspruch nehmen (vgl. Possinger 2013a, S. 15). „Tatsächlich scheint das Elterngeld bei [ihnen] einen Nerv getroffen zu haben, denn die Elterngeld-Anträge von Vätern steigen seit 2008 kontinuierlich an und liegen derzeit bundesweit bei 27,3%“ (Possinger 2013b, S. 7). Einhergehend ist die Rolle der Väter in den letzten Jahren immer mehr in den Fokus gerückt. Denn die Aufmerksamkeit und die Bedeutung in den öffentlichen Medien, in der Familienforschung sowie in der Politik sind insgesamt deutlich angestiegen (vgl. Jurczyk/Lange, 2009, S. 13). „In Tageszeitungen und Zeitschriften werden ,neue Väterʽ regelmäßig thematisiert, die Familienpolitik fordert die Väter auf, sich mehr an der Betreuung und Erziehung ihrer Kinder aktiv zu beteiligen, und schafft entsprechende gesetzliche Rahmenbedingungen […] und auch die wissenschaftlichen Veröffentlichungen zu diesem Thema mehren sich“ (Mühling/Rost 2007, S. 9). Denn man „[…] war plötzlich bereit, dem Thema ,Väterʽ erhebliche und breite Beachtung zu schenken“ (Walter 2012, S. 671). Aber was macht den ,neuenʽ Vater überhaupt aus? Nach Meuser ist dies schwierig zu definieren. „Der neue Vater entpuppt sich erst. Klar ist bislang nur, was er nicht sein soll: Alleinernährer der Familie“ (Taffertshofer 2016, S. 9).
Genau an dieser Stelle und auf Grund der Aktualität innerhalb der Gesellschaft ergeben sich daher viele neue Aufgabengebiete und Anknüpfungspunkte im Bereich der Sozialen Arbeit.
In dieser Bachelorarbeit wird die Entwicklung der Väter in den Blick genommen. Zunächst werden der Wandel der Vaterrolle innerhalb der Familie in den letzten Jahrzehnten sowie die fortlaufende Entwicklung im Familienrecht und die damit verbundenen Auswirkungen für Väter erläutert. Dies dient als Grundlage für ein Verständnis der Veränderung zur aktuellen Vaterrolle im 21. Jahrhundert. Im Anschluss geht es um den Hype bezüglich der modernen Väter. Wie stellen sich dieser Trend und die Aktualität in den Medien und der Gesellschaft dar? In diesem Zusammenhang werden ein Überblick über die Entwicklung gesellschaftlicher moderner Leitbilder sowie die daraus resultierenden Definitionsansätze bezüglich der neuen Vaterrolle erläutert. Im Folgenden stellt diese Arbeit Ansätze aus dem Bereich der aktuellen Familienforschung vor, die sich mit der Qualifizierung von Vätern in verschiedene Vatertypen beschäftigt haben. In dem Abschnitt danach werden Schwierigkeiten und Hindernisse für eine engagierte Vaterschaft aufgezeigt und beschrieben. Inwiefern die Soziale Arbeit gerade in diesen Bereichen im Rahmen der Väterarbeit anknüpfen kann, wird darauffolgend dargestellt. Anschließend wird ein kurzer Einblick in die Familienpolitik mit besonderer Betrachtung der Väter gegeben. Im letzten Kapitel dieser Arbeit werden die wichtigsten Ergebnisse in einer Schlussbetrachtung zusammengefasst und ein Ausblick für künftige Entwicklungen gegeben.
2 Familie und Familienrecht im Wandel der Zeit
,Neue Väterʽ, als viel zitierter Begriff, beschreibt eine neu gestaltete Ausprägung vom Vatersein und weist durch die Bezeichnung ,neuʽ darauf hin, dass es eine andere und ältere traditionelle Form von Vaterschaft gegeben haben muss (vgl. Abel/Abel 2009, S. 235). „Wenn heute auf die starke Veränderung der Vaterrolle hingewiesen wird, darf nicht übersehen werden, dass es je nach historischem Kontext schon immer Veränderungen in der Rolle des Vaters und in den Funktionen der Vaterschaft […] innerhalb der Familie gab“ (Mühling/Rost 2007, S. 9). Bei Veränderungsprozessen innerhalb einer Familie entstehen nach Bambey und Gumbinger immer neue Modelle für die elterlichen Rollen, wobei festzustellen ist, dass die Veränderungen der väterlichen Rolle besonders ausgeprägt zu sein scheinen (vgl. Bambey/Gumbinger 2017, S.15). Die vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend geförderte Internetplattform Bundesforum Männer stellt dazu in einem Positionspapier fest, dass die Vaterschaft und das Vater-Sein seit jeher keine feststehende Größe ist, sondern sich in einem Prozess des stetigen Wandels befindet (vgl. Bundesforum Männer 2016, S. 9). Diese Wandlungsprozesse innerhalb der Gesellschaft haben sich in den zurückliegenden Jahrzehnten erheblich beschleunigt (vgl. ebd.). Im folgenden Kapitel 2.1 soll ein kurzer Überblick über prägende und wichtige Änderungen im geschichtlichen Wandel der Vaterrolle innerhalb der Familie seit dem Ende des 18. Jahrhunderts gegeben werden. Die gesellschaftlichen und familiären Wandlungen gehen ebenso immer auch mit Veränderungen im Familienrecht einher. Durch gesetzliche Rahmenbedingungen im Familienrecht versucht die Politik seit jeher, das soziale Feld politisch einzurahmen, in dem Vaterschaft stattfindet (vgl. ebd.). Im Kapitel 2.2 wird ein Überblick über wesentliche Veränderungen im Familienrecht und daraus resultierende Folgen für den Vater zusammengefasst.
Ein historischer Rückblick ist aus meiner Sicht sinnvoll und schwierig zugleich. Denn der „[…] Versuch einer Darstellung der Vater-Kind-Beziehung in der menschlichen Geschichte begegnet einem nicht zu übersehenden Mangel an validem Material“ (Fthenakis 1985 a, S. 4).
Es ist jedoch wichtig, mit dem geschichtlichen Verlauf sowohl mit Blick auf die Vaterrolle als auch auf das Familienrecht zu beginnen, um die Entwicklung zum gesellschaftlichen Leitbild des neuen Vaters nachzuvollziehen zu können. Denn wer „[…] die Vergangenheit nicht kennt, kann die Gegenwart nicht verstehen und die Zukunft nicht gestalten.1 “
2.1 Die Entwicklung der Vaterrolle innerhalb der Familie seit Ende des 18. Jahrhunderts
Durch gesellschaftliche Veränderungen, wie zum Beispiel die Industrialisierung im 19. Jahrhundert, bildeten sich immer neue Idealbilder der bürgerlichen Familie heraus (vgl. van Dülmen 1999, S. 244). Die in der Wissenschaft üblichen Definitionen von dem Begriff ,Familieʽ betonen entweder ihren Gruppencharakter oder stellen die gesamtgesellschaftliche Bedeutung in den Vordergrund (vgl. Nave-Herz 2017, S. 302). „Der uns heute geläufige Begriff von Familie, die nur die engere Gemeinschaft von Eltern und Kindern umfasst, taucht erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts auf“ (van Dülmen 1999, S. 13). Nach Ecarius, Köbel und Wahl sollte jedoch der Begriff ,Familieʽ bei Definitionsansätzen immer auch einen historischen Blick auf die familialen Lebensformen richten (vgl. Ecarius/ Köbel/Wahl 2011, S. 15). Denn bei „[…] Betrachtungen der historischen Entwicklung der Familie wird deutlich, dass die Institution ,Familie‘ keineswegs als ein geschichtlich homogenes Phänomen beschrieben werden kann“ (ebd. S. 16). Historisch lässt sich feststellen, dass seit Ende des 18. Jahrhunderts die Struktur einer Familie im stetigen Wandel ist (vgl. van Dülmen 1999, S. 244). Dieser Wandel wirkt sich stets auch auf die triadische Konstellation Vater-Mutter-Kind aus und somit auch immer in besonderer Weise auf soziologische Rollenerwartungen an die elterlichen Rollenvorstellungen innerhalb der Gesellschaft (vgl. Bambey/Gumbinger 2017, S.15). Bei jeder sozialen Rolle werden von der Gesellschaft an den Inhaber dieser Rolle, wie zum Beispiel die eines Vaters, in verschiedenen Situationen gewisse Verhaltensweisen erwartet (vgl. Mogge-Grotjahn 2011, S. 100 ff). Während solcher Entwicklungsprozesse von neuen Rollenmodellen kann durchaus Konfliktpotenzial oder Unsicherheit entstehen (vgl. ebd.). Für die Soziale Arbeit entstehen dort Ansatzpunkte professioneller Väterarbeit. Diesbezüglich verweise ich an dieser Stelle auf das Kapitel 6 dieser Arbeit. Nach Bertram war die Vaterrolle in unserer Gesellschaft immer auch eine soziale Rolle, die sich im 19. Jahrhundert entwickelt hat. Sie war ein zentrales Element in der familiären Lebensform (vgl. Bertram 2012, S. 46). Matzner definiert das Vaterbild im Zusammenhang mit der sozialen Rolle wie folgt:
„Im Vaterbild spiegelt sich wider, wie innerhalb einer bestimmten Epoche und Kultur über Väter und über Vaterschaft gedacht, gesprochen und geschrieben wurde bzw. wird. Vaterbilder können sowohl Stereotypen – also die Wahrnehmungen in der Gesellschaft über das angebliche Denken, Fühlen und Handeln von Vätern – als auch Idealbilder der Gesellschaft darüber beinhalten, wie Väter denken, fühlen und handeln sollten“
(Matzner 2001, S. 1).
Im historischen Kontext hat es fortlaufend und stetig Veränderungen hinsichtlich der Rolle des Vaters und der Funktionen der Vaterschaft innerhalb der Familie gegeben (vgl. Mühling/Rost 2007, S. 9). Eine weit verbreitete Auffassung zur Rolle des Mannes in der Familie des 18. Jahrhunderts war es, dass sich ihm als Autoritätsperson alle anderen Mitglieder der Familie hierarchisch untergeordnet befanden. Patriarchalisch trifft er alle die Familie betreffenden Entscheidungen (vgl. BMFSFJ 2006, S.6). Zudem war er von zentraler Bedeutung für das effektive Funktionieren des Haushalts (vgl. ebd.). Die Vater-Sohn-Beziehung gilt in dieser Zeit als prägender und wichtiger als die Ehe (vgl. vaterfreuden.de).
Im Laufe des 19. Jahrhunderts änderte sich die Familienstruktur gravierend. Mit der Industrialisierung verschob sich die Erwerbstätigkeit des Mannes vom Eigenbetrieb innerhalb des eigenen Hauses auf die Erwerbstätigkeit außer Haus. Diese räumliche Separation von Arbeit und Wohnen sowie eine strikte Rollenteilung zwischen Mann und Frau befestigte das neue Familienbild (vgl. Drinck 2005, S. 17). „Jetzt erst begann sich der Mann primär über seinen Beruf zu definieren; die Spielräume der Männer wurden enger und andere männliche Verhaltensmuster erforderlich“ (Trepp 1996, S. 47). Die Vaterschaft veränderte sich zunehmend und reduzierte sich weitgehend auf die Funktion des Ernährers. Diese Erwartung an die Väter konnte nur durch beruflichen Erfolg erfüllt werden (vgl. Drinck 2005, S. 18). Das erste Rollenbild des ,traditionellenʽ Vaters begann sich in der Gesellschaft durchzusetzen. Als die typische traditionelle Familie wurde das Elternpaar mit ihren Kindern in einem Haushalt bezeichnet. Die Rollenverteilung war dabei eindeutig geregelt. Die Mutter kümmert sich liebevoll um die Kinder und den Haushalt. Der Vater war für das Familieneinkommen zuständig und sicherte somit die ökonomische Basis der Familie (vgl. Bertram 2011a, S. 11). „Heutzutage erscheint dieses Familienbild als traditionell, weil es seltener gelebt wird als in der Vergangenheit“ (Majdanski 2012, S. 29). „Im 20. Jahrhundert scheinen die Begrenzung auf die Ernährerfunktion und der Rückzug des Vaters aus dem familialen Binnenraum dann für lange Zeit den Charakter einer fraglosen Gegebenheit zu haben“ (Meuser 2012 a, S. 66). In einer Familie zählten nur die Bedürfnisse des Ehemanns, zumindest wenn es nach der britischen Zeitschrift Housekeeping Monthly ging. In ihrer Ausgabe vom 13.05.1955 wurden in einem Handbuch Verhaltensvorgaben für die gute Ehefrau zusammengefasst, die ein aus heutiger Sicht skurriles Sittenbild von Partnerschaft in den 50er Jahren zeichnete (vgl. wissen.de).
Die Überschrift dieser Anleitung war: „Verwöhne Ihn!“ Danach folgten diverse Verhaltensanweisungen für eine gute Ehefrau, wie zum Beispiel: „Halten Sie das Abendessen bereit“ […], „Seien Sie fröhlich, machen Sie sich interessant für Ihn! Er braucht vielleicht ein wenig Aufmunterung nach einem ermüdenden Tag und es gehört zu Ihren Pflichten, dafür zu sorgen“ (vgl. ebd.). Bezüglich der Kinder wurde darauf hingewiesen: „Machen Sie die Kinder schick. Nehmen Sie sich ein paar Minuten, um ihre Hände und Gesichter zu waschen […]. Die Kinder sind ihre „kleinen Schätze“ und so möchte er sie auch erleben. […]“ (vgl. ebd.). Abschließend kam noch die Aufforderung: „Opfere dich auf – ER ist der Chef!“ (vgl. ebd.). Diese oben beschriebenen Auszüge zeigen deutlich das vorherrschende Familienbild einer traditionellen Familie in den 1950er Jahren. Der Höhepunkt für das Modell der traditionellen Familie fand nach dem Zweiten Weltkrieg statt (vgl. Majdanski 2012, S. 29). Das Bundesforum für Männer bezeichnet diesen Zeitpunkt sogar als Zäsur (vgl. Bundesforum Männer 2017, S. 10). Galt doch bis dahin der Vater als Patriarch und strafend gegenüber den Kindern, so wurde dieses Selbstverständnis ab Mitte der 1960er Jahre radikal in Frage gestellt. Eine neue elterliche Norm entwickelte sich allmählich. Die eigenen Kinder wurden auf Augenhöhe gesehen und Gewalt sowie Züchtigung wurden durch Liebe und emotionale Nähe ersetzt (vgl. ebd.). „Erziehungsexperten forderten die Väter auf, Kameraden ihrer Söhne zu werden, sie in ihren sportlichen Aktivitäten und Hobbys einzubeziehen, nicht jedoch, Windeln zu wechseln oder sich an der Hausarbeit zu beteiligen“ (Mühling/Rost 2007, S. 11). Nach Possinger war bereits in den 1960er Jahren dieses heute oft als ,klassischʽ geltende Familienmodell brüchig (vgl. Possinger 2013b, S. 10). „Die schwindende Qualifikationslücke zwischen Männern und Frauen sowie die strukturellen Veränderungen des Arbeitsmarktes haben dem traditionellen männlichen Alleinverdienermodell damit den Untergang bereitet“ (ebd., S. 11). Als weitere Gründe für diesen Wandel führt Fthenakis die Rollenverschiebung innerhalb der Familie und damit die Abkehr von der traditionellen Arbeitsteilung zwischen Mann und Frau sowie der vermehrten Arbeitstätigkeit und der allgemeinen Emanzipationsbestrebungen der Frauen auf (vgl. Fthenakis 1985b, S. 202). Auch aus Sicht von Bertram hat diese alte Familienform der traditionellen Familie in dieser Art und Weise keine Zukunft mehr. (vgl. Bertram 2012, S. 46). Im Zuge dessen und einer auf Gleichberechtigung ausgerichteten Partnerschaft entstand der Begriff der ,neuen Männerʽ sowie im Bereich der elterlichen Sorge der Begriff der ,neuen Väterʽ (vgl. Mühling/Rost 2007, S. 11).
„Zusammengefasst zeigt sich anhand einer historischen Rückschau über die verschiedenen Rollen und Aufgaben, die den Vätern in der Gesellschaft und in der Familie in der Vergangenheit zugeteilt wurden deutlich, dass sich im Verlauf der Geschichte das Rollenbild des Vaters nicht einheitlich und geradlinig entwickelt hat“
(ebd., S. 12).
„Es ist jedoch festzustellen, [dass] vor allem während der letzten Jahre sowohl das Ausmaß wie auch die Qualität der bedeutsamen Verhaltensänderungen bei Vätern in dem Verhältnis zu ihren Kindern außer Frage stehen“ (vgl. Fthenakis 1988, S. 201).
2.2 Die Entwicklung des Familienrechts für den Bereich der Familie
2 Gerlach definiert die Funktion vom Familienrecht in einem Beitrag für die Bundeszentrale für politische Bildung wie folgt:
„Familienrecht regelt verschiedene Aspekte von Ehe und Familie. Dazu gehören Aufgaben innerhalb der Familie, auch das Eltern-Kinder-Verhältnis bis hin zur Gleichberechtigung der Ehepartner. Damit fördert das Familienrecht auch gesellschaftlich erwünschtes Verhalten“
(Gerlach 2015, S. 1).
Das Familienrecht „[…] prägt, stützt, verstärkt oder mildert Rollenbilder ab“ (BMFSFJ 2013, S. 234). Diese Aussagen zeigen deutlich, dass das Familienrecht immer auch auf die aktuellen Leitmodelle der jeweiligen Zeit reagiert und versucht, entsprechende Rahmen zur Gestaltung zu schaffen. Nach Peschel-Gutzeit werden jedoch meist bei der Betrachtung des Wandels der Vaterschaft zu den neuen Vätern die Veränderungen bei den rechtlichen Rahmenbedingungen der Vaterrolle zumeist ausgeblendet (vgl. Peschel-Gutzeit 2009, S. 47). Wobei es gerade seiner Ansicht nach diese seien, die das Verhältnis zwischen Vater und Kind beziehungsweise Vater und Mutter innerhalb der Familie im Detail der Lebensführung wesentlich mitbestimmten (vgl. ebd.). Folglich ist es wichtig, die rechtlichen Veränderungen mit Blick auf die Väter bei einer genaueren Betrachtung auf den Wandel der Vaterrolle mit aufzuzeigen. Die Geschichte des Familienrechts beginnt nach Marthaler mit dem in Krafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) am 01.01.1900 (vgl. Marthaler 2009, S. 21). Leitmodell für das Zusammenleben von Mann und Frau war zu dieser Zeit die sogenannte Hausfrauen - oder Versorgerehe (vgl. John/Stutzer 2002, S. 216). Diese damalig gültige Geschlechterordnung regelte unter anderem die Verteilung der Aufgaben in einer Ehe (vgl. ebd.). Der Mann war per Gesetz verpflichtet, für die finanzielle Versorgung der Familie zu sorgen, während die Frau die Verantwortung für den Haushalt und die Kinder übernehmen musste (vgl. ebd.). „Trotz der zunehmenden außerhäuslichen Berufstätigkeit als Ernährer der Familie verlor der Vater […] nicht seine beherrschende Stellung gegenüber Frau und Kindern“ (Matzner 2001, S. 1). Die patriarchalische Stellung des Mannes innerhalb der Familie wurde in vielen Bereichen der Entscheidungsbefugnis sichtbar. Das BGB schrieb ihm als Patriarchen eine Art Alleinherrschaft zu (vgl. Peschel-Gutzeit 2009, S. 48). Zum Beispiel durfte der Ehemann entscheiden, ob die Ehefrau berufstätig sein durfte (vgl. John/Stutzer 2002, S. 216). Nur wenn die Interessen der Familie und des Ehemannes gewahrt blieben und der Ehemann seine Zustimmung erteilte, war es der Ehefrau erlaubt einen Beruf auszuüben (vgl. ebd.). Zudem hatte der Ehemann immer auch das Kündigungsrecht dieses Arbeitsverhältnisses inne (vgl. ebd.). Auch was die Stellung der Eltern gegenüber den Kindern betraf, so war der Vater als Oberhaupt der Familie der einzige Entscheidungsträger (vgl. Peschel-Gutzeit 2009, S. 47). Der Vater hatte die ausschließliche Personengewalt über seine Kinder (vgl. Meder 2013, S. 176). „Dadurch vermochte er, die Mutter völlig vom Umgang mit ihren Kindern auszuschließen […]. Für die Mutter gab es im Grundsatz keine Möglichkeiten, ein Besuchsrecht zu erstreiten“ (ebd.). Auch im Bereich der Erziehung hatte der Vater eine übergeordnete Stellung. Die Meinung der Mutter war praktisch und rechtlich zweitrangig (vgl. Peschel-Gutzeit 2009, S. 48). „Der Vater war Inhaber der Hauptgewalt, die Nebengewalt der Mutter war auf die Personensorge beschränkt. Im Konfliktfall ging die Meinung des Vaters vor“ (ebd.). Zudem wurde dem Vater als Erziehungsmethode seiner Kinder das Recht auf die Anwendung von ,angemessenen Zuchtmittelʽ gesetzlich zugesprochen (vgl. ebd.).
Etwa mit Beginn der 1920er Jahre kam es allmählich zu einer Aufwertung der Frauen- und Mutterrolle, jedoch überwiegend nur innerhalb einiger städtischen Milieus. Damit verbunden ging der langsam zunehmende Emanzipationsgedanke der Frau einher (vgl. Matzner 2001, S. 3). Matzner stellte zudem fest:
„Die „[…] Übernahme „männlicher“ Aufgaben während der Kriegs- und Nachkriegszeiten bewirkte zusätzlich, [dass] die Stellung der Frau und Mutter innerhalb der Familie aufgewertet wurde. Auch wenn der Mann und Vater weiterhin, zumindest nach außen hin, das Familienoberhaupt war“
(ebd.).
Mit dem Ende des zweiten Weltkrieges und dem Inkrafttreten des Grundgesetzes im Jahr 1949 wurde dem Gesetzgeber die Aufgabe gestellt, familienrechtliche Regelungen zu reformieren (vgl. Gerlach 2015, S. 5). Das im Grundgesetz am Gleichheitsgrundsatz orientierte Ehebild wurde jedoch erst deutlich später vollständig umgesetzt (vgl. ebd.). Ein Resultat dieses Änderungsauftrages an den Gesetzgeber war das erste Gleichberechtigungsgesetz aus dem Jahr 1958. Jedoch war eine völlige Gleichberechtigung von Ehemännern und Ehefrauen damit nicht erreicht worden (vgl. ebd.). Weiterhin ging das BGB von der Verpflichtung der Frau aus, den Haushalt zu führen. Sie durfte jedoch eigenständig einen Beruf ausüben, wenn dies mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar war (vgl. ebd.). Gewalt als Erziehungsmethode war immer noch sehr präsent. So erlangten die Mütter nun auch per Gesetz ebenfalls das Recht auf Züchtigung ihrer Kinder. „Die elterliche Gewalt stand nun beiden Elternteilen zu“ (ebd.).
Im Jahre „[…] 1977 wurde das Leitbild der ,Hausfraueneheʽ innerhalb des BGB der Bundesrepublik Deutschland abgeschafft“ (John/Stutzer 2002, S. 216). Durch das Eherechtsreformgesetz von 1976 wurde der rechtlich gesicherte Weg zu einer partnerschaftlichen Ehe geebnet (vgl. Gerlach 2015, S. 5f). „Das Gesetz brachte grundlegende Umwälzungen für das Verhältnis der Ehegatten zueinander […]“ (Peschel-Gutzeit 2009, S. 49). Die Eheleute „müssen nun in gleicher Weise aufeinander und auf die Familie Rücksicht nehmen“ (John/Stutzer 2002, S. 216). Im Bereich des Scheidungsrechts wurde der Ansatz des Verschuldens Abstand genommen. Jedem Ehegatten stand nun das Recht zu, die Scheidung zu beantragen, wenn die Ehe zerrüttet war (vgl. Peschel-Gutzeit 2009, S. 50).
Der Weg zu einer gewaltfreien Erziehung begann indes im Jahre 1979 mit der Reform des Rechtes der elterlichen Sorge. Mit dieser Reform setzte der Staat einen Prozess in Gang, der die Beziehung und das Leitbild vom Eltern-Kind-Verhältnis neu definierte (vgl. Gerlach 2015, S. 7). Die neuen Regelungen brachten den Wechsel vom Prinzip der elterlichen Gewalt zum Prinzip der elterlichen Sorge und dem Verbot der Anwendung von entwürdigenden Erziehungsmaßnahmen (vgl. ebd.). Jedoch war die Formulierung recht ungenau, so dass der unbestimmte Begriff der ,entwürdigenden Erziehungsmaßnahmeʽ im Gesetz durch einen Zusatz erweitert wurde. Der Gesetzgeber ergänzte den Gesetzestext mit dem Zusatz, dass „insbesondere körperliche und seelische Misshandlungen“ unzulässig seien (vgl. ebd.). Das Recht der Kinder wurde erst im Jahr 2000 mit dem „Gesetz zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung“ endgültig gestärkt. Alle Kinder haben nun das Recht auf eine gewaltfreie Erziehung (vgl. ebd., S. 8).
Der Wandel der Bedeutung des Vaters in der Familie zeigt sich recht eindrucksvoll in der Veränderung der Regelung des Sorgerechts (vgl. BMFSFJ 2006, S. 8). „Während bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts bei einer Scheidung das Sorgerecht typischerweise dem Vater übertragen wurde, wurden die Kinder nunmehr in der Regel der Mutter zugesprochen“ (ebd.). Die wirklich gleichberechtigte elterliche Sorge gegenüber ihrem Kind haben beide ehelichen Eltern erst mit der Kindschaftsrechtsreform vom 16.12.1997 erhalten (vgl. Peschel-Gutzeit 2009, S. 50). Diese große Reform „enthält nunmehr den Grundsatz, wonach beide ehelichen Eltern von der Geburt des Kindes an gleichmäßig sorgeberechtigt sind und dies auch bleiben, wenn sie sich dauerhaft trennen oder ihre Ehe geschieden wird“ (ebd.).
3 Die ,neuen modernenʽ Väter im 21. Jahrhundert
Der in Kapitel 2 zusammengefasste geschichtliche Rückblick zeigt die Entwicklung der Familie und der Vaterschaft bis zum 21. Jahrhundert. Ein stetiger Wandel, der bis heute anhält und wo es zu keinem Zeitpunkt im Verlauf der Geschichte eine exakt festgelegte Rolle des Mannes gegeben hat (vgl. BMFSFJ 2006, S. 12). Auch das gewandelte Geschlechterverhältnis, unter anderem durch die rechtliche Gleichstellung der Frau und der damit verbundenen gestiegenen Beteiligung der Frauen an der Erwerbsarbeit, macht eine Modernisierung des Rollenverständnisses der Elternschaft notwendig (vgl. Gumbinger/Bambey 2009, S. 195). „Die patriarchalen Familienstrukturen wandeln sich zunehmend in partnerschaftliche und egalitäre Beziehungsmuster mit wachsenden Aushandlungsprozessen über die familialen Belange“ (ebd.). In der Gesellschaft wird zunehmend das traditionelle Verständnis von Vätern als Alleinernährer der Familie als nicht mehr zeitgemäß zurückgewiesen (vgl. Meuser 2012a, S. 64). Gumbinger und Bambey beschreiben den Wandel von einer traditionellen Vaterfigur zum neuen Vater als einen Prozess der gesellschaftlichen Modernisierung.
„Der Wandel der Vaterrolle ist vor diesem Hintergrund eingebettet in Prozesse der gesellschaftlichen Modernisierung. Vor allem die Verschiebung der Vaterrolle vom Familienernährer hin zum Erzieher, die größere Beteiligung von Vätern an Haushalts- und Familienarbeit, die infrage gestellte väterliche Autorität sowie die neuen Leitbilder einer engagierten Vaterschaft gelten als Anzeichen einer grundlegenden Veränderung“
(Gumbinger/Bambey 2009, S. 196).
„In den letzten Jahren tauchte in der Diskussion verstärkt der Begriff des ,neuenʽ Vaters auf. Mit diesem verbindet man eine neue, positive Väterlichkeit, die sich deutlich vom altbekannten traditionellen Vater unterscheide“ (Matzner 2001, S. 5). Das Wort ,neuʽ zielt dabei auf eine Veränderung von Vaterschaft und Väterlichkeit in Richtung einer Einbeziehung des Vaters am innerfamilialen Leben und der emotionalen und tatsächlichen Fürsorge seiner Kinder (vgl. Wolde 2007, S. 251). Aber wie definiert sich die neue Vaterrolle? Was sind die Kennzeichen der ,neuen Väterʽ und welche Leitbilder haben sich in der Gesellschaft verfestigt? Bambey und Gumbinger beschreiben die Merkmale der sogenannten neuen Väterlichkeit als ein gestiegenes und vielfältiges Engagement der Väter im Kontext einer emotionaleren Vater-Kind-Beziehung sowie einer stärkeren Familienorientierung mit einem zunehmend egalitären Partnerschaftsverständnis (vgl. Bambey/Gumbinger 2017, S. 15). Wie bereits in der Einleitung möchte ich an dieser Stelle Meuser anführen, der in einem Interview mit dem DJI erläuterte, dass die neue Vaterrolle sich erst entpuppt (vgl. Taffertshofer 2016, S. 9). Fest stehe lediglich, welche Rolle der neue Vater nicht mehr einnehmen soll, nämlich die des Alleinernährers der Familie (vgl. ebd.). Nach Meuser habe sich die Vaterschaft im Laufe der Zeit von einer Vorgabe zu einer Aufgabe gewandelt (vgl. Meuser 2006, S. 134). Eine Aufgabe, die einer bewussten Entscheidung der Väter bedarf. Väter müssen sich aktiv dazu entscheiden, ein „neuer Vater“ zu sein (vgl. Wolde 2007, S. 252). Dies „bestimmt sich durch das Handeln als Vater“ (ebd.).
Zum Leitbild der neuen Vaterrolle können auch öffentliche Medien beitragen. „Die ,neuen Väterʽ haben Konjunktur“ (Possinger 2009, S. 56). Das gesteigerte Interesse der Medien für den neuen Vater ist spürbar. Die vermehrte Berichterstattung über das moderne Vaterbild wird überwiegend positiv und optimistisch dargestellt (vgl. ebd.). Die Medien zeigen häufig ein Bild vom Vater, der weitaus engagierter, fürsorglicher und emotionaler erscheint (vgl. BMFSFJ 2006, S. 12). Schlagzeilen wie Neue Väter hat das Land 3, Erfolgsstory neue Väter 4, Teilzeit-Hausmänner 5, Sind Väter die besseren Mütter? 6 und Papa ist der Größte 7 sind ein paar ausgewählte Beispiele, die ein Bild von aktiven und „neuen“ Vätern propagieren und widerspiegeln. Für Lenzen existiert der ,neueʽ Vater jedoch überwiegend auf der medialen und Diskursebene, weniger in der Realität (vgl. Lenzen 1991, S. 239ff). In sozialwissenschaftlichen Veröffentlichungen werden verschiedene Bezeichnungen zur Beschreibung des Wandels verwendet. Von Einigen wird der neue Vatertyp als ,neuer Vaterʽ oder als ,moderner Vaterʽ bezeichnet. Andere definieren diesen Vatertyp als ,engagierten Vaterʽ oder sogar als „egalitären Vater“ (vgl. Janzen 2010, S.16). Egal, welche Bezeichnung gewählt wird, außer Frage steht zunächst, dass sich im Vergleich zu früheren Generationen die Rolle der Väter in den Familien sichtbar gewandelt hat (vgl. Bergmann 2002, S. 5). Väter wollen mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen und stärker am Leben dieser teilhaben (vgl. ebd.). Eine Tatsache ist auch, dass „[…] die Zahl der Väter wächst, die sich um mehr Kontakt zu ihren Kindern bemühen“ (Martin 1979, S. 41). „Auch wenn die Einstellungen von Männern im Hinblick auf Vaterschaft moderner geworden sind, so schlägt sich dies noch nicht automatisch auch in einer modernen Praxis ,neuer Vaterschaftʽ wider“ (Possinger 2013, S. 8).
Weiterhin hat die Rolle vom Vater im 21. Jahrhundert als Ernährer in der Familie nicht ausgedient, jedoch gibt es längst eine breite Vielfalt von anderen Vatertypen (vgl. Bambey/Gumbinger 2006, S. 26). Die Väter setzen sich auf sehr unterschiedliche Weise mit den gesellschaftlichen Erwartungen an den ,neuenʽ Vater auseinander (vgl. ebd.). „Diese Erwartungen sind hoch: Er soll sich aktiv, kompetent und emotional in der Kindererziehung engagieren und partnerschaftlich agieren“ (ebd.). Nach Abel und Abel hat es eine Aufwertung in der sozialen Funktion des Vaters gegeben (vgl. Abel/ Abel 2009, S. 231). Diese Aufwertung hat jedoch nicht zwingend zur Folge, dass die normative Rollenerwartung als Ernährer der Familie abgewertet wurde (vgl. ebd.).
„So nehmen [die Väter] wahr, dass das Modell des Vaters als Familienernährer in den Anliegerinstitutionen der Familie, im Recht in den sozialstaatlichen Sicherungen, auf dem Arbeitsmarkt nach wie vor das dominante Deutungsmuster ist. Andererseits sehen sie sich aufgefordert, mehr Zeit mit ihren Kindern zu verbringen, Betreuungs- und Sorgeleistungen für ihre Kinder zu übernehmen“
(Wolde 2007, S. 284).
Possinger stellt dazu fest, dass das einstige Leitbild des Vaters als Ernährer nicht vollständig durch ein neues Leitbild ersetzt wurde, sondern dieses Leitbild sich lediglich für neue Varianten geöffnet hat (vgl. Possinger 2015, S. 140). Als Gradmesser für eine neue Vaterschaft wird gerne die von Vätern genommene Elternzeit zugrunde gelegt (vgl. ebd., S. 149). Aus Possingers Sicht schafft erst die Erfahrung der Väter, in der Elternzeit überwiegend eigenverantwortlich die Kinder zu versorgen sowie sich um den Haushalt kümmern zu müssen, die Voraussetzung einer langfristigen und partnerschaftlichen Elternschaft (vgl. ebd.). Es bleibt festzustellen, dass zurzeit kein normativ verbindliches und einheitliches Vaterbild vorhanden ist, an welchem sich Väter orientieren können (vgl. Matzner 2001, S. 4).
„Deshalb muss jeder Vater eine eigene Definition dessen finden, was für ihn Vaterschaft bedeutet und wie er selbige leben möchte. Väter müssen sich mit vorgelebten und wahrnehmbaren Entwürfen von Vaterschaft auseinandersetzen und daraus ein eigenes Konzept von Vaterschaft bilden“
(Fuhrmans/von der Lippe/Fuhrer 2012, S. 301).
Der Wandel zu einer eher egalitären Rollenvorstellung führt nach Bambey und Gumbinger zu einem äußerst facettenreichen Spektrum väterlicher Rollengestaltungen (vgl. Bambey/Gumbinger 2017, S. 17). Im Bereich der Väterforschung rückt genau dieser Facettenreichtum immer mehr in den Fokus. In aktuellen Studien wurde versucht, die gewandelte Väterlichkeit zu typisieren. Im folgendem Kapitel werden vier Forschungsarbeiten mit diesem Schwerpunkt der Typisierung der Vaterrolle vorgestellt.
4 Die Vielfältigkeit der Vaterrolle – Typisierungsansätze in der Familienforschung
Der Blick auf die Väter im Bereich der Familienforschung hat erst eine kurze Geschichte (vgl. Seiffge-Krenke 2016, S. 5). Seit Beginn der Familienforschung vor etwa 90 Jahren, richtete sich der Forschungsschwerpunkt zunächst überwiegend auf die ,Mutter-Kind-Beziehungʽ. Seit etwa 40 Jahren findet man Forschungsarbeiten über Väter (vgl. ebd.). In diesen Arbeiten wurden jedoch hauptsächlich Gewalt und Missbrauch von Vätern in der Beziehung zu ihren Kindern thematisiert (vgl. ebd.). Wie sich dagegen Väter, die sich nicht in diese Gruppe eingliederten, in einer ,normalenʽ Familienstruktur verhielten und wie die Vater-Kind-Beziehung sowie die väterliche Rolle innerhalb der Familie aussah, blieb in der Familienforschung zunächst ohne Beachtung (vgl. ebd., S. 6). Erst im Jahr 1985 änderte sich dieses. Fthenakis richtete mit seinem zweiten Band Väter 8 erstmalig den Blick auf die Rolle der Väter in verschiedenen Familienstrukturen (vgl. Meuser 2012a, S. 68). Den gesellschaftlichen Wandel in dieser Zeit bezeichnete Fthenakis als ,sanfte Revolutionʽ, in der sich die Organisation und die Rollenteilung innerhalb der traditionellen Familie veränderte (vgl. Fthenakis 1985b, S. 3). Speziell beschrieb er die Bedeutung des Vaters in Bezug auf verschiedenste Familienformen, die bedingt durch den gesellschaftlichen Wandel erheblich an Vielfalt gewonnen haben (vgl. ebd., S. 4 ff). In diesem Zusammenhang verwies er bereits 1985 auf die Wichtigkeit einer „[…] erweiterten Definition der Vaterschaft, die neben der Ernährerfunktion auch die direkte Beteiligung des Vaters an der Kinderpflege und -erziehung einschließt“ (ebd., S. 4). Ebenso erkannte er die Notwendigkeit, die Väterforschung als Teil der Familienforschung zu verankern, um entsprechende Erkenntnisse in Bezug auf die Väter und deren Rolle innerhalb der Familie zu gewinnen (vgl. ebd.).
„Gegenwärtig lässt sich […] eine wachsende sozialwissenschaftliche Aufmerksamkeit für die Position des Vaters in der Familie und für den Wandel von Vaterschaft beobachten“ (Meuser 2009, S. 79). Im Bereich der sozialwissenschaftlichen und soziologischen Forschung kann man seit über zehn Jahren eine Häufung der wissenschaftlichen Publikationen zum Thema Vaterschaft wahrnehmen (vgl. Fthenakis/Minsel 2002a, S. 13).
Jedoch ist nach Ansicht von Matzner häufig das Ziel dieser Forschungsarbeiten allgemeine Aussagen über ,denʽ Vater zu erhalten (vgl. Matzner 2004, S. 17). Diese meist angewandte Makroperspektive auf ,denʽ Vater sei jedoch auf Grund der Vielfältigkeit und Bedeutung der Vaterrolle nicht ausreichend (vgl. ebd.).
„Es gibt nicht ,denʽ Mann oder ,denʽ Vater. Männer unterscheiden sich in ihren Vorstellungen von der Rolle des Mannes bzw. der Rolle des Vaters. Dies wird deutlich, wenn man die Ergebnisse von Studien betrachtet, die versucht haben, ,Vätertypenʽ […] zu identifizieren“
(BMFSFJ 2006, S. 34).
Mit Blick auf die Fragestellung dieser Bachelorarbeit werden im Folgenden vier Väterforschungsarbeiten vorgestellt, die sich speziell mit der Vielfalt der ,neuenʽ Väter und ihren Vaterrollen beschäftigt haben. Dabei ging es unter anderem um die Beteiligung des Vaters an der Erziehung der Kinder, die Veränderung von Familienmodellen und die vielfältige Typologie von Vaterschaftskonzepten (vgl. Fthenakis/Minsel 2002, Zulehner 2003, Matzner 2004 und Bambey/Gumbinger 2006). Denn
„Typologien wie diejenige von Matzner (2004) oder auch von Gumbinger und Bambey [2006] geben Hinweise auf die Vielfalt von Väterlichkeiten heute, inklusive der sie teilweise bestimmenden Widersprüchlichkeiten zwischen Intention und Umsetzung im Alltag“
(Jurczyk/Lange 2009, S. 25).
Auf Grund der Komplexität der verschiedenen Forschungen können nicht alle Ergebnisse und Erkenntnisse im Einzelnen vorgestellt werden. Daher wird der für diese Arbeit jeweils bedeutende Teil der Typisierung der Väter in die verschiedenen Vaterrollen jeweils vorgestellt und erläutert. Anschließend werden die einzelnen Ergebnisse der Typisierung miteinander verglichen und gegenübergestellt.
4.1 Die Rolle des Vaters in der Familie nach Fthenakis/Minsel (2002)
Die vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) geförderte Studie Die Rolle des Vaters in der Familie hatte als Ziel, die Vaterrolle im Familienentwicklungsprozess sowohl aus der Sicht der Väter als auch aus der Sicht der Partnerinnen und Kinder zu untersuchen (vgl. Fthenakis/Minsel 2002a, S. 34). Diese repräsentative Studie wurde innerhalb von drei Jahren anhand von Befragungen mithilfe eines Fragebogens durchgeführt (vgl. Fthenakis/Minsel 2002b, S. 1). Dabei wurden Männer und Väter in verschiedenen Lebensabschnitten (wie z.B. kinderlos oder werdende Väter) zum Teil mehrfach während der familiären Veränderung (z.B. Befragung vor und nach der Geburt des Kindes) befragt (vgl. ebd.).
[...]
1 Helmut Kohl: Bundestagsrede vom 1. Juni 1995 zur Geschichte der Vertreibung, Plenarprotokoll 13/41 vom 01.06.1995, S. 03183.
2 Die Begrenzung auf den Bereich ,Familieʽ erfolgt auf Grund des Themas dieser Bachelorarbeit und meint ,Eltern mit Kinder in der Eheʽ. Zudem liegt der Fokus auf dem Wandel der Vaterrolle innerhalb der Familie. Die Nachkriegsbetrachtung beschränkt sich auf den Bereich der Bundesrepublik Deutschland. Weitere Ausführungen würden den Rahmen dieser Arbeit überschreiten.
3 In: Tagesspiegel, 29.10.2008
4 In: Emma, Jan./Feb. 2009, S. 28ff
5 In: Eltern, Jun./ 2014, S. 65ff
6 In: der Spiegel, Nr. 52, 19.12.2015
7 In: Eltern family, April/ 2017, S. 22ff
8 vgl. Fthenakis 1985b
- Citation du texte
- Daniel Stachowiak (Auteur), 2020, Wer sind die „neuen“ Väter? Der Wandel der Vaterrolle in Familie und Familienpolitik, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/501029
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